Titel: | Ueber die Zusammensetzung der auflöslichen Substanzen, welche das Wasser der Ackererde entzieht; von den HHrn. F. Verdeil und Risler. |
Fundstelle: | Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LXXXIII., S. 388 |
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LXXXIII.
Ueber die Zusammensetzung der auflöslichen
Substanzen, welche das Wasser der Ackererde entzieht; von den HHrn. F. Verdeil und Risler.
Aus dem Agriculteur-practicien, Novbr. 1852, S.
37.
Verdeil, über die Zusammensetzung der auflöslichen Substanzen,
welche das Wasser der Ackererde entzieht.
Wenn man Ackererde von einem fruchtbaren Felde mit destillirtem Wasser anrührt und
das Gemisch nach einigen Stunden auf das Filter bringt, so enthält das abfließende
Wasser die auflöslichen Stoffe, welche in der Erde vorhanden waren. Nachdem man
dieses Auswaschen ein zweites und drittes Mal wiederholt hat, ist so ziemlich alles
ausgezogen, was die Erde an das Wasser, folglich auch an das Regenwasser, abzutreten
vermag. Diese auflöslichen Stoffe repräsentiren mithin genau die Nahrung, welche die
Pflanzen in der Erde vorfinden, da die Wurzeln derselben nur Stoffe im aufgelösten
Zustand zu absorbiren vermögen.
Nachdem wir mit der Analyse verschiedener Bodenarten der Domäne des agronomischen
Instituts beauftragt worden waren, empfahl uns Graf Gasparin hauptsächlich das Studium ihrer auflöslichen Bestandtheile.
Diese, wiewohl noch nicht vollendete, Arbeit führte uns zu folgenden Resultaten,
welche gewiß einiges Interesse darbieten und welche wir daher der (französischen)
Akademie der Wissenschaften eingereicht haben.
Ungefähr 20 Kilogr. jeder Bodenart wurden, von den Steinen und dem gröberen Kies
befreit, in einem großen Gefäße mit soviel lauwarmem destillirtem Wasser angerührt,
daß dieses mit der Erde einen dünnen Brei bildete, der sich leicht umrühren ließ.
Nach einigen Stunden goß man das Wasser ab und verfuhr ein zweites und drittes Mal
ebenso. Das Wasser, welches man so erhielt, war vollkommen klar und schwach gelblich
gefärbt; es wurde im Wasserbad bis zur vollständigen Austrocknung des Rückstandes
abgedampft.
Dieses Bodenextract besteht nicht bloß aus Mineralstoffen; es enthält auch eine
organische Substanz, deren Mengenverhältniß in den verschiedenen Rückständen
verschieden ist, welche aber im Mittel zu 50 Proc. der bei 100° C.
getrockneten Extractmasse angeschlagen werden kann. Der Rothglühhitze ausgesetzt,
zersetzt sich diese organische Substanz, wird schwarz und verbrennt mit
Hinterlassung einer vollkommen weißen Asche.
Die Resultate unserer Analysen der so erhaltenen Aschen sind in folgender Tabelle
zusammengestellt, in welcher jede analysirte Asche mit dem Namen des Grundstücks
bezeichnet ist, aus welcher sie ausgezogen wurde.
Name desGrundstücks.
OrganischeSubstanzen.
Asche.
Schwefel-
saurer Kalk.
Kohlen-
saurer Kalk.
Phosphor-
saurer Kalk.
Eisen- oxyd
Albumin
Chlornatrium und
Chlorkalium.
Kieselerde.
Kali und Natronder
Silicate.
Talkerde.
Mail (Laufspiel)
43,00
57,00
48,92
25,60
4,27
1,55
0,62
7,63
5,49
3,77
–
Fasanerie
70,50
29,90
31,49
35,29
2,16
0,47
Spuren
3,55
13,67
4,23
–
Rasen
35,00
65,00
48,45
6,08
2,75
1,21
–
6,19
25,71
5,06
–
Zugang der Königin
44,00
56,00
43,75
6,08
6,32
2,00
Spuren
14,45
15,61
4,13
–
Küchengarten
37,00
63,00
36,60
12,35
11,20
Spuren
Spuren
18,51
19,60
7,23
Spuren
Satory
33,00
67,00
18,70
24,25
18,50
3,72
0,50
–
21,60
4,65
–
Thonboden von Galy
48,00
52,00
18,75
45,61
3,83
0,95
1,55
9,14
5,00
7,60
7,60
Kalkboden von Galy
47,00
53,00
17,21
48,50
9,00
Spuren
–
6,21
5,50
–
8,32
Torfgrund
46,00
54,00
24,43
30,61
0,92
5,15
Spuren
6,06
8,75
7,45
–
Sandgrube
47,04
52,06
22,31
34,59
8,10
1,02
–
4,05
15,58
6,47
–
Bei einem Blick auf diese Tabelle drängt sich einem sogleich die Frage auf, warum
diese Asche in Wasser unauflösliche Substanzen, nämlich Kieselerde, kohlensauren und
phosphorsauren Kalk und Eisenoxyd, enthalten kann. Diese Substanzen wurden ja
mittelst destillirten Wassers aus der Erde gezogen und waren in sehr wenig Wasser
vollkommen löslich. Die Kieselerde kommt in einigen dieser Aschen immer in
beträchtlicher Menge vor, ebenso der kohlensaure Kalk, welcher schon im Extract vor
dessen Einäscherung in dieser Form vorhanden war.
Da man nun diese Stoffe erst nach der Zerstörung der organischen Substanz mittelst
des Einäscherns in Wasser unauflöslich erhält, so muß man der organischen Substanz
eine Wirkung bei der Auflöslichkeit der Mineralstoffe, welche wir in der Asche
finden, zuschreiben. Wir haben daher die in den verschiedenen Bodenauszügen
enthaltene organische Substanz speciell studirt.
Wenn man eine Portion eines solchen Rückstandes vom Abdampfen des Wassers erhitzt, so
wird ein Theil der Mineralsalze ausgeschieden und bleibt beim nachherigen Auflösen
des Rückstandes in Wasser unaufgelöst zurück; niemals ist diese Trennung aber so
vollständig, daß die organische Substanz dadurch vollkommen isolirt werden könnte.
Soviel konnten wir jedoch ermitteln, daß diese Substanz alle Eigenschaften eines
neutralen Körpers organischen Ursprungs besitzt, ähnlich dem Zucker, dem Dextrin und
dem Mannit. Sie bildet keine bestimmten Verbindungen mit den Mineralstoffen und kann
sich neben dem kohlensauren Kalt im Extract befinden, ohne jenen zu zersetzen.
Die Analogie dieser, die Auflöslichkeit der Mineralstoffe des Bodens vermittelnden
Substanz mit dem Zucker veranlaßte uns zu untersuchen, ob der Zucker ebenfalls die
Mineralstoffe im Allgemeinen auflöslich macht. Daß Zuckerwasser eine größere Menge
Kalk auflöst, als reines Wasser, ist bekannt; ebenso, daß die Gegenwart einer
organischen Substanz die Fällung des Eisenoxyds aus seinen Auflösungen
verhindert.
Wir zerrieben in einer Reibschale Quarz mit ein wenig Wasser, welches mit Zucker,
entweder Trauben- oder Rohrzucker, gesättigt war, und fanden, als wir das
Zuckerwasser nach dem Filtriren abdampften und den Rückstand glühten, daß sich eine
beträchtliche Menge Kieselerde aufgelöst hatte. Ebenso löste es kohlensauren und
phosphorsauren Kalk auf. Dextrin verhielt sich wie der Zucker. Hr. Verdail, welchem die Beobachtung dieser Thatsachen
angehört, wird der Akademie der Wissenschaften eine Tabelle vorlegen über die
Auflöslichkeit der verschiedenen Mineralstoffe in Wasser, welches mit neutralen organischen
Substanzen in verschiedenem Grade gesättigt ist.
Wie bildet sich diese organische Substanz in der Ackererde? Sie rührt ohne Zweifel
von Pflanzenresten her, welche sich durch die Wirkung der Luft zersetzen, denn in
jeder fruchtbaren Erde sind stets in Zersetzung begriffene Stoffe pflanzlichen
Ursprungs zu finden. Allerdings gehen die Pflanzenstoffe, wenn man sie der
Einwirkung von Luft und Feuchtigkeit überläßt, in Gährung über, geben dabei zum
größten Theil saure Producte und würden zuletzt in Kohlensäure und Wasser verwandelt
werden. Aber man kann die Gährung sich selbst überlassener Pflanzenstoffe nicht
vergleichen mit der Zersetzung derselben Stoffe, wenn dieselben in Berührung mit den
Mineralsubstanzen sind, welche die Ackererde bilden. Der Runkelrüben- oder
Rohrzucker geht, der Einwirkung der Luft überlassen, ebenfalls in Gährung über und
gibt saure Producte; aber der Gährung des Zuckers kann durch Zusatz von Kalk, mit
welchem er sich verbindet, sogleich Einhalt gethan werden.
Ohne daß wir beide Erscheinungen vergleichen wollen, könnte man doch annehmen, daß
bei der Zersetzung der Pflanzenstoffe in Berührung mit der Erde, und hauptsächlich
mit Kalksalzen, die Mineralstoffe sich mit unserer auflöslichen Materie vereinigen,
in dem Maaße als sich diese bildet und so deren weitere Zersetzung und die Bildung
saurer Producte verhindern.
Der trockne Rückstand des mit Wasser bereiteten Bodenextracts enthält immer eine
gewisse Menge Stickstoff, im Mittel 1,5 Proc. seines Gewichtes. Bringt man das
concentrirte Extract mit Kalkmilch zum Kochen, so kann beinahe sämmtlicher
Stickstoff in Form von Ammoniak aufgesammelt werden; der Stickstoff befindet sich
folglich im Zustand von Ammoniaksalzen in dem auflöslichen Theil der Ackererde.
Aus vorstehender, freilich noch sehr unvollkommenen, Untersuchung schließen wir:
1) Daß jede fruchtbare Erde eine neutrale, dem Zucker ähnliche, auflösliche,
organische Substanz enthält;
2) Daß diese Substanz die Auflösung der Mineralstoffe des Erdreichs, aus welchem sie
ausgezogen wurde, im Wasser vermittelt; da die organische Substanz im höchsten Grade
hygrometrisch ist, so ist sehr wenig Wasser erforderlich, um diese Auflösung zu
bewirken.
3) Daß der im Ackererde-Extract enthaltene Stickstoff im Zustand von
Ammoniaksalzen darin vorkommt.