Titel: | Ueber die Ursache der Umwandlung des frischgebackenen Brodes in altgebackenes; von Hrn. Boussingault. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XIV., S. 66 |
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XIV.
Ueber die Ursache der Umwandlung des
frischgebackenen Brodes in altgebackenes; von Hrn. Boussingault.
Aus den Comptes rendus, Octbr. 1852, Nr.
17.
Boussingault, über die Ursache der Umwandlung des frischgebackenen
Brodes in altgebackenes.
Man glaubt fast allgemein, daß das frischgebackene Brod sich von dem altgebackenen
durch einen größern Wassergehalt unterscheide, und schreibt somit die Consistenz,
welche es erlangt, nachdem es aus dem Ofen kam, einer fortschreitenden Austrocknung
zu. In Folge hievon nimmt man an, daß das Brod nahrhafter ist, wenn es altgebacken
ist, weil solches bei gleichem Gewichte mehr trockene Substanzen enthält.
Wenn man indessen die Vorkehrungen kennt, welche in denjenigen Haushaltungen, wo man
nur jedesmal nach längerer Zeit backt, getroffen werden um das Austrocknen des
frischen Brodes zu verhindern, so wird man sich schwerlich zu dieser Ansicht
bekennen.
Sobald nämlich ein Gebäcke fertig ist, wird es in dem Brodkasten eingeschlossen, in
das Speisegewölbe oder in den Keller gebracht; immer wird es in die Umstände
versetzt, welche dem Verlust von Feuchtigkeit am wenigsten günstig sind. Dennoch
vergehen keine vierundzwanzig Stunden, ohne daß die Krume einen Theil ihrer
Biegsamkeit verloren hat und sich leicht zerkrümeln läßt; die spröde, unter den
Zähnen krachende Kruste hingegen nimmt eine gewisse Biegsamkeit an und wird zähe.
Diese Veränderung des Brodes erfolgt durch die Temperatur-Erniedrigung, und
niemals hielt ich es für richtig, sie der Austrocknung des Brodes zuzuschreiben. Wer
weiß z.B. nicht, daß ein kaltes und altgebackenes Brod im Backofen alle
Eigenschaften des frischgebackenen wieder erlangt, was auch der Fall ist, wenn man
eine Schnitte davon auf einem lebhaften Feuer röstet. Allerdings wird, wenn man ein
Stück Brod röstet, seine Oberfläche durch die unmittelbare Einwirkung der Wärme
angebrannt, verkohlt und stark ausgetrocknet; im Innern aber ist die Krume biegsam,
elastisch und frischgebacken. Man kann jedoch nicht
läugnen, daß sowohl das Brod beim Verweilen im Backofen, als die Schnitte beim
Rösten, eine beträchtliche Menge Wasser verloren hat.
Diese Thatsachen beweisen, wie mir scheint, hinreichend gegen die gewöhnliche
Ansicht, daß das frischgebackene Brod durch das bloße Austrocknen nicht altgebacken
wird. Ich hielt es aber nicht für überflüssig, einige Versuche anzustellen, wenn
auch nur, um zu zeigen, wie langsam ein Brod von einigen Kilogrammen Gewicht
erkaltet und wie höchst gering die Menge Wassers ist, welche während der, dieses Erkalten
begleitenden und darauffolgenden physischen Veränderung des Brodes verdunstet.
In ein rundes Brod von 33 Centimet. (1 Fuß) Durchmesser und 14 Centimeter (5 Zoll)
Dicke, eben aus dem Backofen kommend, steckte ich in die Mitte, 7 Centimeter (2 1/2
Zoll) von der Oberfläche entfernt, die Kugel eines Thermometers; einige Augenblicke
nach dem Hineinstecken zeigte er 78° R. Diese Temperatur wird, mit derjenigen
des Backofens verglichen, allerdings gering erscheinen; obgleich aber der äußere
Theil eines im Backen begriffenen Brodes der Strahlung der auf
200–240° R. erhitzten Wände ausgesetzt ist, so darf man doch nicht
außer Acht lassen, daß die unter der Kruste liegenden Theile nie eine Wärme über
80° R. erlangen, weil der Teig soviel Wasser enthält, daß die Krume nach dem
Backen 35–45 Proc. Wasser zurückhält.
Das noch warme Brod wog 3,76 Kilogr.; es wurde in ein Zimmer gebracht, in welchem ein
freihängender Thermometer 15° R. zeigte. Folgendes sind die während des
Erkaltens gemachten Beobachtungen:
Textabbildung Bd. 127, S. 67
Tage; Stunden; Temperatur nach
Reaumur; des Brodes; des Zimmers; Gewicht des Brodes. 12. Juni; Morgens;
Kilogr.; Mittag
Neben das mit einem Thermometer versehene Brod war noch ein anderes gelegt worden, um
die Veränderung des Zustandes daran beobachten zu können. 24 Stunden nach dem
Herausnehmen aus dem Backofen war die Temperatur desselben ziemlich diejenige des
Zimmers, und zu dieser Zeit, wo das Erkalten als beendigt betrachtet werden konnte,
war das Brod halb altgebacken, wie es gewöhnlich das einen Tag alte Brod ist; die
Kruste brach nicht mehr unter Druck; es waren 30 Gramme Wasser oder 0,0008 des
anfänglichen Gewichts verschwunden. Am sechsten Tag, wo das Brod vollkommen
altgebacken war, betrug der Verlust nicht über 0,01; an den fünf letzten Tagen, also
während der Zeit, wo die Veränderung am augenfälligsten war, obwohl sie erst nach
dem vollkommenen Erkalten eintrat, betrug der Wasserverlust nur 40 Gramme von 3730,
oder nahezu 1 Proc. Folgender Versuch beweist übrigens, daß der Wasserverlust in so
geringen Gränzen, zur Verwandlung des frischgebackenen Brodes in altgebackenes
nichts beiträgt.
Das seit sechs Tagen gebackene, 3,69 Kilogr. wiegende Brod wurde wieder in den
Backofen gebracht; eine Stunde darauf zeigte der mitten in die Krume gesteckte
Thermometer nur 56° R. Dieses Brod wurde angeschnitten eben so frisch
befunden wie das neugebackene. Es wog nur noch 3,57 Kil., hatte also 120 Gramme oder
3 1/4 Proc. Wasser verloren.
Dieser Versuch wurde noch in anderer Weise wiederholt; man brachte nämlich eine
Schnitte noch warmes Brod in ein Schälchen, das unter eine Glocke gestellt wurde,
deren Oeffnung auf Wasser stand, so daß die in der Glocke eingeschlossene Luft mit
Feuchtigkeit gesättigt war. Die Schnitte wurde täglich zur selben Stunde untersucht
und gewogen.
Gewicht der Schnitte
32,05 Gr.
frischgebacken
Nach
24 Stund.
Verweilen unter der Glocke
31,82 „
Verlust 0,23 Gr.
halb altgebacken
48 „
„ „ „
31,75 „
„ 0,07 „
altgebacken
72 „
„ „ „
31,70 „
„ 0,05 „
„
96 „
„ „ „
31,69 „
„ 0,01 „
sehr altgebacken.
Die Wägungen ergeben, daß das warme Brod nach dem Verlust von 0,007 seines Gewichts
halb altgebacken wurde. Einmal in diesem Zustand, nahm die Consistenz immer zu,
obwohl die aufeinanderfolgenden Verluste nur 0,002, 0,0016 und 0,0003 des
anfänglichen Gewichts betrugen.
Die Schnitte des altgebackenen Brodes wurde nun geröstet; sie wog 28,65 Gramme; mehr
als 9/10 waren wieder in den Zustand von frischgebackenem Brod übergegangen, obwohl
der Verlust durch die Einwirkung der Wärme, welcher großentheils von verflüchtigtem
Wasser herrührt, sich auf nahezu 1/10 des anfänglichen Gewichtes belief.
Als man ein sehr altgebackenes Brod wieder in den Backofen brachte, fand sich, daß es
wieder frischgebacken wurde, als der in sein Inneres gesteckte Thermometer sich auf
56° R. hielt. Um zu ermitteln, ob diese Zustandsveränderung auch bei minder
hoher Temperatur stattfindet, brachte ich in ein Büchschen von Weißblech einen
Cylinder Krume, die ich aus einem seit mehreren Tagen gebackenen Brode geschnitten
hatte. Um jede Entweichung von Feuchtigkeit zu verhüten, wurde das Büchschen mit
einem Stöpsel verstopft und dann eine Stunde lang in einem auf 40–48°
R. erhitzten Wasserbad gelassen. Die Krume wurde weich und elastisch, wie wenn sie
gerade aus dem Backofen gekommen wäre. Man ließ sie erkalten; nach 24 Stunden hatte
sie die Consistenz des halb altgebackenen und nach 48 Stunden diejenige des
altgebackenen Brodes. Bei diesem Verfahren die Temperatur zu erhöhen, ohne daß
Wasser verloren gieng, konnte man das im Büchschen eingeschlossene Brod durch
abwechselndes Erhitzen und Erkaltenlassen oftmals umwandeln.
Vorstehende Thatsachen scheinen zu dem Schlusse zu berechtigen, daß es kein
geringerer Wassergehalt ist, wodurch das altgebackene Brod sich vom frischgebackenen
unterscheidet, sondern ein eigenthümlicher Molecularzustand, welcher während des
Erkaltens eintritt, sich dann entwickelt und so lange fortdauert, als die Temperatur
eine gewisse Gränze nicht überschreitet.
* * *
Hr. Thenard äußerte in der Akademie nach dem Vortrag
dieser Abhandlung seine Ansicht dahin, daß wenn das Brod nach dem Backen nach und
nach fester und altgebacken wird, dieß darauf beruhe, daß das Brod als ein Hydrat zu
betrachten sey, welches in der Wärme erweicht und bei niederer Temperatur eine
stärkere Consistenz erlangt.
Hr. Payen bringt bei dieser Gelegenheit in Erinnerung, daß
er sich bereits mit Ermittelung der Temperatur beim Backen des Brodes beschäftigt,
und gefunden habe, daß wenn die Wände des Backofens auf 232° R. erhitzt sind,
die Kruste bei einer Temperatur von 168°, und die Krume in der Mitte des
Brodes bei 80° R. sich bilde. Ferner habe er constatirt, daß die röthlichen
Keimkörnchen, welche die mikroskopischen Pilze oder rothen Brodpilze (Oïdium aurantiacum) erzeugen, eine Temperatur von
80 bis 96° R. ertragen können, ohne ihr Vegetationsvermögen zu verlieren; daß
dieses Vermögen aber aufhört, wenn die Temperatur bis auf 112° R. steigt.