Titel: | Beiträge zur Kenntniß der Hefe; von Dr. Alexander Müller in Chemnitz. |
Fundstelle: | Band 126, Jahrgang 1852, Nr. LXX., S. 373 |
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LXX.
Beiträge zur Kenntniß der Hefe; von Dr. Alexander Müller in
Chemnitz.
Im Auszug aus dem Journal für praktische Chemie, 1852, Nr.
19.
Müller, Beiträge zur Kenntniß der Hefe.
I. Hefeconservation.
In den Ländern, welche eine bei weitem größere Menge Lagerbier als obergähriges Bier
liefern und vorzüglich ungesäuertes Backwerk verbrauchen, hat sich nach den billigen
Hefenpreisen des Winters der Mangel an Ferment während der Sommermonate und mehr
noch beim Wiederbeginn der Lagerbierbrauerei recht fühlbar gemacht.
Dieser Umstand veranlaßte mich zu einigen Versuchen der Conservation, und wenn sie
auch nicht den gewünschten Erfolg hatten, so glaube ich dieselben doch mittheilen zu
dürfen, um Andern Versuche in dieser Richtung zu ersparen.
Die leitenden Grundsätze waren folgende:
Die conservirte Hefe sollte sich kaum von der frischen Winterhefe unterscheiden, sie
sollte gleich stark gährungerregend wirken und den Producten, zu welchen man sie
verwendet, sey es dem Bier oder Backwerk, keinen unangenehmen Geschmack verleihen,
noch viel weniger ihren Genuß nachtheilig machen; die Aufbewahrung sollte eine
möglichst einfache und billige seyn.
Zur Erreichung dieses Zweckes wurden die gewöhnlichen Mittel der Conservation
versucht, welche theils Luftabschluß, theils Wasserentziehung bewirken; ferner
wurden Stoffe angewendet, welche direct die Gährung verhindern, ohne doch die Hefe
zu tödten, und welche nach Erreichung des Zweckes leicht entfernt werden können,
wenn sie den Genuß unangenehm oder schädlich machen.
Die Versuchshefe war Unterhefe, aus einer berühmten Brauerei entnommen, aufs Beste
gewaschen; durch starkes Pressen möglichst entwässert; als Gefäße dienten
Blechbüchsen von circa 1 1/2 Centner Inhalt, welche
durch aufgelötheten Deckel verschlossen wurden.
Nr. 1 enthielt reine Hefe, fest eingestampft; wurde nach dem Verlöthen 3 bis 4
Minuten der Einwirkung des siedenden Wassers ausgesetzt.
Nr. 2 enthielt Hefe wie oben, nur daß auf den Boden des Gefäßes einige Tropfen Aether
gegossen, auf die Hefe süßes Dextrin in circa 10
Millimet. Höhe gedrückt und darauf wieder Aether geträufelt wurde; eine Erhitzung
fand nicht statt.
Nr. 3 enthielt Hefe, welche mit Amylon gepreßt war; nach dem Zusammenreiben mit
trocknem Amylon wurde sie ganz mehlig, fühlte sich kaum feucht an; beim Einsehen
erfuhr sie gleiche Behandlung wie Nr. 2, nur mit Vertauschung des Dextrins gegen
Amylon.
Nr. 4 enthielt reine Hefe, welche mit getrocknetem Dextrin gemischt, sonst wie Nr. 3
behandelt wurde; beim Dextrinzusatz gewann sie eine teigige Beschaffenheit und
zeigte die Anfänge der Gährung.
Nr. 5 enthielt Hefe, welche mit 2 Loth trocknem Seifenpulver gemengt, eingeschlossen
und dann wie Nr. 1 erhitzt wurde. Durch den Seifenzusatz nahm sie eine teigige
Konsistenz an.
Nr. 6 enthielt Hefe, welche sich von Nr. 5 durch einen Zusatz von 1 Loth Kalkhydrat
statt des Seifenpulvers unterschied, sonst gleiche Behandlung und Erweichung
erfuhr.
Nachdem die Gefäße sieben Wochen in einem Kellerraum von 5–6° C.
Temperatur gestanden und dabei den Schlußdeckel mehr oder weniger nach außen
aufgebaucht hatten, zeigte sich der Inhalt bei der Eröffnung, nach Geruch und
Geschmack zu urtheilen, in angehender Zersetzung; die Gährung erregende Fähigkeit
war um ein Bedeutendes verringert.
Es wurden darauf neue Versuche gemacht:
Nr. 7 enthielt Hefe, welche gut gepreßt und mit 0,1 Proc. Terpenthinöl innig gemengt
fest eingedrückt wurde.
Nr. 8 enthielt Hefe, welcher beim Eindrücken gegen 0,5 Proc. Aether zugesetzt
wurde.
Nr. 9 enthielt Hefe, bei welcher Chloroform die Stelle des Aethers vertrat.
Nr. 10 enthielt Hefe, welche durch Weingeist stark angefeuchtet war.
Auch bei diesen Proben zeigte sich nach wenigen Tagen durch Ausbauchung der
Schlußplatte eine Gasentwicklung; bei einigen Büchsen löste sich sogar der Deckel
stellenweise und ließ Bläschen von unangenehmem Geruche hervortreten, und als nach
Verlauf von zwei Monaten die Gefäße geöffnet wurden, zeigte sich der Inhalt
sämmtlicher in Fäulniß übergegangen. An Stelle der eingesetzten stärkmehlartigen
Hefe war eine hellgelb bis dunkelbraun gefärbte, theils nach menschlichen Fäces,
theils nach faulem Käse riechende Flüssigkeit entstanden, in welcher sich kleine
Körner und Krystallfragmente abgesetzt hatten. – Ueber die Natur derselben
alsbald ein Näheres.
Von dem Versuch, Hefe mit Zucker einzusetzen, hielt mich, außer den ungünstigen, in
Frankreich gewonnenen Resultaten, besonders die Kostbarkeit des Mittels ab, welches
in großer Menge verbraucht wurde; ich bemühte mich nun, die Hefe durch Austrocknen
vor Verderbniß zu schützen.
Nr. 11. Es wurde Hefe bei 90° C. im luftleeren Raum getrocknet; obwohl sie
durch Pressen möglichst vom Wasser befreit war, wurde sie doch dünnflüssig und
hinterblieb endlich als braune durchscheinende hornartige Masse von angenehmem
Brodgeruch und schwachem Hefegeschmack, aber ohne Gährung erregende Kraft.
Nr. 12. Bei gewöhnlicher Temperatur verwandelte sich die Hefe, während 24 Stunden im
luftleeren Raume über Schwefelsäure gestellt, in eine harte bräunliche bröckliche
Masse, welche der frischen Hefe etwas mehr ähnelte, aber doch bedeutend an
Wirksamkeit verloren hatte. Mit Wasser befeuchtet nehmen die Hefekügelchen wohl die
frischere Gestalt wieder an, allein sie sind todt; das Absterben scheint
einzutreten, wenn die fast trockne Hefe plötzlich wieder erweicht und sich
bräunt.Seit einigen Jahren wird das Geheimniß der Hefenconservation zum Verkauf in
den Zeitungen ausgeboten – wie viel davon zu halten ist, geht aus
einer Untersuchung verkäuflichen Hefepulvers hervor.Es war ein hellgraulich braunes Pulver, nach angegangener Hefe riechend und
schmeckend, gab an Weingeist etwas Stärkezucker ab, ward durch Jodlösung
tiefblau gefärbt (Amylum); lieferte ein saures gelbes Destillat, enthielt
nach zwei Analysen mit Natronkalk 1,5 Proc. Stickstoff. Gährung erregende
Kraft war kaum zu bemerken.
Für die einzige Möglichkeit, Hefe zu conserviren, halte ich die Aufbewahrung der gut
gereinigten und trocknen Hefe bei 0°; bei der allgemeineren Verbreitung
überirdischer Eisbehälter würde dieses Mittel ein leicht anwendbares seyn. Bis jetzt
habe ich hierüber nur unzureichende Erfahrung, indem ich in Ermangelung eines
Eiskellers die Versuche nur während kurzer Zeiträume anstellen konnte, und wie
befriedigend sie auch waren, so glaube ich doch daraus noch nicht für längere Zeiten
ein unfehlbar günstiges Resultat folgern zu dürfen. Der nächste Winter soll mir
darüber Aufschluß geben.
II. Hefenconcretionen.
Die oben erwähnten Concretionen, welche sich in der fauligen Hefenflüssigkeit
abgesetzt hatten, zeigten, nachdem sie durch Abspülen und Aufschlämmen mit Wasser
von Hefetheilchen, Pechstückchen und zufälligen Pflanzenresten befreit waren, verschiedene
Gestalten und verschiedenes Ansehen. In überwiegender Menge fanden sich kreideweiße
Kügelchen, sie waren untermischt mit milchweiß durchscheinenden Kügelchen, ungefähr
zum vierten Theil; endlich waren, jedoch in sehr geringer Menge, perlmutterartige
Splitter zu erkennen.
1) Perlmutterartige Splitter. – Auf dem Platinblech
nahmen sie erhitzt, vorübergehend eine schwarze Farbe an und hinterließen eine
reichliche Menge zusammengesinterter Asche von graulicher Farbe, welche
Phosphorsäure und Magnesia enthielt. In Wasser lösten sich die Splitter nicht; mit
Kali gekocht entwickelten sie Ammoniak; in Salzsäure lösten sie sich leicht. Ihr
ganzes Verhalten charakterisirt sie hinlänglich als krystallisirte phosphorsaure
Ammoniak-Talkerde.
2) Milchweißdurchscheinende Kügelchen. – Auf
trocknem und nassem Wege verhielten sie sich ganz wie die vorhergehenden
Splitter.
3) Kreideartige Kügelchen. – Auf dem Platinblech
erhitzt, verflüchtigten sie sich unter Ausstoßung dichter, nach verbranntem Horn
riechender Dämpfe; zurückblieb wenig Kohle, und nach deren Verbrennung eine Spur
weißer Asche.
Im Glasrohr erhitzt, gaben sie eine brenzliche Flüssigkeit, welche nach dem Erkalten
schön krystallinisch erstarrte; nebenbei entwichen stark ammoniakalische Gase,
welche einen intensiven Geruch nach menschlichen Fäces verbreiteten.
In Wasser lösten sich selbst beim Kochen nur Spuren; fast noch weniger in Aether und
Weingeist.
In Salzsäure lösen sie sich mit blaß violetter Farbe wie Proteinsubstanzen; die
abgedampfte Lösung überzieht das Uhrglas mit einer reichen Krystallisation.
In Natronlauge lösen sie sich fast vollständig unter kaum merklicher
Ammoniakentwicklung; durch Essigsäure entsteht eine starke Fällung von
mikroskopischen sternförmig gruppirten Nadeln, welche aus heißer Salzsäure in
linienlangen plattgedrückten Prismen, vollkommen durchsichtig und farblos,
krystallisiren.
Mit Millon's Reagens gaben die
Kügelchen eine intensiv rothe Lösung, die allmählich gelb wird.
Nach diesem Verhalten und den überdieß angestellten quantitativen Bestimmungen, kann
es keinem Zweifel unterliegen, daß die fraglichen Kügelchen fast reines Tyrosin sind (welches sich bekanntlich bei Zersetzung von
Proteinstoffen erzeugt).
Die Frage, ob die abgehandelten Concretionen nur ein zufälliges Product jener
Conservationsversuche, vielleicht bedingt durch die Beimischung, gewesen sind, oder ob sie ein
constantes Fäulnißproduct der Hefe bilden, glaube ich durch zwei im Verlauf des
Sommers angestellte Versuche auf das befriedigendste beantwortet.
1) Oberhefe, gut gewaschen und möglichst trocken (durch
Abtropfenlassen), wurde in einer geräumigen Flasche gut verschlossen und kühl
gestellt; sie zerfloß allmählich unter Gasentwicklung und nach Verlauf von drei
Monaten hatten sich eine Menge der Tyrosinkügelchen in der sauren Flüssigkeit
abgesetzt – von den Concretionen der phosphorsauren Ammoniak-Talkerde
war keine Spur vorhanden.
2) Unterhefe, gut gewaschen und abtropfen gelassen, ging,
im offenen Gefäß der Sommerwärme ausgesetzt, alsbald in stinkende Fäulniß über; als
sie nach acht Tagen gleichfalls auf Flaschen gefüllt wurde, blieb sie eine braune,
dicke, flüssige, höchst übelriechende Masse, welche nach drei Monaten mit Wasser
verdünnt nur äußerst wenig eines kreideartigen Pulvers von Tyrosin absetzte; die
filtrirte alkalische Flüssigkeit dagegen gab eine reichliche Krystallisation von
Tyrosin.