Titel: | Ueber die Zusammensetzung der im Erdreich eingeschlossenen Luft; von Boussingault und Lewy. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LXXXII., S. 385 |
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LXXXII.
Ueber die Zusammensetzung der im Erdreich
eingeschlossenen Luft; von Boussingault und Lewy.
Aus dem Cosmos, revue encyclopédique, Decbr. 1852,
S. 100.
Boussingault, über die Zusammensetzung der im Erdreich
eingeschlossenen Luft.
Die genannten Chemiker übergaben der französischen Akademie der Wissenschaften eine
Untersuchung über die Zusammensetzung der im Boden eingeschlossenen Luft, welche
bisher noch nicht untersucht worden war, obgleich sie die Beachtung der Agronomen
wegen ihrer engen Verknüpfung mit der Beschaffenheit des Bodens, mit dessen
Verbesserungsmitteln und dem Dünger verdient. Folgendes ist ein Auszug dieser
umfangreichen Arbeit.
„Die organischen Materien, den vereinigten Einflüssen der Luft, der
Feuchtigkeit und einer geeigneten Temperatur ausgesetzt, erzeugen Kohlensäure,
Wasser und, wenn sie stickstoffhaltig sind, auch Ammoniak. Wenn sie in einen
hinlänglich lockeren Boden eingegraben sind, ist ihre Verbrennung eine so
offenbare, daß in heißen Ländern nicht selten ein im Grunde reichhaltiges
Erdreich so verarmt, daß es ohne Beihülfe von Dünger keine Ernten mehr zu geben
vermag. Allerdings conservirt sich nämlich feuchter Boden, bei Abwesenheit von
Luft, ohne eine Veränderung zu erleiden, ohne daß sich die geringste Menge Gas
entwickelt; bei Dazwischenkunft von Sauerstoff erfolgt hingegen seine Zerstörung
rasch. Diese Zerstörung ist bei sehr humusreichen Böden jedesmal wahrzunehmen,
wenn man den Dünger durch tiefes und wiederholtes Umackern zu ersetzen sucht.
Das Erdreich wird dadurch immer ärmer und zuletzt ganz unfruchtbar. – Auf
diese Weise sind die Dammerde und der Humus, bekanntlich die letzten
Stadien der Fäulniß der Pflanzensubstanzen, und der Dünger, ebensoviele Quellen
welchen Kohlensäure entströmt, und es ist außer Zweifel, daß ein großer Theil
der Wirksamkeit der Dünger organischen Ursprungs dieser Gasentwickelung
zugeschrieben werden muß, sey es daß das kohlensaure Gas, von den Wurzeln
absorbirt, den Organismus der Pflanze durchläuft, oder daß es, in die umgebende
Atmosphäre ergossen, durch das Licht zersetzt wird, unter dem Einfluß der
Blätter, welche dessen Kohlenstoff assimiliren. Daraus folgt, daß die Luft bei
ihrem Verweilen in der Erde eine große Veränderung in ihrer Constitution
erleidet, da das kohlensaure Gas sich größtentheils auf Kosten ihres Sauerstoffs
bildet. Daß also die in den Zwischenräumen der Bodentheilchen eingeschlossene
Luft nicht mehr die Zusammensetzung der normalen Luft besitzt, wird man ohne
allen Anstand zugeben; auch läßt sich die Art ihrer Veränderung leicht
vorhersehen; man besitzt aber unseres Wissens nicht die geringste Kenntniß über
die Intensität dieser Veränderung. Nach der Leichtigkeit zu urtheilen, womit,
wie man annimmt, die Diffusion in einem gelockerten Erdreich erfolgt, könnte man
diese Intensität nicht für eine bedeutende halten. Wenn man die Menge
Kohlenstoffs zu schätzen suchte, welche eine angebaute Fläche oder eine
Waldfläche der Atmosphäre entzieht, hat man daher immer die aus dem Boden
kommende Kohlensäure unberücksichtigt gelassen, und sich bei diesen stets sehr
gewagten Berechnungen nur an die in der Luft enthaltene, sehr unbedeutende Menge
dieses Gases gehalten.“
„Im Dünger ist der Nutzen kohlenstoffhaltiger Bestandtheile, die sich in
Humus, in braune Säuren umzuwandeln vermögen, welche hernach eine langsame
Verbrennung zerstört, so einleuchtend, daß ein erfahrner Landwirth heutzutage
einen dieser Stoffe ermangelnden Dünger als einen unvollkommenen betrachten
würde. Man kann sonach jedes Theilchen von Dünger, von Humus, von Dammerde als
einen Herd betrachten, aus welchem beständig kohlensaures Gas ausströmt, zwar in
schwachem Grade, aber doch so ununterbrochen, daß die Zusammensetzung der im
Boden befindlichen Luft verändert werden muß. In dieser unterirdischen
Atmosphäre entwickeln sich und leben alle Wurzeln, und unsere Untersuchungen
beweisen, daß sie in derselben in beträchtlicher Menge assimilirbare Stoffe
vorfinden, welche man in den zwei wesentlichsten Vehikeln der Vegetation, in dem
Wasser und der Luft, nur in unendlich kleiner Menge antrifft. Wir glaubten, daß
bei dem jetzigen Zustand der agricolen Wissenschaft die aufmerksame Untersuchung
der in der Pflanzenerde eingeschlossenen Luft des Interesses nicht ermangeln
könne und unternahmen deßhalb diese Arbeit.“
Um den Kohlensäuregehalt der Luft zu ermitteln, welche im Erdreich verdichtet ist,
bedienten sich die HHrn. Boussingault und Lewy folgenden Apparates. Die am Ende einer langen und
engen Glasröhre befindliche Brause steckte 35 bis 40 Centimeter (beiläufig 1 Fuß)
tief im Boden. Die Röhre reichte über die Bodenfläche hinauf und ging daselbst bis
an den Boden eines kleinen Ballons, welcher vor Beginn des Versuchs luftleer gemacht
wurde. Eine zweite Röhre ging oben vom kleinen Ballon aus und tauchte, nachdem sie
sich zweimal im rechten Winkel gebogen hatte, in eine Flasche mit Barytwasser, von
welcher eine dritte Röhre ausging und in das Barytwasser einer zweiten Flasche
hinabreichte. Eine vierte Röhre verband dieses mit einer, mit Aetzkali gefüllten Uförmigen Röhre, und letztere communicirte mit einem
Aspirator mit constantem Niveau, welcher dazu diente, die Luft ganz langsam aus dem
Boden zu pumpen, sie in den kleinen luftleeren Ballon einzuziehen, in das
Barytwasser der ersten und dann der zweiten Flasche überzuführen, durch das Aetzkali
streichen zu machen und endlich in dem leeren Raum des Aspirators zu sammeln. Auf
diese Weise war der kleine Ballon immer mit der Luft des Bodens erfüllt; das
Barytwasser absorbirte und fixirte die Kohlensäure, deren letzte Spuren
nöthigenfalls von dem Aetzkali aufgenommen worden wären, und der Aspirator maaß das
Luftvolum, welches durch den Apparat gezogen war. Die Analyse der eingeschlossenen
Luft war mithin durch Untersuchung der im Ballon zurückgebliebenen, durch das Wägen
des erhaltenen kohlensauren Baryts und durch die Analyse des Gases im Aspirator
leicht auszuführen.
Die so angestellten Analysen beweisen auf das bündigste, daß die atmosphärische Luft
bei ihrem Aufenthalt in der Pflanzenerde ihre Zusammensetzung bedeutend verändert.
In ihrem Normalzustande nämlich enthält sie dem Raume nach 0,0004 Kohlensäure,
nämlich 4 Deciliter im Kubikmeter, entsprechend 0,216 Gr. Kohlenstoff, das Gas von
0° Temperatur und 0,76 M. Druck angenommen. Im Boden enthält die Luft
beständig mehr Kohlensäure; so ergab z.B. der Durchschnitt bei Feldern welche seit
einem Jahre nicht gedüngt worden waren, per Kubikmeter 9
Liter Kohlensäuregas, welche fast 5 Gramme Kohlenstoff enthalten, also 22 bis 23mal
so viel als die normale Luft. Bei frisch gedüngten Feldern war der Unterschied noch
viel größer; so enthielt die Luft aus der Erde eines Feldes welchem der Dünger seit
neun Tagen einverleibt war, 93 Liter Kohlensäure per
Kubikmeter, also 53 Gramme Kohlenstoff, ungefähr 245mal soviel als die äußere Luft.
– Die Entwickelung dieser verhältnißmäßig beträchtlichen Menge Kohlensäure in
der atmosphärischen Luft welche in der Pflanzenerde eingeschlossen ist, wird
offenbar durch die
langsame Verbrennung des Kohlenstoffs der organischen Materien, wie des Humus, der
Pflanzenreste des Düngers veranlaßt, daher in den meisten Fällen das Volum des
entwickelten kohlensauren Gases nahezu dem Volum des verschwundenen Sauerstoffgases
entspricht. Als Summe des Volums der beiden Gase in 100 Volumen Luft aus
verschiedenem Boden erhielt man:
Seit zehn Tagen gedüngtes Erdreich
20,13
„
sechzehn
„
„
20,14
Möhren-Cultur
20,44
Wein-Cultur
20,78
Wald-Kultur
20,47
Wald-Unterboden
20,45
gedüngtes Spargelbeet
20,30
ungedüngtes Spargelbeet
19,77
sehr humusreiches Feld
20,09
Runkelrübenfeld
20,57
Luzernenfeld
20,87
Erdartischokenfeld
20,66
ehemalige Wiese
21,03
Palmen-Treibhaus
20,64
gedüngter Sand
20,65.
In 100 Volumtheilen atmosphärischer Luft sind 20,9 Sauerstoff enthalten; und obgleich
die Summe des Volums der Kohlensäure und des Sauerstoffs von Luft die im Boden
eingeschlossen war, dieser Zahl sehr nahe kömmt, so zeigte sich der beobachtete
Unterschied, so gering er auch war, doch so constant, daß wir nicht anstehen
anzunehmen, daß ein Theil des Sauerstoffs verwendet wird um Wasserstoff zu
verbrennen welcher der in der Pflanzenerde zerstreuten organischen Materie
angehört.
Die HHrn. Boussingault und Lewy
suchten hierauf die Menge der in einer gegebenen Bodenfläche eingeschlossenen Luft
zu bestimmen und folglich die Menge assimilirbarer Kohlensäure, welche dieses Feld
den Wurzeln zu liefern vermöchte. Die betreffenden Versuche stellten sie in der Art
an, daß sie Erde in ein abgeeichtes Gefäß schütteten und das Gas durch Zugießen von
Wasser sammelten. Sie fanden so für verschiedene Bodenarten sehr verschiedene Zahlen
und bedienten sich derselben zur Bestimmung des in einer Hektare verschiedener
Culturen enthaltenen Gases. Die Dicke der Erdschicht bei den untersuchten Feldern
betrug zwischen 30 und 40 Centimetern. Nimmt man durchschnittlich 35 Centimeter (1
Fuß) an, so beträgt die Erde einer Hektare 3,500 Kubikmeter, und man hat gefunden
daß: 1) die eingeschlossene Luft in 1 Hektare Ackererde, welche seit nahezu einem
Jahre gedüngt wurde, ebenso viel Kohlensäure enthält, als in 1,800 Kubikmeter
atmosphärischer Luft vorkommt; 2) in der Luft von 1 Hektare frischgedüngter
Ackererde die Kohlensäure unter gewissen Umständen derjenigen gleichkommen kann,
welche in 200,000 Kubikmetern normaler Luft enthalten ist.