Titel: | Ueber fabrikmäßige Darstellung von Paraffin und reiner Essigsäure aus Holzessig; von Reinhold v. Reichenbach. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XLVI., S. 221 |
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XLVI.
Ueber fabrikmäßige Darstellung von Paraffin und
reiner Essigsäure aus Holzessig; von Reinhold v. Reichenbach.
Aus dem Jahrb. der k. k. geologischen Reichsanstalt,
Jahrg. III, Nr. 2.
Reichenbach, über fabrikmäßige Darstellung von Paraffin und reiner
Essigsäure aus Holzessig.
Als ich vor mehreren Jahren mit dem Betriebe von Holzverkohlung in Oefen und der
Verarbeitung der entfallenden rohen Destillationsproducte zu thun hatte, kam mir
unter andern auch die Aufgabe vor, reines Paraffin nach
größerem Maßstabe darzustellen, als in welchem es bisher gewonnen worden war. Dieser
bekanntlich im Jahr 1830 von meinem Vater im Holztheer entdeckte wachsartige Stoff
wird aus demselben dadurch abgeschieden, daß man den specifisch schwersten und
schwerflüchtigsten Antheil des destillirten Theers oder Theeröls der starken
Winterkälte aussetzt, und darauf durch Säcke von grober Leinwand filtrirt, wobei
eine schwarzbraune weiche Masse als höchst unreines Paraffin in einem solchen Filter
hängen bleibt. Die weitere Reinigung geschieht nach der ursprünglichen Vorschrift
durch starkes Auspressen, um das anhängende Theeröl zu entfernen, und sodann durch
längeres Digeriren der noch braunen Substanz mit mäßig erwärmter concentrirter
Schwefelsäure, um alles beigemengte Brandharz (oder Empyreuma) durch Verkohlung
gänzlich zu zerstören.
Dieses Digeriren und Umschütteln mit warmer Schwefelsäure genügte nun wohl, um kleine
Portionen reinen Paraffins von wenigen Lothen herzustellen. Als es sich aber darum
handelte, Massen von mehreren Pfunden ebenso vollständig zu reinigen und von
gleicher Qualität zu liefern, so erwies sich dieses Verfahren als eine höchst
langwierige und unzulängliche Arbeit, weil die geschmolzene Paraffinschicht ölartig auf der
Schwefelsäure schwimmend, nicht so leicht mit derselben in vollkommene Berührung zu
bringen war, wie oft man auch das Umrühren und Aufschütteln des Gemenges wiederholen
mochte, und es erschien fast unmöglich, auf diesem Wege auch für größere Quantitäten
Paraffin eine chemische Reinheit und absolute Farblosigkeit des Productes zu
erzielen.
Während ich unter solchen Umständen von der Betrachtung ausging, daß die concentrirte
Schwefelsäure für den gegebenen Zweck um so wirksamer seyn müßte, einmal je höher
ihre Temperatur an sich wäre, und zweitens, je vollständiger die Mischung der sich
wechselseitig zersetzenden Substanzen zu Stande gebracht würde, verfiel ich auf den
Gedanken, das ganze Gemenge einer Art Destillationsproceß zu unterwerfen. Ich füllte
nämlich eine große Glasretorte halb mit rauchendem Vitriolöl an und setzte etwa die
Hälfte oder ein Drittel seines Gewichtes an rohem, wohlausgepreßtem Paraffin hinzu.
Darauf begann ich langsam im Sandbade zu erwärmen und steigerte die Hitze so lange,
bis endlich Dämpfe sich zu entwickeln anfingen, worauf ein dichter Nebel Vorlage und
Retorte erfüllte. Es dauerte jedoch nicht sehr lange, so zeigte sich in der kalten
Vorlage über etwas saurem Wasser schon auch festes Paraffin; bald fand sich die
gesammte eingesetzte Masse desselben übergegangen in der Vorlage wieder und zwar von
einer Reinheit, Durchsichtigkeit und Farblosigkeit, wie es kaum zuvor war gesehen
worden. So warm mit einem Male alle früheren Schwierigkeiten des langsamen
Digerirens beseitigt und das Paraffin konnte nunmehr, so weit eben das Rohmaterial
reichte, leicht in beliebiger Menge vollkommen rein und farblos geliefert
werden.
Dieser auffallend rasche und günstige Erfolg bestärkte mich in der Ueberzeugung von
der ausgezeichnet kräftigen Wirksamkeit der concentrirten Schwefelsäure zur
Zerstörung jeder Spur von empyreumatischer Substanz überhaupt, und ich schloß sofort
aus dieser Erfahrung, daß dieselbe mit nicht geringerem Nutzen auch in anderen
Fällen Anwendung finden dürfte, wo die Aufgabe eine gleichartige wäre.
Es war nun hier vorzüglich die Essigsäure, auf deren reine
Darstellung aus Holzessig ich zunächst Veranlassung hatte meine Aufmerksamkeit zu
richten, und nach der eben gemachten Beobachtung konnte ich nicht mehr zweifeln, daß
durch Zerlegung irgend eines noch so unreinen holzessigsauren Salzes mittelst
concentrirter Schwefelsäure eine von allem Empyreuma vollkommen freie, reine und
farblose Essigsäure müsse erhalten werden können.
Um mich entschieden hievon zu versichern, wählte ich zuerst zu diesem Zwecke das
sogenannte rohe Rothsalz, d.h. den mit gewöhnlicher roher Holzessigsäure bereiteten
essigsauren Kalk – ein Salz, das in völlig trockenem Zustande eine durch
beigemengtes Brandharz fast schwarzgefärbte Masse darstellt und nur durch mehrmals
wiederholte Auflösung und Röstung ganz weiß hergestellt werden kann. Die
Untersuchung dieser Substanz über die vorstehende Frage gewährte deßhalb
vorzugsweise ein praktisches Interesse, weil dieselbe unter allen essigsauren
Verbindungen unstreitig am wohlfeilsten beizuschaffen ist.
Die Fabrication von Essigsäure aus holzessigsaurem Kalke ist an sich eben nichts
neues und wird in England, wie man weiß, längst im Großen zu allem ökonomischen
Gebrauche betrieben. Indessen wendet man dort, so viel mir bekannt, zur Zersetzung
dieses essigsauren Salzes immer nur wässerige Schwefelsäure an, nachdem man gefunden
haben mag, daß die Destillation mit concentrirter Säure besonderen Schwierigkeiten
unterliegt. Diese praktischen Schwierigkeiten zu überwinden, schien mir aber aus den
angeführten Gründen gerade von der größten technischen Wichtigkeit, nachdem ich
thatsächlich überzeugt war, daß aus einem nicht absolut reinen essigsauren Salze
mittelst verdünnter Schwefelsäure eine von allem Empyreuma gänzlich freie Essigsäure
niemals erhalten werden könne.
Ich behandelte also, wie gesagt, zunächst trockenes rohes Rothsalz mit concentrirter
Schwefelsäure, und der erste Erfolg entsprach meiner Erwartung schon in soweit, daß
etwa die Hälfte der, bei langsam geleiteter Destillation in die Vorlage übergehenden
sehr starken Essigsäure durchaus klar, farblos und frei von allem empyreumatischen
Geruche ausfiel. Erst von dem Zeitpunkte an, wo die Temperatur der Retorte etwas
gesteigert werden mußte, um weitere Dämpfe von Essigsäure überzutreiben, begann eine
allmähliche braungelbe Färbung und zugleich eine eigenthümliche Trübung des sauren
Destillates aufzutreten. Beide, Farbe und Trübung, zeigten jedoch einen anderen
Charakter, als er durch vorhandenes Empyreuma u.s.w. sonst bedingt zu seyn pflegt,
indem destillirte Holzessigsäure keineswegs trüb und in anderer Weise gefärbt
erscheint. Ich suchte daher die Ursache dieser ungewöhnlichen Verunreinigung des bei
steigender Hitze übergehenden Destillats in Zersetzung eines kleinen Antheils noch
freier Schwefelsäure durch anwesende kohlige Substanz und in Bildung von etwas
Schwefel, eine Vermuthung, in welcher mich die fernere Wahrnehmung bestärkte, daß
die in obiger Weise trüb und farbig übergegangene Essigsaure durch bloße
Rectification gleichfalls vollkommen klar und weiß gemacht werden konnte.
Die der erhitzten Gefäßwand zunächst liegenden Schichten des Gemenges von
holzessigsaurem Kalk und Schwefelsäure mußten nämlich offenbar auch zuerst ihre frei
gewordene Essigsäure abgeben, sie ganz verlieren und bald darauf in einen Zustand
von Trockenheit übergehen, in welchem dieselben endlich fähig waren eine Temperatur
anzunehmen, welche hinreichen mag jene genannte Wechselwirkung zwischen Kohle und
Schwefelsäure zu gestatten. Es schien mir sonach einzig darauf anzukommen, daß eine
solche Temperatursteigerung während der Destillation der Essigsäure in keinem Theile
der inneren Masse zugelassen werde, um auch deren nachtheiligen Folgen
auszuweichen.
Diesen Zweck suchte ich einfach dadurch zu erreichen, daß ich den Fortgang der
Destillation unterbrach, sobald jener kritische Moment einzutreten begann, wo
dieselbe ohne merkliche Verstärkung des schwachen offenen Feuers nicht mehr gehörig
vorwärts gehen wollte, und mich alsdann bemühte, das ganze Gemenge innerhalb der
Retorte oder Blase auf mechanischem Wege gründlich aufzurühren und umzuwenden, so
daß die äußersten und untersten Theile wo möglich nach innen und oben, die andern
noch weniger ausgetrockneten dagegen nach unten und außen zu liegen kamen. Als ich
nach dieser Operation, die wenige Minuten brauchte, mit der schwachen Feuerung
wieder begann, so ging auch, wie zuvor längere Zeit hindurch, eine ganz klare und
weiße Essigsäure in die kalte Vorlage über, bis sich endlich der vorige Uebelstand
von neuem meldete. Wurde sofort dieses mechanische Verfahren in gleicher Weise noch
zwei bis dreimal wiederholt, so gelang es wirklich, alle Essigsäure bis auf einen
ganz kleinen Rest, der zuletzt bei höherer Hitze ausgetrieben wurde, vollkommen klar
und farblos abzuziehen.
Die also aus dem rohen essigsauren Kalke erhaltene concentrirte Essigsäure konnte
allerdings nicht ganz frei und rein von schwefliger Säure oder Spuren mechanisch
übergeführter Schwefelsäure ausfallen. Es ist jedoch dieser Umstand hier nicht von
Belang, nachdem bekanntlich selbst bei Anwendung der reinsten essigsauren Salze die
Entstehung von etwas schwefliger Säure in diesem Falle nicht gänzlich zu vermeiden
ist und man andererseits im Zusatze von wenigem Braunstein, Bleisuperoxyd u.s.w. in
Verbindung mit einfacher Rectification ein wirksames Mittel besitzt, diese fremden
Beimengungen aus dem Essigsäuredestillat vollständig zu entfernen.
Um sonach aus dem rohen holzessigsauren Kalke eine reine und concentrirte Essigsäure
nach dem beschriebenen Verfahren unmittelbar und im großen Maaßstabe gewinnen zu
können, handelte es sich bloß noch darum, den Destillirgefäßen eine solche Form zu geben, damit
jenes wesentliche periodische Aufrühren und Umwenden der gesammten Salzmasse
mittelst Spateln oder Schaufeln leicht und schnell ausführbar gemacht wurde. Zu dem
Ende construirte ich geräumige gußeiserne Schalen von etlichen Fußen im Durchmesser,
mit einem flachen Rande versehen, auf welchen ich den ebenen Deckel aufsetzte, in
dessen Mitte ein kupferner Hut angebracht war, der eine sehr gute Kühlung durch
fließendes Wasser zuließ. Der eiserne Deckel konnte sammt Hut abgehoben und nach
jedesmaligem Umschaufeln der inneren Masse wieder aufgesetzt werden, so daß schon
dieser einfache Apparat den Zweck erfüllte und im Durchschnitt gegen einen Centner
reiner concentrirter Essigsäure täglich zu liefern im Stande war.
Noch etwas bequemer werden diesem Destillationsproceß halbkugelförmige eiserne Gefäße
entsprechen, auf deren ebenen Rand ein gleicher Deckel paßt, während die sauren
Dämpfe durch eine weite Seitenöffnung in das kupferne Kühlrohr abziehen. Da unter
diesen Umständen der Deckel noch leichter zu handhaben ist, so kann er nach dem
Zumischen der Schwefelsäure um so rascher aufgesetzt werden, worauf das anfänglich
sich etwas erhitzende Gemenge so lange sich selbst überlassen bleibt, bis ohne
Feuerung keine Dämpfe mehr erscheinen und in der Vorlage sich verdichten. Dieß gilt
auch für das später nöthige Abheben des Deckels, der außerdem eine kleine
verschließbare Oeffnung zum Nachgießen von Säure haben soll.
Wer einigermaßen die besonderen Eigenschaften der rohen Holzessigsäure und die
Bedingungen ihrer Erzeugung genauer kennt, wird wohl gern zugeben, daß es zu ihrer
vollständigen Reinigung von empyreumatischen Substanzen und zur Gewinnung einer
starken Essigsäure durchaus kaum einen viel einfacheren und kürzeren Weg geben
dürfte als den eben gezeigten. Daß aber die Essigsäure dadurch zunächst im
concentrirtesten Zustande erhalten wird und zu mancher technischen Verwendung wieder
mit Wasser verdünnt werden müßte, diesen zufälligen Umstand gerade halte ich in
merkantilischer wie in national-ökonomischer Beziehung überhaupt für einen
eigenthümlichen Vorzug meines Verfahrens. Denn eben diese Concentrirung kann und
wird es erst möglich machen, die Essigsäure als eine neue Waare in den allgemeinen
Handel zu bringen, während gewöhnlicher, wässeriger Essig, wie ausgezeichnet er
sonst beschaffen seyn mag, niemals eine sehr weite Fracht vertragen wird. Erst dann,
wenn einst die reine Essigsäure gleich dem Weingeist, den Oelen, dem Zucker und
andern, einen wichtigen Artikel im großen Welthandel vorstellen wird, mag sich auch die eigentliche
Bedeutung der Verkohlung im Geschlossenen oder der trockenen Destillation des Holzes
in ihrem wahren Lichte zeigen und man wird aufhören, rohe Erzeugnisse in großen
Massen als unbrauchbar verloren gehen zu lassen, welche so vorzüglich verwerthbar
sind.
Einen ganz anderen Gang wird man freilich einschlagen, wenn nicht sowohl davon die
Rede ist, reine Essigsäure zum allgemeinen Gebrauche, als nur verschiedene in den
Gewerben erforderliche essigsaure Salze mittelst Holzessigsäure darzustellen. Hierzu
genügt vollkommen eine zweimalige Destillation der rohen Holzessigsäure; das
erstemal unter Zusatz von beiläufig zehn Procent grober Holzkohle, das zweitemal
nebst feinerer Kohle mit Beimischung von wenig Braunstein und Schwefelsäure, wovon
zwei Procent eines jeden zureichen. Eine wesentliche Bedingung der vollständigen
Reinigung des Holzessigs ist aber hier eine möglichst langsame Leitung dieser beiden
Destillationen, da sie zugleich als Digestionen zu wirken und die Verharzung oder
Oxydation des sämmtlichen Brandöls zu befördern haben, was bei gänzlichem
Ausschlusse der äußeren Luft durch zu rasche Dampfbildung nicht wohl gelingen kann.
Das unter Beobachtung dieser Vorsicht erhaltene Essigdestillat ist bereits so
farblos und luftbeständig, daß es sich z.B. zur Darstellung von Bleizucker im Großen ganz wohl eignet und selbst sein
Geschmack nur wenig mehr zu wünschen übrig läßt, der übrigens durch weitere kalte
Behandlung mit Kohle auf bekannte Weise noch zu verbessern wäre.
Schließlich will ich bemerken, daß eine zweckmäßige Leitung des gesammten
Verkohlungsprocesses auch auf die Reinheit und Stärke der erzeugten rohen
Holzessigsäure selbst schon einen bedeutenden Einfluß zu nehmen vermag.