Titel: | Neue Methode die beiden Schenkel von Scheren, Zangen u.s.w. mit einander zu verbinden; von Hrn. Charrière, Verfertiger chirurgischer Instrumente in Paris. |
Fundstelle: | Band 126, Jahrgang 1852, Nr. XVII., S. 87 |
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XVII.
Neue Methode die beiden Schenkel von Scheren,
Zangen u.s.w. mit einander zu verbinden; von Hrn. Charrière, Verfertiger chirurgischer
Instrumente in Paris.
Aus Armengaud's Génie industriel, Juni 1852, S.
283.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Charrière's Methode die beiden Schenkel von Scheren etc. mit
einander zu verbinden.
Im polytechn. Journal Bd. CXXIV S. 263 wurde
eine Notiz über dieses neue Verfahren bei der Scherenverbindung mitgetheilt, wobei
jedoch keine Abbildungen gegeben werden konnten; der Gegenstand hat eine so
allgemeine Wichtigkeit, daß wir nicht ermangeln, das Nähere mit Hülfe von
Abbildungen nachzutragen.
Diese neue Methode, die beiden Schenkel einer Schere, einer Zange oder irgend eines
derartigen Instrumentes mit einander zu verbinden, besteht darin, die frühere
Schraube durch einen Stift oder eine Art Nagel zu ersetzen, der an dem einen Ende
umgenietet, am andern Ende aber mit einem elliptischen oder auf irgend eine andere
Weise geformten Kopf versehen ist. Diese Einrichtung hat den Vortheil, die großen
Nachtheile zu vermeiden, welche bis jetzt alle diese Instrumente gehabt haben.
So ist es allgemein bekannt, daß die die beiden Schenkel vereinigende Schraube, oft
nach einem sehr kurzen Gebrauche, lose wird und alsdann eine Schere nicht mehr
gehörig schneidet. Will man z.B. mit einer so lose gewordenen Schere ein dünnes Zeug
zerschneiden, so muß man die beiden Schenkel gegen einander drücken, weil es sonst
zwischen derselben eingeklemmt wird. Ist dagegen der zu zerschneidende Gegenstand
dick, so wird sich die Schere sehr leicht verbiegen. Nun sucht man den Nachtheil oft
dadurch zu vermeiden, daß man die Schraube vernietet, allein dadurch wird die
Schraube selbst untauglich gemacht und die Schere bald gänzlich unbrauchbar.
Andererseits können z.B. chirurgische Instrumente an ihrem Drehungspunkte nicht
gereinigt werden, und rosten daher dort sehr bald, so daß die Beweglichkeit
vermindert und die Brauchbarkeit des ganzen Instrumentes benachtheiligt wird.
Fig. 12 und
13 zeigen
nach einem großen Maaßstabe den mit einem Kopf versehenen Stift c, welcher die Schraube ersetzt und der mit einem Schenkel des Instrumentes
verbunden werden muß. Die Figuren zeigen auch im senkrechten Durchschnitt und im
Grundriß den Einschnitt oder das Loch in dem zweiten Schenkel des Instrumentes,
welches den Kopf des Stiftes aufnimmt.
Fig. 14 und
15 zeigen
ebenfalls im Durchschnitt und im Grundriß denselben Theil mit dem Stift in einer
andern Stellung, um die beiden Schenkel mit einander zu verbinden. (Diese vier
Figuren sind nach einem viermal größeren Maaßstab, als die gewöhnliche Größe dieser
Instrumente beträgt, gezeichnet.)
Es bedarf nur eines Blickes auf diese Abbildungen, um die Art und Weise der
Verbindung genau zu erkennen. Man sieht zuvörderst daß der Stift oder Nagel, welcher
aus einem einzigen Stück Eisen oder Stahl besteht, wirklich drei Theile bildet.
Der eine Theil a hat einen quadratischen Querschnitt, ist
in dem untern Schenkel B des Instruments eingelassen und
alsdann vernietet, um auf eine unveränderliche Weise darin befestigt zu seyn.
Der zweite Theil b hat einen runden Querschnitt und
bildet den eigentlichen Stift oder den Mittelpunkt der Drehung; er befindet sich in
dem dünner gemachten Theile des zweiten Schenkels B'.
Der dritte Theil endlich, welcher den Kopf des Stiftes oder Nagels bildet, und der
den Zweck hat, diesen zweiten Schenkel festzuhalten, ist elliptisch oder rechteckig,
um eine gewisse Bedeckung auf zwei diametral entgegengesetzten Theilen des Stiftes
b zu bilden.
Der bewegliche Schenkel B', welcher vorher mit einer
Oeffnung d versehen wurde, die genau dieselbe Form wie
der Kopf c des Stiftes hat, und die alsdann in der
Hälfte ihrer Dicke kreisförmig eingeschnitten wurde, kann auf dem zweiten Schenkel
sehr leicht befestigt werden, wenn man die längliche Oeffnung d über den länglichen Kopf c des in dem ersten
Schenkel befestigten Stiftes wegschiebt. Sobald dieß stattgefunden hat, dreht man
den Schenkel B', und der Kopf c liegt alsdann auf dem Boden des kreisrunden Loches, wie man in den Figuren 14 und
15 sieht,
und hält alsdann die beiden Schenkel hinreichend zusammen, während sie sich um den
runden Theil b des Stiftes zu drehen vermögen.
Die längliche oder elliptische Oeffnung b ist in dem
Schenkel B' so angebracht, daß beide Schenkel sich nur
dann von einander entfernen können, wenn sie rechtwinkelig auf einander stehen. Ein
so weites Oeffnen der Scheren oder Zangen ist aber bei den verschiedenen Operationen
mit den Instrumenten weder in der Chirurgie, noch in der Gärtnerei, oder in den
Gewerben erforderlich, und es sind daher auf die beschriebene Weise die beiden Schenkel eben so gut mit
einander verbunden, wie bei dem alten System.
Nur dann, wenn man die Schenkel auseinander nehmen will, bringt man sie in eine
solche Lage, daß der Stiftkopf durch die Oeffnung geht. Diese Trennung hat
zuvörderst den Vortheil, daß sie eine vollständige Reinigung der Schenkel gestattet,
und man ist dann auch im Stande, den Zapfen mit gereinigtem Schmalz oder mit
Klauenfett zu schmieren, welches hierzu weit zweckmäßiger als Oel ist, weil es nicht
trocknet und daher stets ein leichtes Spiel des Instrumentes gestattet.
Der größte Vortheil besteht aber in der Unmöglichkeit einer Trennung der beiden
Schenkel von einander, indem eine solche nur Folge der sehr langsamen Abnutzung des
Stiftes oder des Loches seyn kann. Ist eine solche Abnutzung nach mehrjährigem
Gebrauch des Instrumentes erfolgt, so läßt sie sich auch leicht repariren. Da
nämlich der Stift oder Zapfen, welcher die beiden Schenkel des Instrumentes
zusammenhält, eingenietet ist, so braucht man diese Vernietung nur durch einige
Hammerschläge anzuziehen, was bei der gewöhnlichen Schraubenverbindung nicht
geschehen kann, ohne die Schraube selbst zu beschädigen.
Fig. 16
stellt eine gewöhnliche Schere mit der beschriebenen Verbindungsmethode in
natürlicher Größe dar. Beide Schenkel sind geöffnet und doch hinlänglich mit
einander verbunden, um nicht aus einander zu gehen; man müßte sie offenbar fast in
einen rechten Winkel bringen, um diese Trennung zu veranlassen.
Da man für gewisse Fälle den Einwurf machen könnte, daß die Scherenschenkel sich
leicht trennen könnten, hat Hr. Charrière den
Vorschlag gemacht, auf dem Schenkel B', welcher mit dem
Zapfenloche versehen ist, entweder einen Stift mit Schraube, oder eine kleine
Schraube anzubringen, wie f in Fig. 17 und 18. Diese
Schraube, welche erst nach der Vereinigung beider Schenkel eingeschraubt wird,
bildet eine Art Stützpunkt für den Kopf des Stiftes, und ist daher hinreichend, um
ein Herausgehen dieses Kopfes aus dem Zapfenloch zu verhindern, indem dadurch
vermieden wird, daß beide Schenkel eine rechtwinkelige Stellung annehmen können.
Diese Schraube, welche die Handhabung des Instrumentes durchaus nicht behindert,
kann leicht weggenommen werden, wenn man die Scherenschenkel auseinander nehmen
will.
Statt eines Stiftes mit elliptischem oder rechteckigem Kopf, kann man letzterm auch
die Form eines Kleeblattes geben, wie die Fig. 19 und 20 zeigen. Man
begreift, daß man in diesem Falle die beiden Schenkel des Instrumentes auseinander nehmen kann, ehe sie
rechtwinkelig geöffnet sind. Man sieht eine Anwendung von dieser Verbindung an der
Schneidzange (dem Costotom), welche in Fig. 21 in geschlossener
Stellung dargestellt ist.
Die Instrumente, welche Hr. Charrière in London
ausgestellt hatte, zogen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und der Aussteller
erhielt auch bekanntlich von Ludwig Napoleon das Kreuz
der Ehrenlegion.