Titel: | Versuche zur Begründung des ihm patentirten Verfahrens, anlangend die Beseitigung des Verlustes an Zucker bei der Scheidung des Rübensaftes und die Gewinnung einer reineren Zuckermasse aus demselben; vom Medicinalrath Friedrich Michaelis zu Magdeburg. |
Autor: | Friedrich Michaelis |
Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. LXXXVIII., S. 363 |
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LXXXVIII.
Versuche zur Begründung des ihm patentirten
Verfahrens, anlangend die Beseitigung des Verlustes an Zucker bei der Scheidung des
Rübensaftes und die Gewinnung einer reineren Zuckermasse aus demselben; vom
Medicinalrath Friedrich
Michaelis zu Magdeburg.
(Fortsetzung von S. 296 des vorhergehenden Heftes.)
Michaelis, über den Verlust an Zucker bei der Scheidung des
Rübensaftes.
B. Bestandtheile des Rübensaftes,
die durch Bleiessig gefällt werden.
Wird Rübensaft mit dem neunten Theile seines Volums Bleiessig vermischt filtrirt, so
ist die Flüssigkeit anfangs fast wasserhell und eignet sich deßhalb ausgezeichnet
zur Bestimmung des Zuckergehaltes des Saftes durch Lichtpolarisation. Nach einiger
Zeit, bald früher, bald später, wird die Flüssigkeit in Folge der Bildung eines
zuerst dunkelvioletten oder grauen, dann schwarz werdenden Niederschlages mehr oder
weniger trübe. Dieser Niederschlag entsteht wahrscheinlich in der Flüssigkeit durch
Oxydation und enthält an Blei gebunden eine stickstoffhaltige Substanz, die ohne
Zweifel die Substanz ist, die nach den Beobachtungen von Hochstetter den Saft vorzüglich im Fasergewebe der Rüben, wenn Rübenschnitte der Luft ausgesetzt
werden, schwarz färbt.
1. Die durch Oxydation schwarz
gewordene Substanz des Rübensaftes.
Um die durch Oxydation schwarz gewordene Substanz des Rübensaftes näher kennen zu
lernen, wurden dreimal hintereinander jedesmal 1350 Kubikcentimeter Rübensaft
mit 150 Kubikcentimeter Bleiessig gemischt und die Mischung filtrirt.
Alle drei Flüssigkeiten nahmen zuerst eine graue Trübung an; nach 24 Stunden
hatten sie einen schwarzen, pulverförmigen Niederschlag abgesetzt.
Diese drei Niederschläge wogen auf einem gewogenen Filter gesammelt und
getrocknet 0,233 Gram.
Diese 0,233 Gram. Niederschlag wurden mit dem Filter in Wasser zerrührt, und das
Gemenge nach Behandlung mit Hydrothionsäure filtrirt. Die so gewonnene
Flüssigkeit war bräunlich trübe. Sie wurde im Wasserbade verdampft. Hierbei
schied sich aus der Flüssigkeit eine leichte, bräunlich schwarze Substanz und
ein schwerer, schwarzer Niederschlag aus. Beide wurden durch Schlämmen von
einander getrennt. Der schwere, schwarze Niederschlag enthielt Blei.
Die leichte, bräunlich schwarze Substanz wurde von der Flüssigkeit durch ein
Filter getrennt. Diese Flüssigkeit verhielt sich wie folgt:
Sie war nicht klar, sondern, wie die nach der Fällung mit Hydrothionsäure
gewonnene Flüssigkeit, bräunlich trübe, reagirte sauer und nicht auf Blei.
Sie gab:
Mit Galläpfeltinctur keinen Niederschlag.
Mit schwefelsaurem Kupfer keinen Niederschlag.
Mit salpetersaurem Silber einen gelblichen Niederschlag, der grau wurde.
Kalilauge erzeugte in ihr beim Erwärmen bis zu 80° R. Ausscheidung eines
braunen Absatzes.
Kalilauge und gelöschter Kalk gaben mit der Flüssigkeit beim Erwärmen bis zu
80° R. eine hellere Flüssigkeit als im vorstehenden Versuche und einen
etwas gefärbten Kalk.
Gelöschter Kalk zeigte beim Erwärmen mit der Flüssigkeit bis zu 80° R.
eine noch hellere Flüssigkeit und einen gefärbteren Kalk als im vorstehenden
Versuche.
Durch Kalilauge und schwefelsaures Kupfer wurde die Flüssigkeit trübe und von
Farbe schmutzig grünlich-blau. Beim Erwärmen dieser Mischung schied sich
ein grünlich-blaues Kupfersalz aus; bei 80° R. trat in der über
dem Niederschlage befindlichen Flüssigkeit eine Ausscheidung von Kupferoxydul
ein.
Die auf dem Filter gebliebene bräunlich schwarze Substanz wurde in Ammoniak
gelöst. Diese Auflösung enthielt kein Blei und verhielt sich wie folgt:
3 Gram. der Flüssigkeit wurden mit concentrirtem Essig übersetzt, es schied sich
ein bräunlich schwarzer Absatz aus.
3 Gram. der Flüssigkeit wurden mit Galläpfeltinctur versetzt und mit
concentrirtem Essig übersetzt. Die Quantität des ausgeschiedenen Absatzes war
nicht größer, als in dem vorstehenden Versuche, es war also keine
Proteinsubstanz in der Flüssigkeit.
Schwefelsaures Kupfer gab mit derselben keinen Niederschlag.
Salpetersaures Silber gab mit derselben einen bräunlichen Niederschlag.
Kalilauge schien keine Veränderung in der Flüssigkeit hervorzubringen, auch
veränderte sich die Farbe beim Kochen der Flüssigkeit nicht.
In der aufgekochten Flüssigkeit brachte concentrirter Essig keinen Niederschlag
hervor; diese Flüssigkeit ward ferner nicht durch Galläpfeltinctur gefällt.
Kalilauge und Aetzkalk in der Flüssigkeit bis 80° R. erwärmt, gaben einen
etwas gefärbten Kalk und eine hellere Flüssigkeit, als die im vorigen
Versuche.
Aetzkalk mit der Flüssigkeit bis 80° R. erwärmt, gab einen stärker
gefärbten Kalk als im vorigen Versuche und eine darüber stehende, fast
wasserhelle Flüssigkeit.
Kalilauge und schwefelsaures Kupfer gaben mit der Flüssigkeit eine trübe,
schmutzig grünlich-blaue Flüssigkeit, die, als sie erwärmt wurde, bei
75° R. einen schmutzig grünlich-blauen Niederschlag absetzte, aus
der sich aber bei 80° R. kein Kupferoxydul ausschied.
Das Filter, auf dem das Schwefelblei von dem mit Hydrothionsäure zerlegten
Niederschlage enthalten war, wurde mit Ammoniak ausgelaugt. Die Lauge war dunkel
gefärbt und wurde im Wasserball concentrirt. Hierbei bildete sich ein
schwarzbrauner Absatz, von dem die concentrirte Flüssigkeit durch Filtration
geschieden wurde. Die filtrirte Flüssigkeit war bräunlich gefärbt, enthielt kein
Blei und reagirte schwach sauer.
Sie gab:
Mit Galläpfeltinctur keinen Niederschlag.
Mit schwefelsaurem Kupfer eine geringe Trübung.
Mit salpetersaurem Silber einen braunen Niederschlag.
Kalilauge schien bei Erwärmung der Flüssigkeit bis zum Kochen keine Veränderung
hervorzubringen. Die gekochte Flüssigkeit wurde durch concentrirten Essig nicht
gefällt, auch brachte Galläpfeltinctur in dieser Flüssigkeit keine Veränderung
hervor.
Kalilauge und gelöschter Kalk mit der Flüssigkeit bis 80° R. erwärmt,
gaben einen etwas gefärbten Kalk und eine hellere Flüssigkeit, als die allein
mit Kali aufgekochte Flüssigkeit gegeben hatte.
Gelöschter Kalk gab mit der Flüssigkeit bis 80° R. erwärmt eine fast
wasserhelle Flüssigkeit und einen stärker gefärbten Kalk als im vorstehenden
Versuche.
Kalilauge und schwefelsaures Kupfer gaben mit der Flüssigkeit eine trübe,
schmutzig bläulich-grüne Flüssigkeit, die bei der Erwärmung bis
80° R. das Trübe als einen schmutzig bläulich-grünen Niederschlag
absetzte, aber selbst bei 80° R. keine Ausscheidung von Kupferoxydul
bemerken ließ.
Der auf dem Filter zurückgebliebene, bräunlich schwarze Absatz wurde in Ammoniak
gelöst. Die Lösung war schwarzbraun, enthielt kein Blei, gab:
Mit concentrirtem Essig übersetzt eine geringe Trübung.
Mit Galläpfeltinctur versetzt und mit concentrirtem Essig übersättigt eine
geringe Trübung, die nicht stärker war als ohne den Zusatz von
Galläpfeltinctur.
Mit salpetersaurem Silber keinen Niederschlag wegen des Gehaltes von Ammoniak,
bei Neutralisation des Ammoniaks mit Salpetersäure entstand ein brauner
Niederschlag.
Schwefelsaures Kupfer färbte die Flüssigkeit dunkler.
Kalilauge,
Kalilauge und Kalk,
Kalk und
Kalilauge und schwefelsaures Kupfer
gaben mit der Lösung dieselben Resultate, welche die
Flüssigkeit im vorigen Versuche gegeben hatte.
Leider konnte ich in der Kampagne 1852/53 die mit der durch Oxydation schwarz
gewordenen Substanz angestellten Versuche nicht noch einmal und mit einer
größern Quantität wiederholen, um hauptsächlich darauf zu achten, ob die erste
aus dem gewonnenen Niederschlag erhaltene Flüssigkeit in der Trommer'schen Kupferprobe das Kupfer bei 80°
R. reducire oder
nicht, indem dieß durch die folgenden Versuche zweifelhaft wurde; es sey denn,
daß diese Substanz durch die Hydrothionsäure wieder reducirt wurde und die
Erscheinung hierin ihre Erklärung finde.
Geht man bei Feststellung der Eigenschaften der durch Oxydation schwarz
gewordenen, stickstoffhaltigen Substanz davon aus, daß in den vorstehenden
Versuchen diese Substanz wohl reiner in den aus ihr
zuletzt gebildeten drei Flüssigkeiten enthalten war, als in der durch Zerlegung
des Bleiniederschlages mit Hydrothionsäure zuerst gewonnenen Flüssigkeit: so
besitzt die durch Oxydation schwarz gewordene, stickstoffhaltige Substanz
folgende Eigenschaften:
Sie gehört nicht zur Classe der Proteinsubstanzen. Sie ist schwer löslich in
Wasser, leicht löslich in Ammoniak und wird aus dieser Auflösung durch
Essigsäure gefällt.
Sie ist leicht löslich in Kali und wird aus dieser Auflösung, wenn sie ins Kochen
versetzt worden war, nicht durch Essigsäure gefällt.
Aus ihren Auflösungen wird sie durch Kalk gefällt.
Der Trommer'schen Kupferprobe unterworfen, reducirt
sie selbst bei 80° R. nicht das Kupfer zu Kupferoxydul.
Ich werde in der Campagne 1853/54 die Versuche mit dieser Substanz nicht nur,
sondern auch die Versuche mit dem Extractivstoff wiederholen, da ich bei den
Versuchen mit dem Extractivstoff, bei dem mit Bleiessig gefällten und filtrirten
Rübensafte die Ausscheidung der schwarzen Bleiverbindung nicht abgewartet habe,
und die Gegenwart einer größern oder geringern Menge der die schwarze
Bleiverbindung bildenden Substanz im Rübensafte doch einen Einfluß auf die
Resultate bei den Versuchen mit diesem Safte ausüben und namentlich mit den bei
diesen Versuchen beobachteten abweichenden Erscheinungen in Verbindung stehen
kann.
Dieß vorangeschickt, wollen wir uns zu dem Niederschlage wenden, der entsteht,
wenn man Rübensaft mit dem 9. Theile seines Volumens Bleiessig vermischt. In
diesem Niederschlage sind folgende Substanzen von mir gefunden:
Oxalsäure,
Phosphorsäure,
Citronensäure,
Rübensäure,
Kieselsäure,
Chlor,
Pektin,
Proteinsubstanzen,
Fett,
die durch Oxydation schwarz werdende Substanz und
Farbstoffe;
auch befinden sich noch darin geringe Mengen von:
Eisen,
Mangan (?) und
Kalk.
Bringt man den mit Bleiessig versetzten Rübensaft auf ein Filter, damit die
Flüssigkeit vom Niederschlage abfließe: so sind in der Flüssigkeit, wie bereits
angeführt wurde, der Extractivstoff und die Basen des Rübensaftes, Chlor,
Kieselsäure und in geringer Menge Phosphorsäure, Citronensäure und Rübensäure.
Wäscht man den Niederschlag mit Wasser aus, um alle ungefällten Substanzen zu
entfernen, so wird nach einiger Zeit die ablaufende Flüssigkeit sauer, indem von
den gefällten Substanzen Antheile von Rübensäure, Citronensäure, Phosphorsäure,
Chlor und einer Proteinsubstanz ausgewaschen werden.
Nimmt man den mit Wasser ausgewaschenen Niederschlag, rührt ihn mit Wasser an,
zerlegt ihn mit Hydrothionsäure, filtrirt die Flüssigkeit und süßt den
Niederschlag aus, so bleiben beim Schwefelblei Pektin,
Fett, Proteinsubstanzen, die durch Oxydation schwarz werdende Substanz,
Kieselsäure und phosphorsaures Eisen.
2. Das Pektin.
Ich habe in frühern Jahren, wenn ich Rübensaft mit Bleiessig gefällt und den
Niederschlag mit Hydrothionsäure zerlegt habe, in dem Schwefelbleie, indem ich
es mit verdünnter Kalilauge auszog, mehreremale Pektin gefunden. Wenn ich auf
diesem Wege das Pektin in einem Rübensafte nicht fand, so nahm ich an, daß es
durch die bei diesem Verfahren immer einige Zeit dauernde Einwirkung des
Aetzkali in Metapektinsäure verwandelt worden sey. Daher habe ich bei der
Aufstellung der Bestandtheile des Rübensaftes das Pektin als einen Bestandtheil
aufgenommen und erst in der Campagne 1852/53 Versuche angestellt, das Pektin im
Rübensafte bestimmt nachzuweisen.
Zu diesem Ende habe ich in der Campagne 52/53 zu wiederholtenmalen den Saft aus
Rüben, welche in langen schmalen Miethen verwahrt waren, mit Bleiessig gefällt,
das Gemenge filtrirt, den Niederschlag ausgesüßt, den ausgesüßten Niederschlag
sowohl sofort, als auch, nachdem er getrocknet worden war, mit einer
concentrirten Auflösung von kohlensaurem Natron angerührt, das Gemisch
filtrirt-, den Rückstand ausgesüßt, die so gewonnene Flüssigkeit bis 80°
R. erwärmt, mit concentrirtem Essig sauer gemacht, filtrirt, den auf dem Filter
befindlichen Rückstand in Ammoniak gelöst, die Lösung mit einer concentrirten
Auflösung von kohlensaurem Natron versetzt und hierbei nie bemerken können, daß
sich in der Flüssigkeit auch nur eine Spur einer Gallerte bildete. Ferner habe
ich das, was bei Behandlung des Niederschlags mit kohlensaurem Natron auf dem
Filter zurückblieb, zuerst mit verdünnter Salpetersäure ausgelaugt, bis die
ablaufende Flüssigkeit nicht mehr auf Blei reagirte, dann mit Ammoniak und
endlich auch zu dieser ammoniakalischen Flüssigkeit eine Auflösung von
kohlensaurem Natron gegeben, ohne daß sich auch hier die geringste Spur einer
Gallerte zeigte.
Wurden in diesen Versuchen die beiden mit kohlensaurem Natron versetzten
ammoniakalischen Flüssigkeiten noch ferner so lange mit zerfallenem kohlensaurem
Natron versetzt, als sich dasselbe in der Flüssigkeit auflöste, so schied sich
hierbei allerdings aus beiden Flüssigkeiten eine schleimige Substanz aus, diese
aber war nicht pektinsaures Natron, sondern gehörte zur Classe der
Proteinsubstanzen.
Endlich habe ich noch 1350 Kubikcentimeter Rübensaft von 1,055 spec. Gewicht mit
150 Kubikcentimeter Bleiessig vermischt filtrirt, den Rückstand zuerst mit
Wasser, dann mit verdünnter Salpetersäure und zuletzt mit Ammoniak ausgelaugt,
in der ammoniakalischen Lauge eine tüchtige Quantität zerfallenes, kohlensaures
Natron aufgelöst, diese Lösung im Wasserbade verdunstet, bis zur starken
Salzhaut, hierauf die Salzmasse in Wasser gelöst und die Lösung filtrirt, wobei
auf dem Filter ein Rückstand blieb, der nicht die geringste Spur von Pektinsäure
enthielt, wohl aber aus Proteinsubstanzen bestand.
Nach diesen Resultaten glaube ich bestimmt behaupten zu können, daß in dem Safte reifer, unverdorbener Rüben kein Pektin
enthalten sey, und muß daher das Pektin als Bestandtheil des
Rübensaftes gestrichen werden.
In Betreff des früher aufgefundenen Pektins vermuthe ich, daß die Rüben, in deren
Safte ich das Pektin gefunden habe (da ich bestimmt weiß, daß diese Rüben in
großen, runden Miethen aufbewahrt gewesen waren), sich in den großen runden
Miethen, aus denen sie entnommen waren, wie dieß so leicht geschieht, stark
erhitzt gehabt hatten und daß der Saft dieser Rüben in Folge ihrer Erhitzung in
den Miethen pektinhaltig geworden war. Außerdem will ich aber hier noch
bemerken, daß ich einmal von einem Fabrikanten eine pektinhaltige Masse erhalten
habe, welche sich in seiner Fabrik beim Eindicken des geschiedenen Saftes
ausschied, als er
Rüben, welche im frischen Dünger gebauet worden waren, vom Felde aus in seiner
Fabrik verarbeitete.
Anlangend das Verhalten des Pektins zu den Alkalien und alkalischen Erden und die
Erscheinungen, welche es bei der Fabrication des Rübenzuckers hervorruft, wenn
es sich einmal im Rübensafte befinden sollte, so geben hierüber die Arbeiten von
Fremy über das Pektin und namentlich seine
Abhandlung über das Reifen der Früchte die vollkommenste Belehrung.
(Die Fortsetzung folgt.)