Titel: | Technische Mittheilungen aus England; von Hrn. Dr. Fr. Heeren. |
Fundstelle: | Band 126, Jahrgang 1852, Nr. IX., S. 29 |
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IX.
Technische Mittheilungen aus England; von Hrn.
Dr. Fr.
Heeren.
Aus den Mittheilungen des hannover'schen Gewerbevereins,
1852, Lief. 66 und 67.
(Fortsetzung von S. 216 des vorhergehenden
Bandes.)
Heeren, technische Mittheilungen aus England.
4) Das Gußstahlwerk Cyklops-Steel-Works von Johnson,
Cammel und Comp. in Sheffield.
Wie in England sich so viele Fabricationszweige auf bestimmte Gegenden concentriren,
so hat auch die Stahlbereitung vorzugsweise sich einen aparten District auserwählt,
und in und um Sheffield ihr Domicil aufgeschlagen, ohne daß sich in diesem Falle ein
bestimmter, in der Oertlichkeit liegender Grund dafür auffinden ließe, denn weder
wird das benöthigte Eisen an diesem Orte gewonnen, noch findet sich ein zu den
Schmelzgefäßen tauglicher Thon in der Nähe desselben.
Schon beim Eintritt in diese Stadt gibt sich die Anwesenheit der vielen
Gußstahl-Fabriken durch die überall hervorragenden kegelförmigen Rauchmäntel
der Cementiröfen zu erkennen, welche theils einzeln, theils in Gruppen sich über die
Fabrikgebäude erheben. Unter den Sheffielder Stahlwerken ist das obengenannte eines
der größten und bedeutendsten, und es wurde uns das Glück zu Theil, es mit
Genehmigung der Inhaber vollständig besichtigen zu können.
Für diejenigen unserer Leser, welchen der Gegenstand nicht näher bekannt seyn sollte,
schicken wir einige allgemeine Bemerkungen vorher. Stahl ist eine chemische
Verbindung von Eisen mit einer kleinen Menge, 1 bis 1 1/2 Procent, Kohlenstoff. Man
gewinnt ihn vorzugsweise nach zwei verschiedenen Methoden. Die eine, ältere, stellt
ihn aus Gußeisen dar, einer Verbindung von Eisen mit 4
bis 5 Procent Kohle, indem sie demselben durch einen Oxydationsproceß
(Stahlfrischen) den größten Theil des Kohlenstoffes entzieht. Der so gewonnene Stahl
wird Schmelzstahl genannt. Nach der zweiten gerade
entgegengesetzten Methode wird der Stahl aus fertigem Stabeisen, fast reinem,
kohlenfreiem Eisen, dargestellt, indem man dasselbe in einer Umgebung von Kohle
längere Zeit glüht, wobei es durch Aufnahme von Kohlenstoff in Stahl übergeht. Man nennt diese Operation
das Cementiren, und den so bereiteten Stahl Cementstahl. Beide Stahlarten bilden in dem Zustande, wie
sie unmittelbar erhalten wurden, eine ziemlich ungleichförmige, für die meisten
Verwendungen noch unbrauchbare Masse, und bedürfen einer weitern Verarbeitung, die
dahin zielt, dem Stahl mehr Gleichförmigkeit zu verleihen. Zu diesem Zwecke nun
bieten sich wieder zwei Wege dar, der eine, durch wiederholtes Zusammenschweißen
mehrerer Stücke und Ausschmieden derselben, Raffiniren, Gärben. Der so erhaltene
Stahl wird raffinirter Stahl oder Gärbstahl genannt, und
ist zwar ziemlich, aber keinesweges vollständig gleichförmig, indem es auf diesem
Wege ganz unmöglich ist, eine so vollkommene Mischung zu erreichen, daß jedes
Theilchen genau gleichviel Kohlenstoff enthielte. Für manche Zwecke freilich, welche
einen mehr zähen als spröden Stahl verlangen, ist gerade die Zusammensetzung des
Gärbstahles aus härteren und weicheren Partien vortheilhaft. Der zweite Weg besteht
darin, den Stahl zusammenzuschmelzen, wodurch natürlich eine gleichförmig
zusammengesetzte Masse entsteht, besonders wenn die Abkühlung durch Eingießen in
kalte eiserne Formen ganz plötzlich erfolgt. Dieser Stahl wird Gußstahl genannt, und ist seiner Gleichförmigkeit und großen Härte wegen
für die meisten Zwecke vorzüglich, besitzt aber weniger Zähigkeit als der Gärbstahl.
Zur Bereitung des Gußstahls übrigens kann ebensowohl Schmelzstahl wie Cementstahl
angewandt werden, so wie auch Gärbstahl aus beiden Sorten angefertigt werden kann;
es ist jedoch am meisten üblich, den Gärbstahl aus Schmelzstahl, und dagegen den
Gußstahl aus Cementstahl darzustellen. In England geschieht vorzugsweise das
letztere.
Wir kehren nun zur Beschreibung des Cyklopen-Stahlwerks zurück, in welchem
zuerst Stabeisen durch Cementation in Cementstahl, und dieser sodann durch
Schmelzung in Gußstahl umgewandelt wird. Das zur Stahlbereitung dienende Stabeisen
ist theils schwedisches, theils englisches, seltener russisches, und wird gewöhnlich
in Stäben von 4 Zoll Breite und 1/2 Zoll Dicke angewandt. Dem schwedischen Eisen
wird vor allen anderen Sorten der Vorrang eingeräumt, doch kann es des hohen Preises
wegen, 30 Liv. Sterl. die Tonne von 2240 Pfd., nur zu den feinsten Stahlsorten
gebraucht werden. Russisches Eisen, ebenso wie das schwedische aus Magneteisenstein
mit Holzkohle erblasen und gefrischt, obgleich sehr gut und immer noch viel besser
als englisches, kostet nur 17 Liv. Sterl. Die Einrichtung der Cementiröfen stimmt,
so weit sie sich bei einer cursorischen Besichtigung erkennen ließ, mit den in besseren technischen
Werken enthaltenen Abbildungen so genau überein, daß es überflüssig seyn würde hier
eine detaillirte Beschreibung zu geben. Ein jeder Ofen enthält zwei große, aus
feuerfesten Steinen zusammengesetzte Kasten, von etwa vier Fuß Breite und Höhe und
12 Fuß Länge, welche gemeinschaftlich von dem flachen Gewölbe des Ofens überspannt
werden. Die Flamme des in einem getrennten Raume unter dem Ofen brennenden Feuers
dringt durch sechs Oeffnungen in den Zwischenraum zwischen den Kasten, und durch
ebensoviele Canäle unter denselben hindurch, um sie auch an der Außenseite zu
erhitzen, und zieht durch niedrige Schornsteine, deren 3 sich an jeder Seite des
Ofens befinden, ab. Der ganze Ofen endlich ist unter einem etwa 60 Fuß hohen
kegelförmigen Mantel, welcher sich oben in einen offenen cylinderförmigen Aufsatz
endigt. Unser Cyklopenstahlwerk enthält sechs solcher Cementiröfen, also zwölf
Kasten. Das Cementirmittel, mit welchem die Eisenstangen schichtweise in die Kasten
eingelegt werden, besteht in Kohle von Eichenholz, welche nicht pulverförmig,
sondern nur bis zu einer Größe von etwa 1 bis 2 Linien Durchmesser zerkleint ist.
Zusätze (Asche und Salz) sollen nicht angewandt werden, wie wir denn auch dem Füllen
mit beigewohnt und von dergleichen Zusätzen nichts wahrgenommen haben. Nachdem die
Kasten gefüllt und mit Thonplatten zugedeckt sind, wird 8 Tage lang gefeuert,
hierauf der Ofen vermauert und vierzehn Tage zum Abkühlen sich selbst überlassen, so
daß bei regelmäßigem Betriebe in jeder Woche zwei Oefen entleert werden können. Die
Besetzung jedes Ofens wird etwa 300 Centner Eisen betragen.
Das Schmelzen des Stahls. Die hierzu erforderlichen
Tiegel werden auf dem Stahlwerke selbst aus einem Thon angefertigt, welcher aus
Derbyshire bezogen wird, und dem berühmten Stourbridge-Thon sehr ähnlich ist.
Er besitzt eine dunkelbräunlich-graue Farbe, ist sehr compact und schwer, von
schieferiger Absonderung, und scheint ein Mittelding zwischen plastischem Thon und
Schieferthon zu seyn. Man weicht ihn in Wasser auf, was langsam erfolgt, mischt ihn
mit Charmotte (gebranntem und pulverisirtem Thon) und läßt ihn durch Treten
bearbeiten. Zur Anfertigung der Tiegel dient eine eiserne Form, deren in der Mitte
mit einem Loch versehener Boden beweglich ist, und zwar auf einem Falze ruht, so daß
er nach innen herausgeht. Nachdem ein Klumpen Thon in die Form geworfen worden, wird
ein ebenfalls eiserner Kern von der Größe der Höhlung des Tiegels, und unten in der
Mitte mit einem zapfenförmigen Ansatz versehen, zuerst aus freier Hand eingedrückt, und zuletzt mit einem
schweren Hammer eingetrieben, wobei der erwähnte Zapfen durch das Loch des Bodens
hindurchgeht. Sowohl der Kern wie auch die Form sind vorher stark geölt. Nachdem der
oben aus der Form hervorgedrungene Thon abgestrichen worden, wird der Kern
herausgezogen, der Rand des Tiegels mit einem Messer von der Form abgelöst, wodurch
eine obere Verengerung entsteht, und nun das Ganze auf einen Untersatz gestellt,
worauf die Form durch ihr eigenes Gewicht herabsinkt, während der Tiegel auf dem
Boden der Form stehen bleibt. Er wird nun sorgfältig von dem Boden aufgehoben, das
Loch zugemacht, und der soweit fertige Tiegel zum Trocknen hingestellt. Das Abwärmen
der Tiegel und den dazu dienenden Temperofen habe ich nicht gesehen, und muß daher
diesen Punkt unerörtert lassen.
Die Schmelzöfen sind zur Aufnahme von zwei Tiegeln eingerichtet und daher von
länglich viereckigem Querschnitt; sie sind vertieft angebracht, so daß die obere
Oeffnung in der Sohle des Arbeitslocales liegt. Als Brennmaterial dienen Kohks.
Solcher Oefen sind vierzig in zwei langen Reihen zu zwanzig vorhanden, so daß
gleichzeitig in 80 Tiegeln geschmolzen werden kann. Jeder Tiegel faßt 25 bis 28
Pfund Stahl, und hält gewöhnlich drei Schmelzungen aus, deren jede drei Stunden
dauert. Der Stahl wird, in kurze Enden zerschlagen, ohne weiteren Zusatz in die
Tiegel geworfen, und diese dann mit Thonplatten zugedeckt.
Nach beendeter Schmelzung faßt ein Mann mit einer Tiegelzange einen Tiegel, hebt ihn
aus dem Ofen, entfernt den Deckel, und gießt den Inhalt in den aus zwei Hälften
zusammengesetzten gußeisernen Einguß, wobei es von großer Wichtigkeit ist daß der
Stahl ganz gleichmäßig und ohne die geringste Unterbrechung eingegossen werde.
Sollte durch Ungeschicklichkeit des Arbeiters der flüssige Stahl auch nur einen
Augenblick zu fließen aufhören, so wird der gewonnene Zain als fehlerhaft bei Seite
gelegt. Die Zaine, welche noch glühend aus dem Einguß genommen werden, sind
achteckig, 2 Fuß lang und etwa 2 Zoll im Durchmesser. Sollen größere Zaine gegossen
werden, so gießt man, da die Tiegel nicht ganz zur Hälfte mit Stahl gefüllt sind,
erst den Inhalt eines Tiegels zu dem eines zweiten, welcher dann fast bis oben voll
ist, und aus diesem dann in den Einguß. Der geschmolzene Stahl ist so dünnflüssig,
daß er ohne die geringste Nachhülfe bis auf den letzten Tropfen aus dem Tiegel
ausfließt.
Das Ausstrecken des Stahls. Es geschieht meistentheils
durch Auswalzen in einem großen, von der Fabrik ganz getrennten Walzwerk. Der beste
Stahl jedoch wird nicht gewalzt, sondern unter einem, durch Wasserkraft getriebenen
Schwanzhammer, dessen Schläge mit großer Geschwindigkeit auf einander folgen, bis zu
der erforderlichen Dünne gestreckt, was so schnell von Statten geht, daß eine Stange
in einer Hitze fertig wird.
Der gewonnene Stahl wird zum Theil auf dem Stahlwerke selbst zu Feilen aller Art und
zu Wagenfedern für Eisenbahnwagen verarbeitet, welche Fabrication den größten Theil
des kolossalen Etablissements in Anspruch nimmt; zum Theil wird er auch in Stangen
verkauft.
Wenn man bedenkt, daß jeder Cementirofen 300 Centner Eisen faßt, und daß bei vollem
Betriebe wöchentlich wenigstens zwei Oefen entleert werden, täglich also 100 Centner
Stahl producirt werden können, so wird man sich einen Begriff von der Großartigkeit
dieses Stahlwerks zu machen im Stande seyn, wobei wir jedoch bemerken müssen, daß
zur Zeit unseres Besuches nicht alle Cementiröfen im Gange zu seyn schienen.
5) Ueber indischen Stahl.
Wenn von indischem Stahl die Rede ist, so denkt man sich darunter gewöhnlich die
berühmte, unter dem Namen Wootz vorkommende Stahlsorte,
welche besonders zu den berühmten persischen oder orientalischen Säbelklingen das
Material liefert, und durch ihre Härte, die selbst beim Anlassen wenig verliert, den
gewöhnlichen Gußstahl weit übertrifft.
Wir werden im Folgenden zu zeigen versuchen, daß hinfür der Name indischer Stahl in einem andern Sinne zu nehmen seyn, und
daß der mit diesem Namen belegte Stahl wahrscheinlich in die Kategorie des
gewöhnlichen Gußstahls fallen wird.
Die Art der Anfertigung des ächten ostindischen Stahls, oder Wootz, ist keinesweges
unbekannt, und schon durch frühere Reisende ausführlich beschrieben, so von Buchanan (1807) und von Heyne
(1814); auch scheint sich seit jener Zeit in dem von den Indiern schon seit
undenklicher Zeit befolgten Verfahren nichts geändert zu haben, wie aus den in der
ostindischen Abtheilung der Londoner Ausstellung enthaltenen Zeichnungen und
Beschreibungen des Mr. Hamilton zu Indore sich ergibt, welche einen
Eisenschmelzofen von dort üblicher Einrichtung darstellen. Es ist ein ganz kleiner
Schachtofen, dessen unterer Theil in einer kleinen Grube besteht, die in dem
Erdboden angebracht ist, über welcher sich der aus Thon und Kuhdünger hergestellte
cylindrische Schacht befindet. Zwei Blasbälge von Ziegenfellen werden durch einen
Mann in abwechselnder Bewegung gehalten, und treiben den Wind durch einen Schlauch
und die thönerne Düse, welche stark geneigt, etwa 3/4 Fuß über dem Boden des Ofens
liegt. Als Brennmaterial dienen Holzkohle, zu harten Kuchen gekneteter und
getrockneter Kuhdünger, und klein gehacktes Holz. Es wird zuerst eine dünne Schicht
Holz eingelegt, hierauf etwa 1 Zoll dicke Schicht von Eisenerz, sandförmigem
Magneteisenstein, auf diese eine Schicht Kohle und Kuhdünger, und so abwechselnd bis
zur Gicht des Ofens. Nach vierstündigem Blasen soll sich der Ofen in voller Gluth
befinden und ein Theil des Eisenerzes eingeschmolzen seyn. Man fährt nun mit
Aufgeben von Brennmaterial und Erzen etwa noch acht Stunden fort, worauf man den
Ofen abkühlen läßt, nach weiteren zwölf Stunden ihn aufbricht und die gebildete
Luppe von etwa 40 Pfund, die aus reinem hämmerbaren, nur mechanisch durch Schlacke
verunreinigtem Eisen besteht, herauszieht. Sie wird nun in einem andern Ofen zur
Schweißhitze gebracht, sodann gehämmert, und in mehreren Hitzen zu einer Stange oder
der sonst verlangten Form ausgeschmiedet. Die Ausbeute an fertigem Stabeisen beträgt
nur etwa 12 Procent, weil das bereits reducirte Eisen so lange der Einwirkung der
Gebläseluft ausgesetzt ist, daß der größte Theil sich wieder oxydirt und
verschlackt, wofür denn freilich das entstandene Eisen um so reiner ausfällt.
Daß ferner die Umwandlung des Eisens in Stahl ebenfalls noch jetzt in der von jeher
üblichen Weise in kleinen Tiegeln vorgenommen wird, geht daraus hervor, daß die
Ausstellung auch mehrere solcher aus den Tiegeln genommene Stahlkuchen (vuttoms) zeigte, welche nach dem Ausschmieden den Wootz
geben.
Das Verfahren beim Stahlschmelzen ist kürzlich folgendes: Nachdem das auf die vorhin
angegebene Art gewonnene Eisen in kleine Stückchen geschrotet worden, legt man diese
nebst einer abgewogenen Menge trockner Holzspäne (von Cassia
auriculata) und einem Paar grüner Blätter von Asclepias gigantea oder Convolvulus
longifolius in kleine, von geschlämmtem Thon angefertigte Tiegel und
schließt dieselben genau durch eingestampften Thon. Jeder dieser kleinen Tiegel faßt
nur etwa 1 Pfund Eisen. Nach dem Trocknen werden 20 bis 24 Tiegel in einem kleinen
Gebläseofen so zusammengestellt, daß sie ein Gewölbe über dem Feuer bilden, welches
nun 2 1/2 Stunden lang in größter Heftigkeit unterhalten wird. Nach Verlauf dieser
Zeit läßt man den Ofen erkalten, nimmt die Tiegel heraus, und findet in den meisten
derselben einen, nach der inneren Gestalt des Tiegels geformten Stahlklumpen, der
dann, weil er in Folge des zu großen Kohlengehaltes nicht schmiedbar seyn würde, in
einem Gebläseofen anhaltend geglüht, und endlich unter Handhämmern ausgeschmiedet
wird.
Es hat sich nun in London eine Gesellschaft, die Indian Iron
and Steel Company, gebildet, welche zu Beypore unweit Calcutta, zu Malabar
und zu Porto Novo unweit Cuddalore aus indischen Erzen (Magneteisenstein), jedoch
nach europäischem Verfahren in Hohöfen mittelst Holzkohle Roheisen erzeugt, und
dieses nach England kommen läßt, um es hier mit Holzkohle zu frischen und sodann
durch Cementation in Stahl umzuwandeln. Es war ein großes Sortiment von solchem
Eisen und Stahl, letzterer theils roh, theils zu Feilen, Messern und vielen andern
Werkzeugen verarbeitet, ausgelegt, und dieß ist nun die, wenn anders die
Unternehmung im Großen zur Ausführung kommt, hinfür unter dem Namen Indischer Stahl in den Handel gelangende Stahlsorte.
Leicht wird man begreifen, wie begierig wir waren, eine Probe dieses sogenannten
indischen Stahls zu erlangen. Nach dem Bureau der Compagnie geeilt, erfuhren wir
aber, daß die ausgelegten Sachen nur die Resultate von Probeversuchen seyen, daß bis
jetzt noch kein Stahl im Großen fabricirt werde, und außer der ausgestellten
Sammlung keine Proben vorhanden seyen; daß aber eine ganze Schiffsladung von
Roheisen aus Ostindien bereits angelangt sey.
Sollte nun auch das Unternehmen zu Stande kommen, so ist dennoch höchst
unwahrscheinlich, daß der, ganz nach europäischer Art dargestellte Stahl dem ächten
Wootz gleichkommen werde; und eben dieses zu zeigen, ist der Hauptzweck vorliegender
Mittheilung.
Es sind schon von vielen Chemikern Analysen des Wootz mit größter Sorgfalt
ausgeführt. Faraday fand in einer Probe außer Eisen und
Kohle nur eine kleine Menge Alumium und Kiesel; in einer anderen keinen Kiesel, wohl
aber Alumium; in englischem Gußstahl war weder Kiesel noch Alumium zu entdecken.
Auch von französischen Chemikern ist im unverarbeiteten Wootz Alumium, im
verarbeiteten keines gefunden. Karsten konnte kein
Alumium auffinden, erhielt dagegen Titan, Kiesel und Phosphor.
Offenbar können diese Stoffe, wenn wir auch sie alle oder einen von ihnen als Träger
der so vortrefflichen Eigenschaften des Wootz gelten lassen, nur auf zwei Wegen in
den Stahl gekommen seyn: entweder bei der Darstellung des
Eisens aus den Erzen, oder bei der Umwandlung desselben
in Stahl. Das erstere ist bei der oben beschriebenen Gewinnungsmethode des Eisens,
welche in Indien ausschließlich üblich ist, gewiß nicht anzunehmen; denn da das
Eisen bei dieser sogenannten Stückofenwirthschaft so lange im weißglühenden Zustande
der Einwirkung der Gebläseluft ausgesetzt bleibt, daß der größte Theil wieder
verbrennt, wie aus dem Umstande hervorgeht, daß man aus dem Magneteisenstein,
welcher gegen 70 Procent Eisen enthält, nur etwa 12 Proc. fertiges Stabeisen
gewinnt: so ist es kaum denkbar, daß es von den in Rede stehenden Stoffen noch
enthalten könne. So sind namentlich Alumium und Titan sehr leicht oxydirbar und
verschwinden schon beim gewöhnlichen Frischen vollständig aus dem Eisen. Auch fand
Faraday bei Versuchen über Eisenbereitung aus
Titaneisenstein, das daraus erhaltene Stabeisen ganz frei von Titan. Auf gleiche
Weise verschwindet der Kiesel bei dem Frischprocesse. Auch ein etwaiger
Posphorgehalt, welchem übrigens wohl nie eine günstige Einwirkung auf die
Beschaffenheit des Stahls beizumessen ist, dürfte dem Oxydationsprocesse schwerlich
entgehen; und wir können aus diesen Gründen nicht glauben, daß die im Wootz
aufgefundenen Nebenbestandtheile schon bei der ersten Darstellung des Eisens
hineinkommen.
Es bleibt also nur die Vermuthung, daß jene Stoffe auf dem zweiten Wege, d.h. bei dem
Schmelzprocesse in den Tiegelchen von dem Stahle aufgenommen werden, wobei es ja an
Thon- und Kieselerde nicht fehlt, Titan aber möglicherweise aus der dem
Stabeisen noch anhängenden Schlacke oder aus der Substanz der Tiegel aufgenommen
werden könnte.
Wenn wir es nun nach diesen Betrachtungen für höchst wahrscheinlich halten müssen,
daß die eigenthümliche Zusammensetzung des Wootz nur eine Folge der eigenthümlichen Schmelzprocesse ist, so folgt daraus, daß
dieselben Erze nach europäischer Art behandelt, keinen Wootz, sondern gewöhnlich
Gußstahl liefern werden, und daß der demnächst vielleicht im englischen Handel
auftretende indische Stahl aus diesem Gesichtspunkte zu
beurtheilen seyn wird.
Merkwürdig bleibt, daß bei der so vielfältigen Verbindung Englands mit Indien, ächter
Wootz in London gar nicht zu haben ist, wenigstens sind alle unsere Bemühungen
deßhalb völlig fruchtlos geblieben.
Im Jahre 1828 machte uns der damals noch lebende Mr. Gill
in London ein kleines Stückchen Wootz zum Geschenk, aus welchem wir später durch den
Hrn. Instrumentenmacher Graboh in Hannover ein kleines
Rasirmesser anfertigen ließen. Dieser Herr versicherte uns, daß ihm noch nie ein so
harter, widerspänstiger Stahl vorgekommen sey, brachte aber das Messer völlig
befriedigend zu Stande. Dasselbe bewährt seine Natur nun auch in solchem Grade, daß
es, trotz täglichen Gebrauches, seit zwei Jahren nicht nachgeschliffen zu werden
brauchte, und daß es, bei jedesmaligem Gebrauche nur ein paar Male über den
Streichriemen gezogen, seine Schärfe noch unverändert beibehalten hat.
Sehr zu bedauern ist, daß die, besonders in den Zwanziger Jahren in England und
Frankreich vielfach aufgenommenen, zum Theil schon recht gut gelungenen Versuche der
Nachbildung des Wootz, wie es scheint, jetzt wieder aufgegeben sind.
6) Das neue Pattinson'sche
Patent-Bleiweiß.
Das Pattinson'sche Bleiweiß unterscheidet sich von dem
gewöhnlichen durch seine Zusammensetzung, indem es aus basisch-salzsaurem
Bleioxyd, Bleioxydchlorid besteht,Man sehe die Patentbeschreibung im polytechn. Journal Bd. CXIV S. 126. während das gewöhnliche Bleiweiß eine Verbindung von Bleioxyd mit
Kohlensäure ist.
Pattinson bereitet dasselbe aus rohem Bleiglanz, welcher
in England an vielen Punkten und in großem Ueberfluß vorkommt, gewöhnlich auch
silberhaltig ist, wobei nicht nur der Schwefel zu gute gemacht, sondern auch das
Silber vollständig gewonnen wird.
Der sehr feingemahlene Bleiglanz wird in bleiernen Kesseln mit concentrirter
Salzsäure erhitzt, welche bei der Sodafabrication in ungeheurer Menge gewonnen wird
und in sehr niedrigem Preise steht. Hiebei wird der Schwefel in Schwefelwasserstoff
verwandelt, welchen man in den Schwefelofen einer Schwefelsäurekammer leitet und ihn
hier verbrennen läßt, so daß also der Schwefelgehalt des Bleiglanzes zur
Schwefelsäuregewinnung dient. Das Blei verwandelt sich in Chlorblei und dieses wird
(da es sehr schwer löslich ist) in einer großen Menge kochenden Wassers aufgelöst,
wobei das in dem Bleiglanz enthaltene Schwefelsilber
ungelöst zurückbleibt. Die kochend heiße Auflösung des Chlorbleies muß nun, um in
basisches Salz überzugehen, mit Kalkwasser gemischt werden, wobei es wesentlich ist,
daß diese Mischung ganz plötzlich erfolgt, weil nur unter
dieser Bedingung das basische Chorblei sich in Gestalt eines außerordentlich feinen
Pulvers niederschlägt und beim Gebrauch als Farbe die erforderliche Deckkraft
besitzt, während es bei allmählichem Zusatz sich in Gestalt eines krystallinischen,
und daher wenig deckenden Niederschlags absetzen würde. Eine zweite Bedingung ist,
daß die Menge des Kalkes genau so abgemessen werde, daß er die Hälfte der Salzsäure
neutralisirt, daß also das niederfallende basische Salz aus gleichen Atomen
Chlorblei und Bleioxyd besteht. Um diese beiden Bedingungen zu erfüllen, wird der
Kalk in Wasser gelöst, als klares Kalkwasser angewandt, und dieses aus einem
Behälter ausfließen gelassen, während die heiße Lösung des Chlorblei aus einem
andern Behälter ausströmt, und sich beide Flüssigkeiten im Moment des Ausströmens
treffen und mischen. Es hat nun keine Schwierigkeit, die ausströmenden Mengen
mittelst Hähne so zu reguliren, daß gerade das bezweckte Mengenverhältniß
herauskommt.
Diese Fabrication wird besonders durch den Umstand erschwert, daß das Chlorblei
selbst in heißem Wasser sehr schwer löslich ist, und daß daher zur Erzeugung einer
gewissen Menge von Bleiweiß außerordentlich große Gefäße, und eine große Menge
Brennmaterial erforderlich sind, um die bedeutende Menge Wasser zum Kochen zu
bringen. (Neutrales Chlorblei erfordert die 22fache Menge kochenden Wassers zur
Auflösung.) Theoretisch berechnet würden zur Darstellung von 100 Pfd. Bleiweiß 2438
Pfd. kochendes Wasser erforderlich seyn. Das Kalkwasser würde 8840 Pfd. betragen,
zusammen also 11278 Pfd., zu deren Aufnahme ein Behälter von 6 Fuß Länge, Breite und
Höhe nöthig ist.
Wir haben über diese Fabrication einige Versuche im Kleinen angestellt, wobei sich
die Schwierigkeit zeigte, daß beim Behandeln des pulverisirten Bleiglanzes mit
Salzsäure die Theilchen desselben alsbald sich auf der Oberfläche mit Chlorblei
überkleideten, wodurch die Einwirkung der Salzsäure so gehemmt wurde, daß die
Auflösung und die Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas fast ganz aufhörte. Nur
wenn die Salzsäure in solcher Menge angewendet wurde, daß das gebildete Chlorblei
sich auflösen konnte, gelang die Auflösung des Bleiglanzes. Um aber die Anwendung
einer so großen Menge Salzsäure zu umgehen, kann man auch eine kleinere Menge
anwenden, und sie, sobald die Einwirkung nachläßt, von dem ungelösten Rückstande in
ein anderes Gefäß abgeben
und abkühlen lassen, wobei sich eine Menge Chlorblei abscheidet. Man gibt dann die
überstehende Säure wieder zurück, bringt sie zum Kochen, wobei sie sich wieder mit
Chlorblei sättigt; gibt sie wieder zum Abkühlen in das andere Gefäß u.s.f.
Das erhaltene Chlorblei muß zuletzt durch Auswaschen mit kaltem Wasser von der
anhängenden Säure, welche gewöhnlich etwas Eisen enthält, wodurch das Bleiweiß
verunreinigt werden würde, gereinigt, und dann erst in heißem Wasser aufgelöst
werden.
Das Pattinson'sche Bleiweiß, von welchem wir eine Probe
mitgebracht haben, ist nicht ganz schneeweiß, sondern von einer etwas ins Bräunliche
ziehenden Farbe, welche indessen in allen Fällen, wo das Bleiweiß mit ein wenig
Schwarz oder Blau versetzt werden kann, kaum zu bemerken seyn wird. Dagegen besitzt
es eine ausgezeichnete Deckkraft. Wir haben gleiche Mengen Pattinson'sches Bleiweiß und feines Kremserweiß mit gleichen Mengen Leinöl
abgerieben und auf gleich große schwarze Flächen gestrichen, wobei das Pattinson'sche Weiß unzweifelhaft am besten deckte. Es
ist sehr voluminös, besitzt viel Körper, wird daher freilich auch viel Oel
verschlucken.