Titel: | Beschreibung des von Hrn. Vulliamy ausgeführten Stiftenganges mit beweglichem Ausfall an der großen Uhr von Windsor. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XXV., S. 118 |
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XXV.
Beschreibung des von Hrn. Vulliamy ausgeführten
Stiftenganges mit beweglichem Ausfall an der großen Uhr von Windsor.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Febr. 1853, S. 54.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Vulliamy's Stiftengang mit beweglichem Auffall für
Thurmuhren.
Wie sorgfältig man auch bei der Anfertigung eines Stiftenganges zu Werke gehen mag,
so erreicht man es doch nie, daß die Stifte vollkommen und ihrer ganzen Länge nach
auf dem Ausfall des Ankers während der Schwingung des Pendels und der Ruhe des
Steigrades aufliegen. Um nun zu vermeiden, daß die Stifte auf die Ecken des Ankers
auftreffen, rundet man gewöhnlich die Auffallflächen so stark ab, daß der Stift,
selbst wenn seine Stellung nicht ganz richtig ist, niemals das Eck der Anker oder
Auffallfläche berühren kann. Der Nachtheil, der hiedurch entsteht, ist wesentlich,
und besteht dann, daß die Hemmung sich bald abnützt, wie hart man auch die Flächen
machen mag, auf denen die Reibung stattfindet. Durch das Abrunden des Ankers wird
nämlich die Berührungsfläche zwischen diesem und dem Stifte bis auf einen Punkt
reducirt, und da nun der ganze Druck des Stiftes nur auf einen Punkt kommt, so ist
hier die Abnützung viel rascher, als wenn der Druck sich auf eine größere Fläche
vertheilt hätte.
Die Uhr im Schloß Windsor ist in einem so großen Maaßstabe ausgeführt, daß Hr. Vulliamy (Uhrmacher in London) auf ein Mittel denken
mußte, durch welches die Hemmung die Eigenschaft erhielte, daß die Stifte beständig
ihrer ganzen Länge nach während der Ruhe des Steigrades und auf der schiefen Fläche
beim Impulsgeben aufliegen. Im September vorigen Jahres wurde diese Uhr vollständig
auseinander genommen, um
geputzt zu werden. Die Ankerflächen zeigten sich hiebei so vollkommen gut erhalten,
und noch von so reiner Politur, als wenn dieselben nie gebraucht worden wären,
obgleich die Uhr sieben Jahre lang ununterbrochen gegangen war, und während dieser
Zeit die Stifte mit einem Drucke von mehr als 120 Grammen 236,500,000 Male über die
Ankerflächen weggeglitten waren. Von Zeit zu Zeit wurde der Anker eingeölt, jedoch
ohne denselben abzunehmen, was leicht zu erkennen war. Diese vollkommene
Conservirung des Ankers ist eine merkwürdige Thatsache, die sich wohl nicht anders
als durch die sinnreiche Anordnung erklären läßt, welche diesem Theile gegeben
wurde, und deren Beschreibung hier folgt:
Fig. 5 ist
eine Ansicht der Hemmung, und Fig. 6 ein horizontaler
Durchschnitt nach der Linie AB.
a, a, a ist eine Messingplatte, welche auf der
Hemmungsachse befestigt ist, und den Anker bildet. Die Auffallstücke l, l sind nicht wie gewöhnlich fest auf dem Anker und
aus einem Stücke mit demselben, sondern können zweierlei Bewegungen machen. Sie
haben einen cylindrischen Zapfen g, der durch das Stück
p, p geht, und lassen sich leicht in demselben
drehen, so daß, wenn auch ein Stift des Steigrades nicht vollkommen senkrecht auf
der Radfläche stünde, er doch seiner ganzen Länge nach aufliegen müßte, weil durch
den Druck des Stiftes veranlaßt, sich das Auffallstück l
dreht, und sich parallel zur Stiftachse stellt, während man nach dem gewöhnlichen
Verfahren die Auffallflächen abrundet, um zu vermeiden daß ein Stift auf ein Eck der
schiefen Fläche auftrifft. Die Folge dieses Abrundens ist, daß der Stift eine
Tangente an eine Curve bildet, daß die Berührung nur auf einem Punkte stattfindet,
und daß die Abnützung viel bedeutender wird, was bei der Windsor-Uhr
besonders zu befürchten gewesen wäre, da sie die größte ist, welche je von Hrn. Vulliamy gebaut wurde.
Nachdem nun durch das angeführte Mittel dafür gesorgt war, daß der Stift während der
Ruhe des Steigrades seiner ganzen Länge nach gleichmäßig aufliegt, war dasselbe noch
bei seinem Gleiten über die schiefen Ebenen, beim Impulsgeben, zu bewerkstelligen.
Dieß geschah auf folgende Weise.
Die Schrauben v, v gehen durch die Tragwinkel, welche an
das Stück a, a befestigt sind. Die Spitzen dieser
Schrauben passen in Löcher, die in dem Stücke p, p
angebracht sind, so daß sich dieses um die Linie vv Wie um eine Achse drehen kann. Es ist nun leicht einzusehen, daß, wenn
der Stift auf die schiefe Ebene kommt, und diese nicht parallel zur Stiftachse wäre, sie gleich
selbst diese Lage annehmen wird, und daß während der ganzen Wirkung des Stiftes auf
die schiefe Fläche diese beiden Theile ihrer ganzen Länge nach in Berührung mit
einander sind, und zwar so, daß die Bedingungen gegen die Abnützung die günstigsten
sind.
r ist eine Feder, durch welche der cylindrische Zapfen
g geht, und auf welche sich die Schraubenmutter e stützt, um die Auffallstücke l beständig gegen p, p anzudrücken.
Zwei kleine Stifte c, c erhalten die Feder r in ihrer richtigen Lage.
Gang der Uhr der Kirche Saint-Etienne in London,
vom 10. August bis zum 25. September 1851.
Stand der Uhr gegen die
mittlere Zeit.
Tägl.
Abweichung.
Stand der Uhr gegen die
mittlere Zeit.
Tägl.Abweichung.
August
10.
Uhr u. mittl.
Zeit zusammentref.
–
Septbr.
2. 3.
+ 18''
+ 19
+
2'' +
1
11.
0
0
4.
+ 20
+ 1
12.
0
0
5.
+ 21
+ 1
13.
+
2''
+ 2''
6.
+ 22
+ 1
14.
+
4
+ 2
7.
+ 23
+ 1
15.
+
4
0
8.
+ 23
0
16.
+
4
0
9.
+ 23
0
17.
+
5
+ 1
10.
+ 23
0
18.
+
5
0
11.
+ 22
–
1
19.
+
6
+ 1
12.
+ 20
–
2
20.
+
6
0
13.
+ 21
–
1
21.
+
7
+ 1
14.
+ 20
–
1
22.
+
8
+ 1
15.
+ 19
–
1
23.
+
8
0
16.
+ 18
–
1
24.
+
9
+ 1
17.
+ 16
–
2
25.
+
10
+ 1
18.
+ 15
–
1
26.
+
11
+ 1
19.
+ 14
–
1
27.
+
12
+ 1
20.
+ 13
–
1
28.
+
13
+ 1
21.
+ 13
0
29.
+
13
0
22.
+ 12
–
1
30.
+
14
+ 1
23.
+ 10
–
2
31.
+
15
+ 1
24.
+ 9
–
1
Septbr.
1.
+
16
+ 1
25.
+ 9
0
Die vorstehenden Vergleichungen wurden mit Hülfe eines Chronometers von Arnold, der direct von dem Observatorium in Greenwich
hergebracht wurde, mit der größten Sorgfalt angestellt und bis zum 30. Jan. 1852 mit
demselben Erfolge fortgesetzt.
Der Gang mehrerer andern von Hrn. Vulliamy erbauten Uhren
wurde eben so gewissenhaft beobachtet, und das Resultat war, daß diese Uhren selten
eine Abweichung machten, die in acht Tagen über 3 bis 4 Secunden betrug.