Titel: | Verfahren zur Bereitung von Paraffin und Paraffinöl aus Steinkohlen; von J. Young. |
Fundstelle: | Band 125, Jahrgang 1852, Nr. XCIX., S. 454 |
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XCIX.
Verfahren zur Bereitung von Paraffin und
Paraffinöl aus Steinkohlen; von J.
Young.
Aus dem Technologiste, August 1852, S.
570.
Young, Verfahren zur Bereitung von Paraffin und Paraffinöl aus
Steinkohlen.
Meine Behandlung der bituminösen Steinkohlen hat zum Zweck, ein wesentliches Oel
daraus zu gewinnen, welches Paraffin enthält und das ich Paraffinöl nenne; aus
demselben kann man dann das Paraffin abscheiden. Am besten eignen sich zu diesem
Zweck die fetten bituminösen Steinkohlen, wie Cannel- und
Parrot-Kohlen, weil sie bei einer hohen Temperatur eine beträchtliche Menge
Gas von großer Leuchtkraft geben; einige darunter enthalten ziemlich viel erdige
Stoffe, welche jedoch bei diesem Verfahren keinen nachtheiligen Einfluß zu haben
scheinen.
Darstellung des Paraffinöls. – Um Paraffinöl mit
den fetten Steinkohlen zu erhalten, verfährt man folgendermaßen:
Die Steinkohle wird zu eigroßen oder noch kleineren Stücken zertheilt, und dann in
eine Gasretorte gebracht, womit ein Schlangenrohr verbunden ist, welches durch einen
Strom kalten Wassers auf 12 bis 13° C. (10 bis 12° R.) abgekühlt
erhalten wird. Das Schlangenrohr darf nicht zu stark abgekühlt werden, weil sonst
das Product der Destillation sich in demselben festsetzen und es verstopfen könnte.
Nachdem die Retorte auf
gewöhnliche Weise verschlossen wurde, erhitzt man sie bis zum dunkeln Rothglühen, und man erhält sie in dieser Hitze, bis sich daraus
keine flüchtigen Producte mehr entwickeln. Dieser Hitzegrad darf nicht überschritten werden, weil bei stärkerer Hitze die Ausbeute an
dem gewünschten Product viel geringer wird, indem sich dasselbe in permanente Gase
verwandelt. Ebenso muß man auch die Hitze nur langsam bis zu
diesem Grade steigern. Nach beendeter Destillation zieht man die Kohks aus
der Retorte, welche man unter die dunkle Rothglühhitze erkalten läßt, um keinen
Verlust bei der neuen Beschickung zu erleiden, welche ebenso behandelt wird.
Das rohe Paraffinöl, welches aus der Steinkohle abdestillirte, verdichtet sich im
flüssigen Zustande im Schlangenrohr, aus welchem es in eine Vorlage ablauft. Die
Beendigung der Operation erkennt man daran, daß keine Flüssigkeit mehr aus dem
Schlangenrohr ablauft. Das rohe Paraffinöl setzt, wenn es bis ungefähr 10° C.
(8° R.) abgekühlt wird, oft Paraffin ab.
Um aus den Steinkohlen eine beträchtliche Menge rohes Paraffinöl zu erhalten und die
möglich geringste Menge permanenter Gase zu erzeugen, muß man die größte Sorgfalt
darauf wenden, daß man die Retorte ganz allmählich erhitzt und die Temperatur nicht
höher steigert als es zur Beendigung der Operation nothwendig ist. Dessenungeachtet
erzeugen sich während der Destillation immer permanente Gase, welche man sammeln
oder entweichen lassen kann.
Um das erhaltene rohe Oel zu reinigen, verfährt man folgendermaßen: Man gießt es in
einen Behälter, den man mittelst Wasserdampf auf 55 bis 56° C. (44 bis
45° R.) erhitzt. Bei dieser Temperatur scheiden sich das Wasser und die
ungelösten Unreinigkeiten leichter aus dem Oel ab, als in der Kälte, und indem man
das Oel einen Tag lang auf diesem Wärmegrad erhält, setzen sich dieselben zu Boden,
worauf das klare Oel abgezogen wird. Man schreitet dann zur Destillation dieses Oels
in einer eisernen Blase, deren Schlangenrohr auf 12 bis 13° C. (10°
R.) abgekühlt wird. Die Destillation wird fortgesetzt, bis der Rückstand in der
Blase trocken und verkohlt erscheint. Vor dem Einbringen einer neuen Quantität Oel
in die Blase, wird dieser Rückstand aus derselben entfernt.
Das destillirte Oel bringt man in ein Bleigefäß und setzt ihm auf je 100 Liter nach
und nach 10 Liter englische Schwefelsäure zu Diese Mischung wird eine Stunde lang
sorgfältig durch einander gerührt, worauf man sie zwölf Stunden lang ruhig stehen
läßt, wobei die Säure
und die Unreinigkeiten sich zu Boden setzen. Man decantirt darauf das Oel in ein
eisernes Gefäß, vermischt es auf je 100 Liter mit 4 Litern ätzender Natronlauge von
1,3 spec. Gewicht, rührt das Ganze eine Stunde lang zusammen (damit sich jede Spur
rückständiger Säure mit dem Alkali verbinden muß), läßt sechs bis acht Stunden lang
ruhig stehen, und trennt das Oel wieder von der Natronlösung, welche sich zu Boden
gesetzt hat. Das Oel wird darauf nochmals in der beschriebenen Weise destillirt.
Das so gereinigte Paraffinöl enthält ein Oel, welches flüchtiger ist als das
Paraffin, von welchem man einen beträchtlichen Theil auf folgende Weise abscheiden
kann: man vermischt das Paraffinöl mit der Hälfte seines Volums Wasser und
destillirt es in einer eisernen Blase mit Kühlvorrichtung, indem man die Mischung
zwölf Stunden lang oder noch länger kochen läßt und von Zeit zu Zeit das verdampfte
Wasser ersetzt. Das flüchtige Oel geht dabei mit den Wasserdämpfen über und
verdichtet sich im Kühlrohr; es ist klar, durchsichtig, leichter als Wasser, und man
kann es zum Brennen oder zu anderen Zwecken verwenden.
Das nach der vorhergehenden Operation verbleibende Oel wird mit Sorgfalt von dem
Wasser getrennt, auf welchem es schwimmt, und in ein bleiernes Gefäß gebracht, worin
man es auf je 100 Liter mit 2 Litern Schwefelsäure versetzt. Diese Mischung wird
sechs bis acht Stunden lang sorgfältig durch einander gerührt, worauf man sie 24
Stunden lang stehen läßt, damit sich die Schwefelsäure sammt den Unreinigkeiten
absetzen kann. Das oben schwimmende Oel wird in ein anderes Gefäß decantirt und auf
je 100 Liter mit drei Kilogr. Kreide versetzt, die in etwas Wasser vertheilt ist.
Man rührt das Oel mit der Kreide um, bis es von jeder Spur schwefliger Säure befreit
ist, was leicht zu erkennen ist, indem man eine kleine Quantität in einer gläsernen
Retorte erhitzt und den entweichenden Dampfen Lackmuspapier aussetzt, welches nicht
mehr geröthet werden darf; im entgegengesetzten Fall muß man das Oel neuerdings mit
Kreide behandeln. Dann erwärmt man das Oel auf 37 bis 38° C. (30° R.)
beiläufig acht Tage lang, damit sich alle Unreinigkeiten absetzen, worauf es zur
Benutzung als Schmiermaterial (allein oder in Vermischung
mit Fetten), sowie zum Brennen in Argand'schen Lampen
anwendbar ist.
Darstellung des Paraffins. – Um das Paraffin aus
diesem Oel zu gewinnen, kühlt man dasselbe bis zu einer niedrigen Temperatur ab; je mehr man es
abkühlt, desto mehr Paraffin scheidet sich daraus ab. Das auskrystallisirte Paraffin
wird auf Wollentüchern gesammelt und dann ausgepreßt. In diesem Zustande ist es als
Maschinenschmiere und zu Kerzen anwendbar.
Das Paraffin kann aber noch weiter gereinigt werden, indem man es mehrere Male
abwechselnd bei 70 bis 72° C. (56 bis 58° R.) mit seinem gleichen
Volum concentrirter Schwefelsäure und mit einer ähnlichen Quantität ätzender
Natronlauge von 1,3 spec. Gewicht behandelt, bis es die Schwefelsäure nicht mehr
schwärzt. Man wäscht es dann mit schwacher Natronlösung und zuletzt mit warmem
Wasser, bis dieses das rothe Lackmuspapier nicht mehr blau macht.
Man kann das Paraffin auch aus dem rohen Paraffinöl
gewinnen, indem man von demselben erst die Hälfte oder etwas mehr abdestillirt. Die
zurückbleibende Portion enthält dann verhältnißmäßig viel mehr Paraffin; wenn man
diesen Rückstand weiter destillirt und das dabei Uebergehende in einem andern Gefäß
auffängt, so ist letzteres Destillat verhältnißmäßig reich an Paraffin, und läßt,
wenn man es erkaltet, dasselbe auskrystallisiren. Das so erhaltene Paraffin kann
dann auf angegebene Weise durch Behandlung mit Schwefelsäure und Natron gereinigt
werden.
Das Oel, aus welchem das Paraffin abgeschieden worden ist, enthält noch immer
Paraffin aufgelöst, und kann als Maschinenschmiere oder zur Beleuchtung verwendet
werden.Liebig sagt in seinen chemischen Briefen:
„Man würde es sicher als eine der größten Entdeckungen unseres
Jahrhunderts betrachten, wenn es Jemanden gelungen wäre, das
Steinkohlengas in einen weißen, festen, trockenen, geruchlosen Körper zu
verdichten, den man auf Leuchter stecken, von einem Platz zum andern
tragen, oder in ein flüssiges, farb- und geruchloses Oel, das man
in Lampen brennen könnte.“ Dieß hat gewissermaßen Hr.
Young realisirt.
Vor einigen Jahren lenkte Dr. Playfair dessen Aufmerksamkeit auf das Oel,
welches in einem Steinkohlenbruch in Derbyshire vorkommt und Paraffin
enthält Young verwendete diese Flüssigkeit im
Großen zur Fabrikation von Maschinenschmiere (nach Reichenbach's Angaben). Nachdem dieses
Oel erschöpft war, bemühte sich Young es
künstlich zu erzeugen; er fand bei seinen Versuchen, daß die langsame Destillation der Steinkohlen neben
anderen öligen Produkten festes Paraffin liefert, welches mit dem
ölbildenden Gas isomer ist. A. d. Red.