Titel: | Die Zündung von Sprengschüssen durch den elektrischen Funken; vom Prof. M. S. Gätzschmann zu Freiberg. |
Fundstelle: | Band 128, Jahrgang 1853, Nr. CVI., S. 424 |
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CVI.
Die Zündung von Sprengschüssen durch den
elektrischen Funken; vom Prof. M.
S. Gätzschmann zu Freiberg.
Aus dem Freiberger Jahrbuch für den Berg- und
Hüttenmann, 1853, S. 280.
Gätzschmann, über die Zündung von Sprengschüssen durch den
elektrischen Funken.
Bekanntlich ist es ziemlich schwierig, Pulver durch den elektrischen Funken
unmittelbar zu entzünden, weil der letztere bei seinem schnellen Durchgange durch
jenes nicht Zeit genug zu haben scheint, dasselbe durch seine höhere Temperatur in
Brand zu setzen, daher erfolglos durchschlägt. Zwar gelingt die Entzündung außer
durch besonders starke Elektrisirmaschinen auch durch Einbinden eines feuchten
Fadens in den Leitungsdraht, jedoch immer nur sehr ungewiß, indem auch dabei der
richtige Grad der Anfeuchtung, der von dem wesentlichsten Einflusse ist, erst durch
Versuche gefunden werden muß, und doch durch fortschreitende Verdunstung alsbald
wieder verloren geht.
Diese Schwierigkeit war eine der Hauptursachen, daß man von dieser Zündungsweise für
praktische Zwecke absah und sich in neuerer Zeit hierzu des galvanischen Stromes bediente, welcher einen in die Leitung
eingebundenen schwachen Stahl- oder Platin-Draht bei seinem Durchgange
zum Glühen bringt und dadurch das Pulver in Brand
setzt.
Dieses Verfahren, welches auf den ersten Anblick ganz zuverlässig und
zweckentsprechend zu seyn scheint, wurde deßhalb vielfach benutzt und weiter
auszubilden gesucht, um größere und kleinere zum Sprengen bestimmte Pulverladungen
zu entzünden, so unter andern bei dem sächsischen Bergbaue durch des Hrn.
Revierschichtmeister Schmidhuber in Schneeberg lang
fortgesetzte, sorgfältige und ausdauernde Versuche (vgl. darüber das Jahrb. f. den
sächs. Berg- und Hüttenm. Jahrg. 1846 S. 1), und obschon kein Fachkundiger
daran denken wird, diese Weise bei einem ganzen Grubenbetriebe statt des
gewöhnlichen Besetzungsverfahrens mit Zündern u.s.f. mit praktischem Nutzen zur
allgemeinen und ausschließlichen Anwendung zu bringen, so verdient sie doch,
vornehmlich um sehr starke Pulverladungen mit Sicherheit aus der Entfernung, ja
sogar unter Wasser anzünden, nicht minder mehrere solcher Ladungen gleichzeitig
zusammenwirkend, wegthun zu können, alle Beachtung. Jedoch ließ sich auch hier bald
erkennen, daß sie eine vollständige Zuverlässigkeit der
Zündung schon bei einzelnen Schüssen keineswegs gewährt, noch weit weniger aber beim
beabsichtigten
gleichzeitigen Wegthun mehrerer; daß vielmehr für die sehr günstigen Nachrichten,
welche in neuester Zeit von einem und dem andern Orte sowohl über Beseitigung dieses
Mangels, wie noch in einer und der anderen Hinsicht aufgetaucht sind, noch mehrere
und bessere Bestätigung abgewartet werden muß.
Schon vor etwa zehn Jahren wurden aber Versuche mit der zuerst genannten Weise der
Zündung durch den elektrischen Funken, bei Gelegenheit
der Gewinnung von Steinen für Bauzwecke, im Radauthale am Unterharze, unter thätigem
Beirathe des Hrn. Professors Varrentrapp in Braunschweig
wieder aufgenommen, jedoch wurde dabei ein anderer Weg verfolgt, nämlich der: den
Schlag des elektrischen Funkens zu benutzen, um eine
Art Knallpulver (aus Schwefelantimon und chlorsaurem Kali zusammengesetzt), und
durch dessen Vermittelung erst die Pulverladung zu entzünden. Das Nähere jenes
Verfahrens ist schon in Gätzschmann's Gewinnungslehre S.
583 beschrieben. Die Besetzung über dem Pulver bestand aus Sand. Es gelang damals,
je drei bis vier Schüsse zusammen mit gutem Erfolge wegzuthun, ja es soll dieß auch
bis zu zwölf gelungen seyn.
Man setzte jedoch zu jener Zeit die Versuche nicht fort, dem Vernehmen nach deßhalb,
weil die Wirkung der Elektrisirmaschine nur auf günstiges trockenes Wetter
beschränkt war.
Die diesem Verfahren zu Grunde liegenden Verhältnisse sind aber für Erlangung eines
günstigen Erfolges so versprechend, daß ich dieselben im vorigen Jahre unter
gefälliger Mitwirkung des Hrn. Professors und Bergraths Reich von Neuem aufnahm; ihre Fortführung ließ mich die Schwierigkeiten
erkennen, welche einem günstigen Erfolge entgegenstehen, aber auch die Mittel zu
deren Beseitigung auffinden. Ich gelangte dahin, mit einer schwachen Elektrisirmaschine in einem Steinbruche über Tage, und
unabhängig von dem Witterungs- und Atmosphären-Zustand, 8
Sprengschüsse mit aller Sicherheit gleichzeitig wegzuthun, obschon voraussichtlich
mit derselben Maschine 12 mit einem Male entzündet werden können. In der Grube ging
ich nur bis auf 5, jedoch sind dort die Verhältnisse von der Art, daß dieselbe
Anzahl wie über Tage erreicht werden kann. Die dazu angewendete Elektrisirmaschine
– wie gesagt, von geringer Stärke – war, des Transportes wie des
Schutzes wegen in einem hölzernen, mit Schiebdeckel versehenen Kasten enthalten,
dessen Inneres durch zwei mit Blechschirm und Dampfabzugsrohr versehene Lampen in
einer gleichförmigen Temperatur von hinreichender Höhe erhalten werden konnte, um
den Einfluß der äußeren Luft und der darin enthaltenen Feuchtigkeit von der Maschine
abzuhalten.
Die Leitung von unübersponnenem Kupferdraht wurde von der Maschine bis zu der
Zündmasse des ersten Bohrloches, von da zu der zweiten, von dieser zur dritten
Ladung u.s.w. und endlich von der letzten zurück bis wieder zur Maschine
zurückgeführt.
Von einer Besetzung der Bohrlöcher mit Sand über der Ladung, wie bei jenen früheren
Versuchen, konnte natürlich beim Sprengen festen Gesteines keine Rede seyn, vielmehr
war die gewöhnliche feste Lettenbesetzung unentbehrlich; als die brauchbarste
Vorrichtung wurde deßhalb folgende aufgefunden:
Die in jedes Bohrloch als Ein – und Aus-Leitung einzulegenden beiden
Drähte lagen zwischen zwei schmalen Streifen von gefirnißter Pappe, an deren unterem
Ende ein mit einer Höhlung versehenes Holzstöckchen befestigt war; in dieser Höhlung
standen die unten umgebogenen und zugespitzten Enden der Drähte mit geringem
Abstande einander entgegen, so daß hier der Funke überschlagen mußte; dadurch wurde
das in die Höhlung eingefüllte Knallpulver und durch dieses die Pulverladung
entzündet.
Diese Zündvorrichtung befand sich stets im Tiefsten des Bohrloches; war diese
eingesetzt, so wurde das Pulver darüber eingeschüttet und zuletzt der Lettenbesatz
auf die gewöhnliche Weise eingestampft.
Die größte Gesammtlänge der Leitungsdrähte von und nach der Maschine betrug bei
gemeinsamem Entzünden von 8 Schüssen 78 1/2 Meter.
Unter Beachtung aller gehörigen Rücksichten bei Vereinigung der Drähte, Sicherung der
Wirkung durch Trockenerhaltung der Elektrisirmaschine und der Ladungen, sind die
Vortheile dieser Entzündungsweise folgende:
Ueberhaupt:
1) Die Entzündung kann aus bedeutender Entfernung mit größter Sicherheit für die
dabei Beschäftigten bewirkt werden.
2) Sollte wirklich der Schuß nicht losgehen, so kann durch aber- und
mehrmalige Ladung der benutzten Flasche der Versuch wiederholt werden.
3) Eben so kann man sich nach jedem Versagen dem Bohrloche sofort nahen, ohne
verspätetes Losgehen befürchten zu müssen.
4) Beim Besetzen bleibt keine Zündspur offen, durch welche die Kraft des Pulvers
entweichen kann, weßhalb die Wirkung des Schusses größer seyn muß, als bei der
gewöhnlichen Besetzungsweise.
5) Mit dem Wegfallen der Zünderspur und des Gebrauches der Räumnadel ist eine
Selbstentzündung durch Feuerreißen schon nach dem Aufbringen des ersten Besatzes
unmöglich.
6) Durch die Lage des Zündpulvers im Tiefsten des Bohrloches mit der ganzen
Pulverladung darüber, wird das Zündpulver vor vorzeitiger Selbstentzündung durch
Stoß geschützt.
7) Dieselbe Lage des Zündpulvers im Tiefsten läßt die Entzündung des Pulvers von dort
aus beginnen, wodurch die Wirkung des Schusses noch mehr verstärkt werden muß,
während man dennoch die Zündung beliebig von jedem anderen Theile der Ladung aus
beginnen lassen kann.
8) Die Maschine ist, ihrem Gewichte wie ihrer Größe nach, leicht fortzuschaffen,
einfach und leicht zu behandeln.
9) Ihre Wirkung ist in der Grube eben so sicher, als über Tage, ja noch sicherer,
weil dort die Temperatur weniger schnellem Wechsel unterworfen.
10) Es ist je nach der Stärke der Maschine leicht eine bedeutende, ja beliebige
Anzahl von Schüssen gleichzeitig wegzuthun.
11) Die Entzündung derselben erfolgt mit einem Schlage,
wodurch
12) leichter ein gemeinsames und dadurch kräftigeres Zusammenwirken, oder
wenigstens
13) eine größere Sicherheit für die Häuer in einem Baue erlangt werden kann, in
welchem mehrere Schüsse wegzuthun sind, davon bei der gewöhnlichen Weise der
Entzündung die ersteren so viel Rauch erzeugen, daß dadurch das Anstecken der
folgenden unsicher wird.
Gegen die Zündung durch den galvanischen Strom gewährt aber diese Weise folgende
Vortheile:
1) Das bei aller Vorsicht beschwerliche, durch den Arbeiter ganz unausführbare
Gebahren mit Säure, als erregender Flüssigkeit, fällt weg, vielmehr ist die ganze
Handhabung einfach und reinlich; dabei
2) die Maschine weit leichter, als die galvanische Batterie;
3) die nicht übersponnenen Leitungsdrähte sind wohlfeiler;
4) ihre Verbindung weit leichter mit gehöriger Dichtheit herzustellen;
5) die Entzündung überhaupt sicherer, insbesondere aber
6) die von mehreren Schüssen gleichzeitig, welche mit der galvanischen Batterie nur
unsicher bis auf einige wenige gebracht werden kann;
7) kann bei letzterer selbst dann die Entzündung in Folge der Uebertragungsweise
– durch Erglühen des Drahtes – selten so genau gleichzeitig erfolgen,
vielmehr ein meßbarer Zeitunterschied eintreten.
Die Aufgaben, mehrere mit gewöhnlichem festen Besatze geladene Schüsse gleichzeitig
mit einem Schlage mit Sicherheit wegzuthun, kann jetzt
als gelöst betrachtet werden. Durch eine andere viel weiter fortzusetzende Reihe von
Versuchen wird nun erst zu ermitteln seyn:
1) welche Mehrleistung der dicht abschließende, durch keine Zündspur unterbrochene
Besatz über der Ladung, sowie
2) das gemeinschaftliche Wegthun mehrerer Bohrlöcher mit einem Male gegen das
gewöhnliche Besetzen und Wegthun gewährt.