Titel: | Versuche über das Vorkommen von Cyankalium in der bei der Blutlaugensalzfabrication erhaltenen Schmelze; von August Reimann. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XIV., S. 39 |
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XIV.
Versuche über das Vorkommen von Cyankalium in der
bei der Blutlaugensalzfabrication erhaltenen Schmelze; von August Reimann.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1853, Nr.
21.
Das Vorkommen von Cyankalium in der Schmelze bei der
Blutlaugensalzfabrication.
Die von Liebig aufgestellte Ansicht, daß in der
Blutlaugenschmelze noch kein Ferrocyankalium sondern nur Cyankalium enthalten ist,
wurde, wie bekannt, von vielen Chemikern: wie Gmelin,
Runge und Andern bestritten, indem sie sich auf von ihnen angestellte
Versuche mit Schmelzen
aus verschiedenen Fabriken stützten. Da die durch solche Arbeiten bis jetzt
erlangten Resultate so sehr differiren, so veranlaßte mich Hr. Prof. Fresenius Versuche mit Schmelzen aus verschiedenen
Fabriken und über das Verhalten der verschiedenen in der Schmelze enthaltenen Körper
zu einander bei Gegenwart von Wasser vorzunehmen.
I. Untersuchung einer Schmelze aus der
Fabrik bei Burweiler, Depart. du Bas-Rhin.
Diese Schmelze schien bei sehr hoher Temperatur erzeugt worden zu seyn, war sehr hart
und zeigte im Bruche kleine Krystalle von Schwefeleisen.
1. Die in kleine Stücke zerschlagene Schmelze wurde in einem gläsernen Extractor so
lange mit Alkohol von 36° Baumé ausgezogen, bis derselbe nur noch
wenig aus der Masse aufnahm.
Der weingeistige Auszug enthielt Schwefelcyankalium, viel Cyankalium und etwas
Aetzkali.
2. Die mit Alkohol unvollkommen extrahirte Schmelze wurde alsdann in demselben
Apparate mit kaltem destillirtem Wasser ausgezogen.
Die zuerst ablaufende Flüssigkeit enthielt viel Cyankalium, Schwefelkalium,
kohlensaures Kali, ferner Schwefelkupfer in Cyankalium gelöst, als zufälligen
Bestandtheil, und endlich geringe Spuren von Ferrocyankalium.
Der zweite wässerige Auszug enthielt genau dieselben Bestandtheile, nur war die Menge
von Ferrocyankalium etwas bedeutender als beim ersten Auszug.
Der mit Wasser vollkommen ausgewaschene Rückstand der Schmelze bestand hauptsächlich
aus Kohle, Schwefeleisen, metallischem Eisen und etwas Kohlenstoffeisen.
3. Ein Theil der Schmelze wurde während 24 Stunden bei Luftabschluß mit kaltem
destillirtem Wasser digerirt.
Der erhaltene Auszug enthielt neben Cyankalium auch schon ziemlich viel gebildetes
Ferrocyankalium.
4. Ein Stück der befeuchteten Schmelze wurde in einem geschlossenen Apparate in einem
Kohlensäurestrom behandelt und die entweichenden Gase durch angesäuerte
Silbersolution geleitet, wobei sich neben Schwefelsilber auch Cyansilber
niederschlug, während Kohlensäure aus einer Lösung von Ferrocyankalium und
Schwefelcyankalium durchaus keine Blausäure entwickelte, woraus deutlich hervorgeht,
daß in der Schmelze Cyankalium enthalten war.
5. Ein weiterer Theil der Schmelze wurde in einem Kolben bei einer Temperatur von
circa 50° C. mit Wasser ausgezogen, wobei sich eine äußerst geringe
Ammoniakentwickelung zeigte.
Der erhaltene Auszug enthielt neben etwas Cyankalium viel gebildetes
Ferrocyankalium.
6. Eine weitere Menge wurde in einer Retorte mit Wasser übergössen und längere Zeit
im Kochen erhalten, wobei eine sehr starke Ammoniakentwickelung stattfand.
Der erhaltene Auszug enthielt sehr viel Ferrocyankalium.
7. Ein Theil der Schmelze wurde auf dem Wasserbade in einem kleinen
Gasentwickelungsapparat mit destillirtem Wasser digerirt und das entweichende Gas
zuerst durch Wasser und dann durch eine mit Asbest, der mit Salzsäure befeuchtet
war, angefüllte Röhre geleitet.
Nach 24 Stunden entwickelte die Lösung der Schmelze mit saurem chromsaurem Kali (um
den Schwefelwasserstoffgeruch zu entfernen) und Schwefelsäure versetzt, noch
Blausäure. Nach 48 Stunden ebenfalls, auch hatte die Flüssigkeit einen schwach
ammoniakalischen Geruch. Nach drei Tagen, nach fünf Tagen und nach sechs Tagen
konnte man dasselbe beobachten. Nach sieben Tagen konnte man noch deutlich
Cyankalium in der Flüssigkeit nachweisen und einen deutlichen Geruch nach Ammoniak
wahrnehmen.
8. Der auf diese Weise sieben Tage lang behandelten Schmelze wurde frisch gefälltes
Schwefeleisen, durch Ausfällen einer Eisenvitriollösung mit Schwefelammonium
erhalten, zugesetzt.
Nach 24 Stunden enthielt die Flüssigkeit kein Cyankalium mehr.
9. Etwa 20 Gramme der Schmelze wurden in demselben vorhin erwähnten Apparate im
Wasserbad mit etwa 3 Gram. geschmolzenem Aetzkali und Wasser digerirt.
Nach 24 Stunden enthielt die Lösung noch Cyankalium. Nach 48 Stunden ebenfalls. Nach
vier Tagen gleichfalls, und es trat ein schwach ammoniakalischer Geruch in der
Flüssigkeit auf. Nach sechs Tagen ebenfalls, jedoch war der Geruch nach Ammoniak
viel stärker. Nach sieben Tagen ebenfalls.
10. Der in 9 genannten Masse wurde nun frisch gefälltes Schwefeleisen zugefügt,
wodurch schon nach 24 Stunden alles Cyankalium in Ferrocyankalium umgewandelt
ward.
II. Untersuchung einer Schmelze aus
einer deutschen Fabrik.
Diese Schmelze schien bei minder hoher Temperatur geschmolzen zu seyn, war leicht
zerreiblich, zum Theil porös und enthielt durchaus keine krystallinischen Gebilde im
Bruche.
1. Sie wurde auf oben angegebene Weise mit Alkohol von 36° B. ausgezogen.
Der so erhaltene weingeistige Auszug enthielt viel Cyankalium, etwas
Schwefelcyankalium und Aetzkali.
2. Die mit Weingeist ziemlich ausgezogene Masse wurde alsdann, wie in I, mit kaltem destillirtem Wasser ausgezogen.
Der wässerige Auszug enthielt viel Cyankalium, Ferrocyankalium, wenig
Schwefelcyankalium und wenig Schwefelkalium.
Der Rückstand enthielt neben Kohle und metallischem Eisen noch viel
Schwefeleisen.
III. Proben, vorgenommen mit dem mit
Wasser vollkommen ausgewaschenen Rückstande der oben angeführten Burweiler
Schmelze.
1. Eine Probe wurde auf dem Wasserbad mit Cyankalium und Wasser digerirt, und
enthielt nach 1 Tage noch Cyankalium, nach zwei Tagen deßgleichen, jedoch hatte sich
auch schon Ferrocyankalium gebildet.
2. Eine weitere Probe wurde mit dem wässerigen Auszuge derselben Schmelze digerirt
und enthielt nach drei Tagen noch Cyankalium, jedoch war schon Ferrocyankalium
gebildet.
IV. Proben, vorgenommen mit reinem
Cyankalium.
1. Reines Cyankalium (nach Liebig's Vorschrift bereitet)
wurde mit frisch gefälltem Schwefeleisen und Wasser digerirt.
Die Flüssigkeit enthielt nach 18 Stunden noch Cyankalium, nach zwei Tagen war jedoch
alles Cyankalium verschwunden.
2. Reines Cyankalium wurde mit frisch gefälltem Schwefeleisen, Aetzkali und Wasser
digerirt.
Die Flüssigkeit enthielt nach 24 Stunden kein Cyankalium mehr.
Nach diesen Versuchen bestätigt sich vollkommen die Ansicht, daß in der noch warmen
Schmelze nie Ferrocyankalium enthalten ist, sondern daß letzteres sich erst durch
Einwirkung von Wasser oder feuchter Luft auf die Schmelze bildet. So kam es denn
wohl auch, daß die von mir untersuchte deutsche Schmelze mehr gebildetes
Ferrocyankalium enthielt, als die Buxweiler Schmelze, da erstere poröser und nur in
einem gewöhnlichen Pulverglase transportirt und aufbewahrt worden war und dadurch
der Luft mehr Zutritt gestattete, während die Buxweiler Schmelze sehr hart und in
eine Blechkapsel eingelöthet war. In einem Auszuge der letzteren, bei welchem die
Schmelze nur sehr kurze Zeit mit dem Auslaugewasser in Berührung gewesen war, konnte
ich in der That nur geringe Spuren von Ferrocyankalium nachweisen. Von der in
ungleichem Maaße stattgehabten Einwirkung feuchter Luft mögen dann wohl auch die so
sehr abweichenden Resultate verschiedener Chemiker herrühren. – Ferner
scheint aus obigen Versuchen hervorzugehen, daß es hauptsächlich das fein zertheilte
amorphe Schwefeleisen ist, welches die rasche Umwandlung des Cyankaliums in
Ferrocyankalium bewirkt, während das krystallisirte Schwefeleisen (wie es in manchen
bei sehr hoher Temperatur erzeugten Schmelzen vorkommt) bedeutend langsamer wirkt.
Es wird daher ein Gehalt der Schmelze an Schwefelkalium für die
Blutlaugensalzausbeute immer günstig seyn, indem dadurch beim Zusatz von
Eisenvitriol während des Auslaugens frisch gefälltes Schwefeleisen gebildet wird,
was das Cyankalium der Schmelze vorzugsweise rasch in Ferrocyankalium überführt.
Außerdem wird eine Temperatur von 70 bis 80° C. wohl die günstigste seyn zum
Auslaugen der Schmelze, indem bei einer solchen die Ammoniakbildung noch sehr gering
ist und das Wasser, vermöge seiner erhöhten Temperatur, doch schon eine bedeutende
Quantität von Salzen aufzulösen vermag. – Daß die Anwesenheit von Aetzkali
die Umwandlung des Cyankaliums in Blutlaugensalz begünstigt, scheint
unzweifelhaft.