Titel: | Ueber die sogenannte Cämentation der Kupferkiese; von G. Werther. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XLVIII., S. 203 |
Download: | XML |
XLVIII.
Ueber die sogenannte Cämentation der Kupferkiese;
von G.
Werther.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1853, Nr.
6.
Werther, über die sogenannte Cämentation der
Kupferkiese.
Man hat zur Unterstützung für die Hypothese von der metamorphischen Umwandlung der
Gesteine, namentlich auf die metallurgischen Processe der Cämentation hingewiesen,
zufolge deren das Stabeisen ohne Veränderung seines Aggregatzustandes in Stahl übergehe und der an
Kupfer arme Kupferkies im Innern des Stücks reicher an Kupfer werde, während das
Aeußere desselben daran ärmer wird. Studer (Lehrb. der
physikal. Geogr. und Geolog. Bd. II, S. 120) hat in Bezug auf letzteren
Umwandlungsproceß das Rösten der Kiese in Röraas und Agordo angezogen. Mag man die
bis jetzt noch nicht genügend erklärte Umwandlung des Stabeisens in Stahl durch
Cämentation als Analogon für den Metamorphismus der Gesteine anführen; es bleibt
alsdann das eine so dunkel als das andere, aber das tertium
comparationis ist wenigstens richtig, d.h. es ist eine Umwandlung auf
unbekannte Weise geschehen, ohne daß das Product Spuren einer Veränderung des
Aggregatzustandes an sich trägt. Man sieht, daß das Stabeisen während der Umänderung
in Stahl nicht geschmolzen war, eben so wenig wie ein metamorphisches Gestein
Anzeichen von Schmelzung verräth. Aber mit jenem Röstproceß der Kupferkiese in
Agordo und Röraas hat der Cämentationsproceß des Stahls keine Aehnlichkeit, denn bei
ersterem hat augenscheinlich eine theilweise Aggregatsveränderung der sich
umwandelnden Stoffe stattgefunden. Vor einigen Jahren besuchte ich auf einer Reise
durch die venetianischen Alpen das Bergstädtchen Agordo und lernte dort die
Gewinnung des Kupfers aus den Kiesen kennen. Sie hat wegen der Armuth der Erze an
Kupfer große Schwierigkeiten zu überwinden und läßt sich hauptsächlich nur deßhalb
mit Vortheil betreiben, weil man durch eine eigentümliche Art des Röstens die
Anhäufung des sonst spärlich und in einem größern Volumen vertheilten Kupfers in
einzelnen Punkten des Röstproductes zu bewerkstelligen weiß. Obwohl dieser
Hüttenproceß ziemlich bekannt ist, so erlaube ich mir doch noch einmal hier
denselben kurz zu beschreiben, um daran die Erklärung des Röstens vom chemischen
Standpunkte aus zu knüpfen, die, wie es mir scheint, ziemlich einfach und klar zu
geben ist, ohne zu dem nebelhaften Begriff der Cämentation seine Zuflucht nehmen zu
müssen.
Die Erze, welche in Agordo auf Kupfer verhüttet werden, sind Schwefelkiese mit einem
Gehalt von durchschnittlich 1 1/2–2 Proc. Kupfer. Sie werden in faustgroßen
und noch größern Stücken aus der Grube geschafft und zuerst in großen
pyramidenförmigen Haufen, um welche sich Brettergehäuse zum Auffangen des Schwefels
befinden, geröstet. Jeder Rösthaufen enthält bei 100 Quadratmeter Grundfläche und 4
Meter Höhe durchschnittlich 3000 metrische Centner Erz und brennt 10 Monate, ehe er
abgeröstet ist. Ist das Rösten vollendet, so werden die Röstknoten herausgenommen
und einer mechanischen Scheidung unterworfen, welche darin besteht, daß eine schwarzbraune
poröse zerreibliche Masse, welche einen festen geschmolzenen metallglänzenden, oft
bunt angelaufenen Kern umgibt, von diesem abgebröckelt und besonders verarbeitet
wird. Der dichte Kern, Tazzoni genannt, ist eine
zusammengeschmolzene Masse von Schwefelmetallen, welche reich an Kupfer ist und oft
40 Proc. davon enthält; die äußere Umhüllung besteht aus Oxyden und schwefelsauren
Salzen des Eisens und Kupfers, letzteres selten im Betrag bis 1 Proc. anwesend. Sie
werden mit Wasser behandelt, um Eisen- und Kupfervitriol auszulaugen und dann
von Neuem noch zweimal mit geröstet. Die Laugen cämentirt man durch Eisen und das
dabei gefällte mehr oder weniger reine Cämentkupfer wird zugleich mit den Tazzoni verarbeitet; die starken Laugen liefern einen
Absatz, Grassure genannt, der bis zu 50 Proc., die
schwachen einen Absatz, Brunini genannt, der nur
ungefähr 10 Proc. Kupfer enthält. Die Tazzoni werden,
mit Grassure und Brunini
gattirt, zu Lech verschmolzen, der ungefähr 25 Proc. Kupfer enthält; die Leche
röstet man 6–7mal und verarbeitet sie auf Schwarzkupfer; der dabei sich
bildende Dünnstein wird ebenfalls 6–7mal geröstet und zur
Kupfervitriolgewinnung ausgelaugt, der Rückstand endlich beim Steinschmelzen
zugesetzt.
Den Uebergang des größten Theils vom Kupfer aus den äußern Bestandtheilen des
Erzklumpens in die Tazzoni hat man nun einer Art von
Cämentation zugeschrieben, deren Vorgang in der That ganz dunkel und durch die
bekannten Eigenschaften des Eisens, Kupfers, Schwefels, Stickstoffs und Sauerstoffs
– der einzigen in Wechselwirkung tretenden Bestandtheile – nicht
erklärlich wäre. Ich meine aber, daß durch das chemische Verhalten des Eisens,
Kupfers, Schwefels und Sauerstoffs jene sonderbare Erscheinung wohl gedeutet werden
kann, ich will wenigstens die Erklärung versuchen.
Bei der Größe der einzelnen Erzstücke und der daraus gebildeten Rösthaufen kann nur
eine sehr unvollkommene Oxydation eintreten, und diese wird sich natürlich nur auf
die äußeren Theile der Erzklumpen erstrecken. Da der Gehalt an Schwefeleisen den des
Schwefelkupfers bei weitem überwiegt, so wird sich die größere Verwandtschaft des
Eisens zum Sauerstoff vorzugsweise geltend machen, und das Schwefelkupfer seinen
Schwefel noch behalten, während der größte Theil des Schwefeleisens schon oxydirt
ist. Die dabei sich entwickelnde Temperatur bringt das Schwefelkupfer und das etwa
noch nicht oxydirte Schwefeleisen zum Schmelzen und beide sickern durch die schon
gebildete poröse Kruste von schwefelsauren Salzen und Oxyden durch. Treffen die
durchschmelzenden Schwefelmetalle auf ihrem Wege etwa schon oxydirtes Kupfer, so tauscht dieses
seinen Sauerstoff gegen den Schwefel des Schwefeleisens aus und das entstandene
Schwefelkupfer fließt mit den angekommenen Schwefelmetallen, die nun an Kupfer etwas
reicher geworden, tiefer. Im Innern des Erzklumpens wird aber dem Weiterfließen bald
eine Gränze gesetzt seyn, namentlich wenn die Klumpen sehr groß waren, theils weil
die Oxydation nicht tiefer eindringen kann, theils weil die Temperatur nicht
hinreichend hoch ist, um eine größere Masse Schwefelmetalle im Innern zum völligen
Schmelzen und leichten Abfließen zu bringen. Liegt nun ein Erzstück sehr hohl und
frei, so daß die durchdringende Luft es auch von unten treffen kann, so wird der
Oxydationsproceß und vielleicht dieselbe eben erörterte Erscheinung von unten nach
der Mitte zu eintreten. Es kann aber natürlicher Weise ein Abfließen der
Schwefelmetalle nur nach unten stattfinden, und man muß alsdann die chemische
Zersetzung einer solchen abgeflossenen Partie in der porösen Hülle des darunter
liegenden Erzstückes suchen und ebenso die Bildung von Tazzoni in diesem. Daß dieß in der That der Fall sey, davon habe ich mich
an Stücken, wie sie eben angebrochene Rösthaufen darbieten, überzeugt. Man findet
oft zwei Erzstücke nach dem Rösten, also zwei fertige Röstknoten zusammengekittet
durch eine geschmolzene schwarze Masse. Diese ist der Rückstand von schmelzenden
Schwefelmetallen, welche Tazzoni zu bilden im Begriff
waren, aber nicht bis in das Innere des darunter liegenden Erzstücks einzudringen
vermochten, entweder wegen Temperaturverminderung oder wegen partieller zu weit
gegangener Oxydation auf ihrem Wege. Bisweilen findet man andererseits kleine
Röstknoten; diese zeigen auch, wenn sie zufälliger Weise vielleicht starkem
Luftzutritt ausgesetzt waren, die Bildung der Tazzoni
gar nicht, sie sehen aus wie die gewöhnlichen Röstknoten unserer Kupferkiese und
gehören dann mit in die Kategorie der kupferarmen äußern Hülle der Tazzoni.
Eine Unterstützung der obigen Ansicht über die Entstehung der Tazzoni findet man auch in der Lage derselben. Sie nehmen meistens den
untern Theil des Innern vom Röstknoten ein, selten die Mitte.