Titel: Neues Verfahren zur Zuckerfabrication, von Hrn. Rousseau, Chemiker in Paris.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LXXXV., S. 378
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LXXXV. Neues Verfahren zur Zuckerfabrication, von Hrn. Rousseau, Chemiker in Paris.Patentirt für Frankreich am 17. August 1849. Die von Prof. Payen über Rousseau's Verfahren erstatteten Berichte wurden im polytechn. Journal, 1850, Bd. CXVI S. 297 und Bd. CXVIII S. 221 mitgetheilt. A. d. Red. Aus Armengaud's Génie industriel, 1851, Nr. 12. Mit Abbildungen auf Tab. V. Rousseau, Verfahren zur Zuckerfabrication. Bisher hatte man in den Rübenzuckerfabriken bei den Läuterungen immer und einzig zum Zweck, durch den Zusatz von Kalk die vorhandenen Säuren zu sättigen und die Schaumbildung zu erleichtern. Hierzu brachte man aber den Saft unter dem Einfluß des Kalks zum Sieden, wodurch folgende Nachtheile entstanden: 1) Entmischung einer stickstoffhaltigen Substanz, deren Zersetzung den größeren Theil des sich entwickelnden Ammoniaks erzeugt, während gleichzeitig auf Kosten derselben Substanz ein braunes Product entsteht, welches sich mit dem Kalk vereinigt und im Saft aufgelöst bleibt. 2) Ein Theil dieses Kalks geht mit dem Zucker eine Verbindung ein, welche bei 100° C. (80° R.) unauflöslich wird, daher in den Schaum mitgerissen werden kann, wodurch man Zucker verliert. 3) Veränderung einer eiweißartigen Substanz, die mit dem Kalk verbunden, eine klebrige und fadenziehende Materie gibt, welche die Krystallisation des Zuckers verhindert. 4) Veränderung des Zuckers selbst, welcher unter dem Einfluß dieser sämmtlichen Substanzen und bei dem Temperaturgrad, worauf man ihn sowohl bei der Läuterung als bei den folgenden Operationen bringt, unkrystallisirbar wird und gleichzeitig eine braune Färbung annimmt, wovon man ihn nur schwer befreien kann. 5) Endlich Veränderung des Farbstoffs, welcher unter dem Einfluß des Kalks grün geworden, eine braune Farbe annimmt, die nach und nach dunkler wird und endlich die charakteristische Nüance erlangt, welche sie in den Melassen und dem Rohzucker darbietet. Unter den Mängeln dieser Behandlungsweise hat in der neuesten Zeit besonders der Umstand Beachtung gefunden, daß dabei eine gewisse Menge Kalk im Zucker zurückbleibt. Obgleich man wußte, daß dieser Kalk dem Zucker durch die Knochenkohle entzogen wird, so versuchte man doch auch mittelst geeigneter Reagentien ihn niederzuschlagen, z.B. mit Schwefelsäure, Alaun, schwefelsaurer Thonerde, Kohlensäure, Stearinsäure etc.; die Einen glaubten auf diese Weise die Ursachen der erwähnten Veränderungen zu beseitigen, die Anderen beabsichtigten dadurch an Knochenkohle zu ersparen. Diese Versuche mußten erfolglos bleiben, einerseits weil die erwähnten Veränderungen schon vorher hervorgebracht waren, andererseits weil man durch das Niederschlagen des Kalks – welcher mit den erwähnten braunen und klebrigen Substanzen verbunden war und denselben den flüssigen Zustand ertheilte – diese Substanzen wieder in Freiheit setzte, so daß sie den Saft nach und nach färbten und so klebrig machten, daß er sich oft nicht mehr verkochen ließ. Wegen dieser notorischen Veränderungen des Saftes mußte man daher immer die Menge des Kalks so weit als möglich beschränken. Das neue Verfahren von Rousseau hat zum Zweck, unmittelbar reinen Zucker, schon bei der ersten Krystallisation, zu gewinnen, und eignet sich auch zum Raffiniren des Rohzuckers und der geringen Producte. Es wirkt direct auf die fremdartigen, organischen oder mineralischen Substanzen welche in dem zuckerhaltigen Saft vorkommen, und macht sie unauflöslich, so daß sie die oben erwähnten Veränderungen nicht erleiden können. Man erhält den unversehrten Zucker im Wasser des Safts aufgelöst, daher man schon bei der ersten Krystallisation weißen Zucker in Broden bekommt, welche ohne alle weitere Behandlung unmittelbar in den Handel gebracht werden können. Zu diesem Zweck benutzt der Erfinder die Eigenschaft, welche der Kalk und gewisse Kalksalze besitzen, unter dem Einfluß der Wärme die organisirten Gewebe der Vegetabilien und gewisse organische Substanzen unauflöslich zu machen, indem er gleichzeitig die Veränderungen welche diese Substanzen erleiden könnten, dadurch verhütet daß er auf geeignete Weise die Temperatur regulirt. In Folge dieses Systems hat man den schädlichen Einfluß des Kalks nicht mehr zu fürchten, sondern kann ihn sogar als ein kräftiges Hülfsmittel in Ueberschuß anwenden. Die Operation wird folgendermaßen durchgeführt: Bei Anwendung von Saft welcher durch die gewöhnlichen Verfahrungsarten erhalten wurde, erhöht man dessen Temperatur auf 50 bis 75° C. (40 bis 60° R.) je nach der Jahreszeit; die Temperatur muß nämlich in dem Maaße höher seyn als diejenige der Atmosphäre sinkt; dann gießt man eine Quantität gelöschten und gesiebten Kalk hinein, welche alle fremdartigen und gerinnbaren Substanzen hinreichend sättigen kann; dieses Verhältniß von Kalk ergibt sich durch die Erfahrung, weil es nach den Rübensorten, dem Grad ihrer Reife, und selbst nach der Beschaffenheit des Bodens worin sie wuchsen, ein verschiedenes ist. Diese Kalkmenge kann so von 15 bis 50 Kilogr. per 10 Hektoliter Runkelrübensaft wechseln. Die Kennzeichen, daß die Operation gut geleitet wurde, sind: Abwesenheit jedes ammoniakalischen Geruchs, eine blaßgelbe Färbung des Saftes und ein sehr deutlicher alkalischer Geschmak, welcher denjenigen des Zuckers fast gänzlich maskirt. Nach dem Umrühren erhitzt man auf 85 bis 90° C. (68 bis 72° R.), indem man streng darauf achtet, daß die Flüssigkeit nicht zum Sieden kommt. (Die Veränderungen welche beim bisherigen Verfahren statt fanden, treten hier nicht ein, daher sich kein Ammoniak entbindet.) Alsdann sind die dem Zucker fremdartigen Substanzen gänzlich geronnen; ein Theil steigt als Schaum obenauf, während der andere auf den Boden des Kessels niederfällt. Man gießt den klaren Theil der Flüssigkeit ab; den Schaum preßt man aus, wie gewöhnlich. Wenn man den Kalk genau in demjenigen Verhältniß anwenden könnte, welches hinreicht um bloß alle fremdartigen Substanzen niederzuschlagen, so würde offenbar nur der Zucker im Wasser aufgelöst bleibenbleibeiben, nebst den Salzen welche der Saft enthält; da aber bei dieser Operation außer dem Zucker auch die fremdartigen Substanzen ihre Verwandtschaft zum Kalk geltend machen, so verbindet sich ein großer Theil des Zuckers mit dieser Basis zu Zuckerkalt, was folglich anzeigt, daß die Menge des Kalks hinreichend ist und den empirischen Charakter der Operation bildet. Man hat nun bloß noch den Zucker aus dieser Verbindung frei zu machen, wozu Rousseau vorzugsweise die Kohlensäure anwendet, weil sie leicht und wohlfeil zu bereiten und dem Zucker nicht schädlich ist. Man erzeugt sie durch Verbrennen irgend einer Kohle, und nachdem man sie in einem Reinigungsgefäß gewaschen hat, blast man sie in den Saft. Der Kalk, welcher mit dem kohlensauren Gas in Berührung kommt, schlägt sich als kohlensaurer Kalk nieder; nachdem er gesättigt ist, was man leicht erkennt, bringt man die Flüssigkeit zum Sieden, welches man einige Minuten unterhält, was nöthig ist um alle überschüssige Kohlensäure zu verjagen und das in der Auflösung gebliebene Kalk-Bicarbonat zu zerstören. Man filtrirt alsdann, worauf man wie gewöhnlich abdampft, und man erhält so einen Saft, welcher sich beim Einkochen nicht mehr färbt, in den Apparaten keine Krusten mehr bildet und einen Syrup von solcher Reinheit gibt, daß derselbe unmittelbar in Formen gefüllt werden kann undnnd Brode reinen Zuckers von gutem Geschmack liefert, welche ohne irgend ein vorheriges Raffiniren verkäuflich sind. Will man noch schönere Producte erhalten, so filtrirt man den Syrup ein zweitesmal wenn er nach dem Abdampfen 27 Grade an Baumé's Aräometer zeigt. Da die Erfahrung lehrte, daß der geläuterte Saft welcher noch eine gewisse Menge Kalk zurückhält, sich unter dem Einfluß der Luft nicht mehr so rasch färbt, so hatte man früher vorgeschlagen, den Saft mit Kalk (nämlich 1 1/2 Procent vom Gewicht des Saftes) kochen zu lassen, um den größeren Theil der Operationen unter dem Einflüsse des Kalks durchzuführen, und zugleich in der Absicht die Menge der Knochenkohle zu vermindern; alsdann solle man den Kalk durch einen Strom von Kohlensäure niederschlagen. Aber dieses Verfahren wäre in der Praxis ebenso fehlerhaft als es nach der Theorie verwerflich ist; denn die im Saft enthaltenen fremdartigen Substanzen würden unter dem Einfluß des Kalks und des Siedens die oben erwähnten Veränderungen erleiden; überdieß würde der so im Saft zurückgehaltene Kalk viel beträchtlichere Bekrustungen bilden als sie mit dem gewöhnlichen Saft entstehen. Endlich würde das Gerinnen des Zuckerkalks, welches unter diesen Umständen unvermeidlich stattfände, das Absetzen desselben auf den Abdampfapparat und als Folge hiervon die Zerstörung des Zuckers veranlassen. Die Mutterlaugen oder grünen Syrupe welche von den Broden erster Krystallisation abfließen, sind so rein, daß sie ohne irgend eine neue Operation verkocht werden können und zweite Brode geben, welche fast von gleicher Qualität wie die ersten Brode sind. Da jedoch diese Syrupe nebst den Salzen noch einige vegetabilische Substanzen enthalten, welche wegen ihrer großen Vertheilung in der Flüssigkeit den vorher angewandten Reagentien entgingen, so setzt man, um diese Syrupe zu reinigen, eine dem Betrage dieser Substanzen entsprechende neue Quantität Kalk zu, und hernach soviel Kieselerde und Thonerde, daß die Kali- und Natronsalze sich damit vereinigen und unauflöslich werden könnenDie Versuche des Hrn. Medicinalraths Michaelis, die Alkalien des Rübensaftes schon bei der Läuterung durch Zusatz von Chlorwasserstoffsäure unschädlich zu machen (die Zerstörung des Zuckers mittelst Chlorcalciums zu verhindern), wurden in diesem Bande des polytechn. Journals S. 57, 138 und 293 mitgetheilt. A. d. Red.. Man findet diese Kieselerde und diese Thonerde in geeignetem Zustand in gewissen plastischen Thonen oder in kieseligen Mergeln. Hierzu verfährt man folgendermaaßen: Die Syrupe werden mit Wasser verdünnt, bis sie 10 bis 20 Grade an Baumé's Aräometer zeigen, dann auf die Temperatur von 60° C. (48° R.) gebracht. Man schüttet den Kalk hinein; in der Regel verwendet man für 10 Hektoliter Syrupe, welche von den nach dieser Methode behandelten Zuckern herrühren, 20 bis 30 Kilogr. Kalkhydrat. Diese Kalkmenge wechselt nothwendig je nach der anfänglichen Beschaffenheit des Safts. Man rührt um, dann setzt man 2 bis 4 Kilogr. Thon oder kieseligen Mergel (mit Wasser zu einem Brei angerührt) zu, rührt neuerdings um, und steigert die Temperatur auf 60 bis 80° C. (48 bis 64° R.), worauf man diesen Kalk durch einen Strom Kohlensäure sättigt, wie es für den ersten Saft angegeben wurde; endlich filtrirt man diesen Saft über Knochenkohle, wo er dann von allen fremdartigen Substanzen gereinigt ist. Diese Behandlungsart eignet sich für die Syrupe welche vom Schmelzen des Rohzuckers für das Raffiniren herrühren, und auch zum Reinigen der geringen Producte und Melassen welche man bei den gewöhnlichen Operationen erhielt. Die grünen Syrupe der Brode Nr. 2 können körnigen Zucker dritter Krystallisation liefern, wenn man sie nach dem Verkochen in Gefäße gießt, worin sie nach 24 bis 36 Stunden vollständig krystallisiren. Man kann sie dann – weil der so behandelte Zucker keinen Beigeschmack behält und sich mit der größten Leichtigkeit bleicht – direct zu Broden Nr. 3 machen, ohne sie umzuschmelzen (d.h. ohne sie aufzulösen, zu läutern und abzudampfen), indem man sie in geeignetem Verhältniß mit Klärsel der Brode Nr. 1 oder von erster Krystallisation mischt, diese Mischung auf 85° C. (68° R.) erhitzt und sogleich zu Broden verarbeitet, welche man dann durch die gewöhnlichen Verfahrungsarten bleicht. Durch diese verschiedenen Operationen erhalte ich nach und nach und bis zum Ende der Arbeit mit dem Runkelrüben- oder Rohrsaft einen weißen Zucker, welcher ohne Raffiniren verkäuflich ist. Bei diesem Verfahren ist weder für die Arbeiter noch die Apparate irgend eine Unbequemlichkeit oder ein Nachtheil zu befürchten, und es kann auch in Folge einer schlecht geleiteten Operation keine ungesunde Substanz im Zucker zurückbleiben, was bei Anwendung von Barytsalzen, Bleisalzen etc. möglich wäre. Beschreibung des Apparats. Fig. 1 ist ein Aufriß und Fig. 2 ein Grundriß des Apparates zum Erzeugen und Einblasen der Kohlensäure. Ein Blascylinder a, welcher bei diesem Apparat eine doppelt-wirkende Saug- und Druckpumpe ist, wird durch eine Dampfmaschine b bewegt; er treibt einen Luftstrom in einen luftdicht geschlossenen Ofen c, durch ein Rohr d, welches unten in der Höhe des Rostes angebracht ist. Von diesem Ofen geht ein anderes Rohr e aus, welches die gasförmigen Verbrennungsproducte in ein Gefäß f leitet, worin es einige Centimeter unter Wasser taucht; dieses Gefäß ist ebenfalls überall geschlossen und beiläufig zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Das Wasser hat den Zweck, die Gase zu reinigen.. Endlich ist am obern und leeren Theil des Gefäßes f ein anderes Rohr g angebracht, welches das Gas in die Pfanne leitet worin der Saft mit Kohlensäure behandelt wird. Das mit einem Hahn versehene Rohr g bildet in dieser Pfanne eine Spirale, deren Windungen vom oberen Theil bis zum Boden immer kleiner werden, wenn die Pfanne eine halbkugelförmige ist, während bei den Pfannen mit flachem Boden das Schlangenrohr welches das Gas herleitet, horizontal und auf dem Boden der Pfanne angebracht wird. Das Ende dieses Rohrs wird mit einem Schraubenpfropf verschlossen, und die Löcher für den Austritt des Gases sind auf jeder Seite einander entgegengesetzt angebracht; die Durchmesser der Löcher sind so berechnet, daß ihre Gesammtoberfläche den Querschnitt des Rohrs selbst repräsentirt, wobei man jedoch die Vorsicht gebrauchen muß, die Löcher des obern Theils kleiner zu machen als die tiefer in der Flüssigkeit befindlichen, weil sonst das Gas, durch das Gewicht der Flüssigkeit gedrückt, gänzlich am obern Theil austreten würde, ohne sich in den unteren Schichten zu verbreiten. Um mit diesem Apparat die Kohlensäure zu erhalten, braucht man nur ein Gemenge von gut gebrannten Kohks und von Holzkohlen in dem Ofen c anzuzünden, nachdem man alle Oeffnungen desselben lutirt hat, und sogleich die Blasmaschine in Bewegung zu sehen. Die Verbrennung durch diesen Luftstrom unterhalten, bildet Kohlensäure, welche, indem sie durch die Wasserschicht im Gefäß f aufsteigt, gereinigt wird, und von da in die Pfanne mitten in den Saft gelangt, welchen sie in allen Richtungen herumbewegt. Bei dem Einströmen der Kohlensäure bildet sich auf der Oberfläche der Flüssigkeit ein reichlicher Schaum, welcher bald gänzlich verschwindet, die Flüssigkeit trüb hinterlassend, das Anzeichen daß die Operation beendigt ist. Da das Gas bei seinem Austritt aus dem Ofen c sehr heiß ist, so würde es das Rohr glühend machen und bald verderben, wenn man nicht einen Theil dieses Rohrs (beiläufig 1 Meter) in einen Kühlcylinder h einschlösse, in welchen beständig kaltes Wasser gelangt. Dieser Kühlcylinder ist versehen: 1) mit einem Hahn i, durch den das Wasser zuströmt und welcher nötigenfalls die Communication mit dem Gefäß f durch das Rohr j gestattet; 2) mit einem Abfließrohr k und mit einem Entleerungshahn l. Um die Verbrennung zu mäßigen, ist auf dem Rohr d, welches die Blasmaschine und den Ofen verbindet, eine Tubulatur m mit Hahn angebracht, um einen Theil der eingeblasenen Luft entweichen lassen zu können. Ferner ist auf dem Reinigungsgefäß ein Sicherheitsventil p angebracht, um jede Gefahr zu beseitigen für den Fall daß die Austrittslöcher f des Gases durch den Niederschlag verstopft würden. Das Waschgefäß f ist mit zwei Hahnen versehen, wovon der eine n zum Reguliren des Wasserstandes, und der andere o zum Entleeren des Gefäßes dient.

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