Titel: | Ueber Blutegelzucht; von Hrn. Louis Vayson. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. XXXIX., S. 148 |
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XXXIX.
Ueber Blutegelzucht; von Hrn. Louis Vayson.
Im Auszug aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, August 1853, S. 435.
Vayson, über Blutegelzucht.
Hr. L. Vayson hat eine praktische Anleitung zur
Blutegelzucht unter dem Titel: Guide pratique des
éleveurs de sangsues herausgegeben, worüber Hr. Huzard der Société
d'Encouragement folgenden Bericht erstattete:
Das erste Capitel beginnt mit allgemeinen Betrachtungen über die Ursachen, weßhalb es
im Handel so viele Blutegel gibt, die nur wenig Blut ziehen, während man ehedem so
viele gute Blutegel erhielt. Es werden zwei Hauptursachen angegeben, auf welche
schon Chevallier, Soubeiran und Martin aufmerksam machten:
1) der krankhafte Zustand der fremden Blutegel, welche in den Handel kommen; 2) die
künstliche Ueberfütterung der Blutegel, damit sie schneller heranwachsen und
verkäuflich werden. Weiterhin bringt der Verfasser alle Gründe vor, welche bereits
gegen die künstliche Entleerung der benützten Blutegel geltend gemacht wurden, und
verwirft dieselbe als vollkommen unnütz. Als Ursache der Entvölkerung der Sümpfe
welche in Frankreich ehedem gute Blutegel lieferten, bezeichnet er deren jährliches
Austrocknen und ihre Wiederanfüllung im Monat August, welche die Verhütung der
sumpfigen Ausdünstungen im Sommer und der durch letztere veranlaßten Fieber zum
Zwecke haben. Dadurch gehen ungemein viele Blutegel zu Grunde, weil alle unter Wasser gesetzten
Cocons ertränkt werden und verfaulen. Der Verfasser bestätigt also, daß die Cocons,
um zu gedeihen, sich außer Wasser befinden müssen. Dieses Capitel schließt mit
Bemerkungen über Blutegelzucht in Sümpfen.
Das zweite Capitel ist großentheils der Behauptung gewidmet, daß das Blut aus
Schlachthäusern etc. eine schlechte Nahrung für die Blutegel ist, und daß kranke
Thiere, welche den Blutegeln als Futter gereicht werden, ebenfalls eine ungesunde
Nahrung für sie sind. Doch wird diese Behauptung durch nichts bewiesen. Ferner wird
behauptet, daß die mit Thon ausgelegten Bassins zur Blutegelzucht in der Regel nicht
taugen, weil die Blutegel sich nur mit Mühe ihre Gänge darin aushöhlen. Der Thon
läßt das Wasser nicht durch und solche Bassins sind nur dann zweckmäßig, wenn der
Thon mit einer dicken Schicht von mit Gras bewachsenem Schlamme oder Torferde
bedeckt ist, welche die Blutegel leicht einkriechen lassen und beständig feucht
bleiben.
Das dritte Capitel zählt die verschiedenen Punkte auf, welche das neue System der
Blutegelzucht bilden und in den folgenden Capiteln entwickelt werden.
So ist im vierten von dem den Blutegeln zuträglichen Boden die Rede. Torfboden verdient den Vorzug. In diesem ist es den
Blutegeln ganz behaglich; hier entkleiden sie sich leicht der von ihnen in
verschiedenen Zwischenzeiten abzuwerfenden Häute. Dieser Boden darf jedoch nicht
überschwemmt werden, sondern das Wasser muß stets in gleicher Höhe bleiben. Der
Verfasser behauptet hier neuerdings, daß die Blutegel mehr dem
Lande als dem Wasser angehören; daß, wenn sie wirklich ihre Nahrung im
Wasser suchen, es doch feuchtes Erdreich sey, wo sie ausruhen, verdauen, sich vor
Kälte und zu großer Hitze schützen, insbesondere aber ihre Cocons bilden, welche
unter Wasser sicher verloren gehen.
Das Wasser soll 15 bis 35 Centimeter (6 bis 14 Zoll) hoch stehen. Im Sumpf müssen
Abtheilungen gemacht werden, wovon die einen zur Ernährung, zum Heranwachsen und zur
Vermehrung, die andern zur Reinigung der Blutegel dienen, d.h. zum Verdauen des
Blutes, welches sie in den Fütterungsbassins zu sich nahmen, damit sie beim Verkauf
nüchtern und nach dem menschlichen Blut gierig sind. Solcher
Reinigungsbassins muß man wenigstens zwei haben, damit abwechselnd während
sechs Monaten das eine zur vollkommenen Verdauung der verkäuflichen Blutegel dient,
während das andere nach und nach die in den Handel zu bringenden liefert. Sechs
Monate ohne Blutsaugung reichen hin, um die vollgesogensten Blutegel zum
chirurgischen Saugen
tauglichtanglich zu machen. Alle Bassins müssen mit zahlreichen, 30 bis 35 Centimeter (12
bis 14 Zoll) über das Wasser hervorstehenden kleinen Torfinselchen versehen seyn;
ferner sollen die Sümpfe eine reiche Vegetation darbieten; feste, mit Kieseln
belegte Wege müssen auf dem Grund des Wassers durch die Fütterungs- und
Fortpflanzungsbassins hindurch hergestellt werden; dieselben sind für den Zutritt
der Thiere bestimmt, welche das Blut zur Ernährung der Blutegel liefern sollen. Die
Blutegel dürfen folglich keine Neigung haben, sich auf diesen Wegen aufzuhalten, wo
sie von den Füßen dieser Thiere zertreten würden; gut ist es, wenn das Wasser von
den Bassins abgelassen und nach Belieben wieder eingelassen werden kann. Endlich
müssen die Bassins mit einem mehr oder weniger breiten Graben umgeben werden,
welcher mit möglichst reinem Kieselsand ausgefüllt wird, als dem besten Mittel um
das Entweichen der Blutegel zu verhindern. Mit der aus diesem Graben genommenen Erde
stellt man einen Umfassungsdamm her.
Das fünfte Capitel handelt von der Beschaffenheit des für die Blutegel sich eignenden
Wassers. Dasselbe soll weder sauer, noch alkalisch, noch warm seyn; es braucht eben
nicht laufendes zu seyn, muß sich aber langsam erneuern. Die gewöhnlichen
Quellwasser eignen sich vortrefflich; im Sommer besitzen sie eine Frische, welche
die Blutegel lieben; im Winter ist ihre Temperatur weit über dem Gefrierpunkt,
behagt daher den Blutegeln sehr, und indem sie das Gefrieren der Verkaufsbassins
verhindert, gestattet sie überdieß ein beständiges Fischen. Kommt das Wasser nicht
aus unterirdischen Quellen, sondern von einem Canal oder Bach, so ist es gut, wenn
es bei seinem Eintritt in das Bassin einen Fall hat, weil dann sein Eintritt den
Blutegeln nicht als Ausgang zum Entweichen dienen kann. Am Schlusse dieses Capitels
kommt der Verfasser auf die Gefahren des Anschwellens des Wassers und der
Ueberschwemmungen zurück.
Das sechste Capitel handelt von der zur Besetzung der Sümpfe geeignetsten Varietäten
der Blutegel.
Das siebente von der ihnen zuträglichen Nahrung. Der Verfasser wiederholt hier, daß
das Blut aus Schlachthäusern und Pferde-Abdeckereien sich zur Ernährung der
Blutegel nicht eigne; daß selbst das Blut kranker Thiere nicht gut sey; nach seiner
Ansicht muß ihnen warmes Blut lebender, wenigstens gesunder, wenn nicht junger
Thiere gegeben werden. Mit solchem Blut wachsen sie schneller heran, werden
frühzeitiger zur Fortpflanzung fähig, und liefern eine bedeutende Menge Cocons. Es
müssen daher von Zeit zu Zeit Pferde durch die Fütterungs- und
Fortpflanzungs-Bassins geführt und einige Stunden darin gelassen werden, damit
die Blutegel Nahrung an ihnen suchen und sich vollsaugen können. Dazu dienen die
durch die Bassins angelegten, mit Kieselsteinen beschütteten oder gepflasterten
Fußpfade. Nach dem Verfasser ist dieß bezüglich der Pferde mehr ein Act der
Humanität, als eine Quälerei; anstatt dem Abdecker überliefert zu werden, sterben
die Pferde allmählich durch wiederholten Blutverlust, fast ohne Schmerz ab. Gewiß
ist, daß die mit Heu, Stroh und Gras, also mit sehr wenig Unkosten ernährten Pferde,
durch ihren Dünger ihr Futter reichlich wieder bezahlen, während der Ertrag an
Blutegeln durch sie bedeutend erhöht wird.
Im achten Capitel, welches von der Pflege der Cocons handelt, kommt der Verfasser auf
die Uebelstände solcher Sümpfe und Bassins zurück, welche Ueberschwemmungen
ausgesetzt sind. Die Cocons, im Augenblick des Wasserandrangs noch voll Leben,
faulen bald und alle in ihnen enthaltenen Keime gehen zu Grunde, womit für den
Besitzer der Sümpfe ebenso viele Blutegel verloren sind. Bei dieser Gelegenheit wird
eines neuen Vortheils der Reinigungs-Bassins erwähnt; unter den darin
eingesetzten Blutegeln nämlich, welche nach sechsmonatlicher Reinigung oder
Entleerung verkauft werden sollen, befinden sich viele zur Coconsbildung geeignete;
um nun diese in die Fütterungs-Bassins zurückbringen zu können, empfiehlt der
Verfasser die Reinigungsbassins mit kleinen, zur Eierlegung geeigneten, tragbaren
Inselchen zu versehen welche aus Garben von Wasserpflanzen gebildet wurden. Die der
Fortpflanzung fähigen Blutegel legen bald ihre Cocons hinein; im Laufe des
Septembers, wann die Legezeit vorüber ist, werden die Inselchen herausgenommen und
in die Fütterungs-Bassins gebracht, dort aber nicht tiefer eingesetzt, als
sie es früher waren.
In einem Capitel spricht der Verfasser von den Feinden des Blutegels; diese sind nach
seiner Behauptung in gehörig überwachten und gut gehaltenen Bassins wenig zu
fürchten.
Die letzten Capitel handeln von den Krankheiten der Blutegel, von ihrem Fange, von
den Vorkehrungen welche zu ihrer Versendung erforderlich sind, und von dem Handel
mit denselben.