Titel: | Ueber die den Eisenhohöfen mitzutheilende Windmenge. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LVIII., S. 272 |
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LVIII.
Ueber die den Eisenhohöfen mitzutheilende
Windmenge.
Ueber die den Eisen-Hohöfen mitzutheilende
Windmenge.
Ueber diesen eben so wichtigen als problematischen Gegenstand theilen wir im
Folgenden aus Armengaud's Publication industrielle t. VIII p. 253
dasjenige mit, was Hr. Laurens in der Gesellschaft der
französischen Civilingenieure vorgetragen hat.
Man hat in der Eisenhüttenkunde durchaus keine genauen und allgemein angenommenen
Data über die Luftmenge, welche mittelst der Formen einem Hohofen zugeführt werden
muß. Daraus folgte, daß man den Gebläsen oft übertriebene Dimensionen gab. Als man
aber anfing den Hütten jene große Ausdehnung zu geben, wie es noch ganz neuerlich
geschehen, nahm man an, daß man für einen Holzkohlen-Hohofen in der Minute
1000 bis 12,000 Kubikfuß Wind bedürfe. Man wird einsehen, daß die Anlagekosten der
Gebläse dieser Art sehr bedeutend seyn müssen.
Wenn man dahin gelangte, das zur Speisung eines Hohofens erforderliche Luftvolum ganz
genau zu bestimmen, so würde es stets erforderlich seyn, dem Gebläse einen
Ueberschuß von Kraft zu geben; jedoch ist jenes nicht möglich und man kann daher die
Bestimmung stets nur innerhalb gewisser Gränzen machen.
Es ist daher für den ökonomischen Hüttenbetrieb sehr wünschenswerth, daß eine Regel
aufgestellt wird, die zur Bestimmung der Dimensionen eines Gebläses sich auf die
größte Luftmenge basirt, welche einem Hohofen durch die Formen zugeführt werden
darf.
Die Regel, deren sich die HHrn. Thomas und Laurens bei der Construction der Gebläse bedienen, beruht
auf der Annahme, daß die durch die Formen einem Hohofen zugeführte Luftmenge
höchstens diejenige erreichen darf, welche zur Verwandlung der durch die Gicht
aufgegebenen reinen Kohle in Kohlenoxyd erforderlich ist. Es folgt aus dieser
Annahme, daß das Luftvolum, auf 0° und auf 0,76 Meter Druck reducirt, welches
in 1 Minute eingeblasen wird, höchstens 4,41 Kubikmeter
auf jedes Kilogramm fixen Kohlenstoff (82 Rhein. Kubikfuß auf 1 Köln. Pfd.) welcher
in derselben Zeit verbrannt wird, betragen darf. Wir gebrauchen den Ausbruch
„fixen Kohlenstoff“ weil die gewöhnliche Kohle, außer der
Asche und dem hygrometrischen Wasser, eine gewisse Menge flüchtiger Stoffe enthält, die nur durch ein
länger fortgesetztes Calciniren vollständig entfernt werden können. Diese flüchtigen
Substanzen und der Kohlenstoff, den sie enthalten, so wie auch das Wasser und die
Asche, müssen bei der Berechnung abgezogen werden, denn jene verlassen die Kohle in
einer Gegend des Ofens, wo die Luft nicht auf sie einwirken kann.
Für Holzkohle von mittlerer Beschaffenheit, welche 7 Procent Wasser, 2 1/2 Procent
Asche und 14 Procent flüchtige Stoffe enthält, findet man, daß jedes Kilogramm
aufgegebene Kohle nur 0,765 Kilogr. fixe Kohle repräsentirt. Diese Zahl gibt uns
3,374 Kubikmeter Luft für jedes Kilogr. aufgegebene Kohle (51 Kubikfuß auf 1
Pfd.).
Kohks von mittlerer Beschaffenheit mit 5 Proc. Wasser, 3 Procent flüchtigen Stoffen
und 12 Proc. Asche, würden 0,800 Kilogr. fixe Kohle für jedes Kilogr. aufgegebener
Kohks repräsentiren. Wir folgern daraus, daß man höchstens 3528 Kubikmeter Luft für
jedes Kilogr. Kohks (53 Kubikfuß auf 1 Pfd.) nöthig habe.
Wir müssen hier bemerken, daß nicht alle in einen Hohofen gelangende Kohle verzehrt
wird, und daß von ihrer Menge die sehr verschiedenartigen und folglich schwierig zu
schätzenden Verluste abgezogen werden müssen. Es gelangt Kohle in die Schlacke und
dieser Verlust ist je nach der größern oder geringern Zerreiblichkeit des
angewendeten Brennmaterials verschieden. Ein kleiner Theil Kohle wird auch als
Kohlenstoff vom Eisen absorbirt.
Andererseits veranlaßt auch der Weg, den die Kohle durch die ganze Höhe des Hohofens
zurücklegt, die constante Bildung einer gewissen Quantität feinen Staubes, der
größtentheils durch die Gicht ausströmt. Diese Staubbildung, welche durch die
Einrichtung des Apparats selbst veranlaßt wird, ist ein beachtenswerther Umstand;
aus gewissen Thatsachen, die wir unten darlegen werden, folgern wir nämlich, daß
dieser Staub eine, obschon indirecte, Rolle bei der Kohlung des Roheisens
spielt.
Wendet man diese Data auf einen Holzkohlen-Hohofen
an, der täglich 4000 Kilogr. Roheisen, mit einem Aufwande von 1,200 Kilogr. Kohlen
auf die Tonne (1000 Kilogr.) Roheisen, producirt, so müßte das Gebläse 11,241
Kubikmeter (354 Kubikfuß) in der Minute liefern. – Das Gebläse eines Kohks-Hohofens, der täglich 20 Tonnen Roheisen mit
einem Verbrauch von 1,400 Kilogr. Kohks auf die Tonne erzeugt, müßte in der Minute
68,60 Kubikmeter (2220 Kubikfuß) durch die Formen in den Ofen führen. Wir haben bei
diesen Berechnungen einen regelmäßigen Gang des Ofens, ein constantes Blasen und Wind von 0° und 0,76
Meter Pressung angenommen.
Bei diesen Windmengen sind jedoch die Verluste nicht berücksichtigt, welche durch ein
Zurückströmen des Windes in den Formen veranlaßt werden können. Sie sind nach der
größern oder geringern Sorgfalt, die man auf die Lage der Düse in der Form verwendet
verschieden, man kann sie unter gewissen Umständen aber auf 1/4 des ganzen, von dem
Gebläse ausgeströmten Volums schätzen. Bei geschlossenen Formen kann man jedoch
diesen Verlust ganz unberücksichtigt lassen.
Man kann diese Berechnungen, unter Berücksichtigung der obigen Verluste, recht gut
mit der Ziffer 4,60 Kubikmeter (d.h. 70 Kubikfuß auf 1 Pfund Kohle) machen. Die
Verluste, welche durch eine schlecht construirte oder schlecht unterhaltene Maschine
veranlaßt werden können, bestehen für sich.
Die angegebene Regel wurde aus der Theorie der Hohöfen abgeleitet, nach welcher das
Kohlenoxyd eine wesentliche und Hauptrolle bei den eintretenden Reactionen spielt.
Diese sinnreiche Theorie ist bis jetzt dieselbe geblieben, wie sie der Oberingenieur
und Professor Leplay zu Paris aufgestellt hatte; die
neueren analytischen Arbeiten haben sie weder verändern, noch in Beziehung auf die
Frage der Kohlung des Eisens ergänzen können.
Diese Theorie besteht im Wesentlichen darin, daß die durch die Formen in den Hohofen
geführte Luft zuvörderst Kohlensäure erzeugt, welche, nachdem sie einen nur kleinen
Theil der glühenden Masse durchströmt hat, gänzlich in Kohlenoxyd verwandelt ist.
Wir bemerken beiläufig, daß wir auch zu der Annahme veranlaßt werden, der sogenannte
Schmelzpunkt müsse ganz in der Nähe der Formen vorhanden seyn.
Da man in den Gichtgasen den Stickstoff der eingeführten Gebläseluft wieder findet,
so müßte die Analyse dieser Gase die Frage, deren Elemente wir untersuchen,
vollständig lösen. Die bekannten Analysen der Hohofengase stimmen zwar nicht ganz
mit einander überein, sie widersprechen aber doch doch obiger Annahme über das
höchste Luftvolum, welches zur Speisung der Hohöfen hinreicht, keineswegs.
Die für die Hohöfen aufgestellte Regel läßt sich auch auf die Frischfeuer anwenden.
In einer beachtenswerthen Arbeit über diesen Gegenstand, in den Annales des Mines von 1840, hat der Ingenieur Thirria die Ansicht ausgesprochen, daß die durch die Form
eingeführte Gebläseluft den Verbrennungsraum des Herdes gänzlich als Kohlenoxyd
verlasse.
Die meisten metallurgischen Schriftsteller nehmen an, daß die Kohle in den Hohöfen
durch die mittelst der Formen einströmende Gebläseluft fast vollständig oxydirt
werde, während in der Wirklichkeit durch sie die Kohle höchstens in Kohlenoxydgas
verwandelt werden kann; das Endresultat der Wirkung der Luft ist daher nur die halbe
Verbrennung der Kohle.
Hr. Richard, Hütteningenieur zu Seraing in Belgien,
bemerkte 1849 über die den Hohöfen zuzuführende Luftmenge Folgendes:
„Eine für die Theorie der Roheisen-Erzeugung interessante Frage ist
ohne Zweifel die in den Hohofen einzuführende Luftmenge. Mehrere Schriftsteller
nehmen sie zu acht Kubikmeter aus jedes Kilogramm verbrauchten Brennmaterials
(Kohks) – 120 Kubikfuß auf 1 Pfd. – an. Diese Data beruhen aber
wahrscheinlich auf Versuchen, welche mit Hohöfen angestellt wurden, bei denen
viel Wind durch den Raum zwischen Form und Düse verloren ging. Zu Seraing, wo
dieser Raum durch einen conischen, die Düse umgebenden, beweglichen Stöpsel
verschlossen ist, findet man unter denselben Voraussetzungen nicht mehr als 4
bis 5 Kubikmeter Luft auf 1 Kilogr. Kohks – 60 bis 75 Kubikfuß auf 1 Pfd.
– Auch dieß scheint nach den Analysen der Hohofengase noch zu viel zu
seyn.“
Die folgende Analyse der Gase eines der Hohöfen zu Ougrée in Belgien, welche
zwei Meter unter der Gichtöffnung aufgefangen wurden, angestellt von den HHrn. Montefiore und Schmidt, ergibt
etwa 3,7 Kubikmeter Luft auf 1 Kilogr. Kohks. Die Zusammensetzung dieser Gase ist
folgende:
Wasserstoffgas
0,45
Sumpfgas
0,31
Kohlenoxyd
28,68
Kohlensäure
8,64
Stickstoff
61,92
––––––
100,00
Die Kohks enthielten etwa 90 Procent Kohlenstoff und der in dem Zuschlagskalk
enthaltene Kohlenstoff betrug etwa 8 Procent von der in den Kohks enthaltenen
Kohlenstoffmenge.
Wir bemerken schließlich, daß die von Hrn. Richard
aufgeführten Thatsachen die von Hrn. Laurens aufgestellte
Regel, auf welche theoretische Betrachtungen geführt hatten, unterstützen.