Titel: | Ueber Dünger und Bodenverbesserungsmittel; Bericht von Hrn. Barral, dem landwirthschaftlichen Verein des franz. Nord-Departements erstattet. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XXX., S. 146 |
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XXX.
Ueber Dünger und Bodenverbesserungsmittel;
Bericht von Hrn. Barral,
dem landwirthschaftlichen Verein des franz. Nord-Departements
erstattet.
Aus dem Moniteur industriel, 1852, Nr. 1708 und
1711.
Barral, über Dünger und Bodenverbesserungsmittel.
Die Commission für Dünger und BodenverbesserungsmittelDiese Commssion bestund aus den HHrn. Kuhlmann,
Vorsitzender, Peligot, Cheval, Huart, Van
Lempoël, Delanone, Duquesne, Massiet und Barral als Berichterstatter., welche der Verein wählte, beschloß sich mit diesem Gegenstand nur in seiner
besondern Beziehung zu unserem landwirthschaftlichen Bezirke zu beschäftigen. Die
allgemeinen Principien der Pflanzenernährung mittelst des Düngers, welcher dem Boden
die ihm durch die Ernten entzogenen Bestandtheile wieder ersetzt, sind heutzutage
aller Welt bekannt; am meisten kann man daher jetzt durch Erörterung der Bedürfnisse
des Einzelnen, durch die Verbesserung der örtlichen Gewohnheiten nützen. Gerade in
dieser Hinsicht aber zeichnet sich unsere Gegend im Vergleich mit dem übrigen
Frankreich, mit England und Deutschland aus; denn nirgends sind so viele
Fortschritte zur wirklichen Ausführung gekommen. Ist es doch Flandern, wo man
einsah, daß es ohne reichliche Düngung keine ergiebige Landwirthschaft gibt, und daß
man dem Boden, um ihm viel abverlangen zu können, ohne ihn zu erschöpfen, nothwendig
viel Dünger geben muß. Gerade in Flandern hat man die menschlichen Excremente,
welche in so vielen Ländern verloren gehen oder schlecht benutzt werden, zur
Bereitung einer sehr befruchtenden Flüssigkeit verwendet, welche unter dem Namen
„flämmischer Dünger“ bekannt ist.
Die Commission glaubte sich hauptsächlich mit drei Punkten beschäftigen zu müssen: 1)
mit der Verbesserung des bei den Landwirthten erzeugten Düngers; 2) mit der
Anwendung der im Handel vorkommenden Dünger; 3) mit den
Bodenverbesserungsmitteln.
I. Verbesserung des
landwirthschaftlichen Düngers.
Der in der Landwirthschaft erzeugte Dünger ist für die meisten Culturen das
wohlfeilste Befruchtungsmittel. Er enthält einen sehr großen Theil der dem Boden durch
die Ernten entzogenen Bestandtheile, welche die Thiere beim Verzehren ihres Futters
nicht assimilirten, die sie aber bei ihren Ausleerungen in einem Zustand wieder von
sich geben, wobei er für neue Ernten leicht assimilirbar gemacht werden kann. Es
handelt sich bloß darum, daß nichts von seinen Bestandtheilen verloren gehe; zu
diesem Behufe ist es nothwendig, die flüssigen Ausleerungen gut zu absorbiren, und
dann bei der Zubereitung des Düngers mittelst einer schwachen Gährung besorgt zu
seyn, daß von seinen flüchtigen Bestandtheilen nichts entweichen kann.
Bei dem Boden unseres Nord-Departements, welcher größtentheils ein compacter
Thonboden ist, muß der Dünger das Erdreich, welches er befruchtet, zu gleicher Zeit
auch zertheilen und auflockern können. Der geeignetste poröse Stoff, um den Harn zu
absorbiren, scheint in unserer Gegend das als Streu dienende Stroh zu seyn. Doch
kann es für Oekonomen in der Nähe von Städten vortheilhafter seyn, Materialien
welche zu einem viel höhern Preise verkäuflich sind, als wozu sie sich als Dünger
rentiren, auf den Markt zu führen und dagegen Handelsdünger oder auch
Fabrikrückstände, Straßenkoth aus Städten etc. zu kaufen. Die Zeit übrigens ist
längst vorüber, wo man bei uns das Stroh des Repses und einiger Hülsenfrüchte
verbrannte; diese Materialien sind ein sehr guter Dünger und absorbiren überdieß die
thierischen Excremente vollkommen.
Einige Landwirthe haben leider noch keine vollkommen abgeschlossene Miststätte, auf
welcher der aus den Viehställen kommende Mist in Schichten gehörig ausgebreitet
werden kann, und die mit einer Harngrube versehen, auch mittelst eines Daches gegen
das Regenwasser geschützt ist. Der Dünger wird nicht immer gehörig ausgebreitet,
auch dabei die Vermengung des Düngers vom Rindvieh und den Schafen, welcher sich
langsamer zersetzt, mit dem schneller gährenden Pferdemist oft verabsäumt. Manchmal
wird durch Aufhäufen einer zu großen Menge sehr warmen Mists aus Pferde- und
Viehställen eine zu heftige Gährung hervorgerufen; manchmal unterläßt man es auch,
in dem Falle wo eine starke Gährung stattfindet, das Ammoniakgas in frischem Miste
oder in Pflanzenerde zu sammeln. Wir glaubten auf alle diese Fehler aufmerksam
machen zu müssen, obgleich sie in unserm Departement nicht häufig vorkommen.
Man hat in mehreren Gegenden die Ammoniaksalze durch chemische Agentien, wie Gyps,
Eisenvitriol und selbst sehr verdünnte Schwefelsäure, im Dünger zurückzuhalten
gesucht. Auf Gütern, wo man sich diese Substanzen nicht sehr wohlfeil verschaffen
kann, möchte die Commission deren Anwendung nicht empfehlen. Doch glaubt sie
bemerken zu müssen, daß in der Nähe von St. Quentin Alaunerz und in der Umgegend von Tourney Alaunschiefer
vorkommt, welche man recht gut zum Bedecken der Düngerhaufen benutzen könnte, wie
jetzt in einigen Bezirken den Sand.
An den Ufern der Leye (Lys) wird der vom Wasser abgesetzte Schlamm gesammelt und ihm
oft gebrannter Kalk zugesetzt; anderwärts macht man Composte, bei denen man die
Zersetzung der verschiedenen angewandten Kräuter ebenfalls durch einen Zusatz von
Kalk zu beschleunigen sucht. Diese Verfahrungsweisen scheinen uns nicht sehr
rationell zu seyn; wir glauben, daß der Kalk nur da anzuwenden ist, wo in einem
Schlamm die Säure neutralisirt werden muß. Doch ist dieses Verfahren nicht so
verwerflich als dasjenige, dem Miste gebrannten Kalk oder gar kohlensauren Kalk oder
Mergel zuzusetzen. Der Aetzkalk treibt das Ammoniak aus und vermindert daher den
Werth des Düngers; der kohlensaure Kalk hat eine ähnliche indirecte Wirkung, indem
er kohlensaures Ammoniak, ein flüchtiges Salz, erzeugt. In Wirthschaften, wo nicht
Stroh als Streu gegeben wird, sondern man den Harn von andern Substanzen absorbiren
lassen will, kann man daher zu diesem Zweck nichts schlechteres wählen, als Mergel
oder Kalk; hingegen eignet sich dazu vortrefflich Thon, welcher, wie Theodor v. Saussure schon vor mehr als einem halben Jahrhundert
gezeigt hat, das Ammoniak vollkommen verdichtet.
Seit einigen Jahren bringen einige Landwirthe in England den Mist aus dem Stall
unmittelbar auf das Feld, ohne ihn vorher in Haufen gähren zu lassen. Zu diesem
Behufe wird das Mastvieh in eine Art Gruben gestellt; man breitet unter seinen Füßen
Thon in solcher Menge aus, daß er alle Ausleerungen zu absorbiren vermag, und
darüber so viel Stroh, daß das Thier sich legen kann; täglich werden neue Schichten
von Thon und Stroh zugefügt und die dem Vieh zum Aufenthalt dienende Grube wird erst
nach mehreren Wochen, manchmal erst nach mehreren Monaten geleert. Das Thier sieht
den Fußboden unter sich anwachsen, ohne einen übeln Geruch zu verspüren und der
erhaltene Dünger ist vortrefflich. Andere stellen das Vieh bloß auf den etwas
ausgehöhlten und ebenso mit Thon und Stroh belegten Boden des Stalls. Manche
Landwirthe stellen die Thiere auf durchbrochene Fußböden; alle ihre Ausleerungen
fallen dann durch die Oeffnungen dieses Fußbodens in die darunter befindliche Grube
und werden daselbst von Thon absorbirt, welcher sich in zwei bis drei Monaten in
eine vortreffliche Düngererbe verwandelt. Bei diesen neuen Verfahrungsweisen
verfüttert man an das Vieh einen großen Theil des Strohs, welches man ihm sonst
kleingehackt und mit gepulverten Preß- oder Oelkuchen vermengt, darreicht.
Man erhält so ausgezeichnete Resultate.
II. Dünger, welche im Handel
vorkommen.
Der Transport des landwirthschaftlichen Düngers bietet in vielen Gegenden sehr große
Schwierigkeiten dar; der Herbst ist, wegen des Zustandes der Felder während des
Winters und Frühlings, fast die einzige Jahreszeit, wo dieser Transport ausgeführt
werden kann. Die im Handel vorkommenden Dünger, von denen selbst ein geringeres
Gewicht viel befruchtender wirkt, ziehen daher immer mehr die Aufmerksamkeit des
Landwirthes auf sich. Doch sind die Preßkuchen der Oelsamen die einzigen Dünger des
Handels, deren man sich, zwar nicht im Arrondissement von Valenciennes, aber in der
Umgegend von Lille, in den Bezirken von Merville, Bailleul, Cassel, Hazebrouck etc.
bedient. Der Preis von 100 Kil. Oelkuchen wechselt zwischen 12–13 Franken;
durch den Verkauf der ausgepreßten Oelsamen in Form von Kuchen, wird ihre
Verfälschung im Handel verhindert; diese Kuchen werden von den Oekonomen selbst
gepulvert. Man streut die Oelkuchen in gepulvertem Zustande auf den Feldern aus;
oder man weicht sie zuerst in Wasser ein, und sobald dadurch eine Art Gährung
hervorgerufen wurde, verbreitet man die entstandene schleimige Flüssigkeit auf
dieselbe Art wie den flämmischen Dünger. Die Quantitäten, welche man von den
Oelkuchen anwenden muß, sind beträchtlich, 1700 Kil. per
Hektare beim Weizenbau, 2600 Kil. beim Flachsbau und 12000 Kil. beim Tabaksbau. Die
Oelkuchen welche man in Pulverform auf dem Felde ausstreut, sind die von Reps, Mohn,
Leindotter und manchmal auch vom Lein. Der Leindotterpreßkuchen wird als ein
würmervertreibendes Mittel für den Boden betrachtet. Die Leinpreßkuchen werden mehr
als Futter für Mastvieh verwendet. Die Commission wundert sich, daß man nicht auch
die andern Preßkuchen als Viehfutter zu verwenden trachtet; dieselben enthalten
nämlich durchschnittlich wenigstens 7 Procent Fettsubstanzen, welche als Dünger ohne
alle Wirkung sind, aber von großem Werth wären, wenn der Preßkuchen den Magen des
Viehs passiren müßte, bevor er in die Ackererde gelangt. In der Nähe von London wird
viel Schlachtvieh mit einem Gemenge von Hackstroh und gepulverten Preßkuchen
aufgezogen.
Der Guano scheint in den nördlichen Departements von Frankreich neben der Anwendung
der Preßkuchen nicht in Gebrauch kommen zu können. Die Preßkuchen sind ein Dünger,
auf welchen sich die Landwirthe verlassen können, während hingegen der Guano nicht
selten ein verfälschtes Gemenge ist. Zudem müßte der jetzige Preis des Guano
wenigstens auf die Hälfte heruntergehen, damit er von unseren Landwirthen mit
wirklichem Vortheil angewendet werden könnte. Man scheint dieß in England sehr gut einzusehen,
denn man bemüht sich dort den Guano dadurch wohlfeiler zu erhalten, daß man eine
erkleckliche Verminderung des Ausfuhrzolles auf den Chincha-Inseln bei der
peruanischen Regierung durchzusetzen sucht. Wenn der Preis des Guano herunterginge,
würde man der Verfälschungen desselben bald Herr werden; es wurden nämlich zu deren
Ermittelung sehr einfache, von jedem Landwirth ausführbare chemische
Verfahrungsweisen vorgeschlagen. Besonders eignet sich hierzu das von Hrn. Melsens, einem belgischen Chemiker, angegebene
VerfahrenPolytechn. Journal Bd. CXXVI S.
301.; man braucht sich nur mit Chlorkalk, einer Flasche, einer bleiernen Röhre
und einer graduirten Glasglocke zu versehen, um mit hinlänglicher Genauigkeit den
Stickstoffgehalt und dadurch den unmittelbaren Werth des Guanos, welchen man kaufen
will, bestimmen zu können.
Getrocknetes Blut und die anderen thierischen Dünger wurden bei uns kaum versucht;
sicher würden sie vortreffliche Resultate geben, man hat sich aber im
Nord-Departement schon so an den Gebrauch der Preßkuchen gewöhnt, daß man die
anderen käuflichen Dünger nicht beachtet.
Hier müssen wir erwähnen, daß von unserer Gegend aus ein im Westen sehr geschätzter
Dünger in großer Menge nach den Küsten des Oceans, und namentlich nach Nantes
ausgeführt wird; es ist dieß die Knochenkohle aus den Zuckerraffinerien. Sollte es
wahr seyn, daß dieser kräftige Dünger in unserer Gegend erfolglos war? Wurde
derselbe wirklich unter allen möglichen Umständen versucht, z.B. bei den
Urbarmachungen? Wir hielten es für nothwendig, die Aufmerksamkeit des Vereins auf
diesen Punkt zu lenken.
III. Von den
Bodenverbesserungsmitteln.
Die in dem Thonboden des Nord-Departements mit Vortheil anwendbaren
Verbesserungsmittel sind: der Kalk, der Mergel oder mehr oder weniger unreine
kohlensaure Kalk, und der Gyps oder schwefelsaure Kalk. Der Gyps findet keine große
Anwendung, obgleich er zu Lille nur 2 1/2 bis 2 3/4 Franken per Hektoliter kostet und 50 Hektoliter Gyps per Hektare für den künstlichen Futterbau hinreichen. Fragt man, warum er
nicht häufiger angewendet wird, so erhält man die Antwort, weil in unserm Boden Kalk
und Mergel dieselbe Wirkung hervorbringen, und hierüber kann nur die Erfahrung
entscheiden.
Man verwendet im Nord-Departement als Bodenverbesserungsmittel Mergel und
gebrannten Kalk in ziemlich gleichen Portionen, und zwar 115 Hektoliter Mergel per Hektare.
Kalk in gebranntem Zustand wird dem Mergel oft vorgezogen; man löscht ihn vor dem
Verbreiten auf den Feldern. Eine seiner guten Wirkungen ist die, daß er den festen
Thonboden gut zertheilt. Mehrere Landwirthe begehen aber in der Wahl ihres Kalks
einen großen Fehler; es gibt nämlich in ihrer Gegend zwei Sorten von Kalkstein,
hydraulischen und fetten (gemeinen) Kalk; der erstere ist als Baumaterial sehr
schätzbar, aber eben deßwegen für den Feldbau der schlechteste.
Besteht die einzige Wirkung des Kalks darin, das Erdreich zu zertheilen und ihm Kalk
als Bestandtheil zu geben, oder setzt derselbe auch eine gewisse Menge Alkali, Kali
oder Natron, welche unsere Culturen erheischen, in Freiheit? Dieß ist eine wichtige
Frage, welche alle Aufmerksamkeit verdient.
Seit einigen Jahren fabricirt man Potasche aus den Rückständen von der Destillation
der Melassen. Die Melassen enthalten nämlich alles Kali, welches die Runkelrüben dem
Boden entzogen. Man kann annehmen, daß die Zuckerfabriken in Frankreich im Ganzen
20,000,000 Kil. Melasse erzeugen, aus welcher 2,000,000 Kil. Potasche gewonnen
werden können, die 1,000,000 Kil. reines Kali enthalten. Da nun der mit Runkelrüben
angebaute Boden zu 25,000 Hektaren anzuschlagen ist, so folgt, daß der neue
Fabricationszweig dem Boden durchschnittlich 60 Kil. reinen kohlensauren Kalis per Hektare entzieht.
Es ist zu befürchten, daß der Dünger den Feldern nicht die gleiche Menge Kali wieder
zubringt. Dieser Umstand erklärt es, daß viele Landwirthe sich an die Preßkuchen als
Dünger halten; denn die Preßkuchen enthalten Kali, und die Landwirthe finden darin
das Mittel, dem Boden einen seiner wichtigsten Bestandtheile zurückzuerstatten.
Andererseits ist es gewiß, daß die Rückstände der Melasse-Brennereien auf den
Rübenfeldern im Vergleich mit den gewöhnlichen Düngern stets ein besseres Resultat
geben. Dieser Gegenstand verdient wegen der Zukunft unserer Landwirthschaft durch
directe Versuche näher erforscht zu werden. Vielleicht ist die Erschöpfung des
Bodens an Kali eine Ursache der Runkelrübenkrankheit.
Eine wesentliche Bedingung, um das Ackerland leicht und allgemein verbessern zu
können, ist, daß die dazu nothwendigen Stoffe den Landwirthen zu niedrigen Preisen
geliefert werden können und deren Transport durch Benützung von Canälen etc.
wohlfeil zu bewerkstelligen ist.