Titel: | Ueber die Streu für Viehställe und die Wirkungen des Kalks auf den Harn; von Professor Payen. Dritte Abhandlung. |
Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. LXXI., S. 297 |
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LXXI.
Ueber die Streu für Viehställe und die Wirkungen
des Kalks auf den Harn; von Professor Payen. Dritte Abhandlung.Die erste und zweite Abhandlung wurden S. 148 und S. 224 in diesem Bande des polytechn. Journals mitgetheilt.
Aus den Comptes rendus, Juli 1853, Nr.
4.
Payen, über erdige Streu für Viehställe.
Wenn man mit Recht behaupten kann, daß der Ackerbau auf der Bereitung, Conservirung
und richtigen Anwendung des Düngers beruht, so begreift sich das große Interesse,
welches das Studium dieser Fragen darbietet, und wie wichtig es ist, dieselben durch
Experimental-Untersuchungen vollständig aufzuklären.
In dieser Absicht habe ich mit Beihülfe der HHrn. Poinsot und Wood meine Analysen fortgesetzt, deren Resultate
ich hier vorlege, mit Bezug auf die Fragen, welche ich mir dabei gestellt hatte.
Einfluß der freiwilligen Gährung des Harns vor Anwendung des
Kalks.Mit dem Namen „Kalk“ ist in dieser Abhandlung das pulverförmige Kalkhydrat bezeichnet, welches aus
gleichen Aequivalenten Kalk und Wasser besteht. – Dieser Einfluß konnte nicht zweifelhaft seyn, weil er die Bildung
von kohlensaurem Ammoniak zur Folge hat und der Kalk, indem er sich der Kohlensäure
bemächtigt, hernach die Ammoniak-Entwickelung nothwendig beschleunigen muß.
Allein es war von Nutzen, ihn quantitativ zu kennen, theils um darzuthun, wie
vortheilhaft es ist, diesen Einfluß zu vermeiden, theils um ihn mit andern Ursachen
eines Stickstoffverlusts zu vergleichen. Dieß war der Hauptzweck der dreizehnten und
vierzehnten Reihe von Analysen; zu der einen diente Kuhharn, nachdem derselbe 34
Tage lang in unvollständig verschlossenem Gefäß der freiwilligen Gährung überlassen
war, wobei die Temperatur zwischen + 12 bis + 20° R. variirte und im
Durchschnitt + 15 1/2° R. betrug; folgendes sind die Resultate:
Dreizehnte Reihe von Versuchen.
Kuhharn.
Zurückgebliebener Stickstoff per 100
Kub. Cent.
Verlust per 100Stickstoff.
100
Kub. Cent.
normalen Harns
1,311
–
100
„
nach 34tägiger Gährung und Abdampfungim
luftleeren Raum
0,515
60,86
100
„
nach 34tägiger Gährung und Abdampfungim
Wasserbad
0,453
65,45
100
„
nach 34tägiger Gährung, nach Zusatz
von0,1 Kalk und Abdampfung im Wasserbad
0,395
69,87
100
„
direct analysirt
0,972
25,85
100
„
Stickstoff des durch den Kalk
entwickelten
Ammoniaks
= 0,656Stickstoff, im Rückstand gefunden = 0,370
1,026
21,73
Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, daß nach einer 34 Tage dauernden freiwilligen
Gährung, wenn man die in der Flüssigkeit verbleibenden gebildeten Ammoniaksalze in
Rechnung zieht, der Harn nahezu 22 Proc. seines gesammten Stickstoffgehalts verloren
hatte; daß die directe Analyse des ammoniakalischen Harns anscheinend einen Verlust
von 25,85 Proc. anzeigte, welcher sich dadurch erklärt, daß das Ammoniak nicht
besonders bestimmt wurde.
Ferner sieht man, daß unter diesen Umständen der Harn, welcher durch die Gährung sehr
ammoniakalisch gemacht und dann mit 10 Proc. Kalk zusammengebracht wird, beim
Abdampfen im Wasserbad 70 (genau 69,8) Proc. Stickstoff entweichen läßt, während
ohne Kalkzusatz der Verlust nur 65,45, oder bei der Verdunstung in der Kälte gar nur
60,86 Proc. betrug.
Die Anwendung von Kalk unter diesen ungünstigen Umständen wäre sonach eher
nachtheilig als nützlich, sofern man kein anderes Mittel besitzt, um der Gährung
Einhalt zu thun, die noch nachtheiliger seyn könnte, wie wir sogleich sehen
werden.
Einfluß des Ferments. – Die Analysen der
vierzehnten Reihe hatten zum Zweck, den Einfluß eines Zusatzes des schon von Hrn.
Jacquemart bezeichneten
ammoniakalischen Ferments quantitativ zu bestimmen. Folgende Tabelle zeigt klar den
großen Einfluß des fraglichen Ferments.
Vierzehnte Reihe von Versuchen.
Kuhharn. Temperatur + 13 bis 21° R.
Stickstoff
per 100Kub.
Cent.
Verlust per 100Stickstoff.
100
Kub. Cent.
Harns im Normalzustand
0,543
–
100
„
desselben Harns, directe Analyst nach
11täg.Gährung
0,516
4,97
100
„
desselben Harns, directe Analyse nach
11täg.Gährung und 0,05 zugesetzten Ferments
0,546
–
100
„
desselben Harns, abgedampft nach 13täg. Gährung
0,235
56,9
100
„
desselben Harns, abgedampft nach 13täg.Gährung,
durch 0,05 Ferment beschleunigt
0,079
85,5
Aus diesen Resultaten lassen sich folgende Schlüsse ziehen. Während der Gährung in
einem Gefäß, worin sich die Luft nicht merklich erneuert, ist der
Stickstoff-Verlust sehr gering; das Ferment hat das Quantum des Stickstoffs
etwas vermehrt; die durch die freiwillige Gährung entstandene Zersetzung brachte den
Verlust an Stickstoff während der Abdampfung im Wasserbade auf 56,9 Proc.; der die
Ammoniakbildung beschleunigende Zusatz von Ferment steigerte diesen Verlust über 85
Proc. des gesammten Stickstoffgehalts.
Einfluß 6- bis 24stündigen Aufschubs vor dem Zusatz des
Kalks zum Harn und zum Dünger. – Eine fünfzehnte Reihe von Analysen
hatte zum Zweck, den conservirenden Einfluß zu ermitteln, welchen der Kalk ausüben
kann, wenn man ihn dem fermentfreien Harn erst 6 bis 24 Stunden, nachdem derselbe
gelassen, zusetzt; und andererseits, ob der Dünger, nach eben so langem Zuwarten,
sich durch dieses Mittel besser conserviren ließe, als durch das Begießen mit Jauche.
Die Versuche wurden so angestellt, daß 2 Proc. Kalk dem Harn, 6 und 24 Stunden
nachdem er gelassen, zugesetzt wurden, und andererseits, indem man Stroh mit
demselben Harn tränkte und das Gemenge 24 Stunden an der Luft ließ, ehe man ihm 2
Proc. Kalk zusetzte; endlich indem man das Ganze 8 Tage lang an der Luft stehen
ließ.
Die Begießungen wurden mit ein und demselben Harn Abends und Morgens und eine gleiche
Anzahl Tage lang in ganz ähnlicher Weise wie auf den Pachthöfen vorgenommen.
Folgende Tabelle enthält die Resultate dieser Versuche.
Fünfzehnte Reihe von Versuchen.
Kuhharn. Temperatur von 15,6 bis 23,6° R.
Stickstoff
per 100Kub.
Cent.
Verlust per 100Stickstoff.
100
Kub. Cent.
Harn im Normalzustand
0,543
–
100
„
desselben Harns, 6 Stunden, nachdem er
gelassen,mit 2 Gr. Kalk versetzt, das Gemischim Wasserbad
abgedampft
0,444
18,23
100
„
desselben Harns, 24 Stund., nachdem er
gelassen,mit 2 Gr. Kalk versetzt, das Gemischim Wasserbade
abgedampft
0,428
21,17
100
„
+ 20 Gram. geschnittenen Strohs, nach 24Stunden
mit 2 Gram. Kalk versetzt *)
0,434
20,00
100
„
desselben Harns + 10 Gr. Stroh, Begießungendes
Strohs mit dem Harn *)
0,070
87,10
*) Diese beiden Gemische wurden 8 Tage lang an der Luft den
freiwilligen Einwirkungen überlassen.
Hier ist zu bemerken, daß der Zusatz von Kalk zum Harn, 6 und selbst 24 Stunden,
nachdem letzterer gelassen, nur einen Verlust von 18 bis 21 Proc. des Stickstoffs
unter Umständen veranlaßte, wo bei demselben Kalkzusatz, aber unmittelbar nachdem
der Harn gelassen, der Verlust 9 Proc. betrug (siehe zwölfte Versuchsreihe). Im
Ganzen erhöhte der 6- bis 24stündige Aufschub den Verlust an Stickstoff nur
um beiläufig 9 bis 10 Proc.; und der Kalk conservirte selbst unter diesen wenig
günstigen Umständen 80 Proc. der stickstoffhaltigen Substanz.
Eine nicht minder beachtenswerthe Thatsache ergibt die Vergleichung der zwei letzten
Versuche; es geht daraus hervor, daß der Zusatz von 2 Kalk zu einem Gemenge von 20
Stroh mit 100 Kuhharn, 80 Proc. vom Stickstoff des letztern während der ganzen Zeit
des Austrocknens an der freien Luft, welches acht Tage dauerteSehr wahrscheinlich würde die so weit vorgeschrittene Austrocknung die
Zusammensetzung des Gemenges noch lange conserviren und dasselbe dann, auf
dem feuchten Boden ausgebreitet, in dem Maaße ammoniakalische Dämpfe
entwickeln, als der Kalk sich mit Kohlensäure verbände und die Zersetzung
der stickstoffhaltigen Materien begünstigte., conservirte, während in derselben Zeit das gebräuchliche Verfahren des
Begießens nur 13 Procent conservirte oder 87 Proc. des gesammten Stickstoffs
verloren gehen ließ.
Wirkung des bloßen Sandes oder des mit Kreide oder Kalk
vermengten Sandes auf den Harn. – Eine sechzehnte Reihe von
Versuchen bezweckte zu ermitteln, welche Wirkungen der Sand bei der Streu haben
kann; gegenwärtig pflegen nämlich einige Landwirthe feinen Sand, welcher beinahe
rein oder mit kohlensaurem Kalk gemengt ist, zur Verbesserung des Thonbodens zu
benutzen, nachdem sie ihn in den Ställen als Streu anstatt Stroh angewandt
haben.
Nach den vorausgehenden Resultaten war zu vermuthen, daß der kohlensaure Kalk in
Verbindung mit Sand den Verlust der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Harns
beschleunigen muß, und ich wollte daher noch ermitteln, ob der Zusatz einer geringen
Menge Kalks nicht hinreichte, um diesem Verlust Einhalt zu thun. Folgende Tabelle
enthält die Resultate der nach diesen Ansichten angestellten Versuche.
Sechzehnte Reihe von Versuchen.
Menschenharn. Temperatur + 13 3/5 bis 15° R.
Stickstoff per 100Kub. Cent.
Verlust per 100Stickstoff.
100
Kub. Cent.
normalen Harns
1,034
–
100
„
Harn + 100 feiner Sand, 7 Tage an der Luft,das
Gemenge im Wasserbad ausgetrocknet
0,775
25,0
100
„
Harn + 100 feiner Sand + 10 Kreide, 7 Tagean der
Luft, das Gemenge im Wasserbad ausgetrocknet
0,091
91,2
100
„
Harn + 100 Sand + 5 Kalk, 7 Tage an derLuft, das
Gemenge im Wasserbad ausgetrocknet
0,946
8,5
100
„
Harn + 100 Sand + 10 Kreide + 5 Kalk,7 Tage an der
Luft, das Gemenge imWasserbad ausgetrocknet
0,988
4,45
Alle diese Gemenge mit überschüssiger Flüssigkeit, waren nach VerlaufVerlanf von 7 Tagen noch sehr naß.
Bei Vergleichung dieser Resultate sieht man, daß sich alle Voraussehungen gemäß den
vorher ermittelten Thatsachen bestätigten, und neue sehr beachtenswerthe Thatsachen
sich ergaben. So stieg durch Zusatz von 10 Proc. Kreide zum Sand, der Verlust von 25
auf 91 Procent; als man statt der Kreide nur 5 Procent Kalk zusetzte, ergab sich ein
dreimal geringerer Verlust als mit dem reinen Sande und ein zehnmal geringerer als
bei dem Gemenge von Sand und Kreide; als man 110 Th. letzteren Gemenges mit 5 Th. Kalk
versetzte, verminderte sich der ganze Verlust auf das Zwanzigstel von demjenigen mit
bloßer Kreide.
Freiwillige Zersetzung der Kalkverbindungen und der
organischen Bestandtheile des Harns, nach der Sättigung mit Kohlensäure.
– So viele unter sich übereinstimmende Beweise der merkwürdigen Eigenschaft
des Kalks, die zersetzbaren Bestandtheile des frischen Harns zu conserviren, machten
es sehr interessant zu erfahren, welche Wirkung von der Kohlensäure der Luft oder
des Bodens zu erwarten ist, welche, indem sie den Kalk sättigt, diese organischen
Substanzen in Freiheit setzen und später deren Zersetzung durch den so gebildeten
kohlensauren Kalk begünstigen muß.
Um über diese so wahrscheinlich gewordene Hypothese Gewißheit zu erhalten, und den in
der zwölften Reihe von Analysen mitgetheilten Versuch weiter zu treiben, stellte ich
in diesem Sinne die in der folgenden Tabelle zusammengefaßten Versuche an. Der
angewandte Harn, dessen Stickstoffgehalt zuerst bestimmt worden war, wurde zwölf
Stunden, nachdem er gelassen, mit 2 Procent Kalk geschüttelt. Nachdem die Mischung
im Wasserbad abgedampft worden war, bestimmte man den Verlust welchen sie erlitten
hatte; alsdann mit Wasser angerührt und hierauf mit Kohlensäure gesättigt, überließ
man sie 13 Tage lang den freiwilligen Reactionen in Berührung mit der Luft; sie war
nach dieser Zeit in fast trocknen Zustand übergegangen, und nun bestimmte man durch
die Analyse den Verlust welchen sie erlitten hatte.
Siebenzehnte Reihe von Versuchen.
Menschenharn.
Temperatur 13 1/2 bis 18 1/2° R.
Stickstoff
per 100Kub.
Cent.
Verlust per 100Stickstoff.
100
Kub. Cent.
Harn im Normalzustand
1,035
–
100
„
Harn, nach Verlauf von 12 Stunden mit2 Proc. Kalk
vermischt, abgedampft
0,930
10,14
100
„
Harn, im Gemenge; dasselbe wurde mitKohlensäure
gesättigt und dann 13 Tagelang den freiwilligen Einwirkungen ander
Luft überlassen
0,165
84,00
Man sieht, daß auch hier 2 Proc. Kalk, nach Verlauf von zwölf Stunden zugesetzt, von
der zersetzbaren Substanz nur 10 Proc. Stickstoff verloren gehen ließen, während
nach der Sättigung des Kalks mit Kohlensäure die freiwillige Zersetzung so rasche
Fortschritte machte, daß nach 13 Tagen der Verlust 84 Procent betrug.
Schlußfolgerungen.
Fassen wir die in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen zusammen, so kommen wir
zu folgenden Schlüssen:
1) Die freiwillige Gährung, welche im Harn 34 Tage lang bei einer Mittlern Temperatur
von 15,6° R. stattfand, vor Anwendung des Kalks, kann einen Verlust von 70
Procent Stickstoff veranlassen.
2) Die Beimischung des speciellen Ferments erhöht diesen Verlust noch, und kann ihn
nach Verlauf von 13 Tagen auf 85 Procent steigern.
Es ist daher sehr nothwendig den Kalk dem Harn, welcher gegen solchen Verlust
geschützt werden soll, so bald als möglich zuzusetzen, und jede vorausgehende
Gährung, namentlich aber die durch das Ferment angeregte, zu vermeiden. Ohne Zweifel
könnte letztere dadurch verhütet werden, daß man die Wände der Stätten (oder
Behälter), an welche sich der diese Art von Hefe bildende Absatz anlegt, mit Kalk
tränkt.
3) Das Kalkhydrat in sehr geringer Menge (2 Procent) kann zur Conservirung der
stickstoffhaltigen Bestandtheile des Düngers dienen. Unter den Umständen, wo dieser
Zusatz nach einem Aufschub von 24 Stunden gemacht wurde, betrug der Verlust im
Vergleich mit der Methode des Begießens in 8 Tagen um das Vierfache weniger.
Aehnliche vergleichende, jedoch im Großen angestellte Versuche würden die Frage in
ökonomischer Hinsicht lösen.
4) Reiner Sand scheint ein ziemlich guter Zusatz zum Verdicken des Harns zu seyn; mit
einigen Procenten Kreide gemengt, beschleunigt er hingegen den Stickstoffverlust, so
daß derselbe 90 Procent beträgt; während der Zusatz von 5 Procent Kalk, selbst bei
Gegenwart der Kreide, unter denselben Umständen den Verlust auf weniger als 5
Procent vermindern kann. Dieser Zusatz könnte, wie mir scheint, ohne Anstand bei dem
untern Theil der Streu versucht werden, wo sich der meiste Harn ansammelt, und auf
welchen das Vieh sich nicht legt.
5) Wenn man den Harn oder den frischen Mist in schwachem Verhältniß mit (gelöschtem)
Kalk versetzt, so behalten die Gemenge die Fähigkeit, die den Pflanzen nützlichen
ammoniakalischen Producte zu entwickeln; diese Entwickelung wird nach und nach
stattfinden, indem die Feuchtigkeit des bebauten Erdreichs und die umgebende
Kohlensäure den mit den organischen Substanzen verbundenen Kalk in kohlensauren Kalk verwandeln, welcher
die Eigenschaft besitzt, die freiwillige Zersetzung dieser Substanzen in hohem Grade
zu begünstigen.
Auch in dieser Hinsicht können nur vergleichende und genaue Versuche im Großen die
ökonomische Frage aufklären.
In der folgenden Abhandlung werde ich meine Versuche über das Verhalten der
verschiedenen Kohlen zum Harn und über die Wirkung des
Kalks, der Kreide und des Thons auf die thierischen Ueberreste mittheilen, welche
ich bezüglich der Düngerbereitung angestellt habe.