Titel: | Photographisches Verfahren um Naturscenen auf Papier abzubilden; von John Stewart. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XXVIII., S. 138 |
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XXVIII.
Photographisches Verfahren um Naturscenen auf
Papier abzubilden; von John
Stewart.
Aus dem Cosmos, revue encyclopédique, Decbr. 1852,
Nr. 34.
Stewart's photographisches Verfahren um Naturscenen auf Papier
abzubilden.
Das Londoner Athenaeum vom 11. December enthält folgenden
Brief von Sir John Herschel:
„Ich überschicke Ihnen zur Veröffentlichung eine Mittheilung über
Photographie von meinem Schwiegervater John Stewart,
der sich gegenwärtig zu Pau in den Pyrenäen aufhält. Derselbe hat in der
Anwendung der Photographie zum Abbilden der Naturscenen einen wahrhaft
außerordentlichen Erfolg erlangt. Seine Bilder der herrlichen Ansichten von
Felsen, Gebirgen, Wäldern und Gewässern, welche in den malerischen Gegenden der
Pyrenäen in Ueberfluß vorkommen, sind das vollkommenste was mir bis jetzt
hinsichtlich der Vollendung und des artistischen Gesammteffects zu Gesicht kam.
Die außerordentliche Einfachheit seines Verfahrens zum Vorbereiten des Papiers,
die Gleichförmigkeit des selben und die Sicherheit der Resultate welche man
damit erhält, empfehlen seine Methode allen reisenden Photographen; sie verdient
in jeder Hinsicht allgemein bekannt und angewandt zu werden. Ich habe bloß zu
bemerken, daß die Luftpumpe welche er anwendet, von sehr einfacher Construction
seyn kann; da der luftleere Raum, welcher zum Tränken des Papiers erforderlich
ist, nur während eines sehr kurzen Zeitraums hervorgebracht zu werden braucht,
so genügt dazu ein Fäßchen mit einem Kolben, den man mittelst eines Handgriffs
hineintreibt und herauszieht; das Fäßchen ist mit einem Kautschukrohr versehen
und kann an den Rand eines Tisches geschraubt werden.“
Beschreibung des Verfahrens.
Die folgenden Bemerkungen betreffen nur die Darstellung der negativen Bilder auf
Papier. Ich gelange dazu auf zwei verschiedenen Wegen, dem nassen Weg und dem
trocknen Weg. Die Auflösungen welche ich anwende, sind dieselben bei den zweierlei
Verfahrungsarten, nämlich folgende:
Auflösung von Jodkalium, aus 5 Gewichtstheilen Salz und 100 Theilen reinem Wasser
bestehend.
Auflösung von essig-salpetersaurem Silber, aus 15 Theilen salpetersaurem
Silber, 20 Theilen krystallisirter Essigsäure und 150 Theilen Wasser bereitet.
Gesättigte Auflösung von Gallussäure zum Entwickeln des Bildes.
Auflösung von unterschwefligsaurem Natron, mit 1 Th. Salz und 6 bis 8 Theilen Wasser
dargestellt.
Die angewandten Auflösungen sind so auf die einfachste Form zurückgebracht, denn man
wird bemerken, daß ich zum Jodiren weder Papier mit Reiswasser, noch Zucker, noch
Milch, weder Fluoride, noch Cyanide, noch freies Jod etc. benutze, sondern eine
bloße Auflösung von Jodkalium, deren Gehalt oder Stärke aber ein sehr wichtiger
Punkt ist.
Für die zweierlei Methoden, diejenige auf trocknem und diejenige auf nassem Wege,
verfahre ich folgendermaßen, um das Papier zu jodiren. In einen Trog, welcher die
oben angegebene Auflösung enthält, tauche ich so viele Papierblätter als er
aufnehmen kann, zwanzig bis fünfzig und mehr, eines nach dem andern; ich lasse sie
zwei bis drei Minuten eingetaucht; dann rolle ich das ganze Packet der Blätter,
während es noch im Bade
ist, zu einer einzigen lockern Rolle zusammen; ich ergreife die Rolle an einem ihrer
Enden, tauche sie in ein cylindrisches Glasgefäß mit Fuß, und gieße in dieses
Glasgefäß soviel Auflösung, daß sie die ganze Rolle bedeckt; wenn letztere
aufsteigen sollte, lege ich auf das Papier ein kleines Glasstück, um sie in die
Flüssigkeit niederzudrücken. Das Gefäß mit der Papierrolle wird dann unter die
Glocke einer Luftpumpe gebracht; man pumpt die Luft aus, was in einigen Minuten
geschehen ist, und läßt das Papier fünf bis sechs Minuten lang im Vacuum. Sollten
die Papierblätter so groß und das Glasgefäß so hoch seyn, daß man dasselbe nicht
unter die Glocke der Luftpumpe stellen kann, so hilft man sich auf die Art, daß man
auf dem Gefäß einen massiven Deckel befestigt, der mit Kautschuk überzogen und in
seiner Mitte mit einem Ventil versehen ist, das durch ein Rohr mit einer direct
wirkenden Luftpumpe communicirt. Nachdem das Papier so im Vacuum mit Jodkalium
getränkt worden ist, nimmt man es heraus; man läßt die Rolle über dem die Auflösung
enthaltenden Trog abtropfen, nimmt dann die Blätter eines nach dem andern weg und
läßt sie trocknen; man kann dieselben dann beliebig lange aufbewahren.
Die Anwendung der Luftpumpe, welche mir der französische Chemiker Regnault empfahl, gewährt mehrere sehr wichtige
Vortheile: 1) wird das Papier gänzlich jodirt und zwar mit einer so vollkommenen
Gleichförmigkeit, wie sie durch bloßes Eintauchen, dasselbe mag noch so lange
andauern, niemals in diesem Grade erreicht werden kann, weil nie bei zwei
Papierbögen und selbst nicht bei einem einzigen Bogen das Gewebe ganz homogen ist;
auch wird man bei diesem Jodiren durch die Luftblasen nicht mehr behindert. 2) Man
beendigt so in einer Viertelstunde eine Operation, welche gewöhnlich eine Stunde und
sogar zwei Stunden erfordert. 3) Ich schreibe diesen zwei Umständen die wichtige
Thatsache zu, daß mein Papier selbst durch die glänzendste Sonne, in den Lichtern
niemals leidet, sondern ein Exponiren verträgt, welches so lange andauert als es
nothwendig ist, damit die dicksten und undurchdringlichsten Schatten des Horizonts
sich abbilden.
Nasser Weg. – Nachdem ich die Auflösung von
essig-salpetersaurem Silber, wie oben angegeben, bereitet habe, lege ich ein
Blatt jodirten Papiers auf die Oberfläche dieses empfindlichen Bades und lasse es
darauf etwa zehn Minuten. Während dieser Zeit richtet man die Glasplatte des Rahmens
horizontal; man weicht ein Blatt ungeleimten Druckpapiers, welches dick, weiß und
sehr rein ist, in Wasser ein, und legt es aus das Glas als ein nasses Futter,
welches das empfindliche Blatt aufzunehmen hat. Bei gehöriger Uebung kann man alsdann das
empfindliche Blatt vom Bad abheben und es, mit der empfindlichen Seite nach oben,
auf dem Futter von nassem Papier ausbreiten, ohne daß eine einzige Luftblase
zwischen beide gelangt. Dieses Auftragen ist jedoch nicht ohne Schwierigkeiten; das
einfachste und wirksamste Mittel die Luftblasen zu vermeiden, besonders wenn man
große Blätter anwendet, ist folgendes. Man gießt eine schwache Schicht Wasser,
gerade genug, daß es nicht über die Ränder fließt, auf das Futterpapier, nachdem man
dasselbe auf der Glastafel ausgebreitet hat, und legt das empfindliche Papier sanft
nach und nach auf, so daß es auf der Wasserschicht schwimmt; nachdem es ausgebreitet
ist, ergreift man das Glas und die Papiere an einem Eck zwischen Daumen und
Zeigefinger, damit sie nicht gleiten, und läßt das zwischengelagerte Wasser sanft
nach unten ablaufen; die zwei Blätter werden dann einander anhaften, ohne daß auch
nur die kleinsten Luftblasen vorhanden sind. Man läßt das Glas eine oder zwei
Minuten in senkrechter Lage, damit das Wasser bis zum letzten Tropfen ablauft, so
daß, wenn das Glas wieder in die horizontale Lage oder in den Rahmen gebracht wird,
kein Tropfen zurücklaufen und das Papier netzen kann. Das Papierblatt kann alsdann
unmittelbar der ununterbrochenen Wirkung der Linse ausgesetzt werden, ohne daß man
es mit einem Schutzglas zu bedecken braucht; selbst in dem trockenen und warmen
Klima der Pyrenäen erhielt sich die Feuchtigkeit und in deren Folge die
Empfindlichkeit ein Paar Stunden lang.
Um die so genommene Ansicht zu entwickeln, wendet man die gewöhnliche gesättigte
Auflösung von Gallussäure an, ohne ihr jemals salpetersaures Silber zuzusetzen,
wobei man sicher ist, die vollkommene Reinheit und die mannichfaltigen Nüancen aller
Töne zu erzielen. Das Fixiren geschieht wie gewöhnlich mit unterschwefligsaurem
Natron, und man hat dann bloß noch das erhaltene negative Bild zu waschen.
Trockner Weg. – Zum Vorbereiten des Papiers für
reisende Photographen habe ich auf die Anwendung des vorher mit Wachs getränkten
Papiers verzichtet und mich so einer unbequemen Operation entledigt; ich verfahre
folgendermaßen. Anstatt ein Blatt meines jodirten Papiers, wie bei dem vorher
beschriebenen Verfahren, auf der Oberfläche des empfindlichen Bades schwimmen zu
lassen, tauche ich es gänzlich in das Bad, lasse es darin etwa fünf oder sechs
Minuten lang sich ansaugen, nehme es dann heraus und lege es zwanzig Minuten in ein
oder selbst zwei Bäder destillirten Wassers, um ihm den Ueberschuß von
salpetersaurem Silber zu benehmen; dann hänge ich es zum Trocknen auf (anstatt es mit Fließpapier
abzuwischen). Das so vorbereitete Papier besitzt eine viel größere Empfindlichkeit
als das gewichste Papier; es behält seine Empfindlichkeit zwar nicht so lange, aber
doch lange genug für alle Anforderungen der Praktiker, dreißig Stunden und sogar
länger. Die Papiere der englischen Fabriken sind in dieser Hinsicht den
französischen Papieren weit vorzuziehen. Um die erhaltenen Bilder zum Vorschein zu
bringen, muß man dem Gallussäurebad einige Tropfen salpetersaures Silber zusetzen;
sie werden dann auf gewöhnliche Weise fixirt und gewaschen.
Die zwei beschriebenen Verfahrungsarten scheinen mir auf den möglich größten Grad von
Einfachheit gebracht zu seyn. Ich erhalte auf meinen Bildern niemals Flecken und die
Sicherheit der Resultate läßt gar nichts zu wünschen übrig. Die Luftperspective und
die Farbenabstufungen sind vortrefflich wiedergegeben, auch sind die dicksten
Schatten tief und entwickelt. Meine Bilder sprechen zum Auge wie es die Natur selbst
thun würde.
Bei der Exposition für eine Landschaft beachte ich die lichten oder glänzenderen
Theile nicht; ich regulire die Zeit, indem ich bloß die dunkeln oder schwach
erhellten Theile des Gesichtspunkts berücksichtige. Mit einer Linse von 3 1/2 Zoll
dauert die Exposition zwischen 10 Minuten und 1 1/2 Stunde, und während dieser
ganzen Zeit schien mir die Wirkung des Lichts nicht unterbrochen zu werden.
Ich beabsichtige in der Folge die Luftpumpe nicht mehr bloß zum Jodiren des Papiers
anzuwenden, sondern auch beim Empfindlichmachen desselben, indem ich z.B. das
Papierblatt einige Minuten lang in dem Silberbad unter der Glocke der Luftpumpe
lasse, bevor ich es in der camera obscura exponire.
Ich habe zum Jodiren mittelst der Luftpumpe hauptsächlich das französische Papier von
Canson angewendet. In England werden wenige Papiere
fabricirt, deren Gewebe so fest ist, daß es der Wirkung des luftleeren Raums
widersteht; man könnte ihnen aber leicht diese Eigenschaft ertheilen. Wenn die
englischen Papiere, welche den französischen an Güte weit überlegen sind, nur besser
geleimt würden, d.h. mit einem weniger leicht löslichen (obgleich weniger reinen)
Leim, so hätte die Schönheit der erzielbaren Bilder schwerlich eine Gränze.
John Stewart.