Titel: | Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen Eisenbahnen bis zum Jahr 1851. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XXIV., S. 95 |
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XXIV.
Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen
Eisenbahnen bis zum Jahr 1851.
Nach dem Berichte des Ober-Ingenieurs
Lechatelier an den
französischen Minister der öffentlichen Arbeiten (Annales des mines, 1852, Tom. I, 3me
livraison) bearbeitet von dem Ingenieur-Assistenten H. Tellkampf in Rethen.
Aus dem Notizblatt des hannoverschen Architekten- und
Ingenieur-Vereins, Bd. II S. 158.
Ueber die Locomotiven und Wagen der englischen
Eisenbahnen.
Es handelt sich bei der Construction der Locomotiven schon seit längerer Zeit nicht
mehr um die Erfindung von ganz neuen Maschinentheilen, sondern nur um die
Verbesserung und Anordnung der gegebenen Theile, welche in einem ziemlich engen Raum
zusammengedrängt werden müssen, und dabei unter günstigen Bedingungen eine große
Geschwindigkeit in der Bewegung und den Transport bedeutender Massen möglich machen
sollen. Ganz ähnlich ist der Fall mit der Construction der Wagen, an die man jetzt
vorzüglich die Anforderungen einer großen Stabilität und eines leichten Ganges
stellen muß. Hinsichtlich der Lösung dieser Fragen Pflegen nun freilich die
englischen Ingenieure am liebsten nur ihren eigenen Erfahrungen zu vertrauen,
indessen findet man doch, daß von Zeit zu Zeit gewisse Ansichten allgemein
vorherrschen, welche aber später oft durch ein gerade entgegengesetztes System
wieder verdrängt werden.
I. Construction der
Locomotiven.
Die große Mehrzahl der jetzigen englischen Locomotiven zeigt in der Construction
manche Uebereinstimmungen, wohin namentlich die Anwendung von inwendig liegenden
Cylindern und einer großen Heizfläche zu rechnen ist. Manche Verschiedenheiten
werden auch nicht sowohl durch verschiedene Systeme, als vielmehr durch die
verschiedenen Bestimmungen der Maschinen hervorgerufen, je nachdem dieselben zu
Personenzügen, zu Güterzügen, oder zu beiden Zwecken vereint dienen sollen. Die
Maschinen für Personenzüge sind durch die Unabhängigkeit und den großen Durchmesser
ihrer Treibräder ausgezeichnet, weil man große Geschwindigkeiten erlangen will, ohne
dabei doch die bewegenden Maschinentheile durch allzu schnelle Oscillirungen zu
ermüden und abzunutzen. Die Maschinen für Güterzüge haben sechs gekuppelte Räder von
etwa 5' Durchmesser, wobei die Kurbeln zur Kuppelung vor den Schmierbüchsen auf dem äußersten
Ende der Achsen sitzen. Der Maschinenrahmen wird dabei außerhalb der Räder gelegt,
damit der Feuerkasten möglichst erweitert und die Heizfläche demnach vergrößert
werden kann. Weil man ferner diesen Maschinen große Kessel und innere Cylinder von
großer Hubhöhe zu geben pflegt, so kommt der Schwerpunkt der ganzen Masse ziemlich
hoch zu liegen, und der Schornstein, dessen größte Höhe über den Schienen in der
Regel 14' nicht übersteigen darf, kann deßhalb nur kurz werden. Bei den Maschinen,
welche abwechselnd für Personen – und Güterzüge dienen sollen, liegt der
Rahmen ebenfalls außerhalb der Räder; die Treibräder haben 5–6' Durchmesser
und sind mit dem hintern Räderpaar, dessen Achse hinter dem Feuerkasten liegt,
zusammengekuppelt. Diejenigen Dimensionen, welche man gewöhnlich an den Haupttheilen
der englischen Locomotiven findet, sind in der folgenden Tabelle
zusammengestellt.
Dimensionen.
Maschine fürPersonenzüge.
Maschinen für Güterzüge.
Maschinen fürgemischte
Zwecke
Durchmesser des Kolbens
15–18''
15–18''
14–16''
Hubhöhe desselben
20–24''
20–26''
21–22''
Durchmesser der Treibräder
6–8'
4 1/2–5'
5–6'
absoluter Dampfdruck
7–9
Atmos.
7–9
Atmos.
9 Atmosphären
Abstand der äußeren Achsen
15–18'
14–15 1/2'
15–16'
directe Heizfläche
80–100 Qdrf.
70–140 Qdrf.
85–100 Qdrf.
indirecte Heizfläche
900–1800 Qdrf.
800–1300 Qdrf.
800–1000 Qdrf.
Gewicht der Maschine
24–28 Tonnen
28–35 Tonnen
26–30 Tonnen
Einen vorzüglichen Anlaß zu Streitigkeiten zwischen den englischen Ingenieuren bildet
noch immer die Frage, welches Gewicht am zweckmäßigsten den Locomotiven zu geben
sey. Indessen fehlt es noch gänzlich an aufmerksamen Beobachtungen über die
Einwirkungen der verschiedenen Gewichte auf die Schienen, mit Berücksichtigung der
Form der Schienen, des Durchmessers der Räder und der Geschwindigkeit der Züge. Es
kann aber nur die Zusammenstellung von einer großen Menge solcher Erfahrungen zu
einer wirklich praktischen Lösung der Streitigkeiten führen. Die Maschinen, welche
jetzt in England erbaut werden, bekommen ein Gewicht von 25–30 Tonnen, auf
der Great-Western Bahn aber sogar bis zu 36 Tonnen. So weit sich die Sache bis jetzt beurtheilen
läßt, so würde im Allgemeinen die Regel aufzustellen seyn, bei Schienen von
70–80 Pfund pro Yard durch jedes Rad im
Durchschnitt ein Gewicht von höchstens 5 Tonnen auf die Schienen übertragen zu
lasen. Demnach würde man den Maschinen für Personenzüge ein Gewicht von 24–26
Tonnen, für Güterzüge von 28–30 Tonnen zu geben haben, wie es denn auch
wirklich meistens geschieht. Uebrigens Pflegen die englischen Ingenieure die
Treibräder, namentlich wenn sie in der Mitte liegen, bedeutend stärker als die
Laufräder zu belasten.
Die Dimensionen und die Anordnung der bewegenden Haupttheile einer Locomotive werden
sich immer zumeist nach der Art des Dienstes, welchen diese Theile zu verrichten
haben, und nach der Beschaffenheit der Bahn, die befahren werden soll, richten;
zugleich müssen sie aber auch unter einander in einem gewissen unveränderlichen
Zusammenhange stehen, wofür die Ausdrücke leicht aus der Natur der Bewegung
abgeleitet werden können.
Wenn man den Durchmesser der beiden Kolben durch d, deren
Hubhöhe durch l, den Dampfdruck im Cylinder pro Quadratzoll durch p, den
Durchmesser der Treibräder durch D und die auszuübende
Zugkraft durch T bezeichnet, so ist der Dampfdruck auf
die Oberfläche eines Kolbens = p . 1/4 π . d²
Leistung beider Kolben während ihres Auf- und Niederganges = 21 . 2p . 1/4 π . d² welche der entsprechenden Leistung des
Widerstandes I bei einer Umdrehung der Treibräder gleichzusetzen ist, nämlich
21 . 2p . 1/4 η. d² = η . D . T, oder
(I.) p . l .
d² = D . T.
Die Gleichung drückt also das Verhältniß aus, welches bei gegebenem Dampfdruck und
gegebener Zugkraft, zwischen den Dimensionen der Kolben und Treibräder bei einer
jeden Locomotive stattfinden muß. Es wird indessen auch nicht schwer fallen, die
zweckmäßigsten Dimensionen eines jeden dieser einzelnen Theile aus der obigen
Gleichung zu entnehmen, wenn man nur berücksichtigt, daß die Treibräder nicht mehr
als 3 Umdrehungen in der Secunde machen dürfen, daß ferner die Kolben und Schieber,
ohne Gefahr für ihre Festigkeit und ohne Vermehrung der passiven Widerstände, nicht
zu schnell oscilliren dürfen, und daß endlich der nutzbare Dampfdruck p im Cylinder nicht gleich der absoluten Dampfspannung
im Kessel ist, weil davon
erst 1 Atmosphäre für den Gegendruck der äußeren Luft, und 1–1 1/2
Atmosphären für die Summe der passiven Widerstände, welche der Dampf auf seinem Wege
vom Kessel zum Cylinder zu überwinden hat, abgerechnet werden müssen.
Zur Bestimmung des Gewichtes, womit die Treibräder auf die Schienen drücken müssen,
dient die auszuübende Zugkraft als Maaß; wenn man nämlich den
Adhäsions-Coefficienten = 1/6 annimmt, so muß dieses Gewicht mindestens
gleich der sechsfachen Zugkraft seyn. Hierbei ist aber zu bemerken, daß ein einziges
Paar von großen Treibrädern höchstens mit 10–14 Tonnen belastet werden darf.
Man würde also in dem Fall, daß der Rechnung zufolge die Treibräder noch stärker
belastet werden müßten, dieselben lieber mit dem hinteren Räderpaar, oder
nöthigenfalls mit allen übrigen vier Rädern zusammenkuppeln, wie es auch bei den
Maschinen für Güterzüge wirklich geschieht.
Eines der wichtigsten Elemente bei der Construction einer jeden Locomotive ist die
Größe der Heizfläche, wovon die Verdampfungsfähigkeit des Kessels und folglich die
Leistungsfähigkeit der ganzen Maschine abhängt. Die gesammte Heizfläche setzt sich
aus der directen und indirecten zusammen, wovon die erstere, aus den inneren Wänden
des Feuerkastens bestehend, durch unmittelbare Berührung und Ausstrahlung vom Feuer
erhitzt wird, während die letztere aus den inneren Flächen der Heizröhren, wo die
brennenden Gase hindurchziehen, besteht. Das Verhältniß der directen Heizfläche zur
indirecten nimmt man in der Regel = 1/10 an. Es ist ein Hauptkennzeichen aller
englischen Locomotiven, daß sie verhältnißmäßig eine sehr große Heizfläche haben, da
der Maschinenrahmen in der Regel außerhalb der Räder angebracht wurde und folglich
der Feuerkasten bedeutend erbreitert werden konnte, während die französischen
Locomotiven, wobei der Rahmen zwischen den Rädern zu liegen pflegt, durchgängig eine
zu geringe Heizfläche besitzen. Der Unterschied in der Leistungsfähigkeit dieser
Maschinen wird dadurch noch größer, daß die englischen Kohks bedeutend besser als
die französischen sind. Uebrigens haben die englischen Constructeure auch sehr oft
das angemessene Verhältniß zwischen der Größe der Heizfläche und den Dimensionen der
bewegenden Maschinentheile überschritten, und zwar hauptsächlich deßhalb, weil sie
die nützliche Einrichtung eines veränderlichen Dampfausflusses, wodurch auch bei
schwacher Verdampfung der Zug des Feuers beliebig verstärkt werden kann, nicht
anwenden wollen, sondern darauf bestehen, eine für alle Fälle hinreichende
Verdampfung bei einer unveränderlichen und sehr weiten Ausflußöffnung des Blaserohrs
zu erlangen. Hierdurch ist aber ganz unnöthigerweise das Gewicht, der Ankaufspreis und
die Unterhaltungskosten der Maschinen vermehrt worden.
Um für eine gegebene Locomotive die nöthige Heizfläche berechnen zu können, muß man
berücksichtigen, daß die Verdampfungsfähigkeit des Kessels, oder vielmehr das in
einer Zeiteinheit entwickelte Dampfvolumen, in geradem Verhältniß zur Größe der
Heizfläche steht. Wenn nun d den Durchmesser und l die Hubhöhe der beiden Kolben bezeichnet, so wird von
einem Kolben während eines einzigen Auf- und Niederganges ein Dampfvolumen =
2l . 1/4 π . d² verbraucht, welches zur Größe der gesammten
Heizfläche S in einem bestimmten constanten Verhältniß
stehen muß. Als Resultat aus vielen Beobachtungen ergibt sich aber, daß der Werth
dieses Verhältnisses, wenn man S in Quadratfußen, d und l in Zollen ausdrückt,
durchschnittlich – 0,12 zu setzen ist, nämlich:
(II.) Textabbildung Bd. 128, S. 99
Die Dampfspannung im Kessel ist seit längerer Zeit von den englischen Ingenieuren
immer mehr verstärkt worden; sie beträgt in den neueren Maschinen fast durchgängig
9,16 Atmosphären, während man sich früher noch meistens mit 7–8 Atmosphären
begnügte. Ebenso wurde auch der Durchmesser des Kessels nach und nach bis auf 4
1/2–5 1/3' erweitert, während man jedoch die Stärke des Kesselbleches, welche
3/8–7/16'' beträgt, und die Stärke der inneren ebenen Wände des Feuerkastens,
die gewöhnlich = 7/16'' ist, um Nichts vermehrte. Man beschränkte sich darauf, die
letzteren durch Verbindungsstangen in Abständen von 4'' abzusteifen. Es können aber
die Wanddicken der Kessel, wie sie jetzt in England gebräuchlich sind, nicht mehr
als genügend angesehen werden, und es ist daher vorzuziehen, sich nach den folgenden
Vorschriften der französischen Gesetze zu richten:
Textabbildung Bd. 128, S. 100
Durchmesser des Kessels; Wanddicke
bei einem Dampfdruck von; Fuß; Atm.; Zoll
Diese vorgeschriebenen Wanddicken sind etwa um 1/3 stärker als die in England
gebräuchlichen, was bei einem vollständigen Kessel von etwa 270 Quadratfuß äußerer
Oberfläche einen Unterschied im Gewichte von 1/2 Tonne, oder von 2 Procent des
Gesammtgewichtes der Maschine ausmacht. Es sind über die Stärke der Kesselbleche
mannichfache Versuche durch Fairbairn in England und
durch Gouin in Frankreich angestellt worden, welche in
guter Uebereinstimmung zeigen, daß das zerreißende Gewicht für 1 Quadratzoll
Querschnitt des Bleches = 40000–50000 Pfund ist, aber daß schon bei 2/3
dieses Gewichtes eine bleibende Ausdehnung des Bleches stattfindet. Wenn man nun
erwägt, daß durch die Nietung die Blechstärke etwa um 1/3 geschwächt wird, daß
ferner das Blech immer sehr heiß, also nicht so fest als im kalten Zustande ist, daß
überdieß seine Festigkeit durch die fortwährenden Erschütterungen stark leidet, und
daß endlich bei irgend einer zufälligen Verstopfung der Sicherheitsventile der
Dampfdruck seine vorgeschriebene Gränze um ein Bedeutendes übersteigen kann, so wird
man die Gefährlichkeit des Weges, welchen die englischen Ingenieure eingeschlagen
haben, leicht einsehen und lieber die Wanddicke der Kessel etwas reichlich stark
machen, um dadurch hinreichende Sicherheit gegen Explosionen zu bekommen. Man würde
demnach etwa 14000 Pfund als Minimum der absoluten Festigkeit des Kesselbleches
anzusehen haben, aber der Sicherheit wegen in der Praxis nur bis zu 1/3 dieser
Gränze gehen dürfen, womit dann die Angaben der obigen Tabelle übereinstimmen.
Der hohe Dampfdruck von 8–9 Atmosphären ist nicht zweckmäßig, weil dabei die
passiven Widerstände in den Leitungsröhren, im Schieberkasten und beim Eintritt des Dampfes in
den Cylinder, ganz unverhältnißmäßig wachsen. Man wendet auch eigentlich nur deßhalb
diesen hohen Druck an, um die Unvollkommenheiten der Stephenson'schen Coulisse zu verbessern, weil nämlich, wenn man Expansion
anwenden will, die Einflußöffnungen des Dampfes in den Cylinder immer vom Schieber
noch theilweise bedeckt bleiben, so daß beim Eintritt des Dampfes ein erheblicher
Kraftverlust stattfindet. Bei allen gewöhnlichen Locomotiven würden auch die
bewegenden Maschinentheile, namentlich die Treibräder, Kolben und Schieber, es gar
nicht aushalten können, wenn die Maschine mit dem vollen Dampfdruck von 9
Atmosphären ohne Absperrung arbeiten sollte. Aus diesen Gründen möchte es wohl
anzurathen seyn, sich auf einen Dampfdruck von 6–7 Atmosphären, wie es in
Frankreich gebräuchlich ist, zu beschränken, und dagegen eine zweckmäßigere
Expansions-Vorrichtung am Schieber anzubringen. Der Druck von 9,16
Atmosphären könnte dann vielleicht als äußerste erlaubte Gränze angenommen werden,
wonach die Belastung der Sicherheitsventile zu berechnen wäre.
Bemerkenswerth ist ferner bei den jetzigen englischen Locomotiven der große Abstand
von 15–16', welchen man den äußeren Achsen zu geben pflegt, selbst bei
Maschinen mit sechs gekuppelten Rädern. Obgleich diese Maschinen mit großer
Geschwindigkeit in Curven von 1300–1600' Radius zu laufen Pflegen, so
scheinen doch die Radbänder und die Festigkeit der Achslager und des Rahmens keinen
erheblichen Schaden durch den Widerstand und das Gleiten in den Curven zu leiden. Es
ist überhaupt eine große Entfernung der drei Locomotivachsen von einander an und für
sich noch kein besonderes Hinderniß bei der Bewegung in starken Curven, wenn nur die
Uebergangsfläche zwischen Spurkranz und Radkranz ebenso wie der Rand der Schiene
nicht eckig, sondern mit einem hinreichend großen Halbmesser beschrieben ist, damit
der Spurkranz nicht etwa von seitwärts in die Schienen einschneiden und
hinaufsteigen kann. Die erforderliche Vergrößerung der Spurweite der Bahn ist selbst
in starken Curven nur unbedeutend; sie wird durch die Pfeilhöhe eines Segmentes der
Curve ausgedrückt, dessen Sehne gleich dem Abstand der beiden äußeren Achsen ist.
Die folgende Tabelle zeigt eine Berechnung dieser Art:
Textabbildung Bd. 128, S. 102
Halbmesser der Curve; Fuß;
Pfeilhöhe des Segmentes für; Sehne
Es wird also für alle Fälle ausreichen, wenn man die Spurweite in den Curven so groß
macht, daß an jeder Seite zwischen Spurkranz und Schiene noch ein Spielraum von etwa
1/3'' verbleibt. Um dieses Maaß würde man auch in den Curven die Zwangsschienen der
Wegübergänge weiter abzulegen haben als in der geraden Linie. Im Erleichterung der
Bewegung in den sehr starken Curven der Ausweichungen gibt man auch wohl den Lagern
der beiden äußeren Achsen etwas Spielraum zwischen ihren Schutzblechen, damit sich
die ganze Achse nebst ihren Lagern etwas zur Seite verschieben kann. Es kann
indessen das Verfahren einiger Constructeure, welche glaubten den mittleren Rädern
gar keine Spurkränze geben zu dürfen, nicht als hinreichend motivirt erscheinen.
Der Unterschied in der Länge des äußeren und inneren Schienenstranges einer Curve
ruft ein gewisses Gleiten der Räder auf den Schienen hervor, welches sich bei den
Achsen, die unbeweglich und weit von einander entfernt sind, am schlimmsten kund
gibt, und einen, jedoch nur unbedeutenden Theil der bewegenden Kraft consumirt. Um
dieses Gleiten aber möglichst zu verhindern, ist auch aus diesem Grunde ein gewisser
Spielraum zwischen Spurkranz und Schienen erforderlich, der in gewöhnlichen Curven
ebenfalls nicht größer als 1/3'' an jeder Seite zu seyn braucht; er bezweckt
nämlich, daß die Räder, deren Kränze bekanntlich eine conische Form haben, sich von
selbst in die richtige Lage bringen, wobei kein Gleiten stattfindet. In den
Ausweichungen kann man sich aber nicht mehr auf diese Weise helfen, weil dort die
Vergrößerung der Spurweite allzu bedeutend werden müßte; es erklärt sich daraus also
das starke Gleiten der Räder in den Weichen, welches eine schnelle Abnutzung der
Radbänder und Schienen
zur Folge hat. Für eine Eisenbahn mit vielen starken Curven von 1600' Radius und
darunter, wie es namentlich wohl bei kleineren Zweigbahnen vorzukommen pflegt,
möchte es überhaupt anzurathen seyn, die conische Form der Radkränze noch zu
verstärken, vielleicht bis zur Neigung 1 : 10, und dabei Schienen mit stark
gewölbtem Kopfe anzuwenden, die man im Verhältniß 1 : 20 nach innen zu geneigt legen
würde.
Im Allgemeinen kann man wohl annehmen, daß der Schaden, welcher aus dem weiten
Abstande der Achsen erwächst, durch den Vortheil der größeren Stabilität bei einer
etwaigen schwankenden Bewegung wieder ausgeglichen wird. Der Widerstand, den das
Gleiten der Räder in den Curven erzeugt, bildet nur einen sehr unbedeutenden Theil
vom Gesammtwiderstande des Zuges, nämlich nur wenige Procente desselben in einer
Curve von 800' Halbmesser. Ungleich bedeutender ist aber die Wirkung, welche die
Centrifugalkraft durch einen seitlichen Druck des Spurkranzes gegen die Schiene
hervorbringen kann, wenn der äußere Schienenstrang in der Curve nicht hinreichend
über den inneren erhöht ist. Wenn man den Reibungscoefficienten = 1/6 annimmt, so
würde in einer Curve von 800' Halbmesser, worin beide Schienenstränge gleich hoch
liegen, der durch die Centrifugalkraft hervorgerufene Reibungswiderstand eben so
groß als die gesammte auszuübende Zugkraft in der geraden Linie seyn. Bei der
Bewegung eines Zuges vom Gewicht Q mit der
Geschwindigkeit V in einer Curve vom Halbmesser R würde bekanntlich die Centrifugalkraft = Q/g . V²/R – seyn, worin g die Acceleration der Schwerkraft bezeichnet. Wenn man
nun bei einer Spurweite = b dem äußeren Schienenstrange
eine Ueberhöhung = x über den inneren gibt, so daß die
Bahn eine schiefe Ebene von der Neigung x/b bildet, so ist die Kraft, womit das Gewicht des Zuges
der Centrifugalkraft gerade entgegengesetzt auf dieser schiefen Ebene abwärts wirkt
= Q . x/b, und man wird demnach zu setzen haben:
Q . x/b = Q/g . V²/R, oder
x = b . V²/(g.R)
Um nach dieser Formel die nöthige Ueberhöhung x berechnen
zu können, muß man für die Geschwindigkeit V nicht den
mittleren Werth, sondern den größten vorkommenden Werth, von 50 engl. Meilen pro Stunde etwa, substituiren; denn es ist keine Gefahr dabei, wenn auch
die Räder etwas gegen den inneren Schienenstrang drücken, wohl aber würde, wenn ein
solcher Druck gegen den äußeren Schienenstrang stattfände, ein Entgleisen des ganzen
Zuges zu befürchten seyn. In den Ausweichungen, wo keine solche Ueberhöhung
angebracht werden kann, muß deßhalb immer recht langsam gefahren werden.
Die Mehrzahl der englischen Constructeure zieht die inwendig liegenden Cylinder den
äußeren vor, theils weil sie dadurch eine zuverlässigere Bewegung der Treibachse zu
erhalten glauben, und theils weil sie sich nicht entschließen können, eine
vernünftige Anwendung von den Gegengewichten an den Treibrädern zu machen. Bei den
Maschinen für Güterzüge ist es freilich wohl zweckmäßiger, innere Cylinder
anzuwenden, weil man sonst die Lenkstangen der Kolben und die Kuppelstangen der
Räder neben einander an den äußersten Enden der Achsen anbringen müßte. Es sind auch
die inwendig liegenden Cylinder immer leichter zu befestigen als die äußeren. Sie
führen aber den Nachtheil mit sich, daß der Kessel, und mithin der Schwerpunkt der
ganzen Maschine, sehr hoch gelegt werden muß, damit die Krummzapfen der Treibachse
unter dem Kessel noch hinreichenden Raum zu ihrer Umdrehung behalten. Dieser Umstand
ist freilich nicht eben von großer Wichtigkeit bei den Maschinen für Güterzüge,
welche doch gewöhnlich nur langsam laufen, und deßhalb Unglücksfällen nicht so sehr
ausgesetzt sind. Um so mehr hat man aber bei den Maschinen für Personenzüge, deren
Bestimmung ja eigentlich möglichst große Geschwindigkeit ist, darauf zu sehen, daß
durch jedes erlaubte Mittel die Stabilität dieser Maschinen vergrößert werde, damit
sie bei einem etwaigen Entgleisen des Zuges nicht umstürzen. Zu dem Ende wird man
vor Allem die Cylinder außen anbringen, und den Maschinenrahmen so gestalten, daß er
inwendig neben den großen Treibrädern und außen neben den Laufrädern liegt, weil man
dadurch in den Stand gesetzt wird, die Lenkstange des Kolbens am äußeren Ende der
Treibachse angreifen zu lassen, sowie den Cylindern eine gute Befestigung und dem
Kessel und Feuerkasten eine hinreichende Breite zu geben. Unter den englischen
Maschinen sind die nach dem Systeme Crampton erbauten
hinsichtlich der Stabilität die besten.
Interessant ist die Construction der Maschinen zu Schnellzügen, welche kürzlich für
die Bahn von Paris nach Straßburg erbaut wurden. Dieselben haben Treibräder von 7
1/2' Durchmesser; die Cylinder liegen inwendig unter dem Kessel und bewegen eine
vermittelnde Kurbelachse, welche keine Räder trägt, sondern an jedem Ende mit noch
einer Kurbel versehen ist, wovon sich die Bewegung durch Lenkstangen auf die
Treibräder, deren Achse
hinter dem Feuerkasten liegt, überträgt. Auf jener vermittelnden Achse sitzen auch
die excentrischen Scheiben zur Schiebersteuerung. Die vier Laufräder sind vorn, wie
man es gewöhnlich an den amerikanischen Maschinen findet, durch ein besonderes
Gestell vereinigt, worauf der eigentliche Maschinenrahmen vermittelst einer
Tragfeder an jeder Seite sich stützt. Die Treibachse trägt nur eine einzige große
Tragfeder, die der Querrichtung nach gestellt ist, so daß auf diese Weise der ganze
Maschinenrahmen nur auf drei Stützpunkten ruht. Diese Einrichtung gewährt die großen
Vortheile, daß die Belastung sich gleichmäßig auf die einzelnen Räder vertheilt, und
daß man die Cylinder bequem im Innern anbringen kann, ohne dem Kessel den nöthigen
Raum wegzunehmen, und ohne daß die vermittelnde Achse Gefahr liefe, bei dem Gleiten
der Räder und den Erschütterungen des Zuges zu zerbrechen. Einige englische
Constructeure haben ein ähnliches System auch bei den Maschinen mit vier gekuppelten
Rädern angewandt, indem sie die vermittelnde Achse mitten zwischen jene Räder
legten, und an ihren äußeren Krummzapfen zu jeder Seite zwei Lenkstangen angreifen
ließen, welche in derselben Zeit zur Mittheilung der Bewegung und zur Kuppelung
dienen. Diese ganze Anordnung ist sehr zu empfehlen, namentlich für gemischte
Personen- und Güterzüge; indessen würden sich solche Maschinen auch
zweckmäßig zu allen den kleinern Güterzügen verwenden lassen. Nur zur Bewegung von
sehr schweren Güterzügen oder zur Ueberwindung von starken Neigungen bedarf man der
Maschinen mit sechs gekuppelten Rädern und etwa 30 Tonnen Gesammtgewicht, welches
sich möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Räder vertheilen muß.
Um bei einem gegebenen Zuge die Zugkraft berechnen zu können, welche erforderlich ist
um eine Tonne des Gesammtgewichtes mit einer bestimmten Geschwindigkeit zu
transportiren, bedient man sich am besten der folgenden Formel nach Wyndham Harbing:
T = 5,99964 + 0,3335 V +
0,002567 (N . V²)/P,
worin V die Geschwindigkeit des
Zuges in englischen Meilen pro Stunde, N die der Luft dargebotene Vorderfläche der Maschine in
Quadratf., P das Totalgewicht des Zuges in Tonnen, und
T die pro Tonne
auszuübende Zugkraft in Pfunden bezeichnet. Wenn man nun N = 54 Quadratfuß annimmt, sowie es gewöhnlich vorkommt, so wird:
(III.)
T = 5,9964 + 0,3335 V +
0,13863 V²/P.
Mit Berücksichtigung der Regeln, welche aus den vorstehenden Betrachtungen sich
ergeben haben und zwar ganz allgemein ausgesprochen sind, aber doch für jeden
besonderen Fall etwas modificirt und den Umständen angepaßt werden dürfen, und
namentlich mit Hülfe der Formeln (I), (II) und (III), wird es jetzt nicht schwer
fallen, bei gegebenen Anforderungen, welche an eine Locomotive gestellt werden, die
zweckmäßigsten Dimensionen und die allgemeine Anordnung der Hauptmaschinentheile zu
bestimmen. Zur näheren Erläuterung dieses Verfahrens mögen die folgenden Beispiele
dienen, worin gerade die am gewöhnlichsten vorkommenden Fälle angenommen sind.
1. Beispiel. Es sind die Dimensionen der Haupttheile einer
Locomotive zu berechnen, welche einen Schnellzug von acht Personenwagen à 7 1/2 Tonnen Gewicht mit einer Geschwindigkeit
von 50 Meilen pro Stunde auf einer Steigung 1 : 200
hinauffahren soll. Das Gewicht der Maschine soll 25 Tonnen, des beladenen Tenders 12
Tonnen betragen.
Die Geschwindigkeit des Zuges per Secunde oder die
Umdrehungsgeschwindigkeit der Treibräder ist = (50 . 5280)/(60 . 60) = 73,3'. Wenn
man also den Durchmesser der Treibräder D = 8' annimmt,
so würden diese Räder in der Secunde 73,3/(8 . π)
= fast 3 Umdrehungen machen müssen, was noch erlaubt ist.
Das
Totalgewicht des ganzen Zuges beträgt 97 Tonnen; nach derFormel (III)
ist der Widerstand auf der Horizontalen pro
Tonne= 26 1/4 Pfd., mithin für den ganzen Zug = 97 . 26 1/4 =
2546 Pfd.
Dazu ist
der Sicherheit wegen für unvorhergesehene Fällenoch etwa 1/4 zu addiren
=
636
„
Der durch
die Steigung hervorgerufene Widerstand beträgt1/200 . 97 . 2240
=
1086 „
––––––––
Also ist
der Gesammtwiderstand, welchen die Maschinemuß überwinden können, T =
4268 Pfd.
Wenn man nun die Dampfspannung im Kessel zu 7 Atmosphären annimmt, so würde man für
den Cylinder nur einen Dampfdruck von 4 1/2 Atmosphären in Rechnung bringen können,
weil 1 Atmosphäre für den Gegendruck der äußeren Luft, und 1 1/2 Atmosphären für die
passiven Widerstände in den Röhren, im Schieberkasten und in den Einflußöffnungen
des Cylinders, sowie für den Gegendruck des entweichenden Dampfes abgerechnet werden
müssen. Es repräsentiren aber 4 1/2 Atmosphären einen Druck p = 4 1/2 . 16 1/2 = 74,25 Pfd. pro
Quadratfuß. Es sind nun die Werthe von p, T und D, der letztere in Zollen ausgedrückt, in die Formel (I)
zu substituiren, dann wird
4268 = 74,25 . (d². l)/(8 . 12), oder
d². l = 5520
Kubikzoll.
Wenn man also den inneren Durchmesser d des Cylinders
etwa = 16'' annimmt, so müßte der Kolbenhub l =
21–22'' werden.
Um, bei Voraussetzung des Adhäsions-Coefficienten = 1/6, eine hinreichende
Adhäsion der Treibräder auf den Schienen zu bekommen, muß man denselben mit
Inbegriff ihres Eigengewichtes eine Belastung von mindestens (6 . 4268)/2240 = 11
1/2 Tonnen, oder für jedes Treibrad von 5 3/4 Tonnen geben, was noch wohl erlaubt
ist.
Die erforderliche Größe der gesammten Heizfläche S
bekommt man durch Anwendung der Formel (II), nämlich
S/(½ . 3,14 . 5520) = 0,12,
oder
S = 1040 Quadratfuß
Da aber bekanntlich die directe Heizfläche S₁ sich zur indirecten S₂ wie 1 : 10 zu verhalten pflegt, so würde man etwa S₁ = 95 Quadratfuß und S₂ = 945 Quadratfuß anzunehmen haben.
2. Beispiel. Eine Locomotive von 24 Tonnen Gewicht mit
einem Tender von 11 Tonnen soll einen gemischten Zug, der aus 16 Wagen, theils
Personen- und theils Güterwagen von 7 1/2 Tonnen Gewicht besteht, auf 1/200
Steigung mit 28 Meilen Geschwindigkeit pro Stunde
aufwärts, und mit 34 Meilen Geschwindigkeit abwärts fahren.
Der Durchmesser der Treibräder ist nach deren größter Geschwindigkeit von 34 Meilen
zu berechnen, woraus sich dann ergibt, daß er, bei 2 3/4 Umdrehungen der Räder in
der Secunde, etwa = 6' seyn muß. Deßgleichen findet man die übrigen Dimensionen der
Maschinentheile durch eine ganz ähnliche Rechnung wie bei dem vorigen Beispiele:
Durchmesser des Kolbens = 15°.
Hubhöhe des Kolbens = 22°.
Directe Heizfläche = 90 Quadratfuß.
Indirecte Heizfläche = 900 Quadratfuß.
Auszuübende Zugkraft = 5230 Pfd.
Dampfspannung im Kessel = 7 Atmosphären.
Die erforderliche Belastung der Treibräder würde der Rechnung zufolge mindestens um
15 Tonnen, oder für jedes Rad = 7 1/2 Tonnen seyn, was aber nicht mehr zulässig ist.
Man würde also in diesem Falle vier gekuppelte Räder anzuwenden haben, deren
Gesammtbelastung von etwa 16–18 Tonnen vollkommen ausreichen würde.
Die obigen, durch die Rechnung erlangten Resultate dieses Beispiels stimmen
merkwürdig mit den Dimensionen überein, welche Gouin den
für die Bahn von Paris nach Lyon bestimmten Maschinen gab, die sich vortrefflich
bewährt haben.
3. Beispiel. Ein Güterzug aus 40 Wagen von 9 Tonnen
Gewicht bestehend, soll mit 18 Meilen Geschwindigkeit auf 1/200 Steigung aufwärts,
und mit 25 Meilen Geschwindigkeit daselbst abwärts, durch eine Locomotive von 28
Tonnen mit einem beladenen Tender von 12 Tonnen Gewicht gefahren werden.
Der Durchmesser der Treibräder, nach der größten Geschwindigkeit von 25 Meilen
berechnet, würde bei 2 3/4 Umdrehungen der Räder in der Minute etwa 4' 3'' betragen
müssen; ferner erhält man durch die Rechnung folgende Dimensionen:
Durchmesser des Kolbens = 18°.
Hubhöhe des Kolbens = 24°.
Directe Heizfläche = 120 Quadratfuß.
Indirecte Heizfläche = 1200 Quadratfuß.
Dampfspannung im Kessel = 7 Atmosphären.
Auszuübende Zugkraft = 10314 Pfd.
Die zur Adhäsion erforderliche Belastung der Treibräder würde mindestens 28 Tonnen
betragen, d.h. gleich dem Gewicht der ganzen Maschine seyn müssen; daraus folgt
also, daß man alle sechs Räder der Maschine zu kuppeln hat.
Um die directe Heizfläche zu vermehren, macht man in England öfters von einem
Siedekessel Gebrauch, welcher meistens der Quere nach in den Feuerkasten eingesetzt
ist und deßhalb beim Besorgen des Feuers sehr beschwerlich fällt. Weit zweckmäßiger
ist es aber, eine doppelte Scheidewand, welche inwendig vom Wasser ausgefüllt wird,
der Länge nach im Feuerkasten vom Boden bis zur Decke hin anzubringen, mit Ausnahme
eines runden Ausschnittes dicht vor der Hinterwand des Feuerkastens, um die Anzahl
der Heizröhren nicht zu vermindern und deren Einlegung und Reinigung nicht zu
erschweren. Es bekommt dann jede Hälfte des Feuerkastens ihre besondere Heizthür.
Diese ganze Einrichtung ist übrigens nur dann anwendbar, wenn der Maschinenrahmen von außen neben dem
hinteren Räderpaar liegt und der Feuerkasten deßhalb eine hinreichende Breite
bekommen kann.
Zur Regulirung der Schiebersteuerung findet man fast an allen englischen Locomotiven
die Stephenson'sche Coulisse, zuweilen freilich mit
einigen Modificationen angebracht; dieselbe dient ebensowohl dazu, um den Grad der
Expansion, womit die Maschine arbeiten soll, zu bestimmen, als auch um die Richtung
der Bewegung zu ändern. Der Hauptfehler dieser Einrichtung besteht, wie schon früher
bemerkt wurde, darin, daß bei der Anwendung einiger Expansion die beiden Oeffnungen,
welche vom Schieberkasten in den Cylinder führen, immer zum Theil vom Schieber
verdeckt bleiben, weßhalb beim Eintritt des Dampfes in diese schmalen Oeffnungen
immer ein bedeutender Kraftverlust stattfindet. Zur Abhülfe dieses Uebelstandes ist
bei der Castern-Counties-Bahn eine sinnreiche Verbesserung am Schieber
selbst eingeführt; derselbe hat nämlich die Form eines massiven vierseitigen
Prisma's und bewegt sich zwischen der Wand des Cylinders und einer festliegenden
gußeisernen Platte. Sowohl diese Platte als auch der Schieber sind an jedem Ende
durchbrochen, d.h. sie enthalten einen länglichen Schlitz von der Breite der
Dampfleitungsröhren in der Wand des Cylinders. Es muß dann die Schiebersteuerung so
eingerichtet seyn, daß bei Anwendung der größten vorkommenden Expansion die
Oeffnungen, wodurch der Dampf in den Cylinder einströmt, gerade einmal während jedes
Kolbenhubes vom Schieber ganz frei werden.
Die Räder der jetzigen englischen Locomotiven und Tender bestehen durchgängig aus
Schmiedeisen, und zwar bilden Nabe, Speichen und Radkranz ein einziges Stück. Die
Radbänder werden immer von ausgesuchtem Eisen und mit ganz besonderer Sorgfalt
verfertigt. Bei der Great-Western-Bahn verstahlt man sie auf ihrer
conischen Oberfläche; jedoch hat man in England noch nicht den Versuch gemacht, sie
ganz und gar aus Stahl herzustellen, wie es von einigen französischen Bahnen zu
geschehen pflegt. Man muß dazu recht weichen Gußstahl nehmen, der wenig Kohlenstoff
enthält, sich gut schweißen läßt und nicht so spröde ist als das gewöhnlich im
Handel vorkommende Material. Das Radband wird gleich im Ganzen gegossen, vorläufig
freilich nur ungefähr nach der richtigen Form und nach einem viel zu kleinen
Halbmesser; dann muß es aber durch Walzwerke gehen, worin es seine genaue Weite und
Form bekommt. Nun wird es auf den Radkranz aufgesteckt, auf seiner Oberfläche
gehärtet und dann genau rund abgedreht, was eine äußerst schwierige Arbeit ist und
bei der Great-Western-Bahn vermittelst förmlicher Schleifsteine geschieht. Viel
zweckmäßiger ist jedoch das Verfahren, welches bei der Bahn von Lyon nach St.
Etienne gebräuchlich ist, die Radbänder schon vor dem Aufstecken zu Härten und etwas
glatt abzudrehen, dann aber gleich beim Aufstecken dadurch zu centriren, daß man mit
großer Sorgfalt dünne Keile aus hartem Holz oder Eisen zwischen Radkranz und Radband
einschiebt. Hierdurch bekommen auch die Radbänder eine gewisse Elasticität, welche
bei den Erschütterungen in der Bewegung der Züge sehr wohlthätig auf die Erhaltung
der Schienen und Wagen einwirkt. Die schmiedeisernen Radbänder, die man überall in
England findet, werden erst nach einem kleinen Durchmesser ausgeschmiedet und
zusammengeschweißt, in einem Walzwerk von drei Walzen bis zum gehörigen Durchmesser
erweitert, dann aufgesteckt und ihre äußere Oberfläche durch Abdrehen genau
centrirt. Wenn man sie aber gleich beim Aufstecken durch Keile centriren wollte, so
könnte man sich die mühsame Arbeit des Abdrehens ganz ersparen, und das Metall würde
dann seine ursprüngliche äußere Oberfläche, wo es immer besonders fest ist, behalten
können.
Die Tragfedern findet man jetzt bei manchen englischen Maschinen, ebenso wie bei den
amerikanischen, mit kleinen Balanciers verbunden; zuweilen kommt es auch vor, daß
eine einzige sehr lange Tragfeder sich mit ihren Enden auf die Achslager von zwei
benachbarten Rädern stützt, so daß auf diese Weise der ganze Maschinenrahmen nur auf
drei oder vier Stützpunkten ruht. Alle diese Einrichtungen haben zum Zweck, die Last
recht gleichmäßig auf die einzelnen Räder zu vertheilen, und die Räder möglichst
unabhängig vom Rahmen zu machen, damit bei vorkommenden Erschütterungen der Räder
die schädliche Einwirkung auf die eigentliche Maschine geschwächt wird. Uebrigens
sind dennoch diese Federn vermöge ihrer Trägheit nicht im Stande, die Wirkung sehr
heftiger Erschütterungen im Augenblick hinreichend zu ermäßigen.
Die Anwendung von solchen Maschinen, welche selbst ihre Kohks und ihr Wasser auf
einer hinteren Verlängerung der Platform des Führers tragen, ist in England ziemlich
gebräuchlich, aber nur für leichte Züge und für sehr kurze Entfernungen, weil man
diesen Locomotiven unmöglich bedeutende Quantitäten von Wasser und Brennmaterial
mitgeben kann, ohne dabei ihre hintere Achse ganz, übermäßig zu belasten.
2. Construction der Wagen.
Die Personenwagen auf den englischen Eisenbahnen werden in drei Classen eingetheilt;
die Fahrpreise sind durchgängig sehr hoch. Trotzdem fehlt es aber den Wagen der
ersten Classe an jeder Eleganz und selbst an einer gewöhnlichen Bequemlichkeit;
obgleich jede Bank nur drei besondere Plätze enthält, so ist der Raum doch sehr
beschränkt, die Bänke sind zu hoch und die Erleuchtung mangelhaft. Ein ganz
besonderer Vorzug dieser Wagen ist dagegen ihr leichter Gang und ihre Stabilität,
was man theils der guten Construction der Tragfedern, theils auch der geringen
Breite des eigentlichen Wagenkastens, dem großen Abstande der Achsen von etwa
10–12', und dem straffen Anspannen der Stoß- und Zugfedern
zuzuschreiben hat. Zuweilen findet man auch die empfehlenswerthe Anordnung, daß das
Gestell des Wagens mit einer Art Tragriemen aus Kupferdraht in den Tragfedern
aufgehängt ist. Die Wagen der zweiten Classe werden trotz ihrer Unbequemlichkeit
ziemlich stark von den Reisenden frequentirt; sie haben sehr hohe, schmale und nahe
zusammengerückte hölzerne Bänke und sollen den neueren Bestimmungen zufolge mit
Glasfenstern versehen seyn. Noch viel unbequemer ist die dritte Classe, die aber nur
wenig gebraucht wird und deßhalb auch auf manchen englischen Bahnen gar nicht
vorkommt; dabei sind diese Wagen an den Seiten immer offen, zuweilen auch von oben.
Bei denjenigen Bahnen, die nur einen schwachen Personenverkehr zu vermitteln haben,
macht man häufig von den gemischten Personenwagen Gebrauch, wobei ein Coups der
ersten Classe zwischen zwei Coupés der zweiten Classe angebracht ist.
Die Personenwagen, welche man jetzt auf den englischen Eisenbahnen antrifft, sind
fast immer vierrädrig und enthalten drei Coupés, sie zeichnen sich durch eine
gute Stabilität und leichte Bewegung in den Curven aus, gewähren aber zu wenig
nutzbaren Raum. Aus diesem Grunde möchte deßhalb wohl im Allgemeinen die Anwendung
von sechsrädrigen Personenwagen vorzuziehen seyn, denen man einen breiteren
Wagenkasten geben würde, und die 5–6 Coupés enthalten könnten. Die
Construction dieser Wagen müßte sich namentlich nach der früher meistens
vernachlässigten wichtigen Regel richten, daß die mittlere Tragfeder an jeder Seite
biegsamer seyn muß und deßhalb nicht so stark angespannt und belastet werden darf
als die beiden äußeren. Man hat also in diesem Fall den äußeren Achsen eine
Belastung von etwa 4–5 Tonnen, der mittleren Achse aber nur von 2–3
Ton. zu geben, wenn übrigens die Bahn aus hinreichend starken Schienen besteht. Um
die Bewegung in den Curven zu erleichtern, würde es dann auch nicht unzweckmäßig
seyn, den Achslagern einigen Spielraum zwischen ihren Schutzblechen zu geben, damit
sich die ganzen Achsen nebst ihren Lagern nöthigenfalls etwas zur Seite verschieben
können. Für Bahnen mit sehr starken Curven werden freilich doch immer die
vierrädrigen Wagen den sechsrädrigen vorzuziehen seyn; auch ist es rathsam, in allen
Hauptstationen wenigstens einige kleinere vierrädrige Wagen vorräthig zu haben,
damit man nicht um weniger Personen willen einen großen Wagen mitzunehmen braucht.
Die sechsrädrigen Personenwagen, welche auf den meisten deutschen Eisenbahnen
laufen, haben zum größten Theil die oben beschriebene Einrichtung; sie haben
Räumlichkeit genug für 50 und mehr Personen, und ihre Achsen liegen in Abständen von
10–12' aus einander. Personenwagen mit acht Rädern findet man in England nur
sehr selten; auf der Eastern-Counties-Bahn hat man einige solche durch
Zusammensetzung von zwei vollständigen vierrädrigen Wagen mit Hülfe langer
Schraubbolzen hergestellt, um größere Stabilität zu bekommen; dieselben sind aber
sehr unbequem beim Hin- und Herschieben auf den Bahnhöfen, und geben großen
Widerstand in den Curven.
Man pflegt jetzt auf vielen englischen Eisenbahnen zu dem gesammten Holzwerk des
unteren Wagengestelles und des darauf stehenden Wagenkastens der Personenwagen nur
erotische Holzarten zu verwenden, welche durch die Schiffe aus Indien in großen
Massen in England eingeführt werden, und deßhalb dort noch billiger als gutes
Eichenholz zu kaufen sind. Dieses Holz wird dann auch gar nicht mit Oelfarbe
angestrichen, sondern nur einfach lackirt. Ein solches Verfahren würde freilich für
jedes andere Land, wo das Klima weniger feucht und die Sonnenhitze stärker als in
England ist, nicht zu empfehlen seyn. Bei den Personenwagen der ersten Classe findet
man meistens die zweckmäßige Einrichtung, daß sich die in den Wagenthüren
befindlichen Glasfenster beliebig weit herunterschieben lassen, und dabei immer
ruhig in ihrer jedesmaligen Lage verharren) zu dem Ende ist nämlich am oberen
Rahmenholz der Thür eine kleine Rolle angebracht, worüber eine Schnur geht, die an
einem Ende das Schiebfenster, am andern Ende das Gegengewicht trägt, welches sich
zwischen dem unteren doppelten Täfelwerk der Wagenthür befindet. Zur inneren
Verkleidung der Wagenkasten macht man häufig von Papiermache Gebrauch.
Wenn man eine Eisenbahn mit recht starken Schienen versieht, so wird man dadurch in
den Stand gesetzt, das erlaubte Gewicht, welches durch die einzelnen Räder der
Locomotiven und Wagen auf die Schienen übertragen werden darf, größer annehmen zu
können, und hierdurch am eigentlichen Nutzraum der Wagen im Vergleich gegen deren
Eigengewicht ganz bedeutend zu gewinnen. Die Ausführung dieses Verfahrens wird aber
durch die großen Fortschritte, welche namentlich während der letzten zehn Jahre in
der Fabrication der Schienen, Achsen, Tragfedern und Radbänder stattgefunden haben,
sehr wohl möglich gemacht. Auf den Bahnen, wo nur ein geringer Personenverkehr
vorkommt, würden allerdings wohl die kleineren Personenwagen vorzuziehen seyn; aber
im Allgemeinen muß man doch immer darauf ausgehen, die inneren Räumlichkeiten der
Wagen im Verhältniß zu deren Eigengewicht möglichst groß zu machen. Wenn man aber
größere Personenwagen anstatt der kleineren anwendet, so kann man die Zahl der Wagen
für jeden Zug verringern, wodurch dann auch der Luftwiderstand, der hauptsächlich
durch die vielen großen Zwischenräume zwischen den Wagen hervorgerufen wird,
bedeutend abnimmt. Um hinsichtlich des Luftwiderstandes noch mehr zu gewinnen, gab
man auf der Eisenbahn von London nach Blackwall den Personenwagen sehr kurze Buffer,
welche zum größten Theil noch unter den Wagenkasten liegen, so daß zwischen zwei
derartigen zusammengekuppelten Wagen nur ein Zwischenraum von 8'' Breite übrig
bleibt.
Die älteren Güterwagen, welche man jetzt noch zum Theil auf den englischen
Eisenbahnen findet, sind oben offen; sie haben die Form eines Erdkarrens, dessen
Seitenwände etwa 3' hoch sind und einen segmentförmigen oder dreieckigen Rand haben,
um die Ladung besser festzuhalten und die übergelegte Decke zum Schuh gegen die
Witterung gut befestigen zu können. Rings um den oberen Rand des ganzen Wagenkastens
ist ein flaches eisernes Band gelegt, welches der Construction eine große Festigkeit
gibt und einer kleinen seitlichen Wagenthür zum oberen Anschlag dient. Die neueren
Güterwagen haben große innere Räumlichkeiten; sie werden durch ein förmliches Dach
aus Zinkblech oder galvanisirtem gewelltem Eisenblech, welches sich schon durch
seine eigene Steifigkeit ohne jede innere Unterstützung hält, bedeckt. In den
Seitenwänden liegen eine oder zwei drehbare oder Schiebethüren; öfters ist auch das
Dach in der Mitte durchbrochen und daselbst mit einem verschiebbaren Täfelwerk oder
einer Decke versehen, damit man mit Hülfe der Krahne, womit alle Waarenlager und
Packhäuser reichlich versehen sind, die Waaren mit Leichtigkeit oben von den
Güterwagen herunterheben kann.
Zum Transport des Viehes dienen in England ganz besondere Wagen, die nur selten
gereinigt werden und deßhalb immer mit Schmutz bedeckt sind. Sie sind oben immer
offen und haben gewöhnlich niedrige Seitenwände; ihre Thüren werden durch ein
Täfelwerk gebildet, welches sich wie eine Zugbrücke nach außen hin niederschlagen
läßt, damit das Vieh darüber hinweggehen kann. Zuweilen findet man Wagen mit zwei
Etagen eigens für den Transport der Schafe erbaut. Im Allgemeinen möchte es aber
zweckmäßiger seyn, ebenso wie in Frankreich gewöhnliche Güterwagen zum Viehtransport
zu benutzen.
Der Kohlentransport wird fast auf allen englischen Eisenbahnen vorzüglich lebhaft
betrieben, und es sind deßhalb überall besondere Wagen zu diesem Zweck bestimmt. In
der Grafschaft Durham hat der Wagenkasten die Form einer umgekehrten abgestumpften
vierseitigen Pyramide mit sehr hohen Seitenwänden und einen ebenen Boden mit einer
oder zwei Fallthüren darin. Auf allen den großen Bahnen, welche von London ausgehen,
findet man Kohlenwagen von ähnlicher Form, aber mit niedrigen Seitenwänden und vier
geneigten Flächen im Boden, die nach allen vier Seiten nach einer doppelten Fallthür
in der Mitte hin abfallen. Um diese Wagen entladen zu können, muß man sie immer erst
auf ein erhöhtes Pfahlwerk fahren lassen. Man strebt jetzt allgemein dahin, den
Kohlenwagen, welche doch nur sehr langsam laufen sollen, einen recht großen
Ladungsraum zu geben, wobei man dann auch freilich Räder von einem etwas größeren
Durchmesser wird anwenden müssen. Auf der französischen Nordbahn erhalten die
Kohlenwagen von 4 Tonnen Gewicht eine Ladung von 10 Tonnen, so daß also auf jede
Achse des beladenen Wagens ein Gewicht von 7 Tonnen kommt.
Die Güterwagen aller Arten werden in England fast durchgängig aus Holz erbaut, weil
das Eisen zu theuer kommt und zu viel Anlaß zu großen Reparaturen gibt. Nur für die
Kohkswagen, welche bei einigen Bahnen gleichsam als Magazine für längere Zeit dienen
müssen, und bei denen man daher vorzüglich auf große Festigkeit zu sehen hat, möchte
sich eine Eisenconstruction wohl empfehlen.
Mit ganz besonderer Sorgfalt suchen die englischen Ingenieure dem Gestell der
Güterwagen eine möglichst große Festigkeit zu verleihen, theils durch eine massive
Construction in Holz, theils aber auch durch die Anwendung von sehr starken eisernen
Beschlägen, mit langen Verbindungsstangen der Länge und der Quere nach, und
vorzüglich durch die Verstärkung der Langbäume mit Winkeleisen und eisernen Bändern.
Weil nämlich die Güterwagen immer aus einer Hand in die andere gehen, fortwährend
durch Maschinen, Pferde oder Menschen in Bewegung erhalten werden, und bald Auf
dieser, bald auf jener Bahn laufen, so ist es ganz unmöglich darauf zu achten, daß
dieselben immer mit der gehörigen Sorgfalt behandelt werden; sie müssen deßhalb
schon arge Stöße vertragen können, ohne an ihren Haupttheilen Schaden zu leiden.
Dieses ist namentlich der Fall in dem nördlich von London gelegenen Eisenbahnnetze,
dessen Fäden sich nach allen Richtungen hin durchkreuzen. Demselben Umstande muß man
auch die allgemeine Verbreitung der Zug- und Stoßfedern an den Güterwagen
zuschreiben – eine Einrichtung, welche sehr zu empfehlen ist, und sich auch
in Frankreich an allen den Bahnen findet, wo vermischte Güter- und Personenzüge gebräuchlich
sind. Sie ist namentlich ganz unentbehrlich an den großen bedeckten Wagen, welche
man in Frankreich sowohl zum Transport von Gütern jeder Art als auch zum
Viehtransport zu benutzen pflegt. Das Holzwerk der Güterwagen wird in England
meistentheils aus Eichenholz angefertigt, und auf seiner äußeren Oberfläche nur
einfach mit kochend heißem Leinöl angestrichen.
Die Räder der Personenwagen in England sind entweder ganz aus Schmiedeisen
hergestellt, oder sie bilden eine volle hölzerne Scheibe mit einer gußeisernen Nabe
in der Mitte und einem schmiedeisernen Radkranz auf dem Umfange. Diese letztere
Einrichtung gewährt namentlich eine mäßige Elasticität, welche zur Erhaltung der
Radbänder sehr dienlich ist. Recht zweckmäßig zur Herstellung solcher Räder ist das
von dem Ingenieur Beattie an der
South-Eastern-Bahn angewendete Verfahren. Es werden nämlich in eine
gußeiserne Nabe, welche mit den gehörigen Löchern versehen ist, die einzelnen
Bohlenstücke, woraus die Scheibe des Rades bestehen soll, eingesteckt und mit
hölzernen Keilen befestigt, dann von allen Seiten her durch Kolben, welche von einer
hydraulischen Presse regiert werden, concentrisch zusammengedrückt, und schließlich
ein eiserner Kranz mit zwei vorstehenden Rändern darum gelegt, auf welchen dann noch
das eigentliche Radband in warmem Zustande aufgezogen werden muß. Zu dieser
Fabrication muß man sehr hartes erotisches Holz, das dem Werfen wenig ausgesetzt
ist, nehmen. Diese Räder würden sich auch namentlich wohl zur Anwendung von
stählernen Radbändern eignen. An den Güterwagen findet man überall ganz gußeiserne
Räder angebracht.
Seit der Einführung der Schnellzüge hat sich in England deutlich die Nothwendigkeit
gezeigt, zur Vermeidung einer zu starken Erwärmung im Achslager sowie zur
Verminderung der Reibung den Zapfen der Achsen einen größeren Durchmesser und eine
größere Länge zu geben, was freilich mit der Theorie geradezu im Widerspruch steht,
aber dennoch eine unbestreitbare Thatsache ist. Man pflegt jetzt bei einer Mittlern
Belastung von 3 1/2–5 Tonnen pro Achse die
folgenden Dimensionen der Zapfen als Regel anzunehmen:
Dimensionen der Zapfen.
Für Personenwagen.
Zoll.
Für Güterwagen.
Zoll.
Für Kohlenwagen.
Zoll.
Durchmesser
3–3 1/2
3–3 1/2
3–3 1/2
Länge.
6–8
5–6 1/2
6–7
Mit Zapfen von diesen Dimensionen, verbunden mit Achslagern von einer
vervollkommneten Construction und bei Anwendung einer guten Schmiere hat man auf der
französischen Nordbahn sehr befriedigende Resultate erlangt. In der Construction der
Achslager nebst den Schmierbüchsen findet man in England freilich ungemein viel
Verschiedenheiten, aber ohne daß irgend ein System wirklich vollkommen zweckmäßig
genannt werden könnte. Um eine Erwärmung der Lager durch die Sonnenstrahlen zu
verhindern, ist es gut, dieselben von außen mit weißer Oelfarbe anzustreichen.
Die Bremsen, welche man auf den englischen Eisenbahnen findet, sind im Allgemeinen
gut eingerichtet und recht wirksam; sie befinden sich immer nur an einigen
besonderen Wagen jedes Zuges, wozu man bei Personenzügen vorzüglich die Packwagen
nimmt, und welche ein Bruttogewicht von mindestens 6–7 Tonnen haben müssen.
Es sind entweder zwei Bremsen an beiden Räderpaaren, oder nur eine einzige an den
Hinterrädern angebracht. In der Regel reichen für einen gewöhnlichen Zug, der die
Gränze von 24 Wagen nicht überschreitet, zwei gute Bremswagen vollkommen aus.
Eigenthümlich und recht zweckmäßig ist eine Art von Bremsen, die man in der neuesten
Zeit an manchen Orten angewandt hat und wobei ein Bremskeil am Wagen hängt, der
unten eine ebene und oben eine concave, nach der Radform ausgehöhlte Fläche hat.
Wenn man damit bremsen will, so läßt man den Bremskeil so weit hinunter, bis er sich
vor das Rad auf die Schiene legt, mit dem dicken Ende nach vorn und mit dem spitzen
Ende dem Rade zugekehrt; es muß also das Rad auf den Klotz laufen, denselben mit
seinem ganzen Gewicht auf die Schienen niederdrücken und fortschleifen, weil es
nicht darüber hinweg kommen kann. Hierdurch wird eine starke gleitende Reibung an
der unteren Fläche des Bremskeiles hervorgebracht, und nicht wie gewöhnlich am
äußeren Umfange der Räder, wodurch dieselben sehr abgenutzt zu werden pflegen. Der
Bremskeil ist übrigens so schmal, daß der Spurkranz des Rades dadurch nicht ganz bis
über die Schiene emporgehoben wird, sondern noch fernerhin zur Leitung der Bewegung
dienen kann. Um diese Bremsen wieder auszulösen, braucht man den Zug nur ein wenig
zurückgehen zu lassen.
3. Unterhaltungskosten.
Nach den Jahresberichten der englischen Eisenbahn-Gesellschaften stellen sich
die durchschnittlichen Ausgaben für die Heizung, Führung und Unterhaltung der
Locomotiven, für jeden Zug und für eine englische Meile Weges berechnet,
folgendermaßen heraus:
Für den Führer und Heizer
0,043
Shilling
Für Reinigen, Putzen, Aufladen der
Kohks
0,015
„
Für Einnahme des Wassers
0,007
„
Für Oel, Talg, Baumwolle, Erleuchtung und
verschiedene Materialien
0,013
„
Für Kohks, Steinkohlen und Holz zum
Anzünden
0,100
„
Für Unterhaltung und Reparatur der
Maschinen und Tender
0,090
„
Allgemeine Unkosten
0,008
„
––––––––––––
Summa pro Zug
und Meile
0,276
Shilling.
Dabei würden etwa 14 Pfd. Kohks verbrannt werden, wovon die Tonne im südlichen
England etwa 20 Shilling, im nördlichen dagegen nur 8–10 Shilling kostet. Die
Kosten für die Unterhaltung der Locomotiven auf den englischen Bahnen sind, im
Vergleich zu anderen Ländern, sehr niedrig; der Grund davon ist theils in dem
billigen Preise der Metalle und der Kohks sowie in der Güte der letzteren, theils in
der Geschicklichkeit des dabei angestellten Personals, und vor Allem in den
langjährigen Erfahrungen und den daraus entsprungenen Verbesserungen in der
Construction zu suchen. Wie sehr namentlich dieser letztere Umstand zu einer
Verminderung der Unterhaltungskosten beigetragen hat, kann man aus einer
Zusammenstellung dieser Kosten nach den verschiedenen Jahresberichten der
Great-Western-Bahn sehen:
Im Jahre
Unterhaltungskosten pro
Zugmeile.
1841
0,54 Shilling
1845
0,40 „
1850
0,30 „
1851
0,26 „
Es ist übrigens nicht anzunehmen, daß diese Kosten auch in der Zukunft noch immer
mehr abnehmen werden, sondern man muß den Preis von 0,25 Shilling als die
durchschnittliche Gränze ansehen, welche sie unter günstigen Umständen überhaupt
erreichen können. Um für jedes andere Land, wie z.B. Frankreich oder das nördliche
Deutschland, die muthmaßlichen Unterhaltungskosten für Locomotiven und Tender
berechnen zu können, hat man anzunehmen, daß pro Zug und
eine englische Meile Weges 14 Pfd. Kohks verbrannt werden, und daß die Kosten für
sonstiges Material und für Arbeitslohn um 50 Proc. höher als in England ausfallen
werden. Demnach würden die Unterhaltungskosten P pro Zug
und Meile, wenn der Preis von einer Tonne Kohks incl.
Anfuhr durch F bezeichnet wird, aus der folgenden Formel
zu entnehmen seyn:
P = 0,24 Sh. + (14 . F)/2240.
Die Unterhaltungskosten für die Wagen sind in England ebenfalls sehr billig, nämlich
etwa = 0,083 Shilling pro Zugmeile, weil die Wagen durchgängig sehr einfach
und solide eingerichtet sind. Man pflegt anzunehmen, daß im Durchschnitt ein Wagen,
bei Anwendung der nöthigen Umsicht, etwa 20–25 Jahre ohne allzu bedeutende
Reparaturen im Gebrauch erhalten werden kann. Von der Gesammtzahl der durchlaufenen
Zugmeilen sind ungefähr 2/3 auf den Personentransport, und 1/3 auf den
Gütertransport zu rechnen.