Titel: Ueber einen neuen Dampfgenerator; von Hrn. P. H. Boutigny zu la Villette bei Paris.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. I., S. 2
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I. Ueber einen neuen Dampfgenerator; von Hrn. P. H. Boutigny zu la Villette bei Paris. Aus dem Journal de Pharmacie, Januar 1853, S. 53. Mit Abbildungen auf Tab. I. Boutigny, über einen neuen Dampfgenerator. Alle Substanzen, sie mögen in festem, flüssigem oder sphäroidalem Zustande seyn, verdampfen nur mittelst ihrer Oberflächen. Diese Thatsache zugegeben, mußte man natürlich glauben, daß wenn man diese Oberflächen bedeutend vermehrt, die Verdampfung verhältnißmäßig befördert würde, und durch Anwendung dieses allgemeinen Princips auf das Wasser, konnte man mit Recht hoffen, Dampf unter weit günstigeren Umständen als jetzt zu erhalten, oder doch wenigstens unter anderen Umständen als es bisher der Fall war, woraus die Industrie Nutzen ziehen könnte, sey es nun zur Heizung oder Kraftgewinnung. Ich habe in dieser Beziehung Versuche mit einigem Erfolg angestellt, die ich hiermit dem Publicum vorlegen will, welche man aber mit Nachsicht aufnehmen muß, da auf einem neuen Felde leicht Irrthümer möglich und zu fürchten sind. Schon vor mehreren Jahren stellte ich Versuche in der Absicht an, eine Ursache der Dampfkessel-Explosionen nachzuweisen.Polytechn. Journal, 1848, Bd. CVII S. 421. Ein aufmerksames Studium dieser Erscheinung hat mich auf die Construction des neuen Generators geführt, welcher im Folgenden beschrieben werden soll. Dieser Apparat besteht aus einem Cylinder, dessen Boden eine halbkugelförmige Gestalt hat, und der oben mittelst eines festgeschraubten Deckels geschlossen ist, auf welchem sich die gewöhnlichen Organe der Dampfkessel befinden, nämlich: Speiseröhre, Dampfröhre, Mannloch, Manometer, Sicherheitsventil, Proberöhre für Wasser und Dampf u.s.w. Der Cylinder enthält in seinem Innern fünf bis sieben blecherne Scheider (Diaphragmen) mit aufgebogenen Rändern; sie sind abwechselnd etwas convex und concav, auch von unten nach oben mit kleinen Löchern versehen. Mittelst dieser sehr einfachen Einrichtung durchläuft das Wasser eine sehr große Oberfläche, ehe es zum Cylinderboden gelangt, wo es den sphäroidalen Zustand annehmen kann, und es fällt als Regen von dem ersten Scheider auf den zweiten, von dem zweiten auf den dritten u.s.f. Auf dem ersten, convexen Scheider, läuft das Wasser vom Mittelpunkte nach der Peripherie; auf dem zweiten, concaven Scheider, von der Peripherie zum Mittelpunkt u.s.w. Diese Scheider werden mittelst eiserner Stehbolzen in der erforderlichen Entfernung von einander gehalten. Die abwechselnd convexe und concave Form der Scheider hat, wie schon bemerkt, den Zweck, daß das Wasser den möglich größten Raum durchläuft, und die kleinen Löcher, durch welche es dringen muß, vermehren die Oberfläche bedeutend, wodurch eine sehr rasche Verdampfung veranlaßt wird. Die Vorrichtung zum Auffangen des Dampfes reicht bis in den Raum zwischen dem letzten und vorletzten Scheider hinab, und geht oben durch den Deckel des Cylinders. Durch diese Einrichtung bezwecke ich das Temperaturgleichgewicht zwischen allen Theilen des Cylinders herzustellen und stets Dampf von der gewünschten Spannung zu erhalten. Man arbeitet gewöhnlich mit einem Druck von 5 bis 10 Atmosphären, und hier hat der Zufall dieser Erfindung einen bemerkenswerthen Beistand geleistet, da die Temperatur bei einem Druck von 10 Atmosphären in runder Zahl = + 181° C. ist; nach Baudrimont und anderen Experimentatoren besitzt aber das Eisen bei + 200° C. seine größte Zähigkeit. Der Betrieb dieses Generators ist höchst einfach: man heizt einige Minuten lang trocken, bringt dann mittelst einer Handpumpe einige Gläser voll Wasser in den Kessel, welchen man mit seinem Manometer in Verbindung setzt, und 20 bis 25 Minuten nachher kann die Maschine, welche der Kessel speist, in Gang gesetzt werden. Hat man das Gesagte gehörig begriffen, so wird man sich eine richtige Vorstellung von dem Verdampfungsvermögen des neuen Generators machen können. Die Dimensionen desselben sind: ganze Höhe in der Mitte 0,64 Met. deßgleichen des cylindrischen Theils 0,54   „ Durchmesser 0,32   „ Der Cylinder tritt über den Ofen um 0,05 Meter hervor, und da die Mauerstärke des besagten Ofens am obern Theil 0,10 Meter ist, so müssen 0,15 Meter von der ganzen Höhe abgezogen werden. Nachdem dieser Abzug gemacht ist, läßt sich die Heizoberfläche leicht berechnen; sie beträgt annähernd 0,55 Quadratmeter.0,55 Quadratmeter Heizoberfläche müssen in einem Kessel des alten Systems im Durchschnitt 11 Liter Wasser per Stunde unter einem Druck von 10 Atmosphären verdampfen. Der Kessel, von welchem hier die Rede ist, verwandelt im Durchschnitt in derselben Zeit und unter demselben Druck 39 Liter Wasser in Dampf.Das Verhältniß des alten Systems zum neuen ist daher = 1 : 3,6. Der hier beschriebene Generator wurde von den HHrn. Jaillon, Moinier und Comp., rue de Marseille, No. 13, zu la Villette, angefertigt. Ich will nun den Versuch beschreiben, welchen ich am 18. Decbr. 1851 angestellt habe: Dauer des Versuchs =      9 Stunden Menge der verbrannten Steinkohlen =    81 Kilogr. Menge des verdampften Wassers = 351 Kilogr. Anfängliche Temperatur des Wassers = + 39° C. Druck =    10 Atmosphären. Die bei diesem Versuch angewendeten Steinkohlen waren von schlechter Beschaffenheit und gaben kaum 6000 Wärme-Einheiten per Kilogramm. Dennoch will ich diese Zahl annehmen. Nach Morin kann man selbst bei den besten Oefen nur 60 Proc. Nutzeffect annehmen; die meisten anderen Ingenieure rechnen sogar nur 50 Proc. Nutzeffect, und ich folge letzterer Angabe, weil sie meines Erachtens der Wahrheit näher kommt. Daher 81 Kilogr. × 6000 × 0,50 = 243000 Einheiten. Sehen wir jetzt, wie viele Wärme-Einheiten in 351 Kilogr. Wasser, welches unter einem Druck von 10 Atmosphären verdampft worden, enthalten sind. 351 Kilogr. (550 + tt') = 242892 Wärme-Einheiten. In dieser Formel bezeichnet t = + 181° C. und t' = + 39° C. demnach: producirte Einheiten 243000 absorbirte       „ 242892 verlorene       „       108 Man ersieht aus dem Vorhergehenden auf den ersten Blick, daß nur sehr wenig zu thun bleibt, um mit diesem neuen Generator ein ganz genügendes Resultat zu erlangen. Dieser neue Dampfapparat bietet daher wesentliche Vortheile dar: eine geringe Masse, ein kleines Volum, wenig Brennmaterial und viel Dampf, wozu noch die Sicherheit des Kessels kommt, der gar nicht explodiren kann, wie ich nun zeigen werde. Es gibt eine große Anzahl von Ursachen der Dampfkesselexplosionen; einige davon sind wohl bekannt, während andere erst noch vollends aufgeklärt werden müssen. Bei dem vorliegenden Kessel sind nur zwei von diesen Fällen zu untersuchen: 1. Mangelhafte oder übertriebene Speisung. 2. Die Zersetzung des Wassers an den rothglühenden Kesselwänden. Eine mangelhafte Speisung kann Nachtheile, aber keine Gefahren veranlassen. Wird nämlich die Speisung unterbrochen, so nimmt der vom Kessel gelieferte Dampf sehr schnell ab; der Kessel wird in zwei oder drei Minuten leer werden und die Maschine stillstehen. Man wird daher fast unmittelbar von der mangelhaften Speisung benachrichtigt und kann sofort eine Speisepumpe oder andere Mittel wirken lassen. Sind alle Mittel der Speisung unmöglich, so läßt man das Feuer abgehen und schreitet zu den Reparaturen. Man könnte den Einwurf machen, daß der Kessel, wenn er ganz leer ist, wenigstens am Boden sehr bald rothglühend werden muß, und daß in diesem Falle das Einlassen von Wasser sehr gefährlich seyn wird, allein glücklicherweise verhält sich dieß nicht so. Der Kessel kann am Boden zwar rothglühend werden, allein bei den Scheidern ist dieß nicht der Fall, und auf diese Scheider fällt das Wasser und auf denselben findet hauptsächlich die Verdampfung statt; das Gleichgewicht stellt sich daher schnell her und es findet keine Gefahr für den Experimentator statt. Man wird dieß übrigens leicht begreifen, wenn man sich erinnert, welche ungeheure Menge latenter Wärme in dem Dampf enthalten ist, und welche geringe Wärmecapacität das Eisen hat. Wir wollen diesen Punkt genauer untersuchen und durch Zahlen zeigen, daß der Verlauf der angegebene ist. Wir wollen annehmen, daß der halbkugelförmige Cylinderboden rothglühend sey und eine Temperatur von + 500° C. habe; wir wollen ferner annehmen, daß diese Halbkugel 10 Kilogr. wiegt. Mit diesen einfachen Daten ist es leicht, die in diesem Theile des Kessels enthaltene Anzahl von Wärme-Einheiten zu berechnen mittelst der Formel m c t. Es seyen m die Masse =      10 Kilogr. c die Wärmecapacität des Eisens =   0,12     „ t die Temperatur = + 500     „ Nun sind 500 + 0,10 × 10 = 600 Wärme-Einheiten, d.h. genau die nothwendige Menge um 1 Kilogramm Dampf zu bilden, indem man die anfängliche Temperatur des Wassers zu + 50° annimmt. Es wird daher in dem angenommenen Falle 1 Kilogr. Wasser hinreichen, um den Kessel auf den normalen Zustand zurückzuführen. Ich kann mich kurz fassen um zu zeigen, daß eine überschüssige Speisung ohne allen Nachtheil ist. Um einzusehen, daß es sich so verhält, muß man sich erinnern, daß der Dampf in der Nähe des Kesselbodens zwischen dem untersten und dem darauf folgenden Scheider aufgefangen wird. Uebersteigt daher die Speisung eine gewisse Gränze, so gelangt Wasser in die Dampfröhre und die Maschine wird stillstehen. Um diesem kleinen Unfall abzuhelfen, genügt es die Speisung einige Minuten lang zu unterbrechen, oder den Hahn des Purgators zu öffnen, worauf sich das Gleichgewicht sogleich wieder herstellen wird. In dem einen oder dem andern Falle vermindert man die Speisung dadurch, daß man entweder den Kolbenlauf der Speisepumpe verkürzt, oder die Oeffnung des Admissionshahns an der Speiseröhre etwas verschließt u.s.w. Wir wollen jetzt die zweite Ursache der Explosionen untersuchen, nämlich die Zersetzung des Wassers an den rothglühenden Wänden des Kessels. Bekanntlich entstehen 2 Volume Wasserdampf durch die Vereinigung von 2 Volumen Wasserstoff mit 1 Volum Sauerstoff; wird nun das Wasser zersetzt, so verbindet sich der Sauerstoff mit dem Eisen und der frei gewordene Wasserstoff ersetzt den Dampf, so daß die Spannung fast dieselbe bleibt. Es kann daher in Folge der Zersetzung des Wassers keine Explosion entstehen. Die nachstehende Gleichung macht das Vorhergehende deutlich: 6 Vol. Dampf + Fe² = 6 Vol. H + Fe²O³. Fe²O³ ist bekanntlich das rothe Eisenoxyd, ein fester Körper, welcher durch Erhitzen nicht zersetzt, aber durch den Wasserstoff reducirt wird. Entfernt man nun Fe²O³ aus der Gleichung, so bleibt 6 Vol. Dampf = 6 Vol. Wasserstoff. Die vorhergehende Theorie wurde durch die Erfahrung bestätigt und ihre Genauigkeit vollkommen erwiesen: zwei bronzene Kessel zerschmolzen, und ein eiserner Kessel wurde so stark erhitzt, daß ein Hahn von Rothguß (an der Dampfröhre), welcher auf dem Deckel des Kessels angebracht war, sich mit schwarzem Kupferoxyd überzog, ohne daß in beiden Fällen der geringste Unfall eintrat. Was nun die möglichen Anwendungen dieses neuen Generators betrifft, so sind sie unzählig; besonders eignen sich solche Generatoren von zwei Pferdekräften für die Gewerbe, welche dabei die Heizung der Werkstätte kostenfrei haben. Es wurden Versuche mit einer Dampfmaschine angestellt, um die Kraft des Kessels zu bestimmen, jedoch sind sie nicht genau genug, und daher nur als Annäherungen und Winke für weitere Versuche zu betrachten. Die Dampfmaschine, welche bei diesen Versuchen benutzt wurde, war wenigstens schon 15 Jahre im Gebrauch, sie war sehr schlecht unterhalten und von einem höchst mangelhaften System, mit schwingendem Cylinder und ohne Expansion oder Condensation. Dennoch machte diese durch den beschriebenen Kessel betriebene Maschine 28 doppelte Kolbenzüge in der Minute, und setzte eine schwere Centrifugalmaschine in Bewegung, welche 1,50 Met. im Durchmesser hatte, sich in einer senkrechten Ebene drehte und in der Minute 224mal umlief. Dieselbe Dampfmaschine bewegte zu gleicher Zeit eine Circularpresse von 8000 Kilogr. Gewicht, welche täglich 6000 Kilogr. Fettsäuren auspreßte. Ich schätze die Kraft dieses Kessels auf 2 Pferdekräfte, d.h. auf 75 Kilogrammeter per Secunde und per Pferd. Die Anwendung dieses Systems auf große Kessel ist jetzt Versuchen unterworfen; wenn sie, wie ich hoffe, gelingt, dann darf ich wohl sagen, daß die Dampferzeugung in eine ganz neue Phase getreten ist. Erklärung der Abbildungen. Fig. 43 senkrechter Durchschnitt des ganzen Dampfgenerators. Fig. 44 horizontaler Durchschnitt zwischen zwei Scheidern. A Speiseröhre, durch welche das Wasser in den Kessel geführt wird. C eiserner cylindrischer Kessel, der senkrecht in dem Ofen angebracht ist und einen halbkugelförmigen Boden hat. D, D, D.... sieben metallene Scheider, mit Löchern versehen, wie Fig. 44 zeigt; vier von diesen Scheidern sind convex und drei concav. E Proberöhre für das Wasser. M Proberöhre für den Dampf, nebst Manometer. P Purgator, oder Apparat zur Reinigung des Kessels. S Sicherheitsventil. V Dampfröhre mit dem Vertheilungsventil T.

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