Titel: | Der elektro-chemische Schreibapparat für den Telegraphen-Betrieb in Oesterreich, von Dr. Wilhelm Gintl, k. k. Telegraphen-Director. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LII., S. 194 |
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LII.
Der elektro-chemische Schreibapparat für
den Telegraphen-Betrieb in Oesterreich, von Dr. Wilhelm Gintl, k. k.
Telegraphen-Director.
Aus der Zeitschrift des
deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins, 1854, Heft 1.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Gintl's elektro-chemischer Schreibapparat.
Läßt sich auch die äußerst sinnreiche Construction des Morse'schen Schreib-Telegraphen nicht in Abrede stellen, so muß man
doch dem Zeugnisse der Erfahrung gemäß offen bekennen, daß wegen der sehr
schwierigen Einstellung des dabei in Anwendung gebrachten Relay und der großen
Unsicherheit des Erfolges seiner Functionen, die praktische Brauchbarkeit des ganzen
Apparates einen bedeutenden Eintrag erleidet.
Denn jede Veränderung des in der Leitungskette circulirenden elektrischen Stromes
bedingt auch eine entsprechende Aenderung in der Stellung des Ankers am Relay, und
weil bei ausgedehnten telegraphischen Leitungen wegen der vielfach darauf
einwirkenden äußeren Einflüsse der elektrische Strom in seiner Stärke sehr häufig
variirt, so muß man, um deutliche Zeichen am Apparate zu erhalten, auch die
Entfernung des Ankers von den Elektro-Magneten des Relay fortwährend der
jedesmaligen Stärke des elektrischen Stromes anpassen, wodurch die Correspondenz
nicht nur äußerst mühsam wird, sondern auch sehr viele Zeit dabei verloren geht.
Nebstdem führt das Relay noch den Uebelstand herbei, daß durch seine Einschaltung in
die Leitung ein sehr großer Widerstand für den elektrischen Strom in dieselbe
gebracht wird, welcher um so größer ausfällt, jemehr solcher Apparate an einer
Telegraphenlinie aufgestellt sind, daher zur Ueberwältigung dieses Widerstandes auch
eine größere Anzahl galvanischer Batterien erforderlich ist, deren Beistellung und
Erhaltung bedeutende Auslagen verursacht, folglich der Apparat von dieser Seite
betrachtet keineswegs ökonomisch genannt werden kann. Eine weitere nachtheilige
Folge ergibt sich aus dem durch die Einschaltung mehrerer Relays in der Leitung
zunehmenden Widerstande, daß bei ausgedehnten Telegraphenlinien über eine gewisse
Gränze hinaus nicht mehr direct correspondirt werden kann und man daher zur
Translation der Depeschen seine Zuflucht nehmen muß, mithin wieder neue
Schwierigkeiten zu überwältigen hat.
Zur Beseitigung dieser, den ausübenden Telegraphendienst so sehr hemmenden
Uebelstände bleibt keine andere Wahl, als auf den Gebrauch des Relay Verzicht zu
leisten und dafür ein anderes nicht minder empfindliches, aber einfacher und
verläßlicher wirkendes Hülfsmittel zur Erzeugung der telegraphischen Zeichen
anzuwenden. Ich habe daher mit dem Relay auch zugleich die Elektro-Magnete
zur Bewegung des Schreibhebels am Morse'schen Apparate
weggelassen, und statt des elektro-magnetischen das elektro-chemische
Princip zur Erzeugung der telegraphischen Zeichen angenommen. Deßhalb wurde auch von
dem Morse'schen Schreib-Apparate nur das aus zwei
Walzen und den dazu gehörigen Zahnrädern bestehende Zugwerk zur Bewegung des
Papierstreifens beibehalten und dadurch der Apparat bezüglich seiner mechanischen
Einrichtung auf die einfachste Form zurückgeführt. Statt des Hebels, welcher am Morse'schen Apparate mittelst zweier
Elektro-Magnete in Bewegung gesetzt und wodurch der Schreibstift mit dem vom
Zugwerke fortbewegten Papierstreifen in Berührung gebracht wird, um die
telegraphischen Zeichen in denselben einzudrücken, benutze ich zur Hervorbringung
dieser Zeichen einen fein zugespitzten Metallstift von Kupfer, Messing, Stahl oder
Eisen, welcher in schiefer Stellung an einem Arme so angebracht ist, daß er einen
halbrunden metallenen Steg, über welchen der Papierstreifen mittelst des Zugwerkes
fortbewegt wird, nahezu berührt und gegen denselben federnd drückt, wenn der
Papierstreifen zwischen ihm und dem Metallstege hindurchgezogen wird.
Der Schreibstift ist mit einem Schraubengewinde versehen und läßt sich in dem ihn
haltenden Arme vorwärts- oder zurückschrauben, wodurch man denselben dem
Metallstege so nahe als nothwendig bringen und wieder davon entfernen kann. Um
jedoch bei dem Schreibstifte auch die schiefe Stellung desselben gegen den Metallsteg gehörig
reguliren, und den Grad der Federung nach Bedarf abändern zu können, ist der ihn
haltende Arm drehbar eingerichtet, und dabei eine Stellschraube angebracht, durch
welche die Neigung des Schreibstiftes, und mit ihr die Federung desselben gegen den
Metallsteg schnell verändert werden kann. Hiernach hat man die Stellung des
Schreibstiftes vollkommen in seiner Macht, und es ist dieses die einzige Regulirung,
deren der Apparat bedarf, welche übrigens sehr leicht bewerkstelligt werden kann.
Hat man den Schreibstift einmal gehörig eingestellt, so ist für längere Zeit keine
weitere Regulirung desselben mehr nothwendig.
Wenn man nun den Apparat einerseits mit dem Schreibstifte, andererseits aber mit dem
Metallstege in die Leitungskette einschaltet, so wird der von einer galvanischen
Batterie mittelst des Tasters in dieselbe eingeführte elektrische Strom offenbar aus
dem Schreibstifte in den Metallsteg und umgekehrt übergehen, also seinen Kreislauf
ungehindert vollenden können, weil zwischen beiden metallischer Contact herrscht.
Sobald aber der Papierstreifen zwischen dem Schreibstifte und dem Metallstege
durchgezogen wird, bewirkt die schlechte Leitungsfähigkeit des Papiers, so lange
dasselbe trocken ist, eine Störung in der Circulation des elektrischen Stromes. Es
muß daher dafür gesorgt werden, daß sich der Papierstreifen bei seinem Durchzuge
zwischen dem Schreibstifte und dem Metallstege in einem die Elektricität gut
leitenden Zustande befindet, welches am besten dadurch geschieht, daß man dazu
ungeleimtes Papier anwendet und den Papierstreifen, kurz bevor er zwischen den
Schreibstift und den Metallsteg tritt, ganz naß macht, wodurch er nach Maßgabe der
dazu gewählten Flüssigkeit, den entsprechenden Grad von Leitungsfähigkeit
erhält.
Zu diesem Behufe habe ich ganz nahe an dem Schreibstifte ein mit der später näher zu
bezeichnenden Netzflüssigkeit gefülltes Gefäß aufgestellt, in dessen Deckel ein eben
abgeschnittener Schwamm steckt, welcher, von der Flüssigkeit durchnäßt, den über
seine obere Schnittfläche hingleitenden und gegen dieselbe von einer kleinen Walze
sanft angedrückten ungeleimten Papierstreifen vollständig benetzt, so daß er in
diesem Zustande unter den Schreibstift tritt, und die dadurch erlangte
Leitungsfähigkeit desselben dem elektrischen Strome den Uebergang vom Schreibstifte
in den Metallsteg gestattet. Die Wahl der Flüssigkeit zum Benetzen des
Papierstreifens ist nicht gleichgültig, weil von ihr der Grad der Leitungsfähigkeit
des damit benetzten Papierstreifens und davon die Wirksamkeit des ganzen Apparates
abhängt. Reines Wasser macht zwar den davon vollkommen durchnäßten Papierstreifen
für den elektrischen Strom schon leitend, aber wegen seiner an sich geringen
Leitungsfähigkeit noch nicht in jenem Grade, wie er erforderlich ist, um auf sehr ausgedehnten
Telegraphenlinien ohne Zuhülfenahme übermäßig großer Stromkräfte mit gehörigem
Erfolge correspondiren zu können.
Es wurden daher von mir statt reinen Wassers verschiedene Salzlösungen im Wasser und
sehr stark verdünnte Säuren versucht; und ich fand bezüglich des Grades der
Leitungsfähigkeit, welchen sie dem damit benetzten Papierstreifen geben, daß von
allen Salzlösungen mit Rücksicht auf den vom elektrischen Strome bei seinem
Durchgange im Papierstreifen zugleich zu bewirkenden chemischen Proceß eine
gesättigte Lösung von Kochsalz oder Alaun, und unter den Säuren sehr stark verdünnte
Schwefelsäure dem Papierstreifen eine solche Leitungfähigkeit verschaffen, daß man
mit derselben Stromkraft, welche der Morse'sche
Schreibapparat zu seinem Betriebe auf sehr langen Telegraphenlinien erfordert, auch
bei dem elektro-chemischen Apparate ausreicht.
Die Flüssigkeit, welche zum Benetzen des Papierstreifens dienen soll, muß aber, wie
ich schon zuvor bemerkte, nach Maaßgabe der im Papierstreifen durch den elektrischen
Strom einzuleitenden chemischen Wirkung entsprechend gewählt werden.
Denn da bei dem elektro-chemischen Schreib-Telegraphen die Zeichen auf
dem Papierstreifen nicht, wie beim Morse'schen Apparate,
durch bloßes Eindrücken des Schreibstiftes, sondern mittelst der vom elektrischen
Strome zu bewirkenden chemischen Zersetzung einer farbig reagirenden Substanz
hervorgebracht werden sollen, so muß der Papierstreifen früher mit dem
entsprechenden Reagens imprägnirt, und daher auch die Flüssigkeit zum Benetzen
desselben so gewählt werden, daß sie nicht allein das Papier für den elektrischen
Strom in gehörigem Grade leitend macht, sondern auch bei ihrer gleichzeitig
erfolgenden Zersetzung der eintretenden Reaction nicht entgegen wirkt. Es ist
bekannt, daß Jodkalium in Verbindung mit Stärkekleister zu den empfindlichsten
elektro-chemischen Reagentien gehört, und bei seiner chemischen Zersetzung
durch den elektrischen Strom mit dem Stärkekleister eine violette Farbe liefert.
Nicht minder empfindlich habe ich in dieser Beziehung eine Mischung von Cyankalium
mit Salzsäure und einer gesättigten Kochsalzlösung gefunden, wobei jedoch der
Schreibstift, durch welchen der elektrische Strom in den damit imprägnirten
Papierstreifen geleitet wird, aus Eisen oder weichem Stahl bestehen muß. In diesem
Falle gibt die durch den elektrischen Strom bewirkte Zersetzung der genannten
Substanzen, und die dabei stattfindende Reaction eine dunkelblaue fast schwarze
Farbe.
Will man daher beim elektro-chemischen Schreib-Apparate die
telegraphischen Zeichen auf dem Papierstreifen in violetter Farbe erhalten, so imprägnire man den
Papierstreifen vorerst mit einer Mischung von Jodkalium, Stärkekleister und Wasser
in dem Verhältnisse von 1: 20: 40, d.h. man nehme auf einen Gewichtstheil Jodkalium
20 Gewichtstheile von dick gekochtem Stärkekleister und 40 Gewichtstheile Wasser.
Zur Imprägnirung von einem Pfunde Papier werden nach meinen Versuchen 6 Gramme
Jodkalium, 120 Gramme Stärkekleister und 240 Gramme Wasser benöthigt.
Bei einem mit dieser Mischung imprägnirten Papierstreifen leistet nun eine gesättigte
Alaunlösung oder sehr stark verdünnte Schwefelsäure, zum Benetzen desselben
angewendet, sehr gute Dienste, noch besser aber wirkt eine Mischung von beiden
Flüssigkeiten zu gleichen Theilen, indem dadurch dem Papierstreifen ein bedeutender
Grad von Leitungsfähigkeit für den elektrischen Strom ertheilt wird, und die auf
demselben durch die chemische Reaction hervorgebrachten Zeichen augenblicklich in
schön violetter Farbe, und ganz genau erscheinen.
Sollen dagegen die telegraphischen Zeichen auf dem Papierstreifen in dunkelblauer
Farbe erzeugt werden, so nehme man zur Imprägnirung desselben eine Mischung von 7
Gewichtstheilen Cyankalium, aufgelöst in 45 Gewichtstheilen Wasser, welchem 1
Gewichtstheil Salzsäure und 16 Gewichtstheile gesättigter Kochsalzlösung zugesetzt
worden sind. Um ein Pfund Papier auf diese Art zu imprägniren, werden 70 Gramme
Cyankalium, 450 Gramme Wasser, 10 Gramme Salzsäure und 160 Gramme gesättigte
Kochsalzlösung erfordert.
Hat man das Papier mit dieser Mischung imprägnirt, so dient zum Benetzen desselben am
besten eine nicht gesättigte Lösung von Kochsalz in Wasser oder in sehr stark
verdünnter Schwefelsäure. Der Papierstreifen erhält dadurch einen sehr hohen Grad
von Leitungsfähigkeit für den elektrischen Strom, und die telegraphischen Zeichen
erscheinen auf demselben anfänglich schwach, von bläulichgrüner Farbe, werden aber
in Zeit von kaum einer Minute dunkelblau und später beinahe blauschwarz.
Die auf beide Arten erzeugten farbigen Zeichen sind zwar bleibend, unterliegen aber
nach einiger Zeit einer Farbenveränderung, welche darin besteht, daß die bei
Anwendung von Jodkalium anfänglich violett erscheinenden Zeichen später gelbbraun
werden, und an Intensität etwas abnehmen, wogegen bei den durch Cyankalium in
Verbindung mit Salzsäure und Kochsalz erzeugten Zeichen, wie schon früher bemerkt
wurde, der umgekehrte Fall eintritt. Diese Aenderung der Farbe geschieht bei den auf
die eine oder andere Art erzeugten Zeichen, während der allmählichen Abtrocknung des
Papierstreifens, unterbleibt aber gänzlich, sobald das Papier trocken geworden
ist.
Da in Bezug auf die in der Farbe der Zeichen vor sich gehende Veränderung es so
ziemlich gleichgültig seyn dürfte, welche von beiden Arten man zur Imprägnirung des
Papierstreifens wählt, hinsichtlich des Grades der Leitungsfähigkeit aber, und der
damit verbundenen Kosten ein wenn auch nicht bedeutender Unterschied obwaltet, so
glaube ich doch denselben hier anführen zu sollen, damit auch nicht der geringste
auf die praktische Brauchbarkeit des Apparates Einfluß nehmende Umstand
unberücksichtigt bleibe.
Nach meinem Dafürhalten ist der sehr hohe Grad der Leitungsfähigfähigkeit, welchen
bei Imprägnirung des Papiers mit Cyankalium, Salzsäure und Kochsalz, die zur
Benetzung verwendbare Flüssigkeit demselben ertheilt, von der größten Wichtigkeit in
Bezug auf die Leistungen des Apparates, weil davon die Möglichkeit abhängt mit
demselben auf sehr weite Entfernungen ohne bedeutenden Batterie-Aufwand zu
correspondiren. Daher würde ich dieser Art der Imprägnirung des Papiers den Vorzug
geben, wenngleich die dabei zum Vorschein kommenden Zeichen nicht augenblicklich so
deutlich sind, wie bei Anwendung von Jodkalium.
Was die Kosten anbelangt, welche die Imprägnirung des Papiers erfordert, so sind sie
zwar an sich auch nicht bedeutend, aber doch in beiden Fällen etwas verschieden.
Nimmt man Jodkalium und Stärkekleister zum Imprägniren des Papiers, so betragen die
Kosten für die Imprägnirung eines Pfundes Papier oder eines 160 Klafter langen
Papierstreifens 30 kr. C. – M. Wird dagegen Cyankalium in Verbindung mit
Salzsäure und Kochsalz angewendet, so betragen die Imprägnirungskosten für ein Pfund
Papier nur 10 kr. C. – M. Es zeigt sich also die letztere Art der
Imprägnirung auch in dieser Beziehung vortheilhafter.
Wenn man Alles, was ich bis jetzt über das Princip, auf welchem der von mir
construirte Apparat beruht und über dessen Wirkungsweise anführte, gehörig
zusammenfaßt, so ergibt sich daraus für denselben folgende Einrichtung, welche in
der Zeichnung Fig.
17 ihren wesentlichen Bestandtheilen nach dargestellt ist.
W, W' sind die zwei Walzen des Zugwerkes, welche den von
der Scheibe S sich abwickelnden Papierstreifen P, P zwischen dem Schreibstifte A und dem darunter befindlichen Metallstege M
im gleichförmigen Zuge hindurchziehen. Unterhalb des Papierstreifens ist in der Nähe
des Metallsteges das Gefäß B aufgestellt, welches die
zum Benetzen des Papiers dienende Flüssigkeit enthält. Der darin steckende oben
flach abgeschnittene und mit der Flüssigkeit vollgesogene Schwamm bewirkt, daß der
durch die Walze w sanft angedrückte und darüber hinweggleitende
Papierstreifen gehörig benetzt wird, bevor er unter den Schreibstift tritt.
Um den Apparat in Thätigkeit zu setzen, wird der Schreibstift A mit dem positiven Pole Z einer galvanischen
Batterie durch einen Draht so verbunden, daß der elektrische Strom mittelst eines in
denselben eingeschalteten Tasters T zu dem Schreibstifte
gelangen kann, wenn man den Contact am Taster herstellt, dagegen aber der Zutritt
des elektrischen Stromes zum Schreibstifte verhindert wird, wenn man den Contact am
Taster aufhebt. Ersteres geschieht durch das Niederdrücken des Tasthebels, letzteres
beim Zurückziehen desselben in die Ruhelage.
Auf diese Art hat man es in seiner Macht, durch längeres oder kürzeres Niederdrücken
des Tasthebels den elektrischen Strom in den Schreibstift gelangen und denselben auf
den unter dem Schreibstifte sich fort bewegenden Papierstreifen einwirken zu lassen,
wodurch eben nach Maaßgabe der längeren oder kürzeren Dauer der Einwirkung mittelst
der elektrochemischen Wirkung farbige Striche oder Punkte auf dem Papierstreifen
entstehen.
Der zur Weiterführung des elektrischen Stromes bestimmte Metallsteg M ist zu diesem Behufe mit dem
Telegraphen-Leitungsdrahte verbunden, in welchem der elektrische Strom seinen
Weg bis dahin fortsetzt, wo die Leitung mit der Erde in Verbindung steht, durch
welche er zu seinem Ausgangsorte zurückkehrt, und daselbst zu dem negativen Pole K der Batterie übergeht, welcher deßhalb durch einen
Draht mit der Erde communicirt.
Sind in der Telegraphen-Leitung an verschiedenen Orten elektrochemische
Apparate auf ähnliche Weise, wie eben angegeben wurde, eingeschaltet, so bringt der
elektrische Strom bei seiner Circulation in der Leitung, indem er durch die
Schreibstifte und die darunter in Bewegung befindlichen Papierstreifen geht, in
letzteren dieselbe Wirkung hervor, und es entstehen daher auf dem Papierstreifen
dieser Stationen genau jene Zeichen, welche in der Ausgangsstation erzeugt wurden,
wodurch also die Verständigung dieser Station mit den übrigen, und so auch umgekehrt
bewerkstelliget wird. Die Art der Einschaltung zweier Apparate in die
Telegraphen-Leitung zum Behufe der gegenseitigen Correspondenz ist in Fig. 18
dargestellt, wo A₁ den Schreibstift, M₁ den Metallsteg des Apparates, T₁ den Taster, K₁ den Kupfer-, Z₁ den
Zinkpol der galvanischen Batterie, und E₁ die
Erdleitung in der einen Station bezeichnet, während A₂, M₂, T₂, K₂, Z₂ und E₂ die gleiche Bedeutung
für die andere Station haben. Die Verbindung der einzelnen Bestandtheile eines
Apparates unter sich und beider Apparate mit einander wird durch die von den
Batteriepolen einerseits
zur Erdleitung, andererseits zum Taster, und von da zu den Schreib-Apparaten
gezogenen Linien ersichtlich gemacht. Wird in Fig. 18 der Taster T₁ niedergedrückt, und dadurch der metallische
Contact zwischen dem Hebel desselben, und dem positiven Poldrahte Z₁ der Batterie hergestellt, so geht der
elektrische Strom in der Richtung der beigesetzten Pfeile von diesem Pole der
Batterie durch den Taster zum Schreibstifte A₁
des Apparates, aus diesem in den Metallsteg M₁
und aus demselben mittelst der Telegraphen-Leitung zu dem Schreibstifte A₂ des Apparates der anderen Station, durch
welchen er in den Metallsteg M₂, und von da durch
den Taster T₂ zur Erde gelangt, in welcher er zur
ersten Station zurückkehrt, und daselbst in den von der Erde zum negativen Pole der
Batterie führenden Draht übergeht, und auf diese Art seinen Kreislauf vollendet.
Dabei wirkt er beim Uebergange aus den Schreibstiften in die Metallstege auf die
zwischen denselben befindlichen benetzten Papierstreifen, und bringt auf ihnen
entweder einen farbigen Punkt oder eine Linie hervor, je nachdem der Taster T₁ nur einen Augenblick oder längere Zeit
niedergedrückt und durch den hergestellten metallischen Contact dem elektrischen
Strome der Weg für seinen Kreislauf geöffnet worden ist. Die entgegengesetzte
Richtung aber nimmt der elektrische Strom vom negativen Pole K₂ der anderen Station, wenn der Taster Z₂ daselbst niedergedrückt wird, wobei die Einwirkung auf die
Papierstreifen der beiden Apparate wie früher erfolgt.
Weil es aber offenbar überflüssig ist, die telegraphischen Zeichen auf dem
Papierstreifen des Apparates derjenigen Station, von welcher die Correspondenz
ausgeht, erscheinen zu lassen, so kann man daselbst den elektrischen Strom durch
einen metallischen Nebenschluß von dem Schreibstifte unmittelbar in den Metallsteg
leiten, wodurch der Papierstreifen an diesem Apparate ganz außer Spiel kömmt, und
überdieß der doppelte Vortheil erreicht wird, daß man sowohl an Papier erspart, als
auch den elektrischen Strom weniger schwächt.
Aus der Einrichtung und den Leistungen des elektro-chemischen
Schreib-Telegraphen ergeben sich nun im Vergleiche mit dem Morse'schen Apparate folgende Vortheile:
1. Ist der elektro-chemische Apparat viel einfacher construirt, als der Morse'sche und daher weit leichter zu handhaben.
2. Bedarf er keines Relay wie der Morse'sche Apparat,
wodurch ein sehr großer Widerstand für den elektrischen Strom aus der Leitung
wegfällt, und zugleich die schwierige Manipulation beseitigt wird, welche das Relay
beim Morse'schen Apparate zu seiner gehörigen Stellung
erfordert, die, weil sie beständig variirt, eine außerordentliche Aufmerksamkeit des Telegraphisten in
Anspruch nimmt und nicht selten, wenn es der Telegraphist übersieht, bedeutende
Störungen in der Correspondenz verursacht.
3. Kostet der elektro-chemische Schreib-Apparat höchstens den dritten
Theil von dem Anschaffungspreise eines Morse'schen
Apparates.
4. Werden die zur Bewegung des Schreibstiftes beim Morse'schen Apparate erforderlichen Elektro-Magnete sammt Hebel und
Zubehör am elektro-chemischen Schreib-Telegraphen überflüssig, weil
der Schreibstift an demselben unbeweglich angebracht ist, daher auch hier noch
überdieß die Localbatterie zur Activirung der Elektro-Magnete erspart
wird.
5. Sind die bei dem elektro-chemischen Apparate auf dem Papierstreifen
erscheinenden farbigen Zeichen nicht allein bleibend, sondern auch viel besser
wahrzunehmen als die am Morse'schen Apparate von dem
Schreibstifte in den Papierstreifen bloß eingedrückten Zeichen, welche viel schwerer
zu lesen sind und mit der Zeit leicht verdrückt und unkenntlich werden.
Auch ist eine Aenderung der elektro-chemischen Zeichen auf dem Papierstreifen
nur durch Ausradirung derselben möglich und daher eine Verfälschung der Depesche
stets erkennbar, während die beim Morse'schen Apparate in
den Papierstreifen bloß eingedrückten Zeichen sehr leicht hinaus- und andere
dafür hineingedrückt werden können, ohne daß die vorgenommene Fälschung erkennbar
ist.
6. Bedarf es zur Handhabung des elektro-chemischen Schreib-Telegraphen
keiner besonderen Abrichtung und Einübung der Telegraphisten, weil die
telegraphischen Zeichen desselben mit denen beim Morse'schen Apparate ganz übereinstimmen und dieselben mittelst des Tasters
eben so schnell wie beim Morse'schen Apparate
hervorgebracht werden. Ueberdieß ist die Justirung und Behandlung des
elektro-chemischen Schreib-Telegraphen wegen seiner sehr einfachen
Einrichtung viel leichter.
7. Kann durch den elektro-chemischen Schreib-Telegraphen von einer
Station nach anderen mit Morse'schen Apparaten
ausgerüsteten Stationen und umgekehrt anstandslos correspondirt werden, weßhalb
dessen Einführung successive, bei Errichtung neuer Telegraphen-Aemter
geschehen kann, ohne nöthig zu haben, alle übrigen, schon mit Morse'schen Apparaten ausgerüsteten Telegraphen-Aemter auch mit
elektro-chemischen Schreib-Telegraphen zu versehen.
8. Ist das System der Translatoren bei dem elektro-chemischen
Schreib-Telegraphen ebenso anwendbar, wie bei dem Morse'schen Apparate.
9. Läßt sich jeder Morse'sche Apparat mit Beseitigung des
Relay und der Elektro-Magnete sammt Schreibhebel auf die wohlfeilste Art in
einen elektro-chemischen Schreib-Telegraphen umgestalten.
10. Ergibt sich bei diesem Apparate auch noch eine bedeutende Ersparniß an Papier,
weil wegen der viel sichereren Führung des Papierstreifens derselbe fast nur halb so
breit zu seyn braucht, als bei dem Morse'schen
Schreib-Apparate, man also mit demselben Papierquantum nahe doppelt so lange
ausreichen kann.
Diese bedeutenden Vortheile, welche der elektro-chemische
Schreib-Telegraph sowohl in ökonomischer Hinsicht, als auch in Bezug auf den
praktischen Telegraphenbetrieb darbietet, haben mich bestimmt, den Apparat zur
Disposition des hohen Handelsministeriums zu stellen, und es steht auf Grund der
damit angestellten Versuche die Einführung desselben bei den österreichischen
Telegraphen-Aemtern zu erwarten.
––––––––––
Bei Gelegenheit der deutschen Telegraphen-Conferenz, welche im vergangenen
Herbste in Berlin stattfand, wurde am 18. September auf
der dortigen Central-Telegraphen-Station in Gegenwart der sämmtlichen
HHrn. Commissarien ein Versuch mit diesem Schreib-Apparate angestellt.
Es wurden zu diesem Behufe auf der Linie von Berlin nach Amsterdam – 105
Meilen Entfernung – sämmtliche Zwischen-Stationen ausgeschaltet, so
daß die Linie eine ununterbrochene Kette bildete.
Außer dem chemischen Apparate wurde auf der Berliner Station ein gewöhnlicher Morse'scher Apparat in dieselbe Leitung eingeschaltet,
und derselbe mittelst einer in Amsterdam angesetzten, aus 36 Elementen bestehenden
Daniel'schen Batterie in Thätigkeit gesetzt. Die
Schrift kam auf beiden Apparaten gut an.
Nach und nach wurde nun die Zahl der Elemente bis auf sechs ermäßigt, und auch da war
die Schrift noch auf beiden Apparaten gleich gut. Bei weiterer Verringerung der
Elemente bis auf vier war die Schrift auf dem chemischen Apparate zwar schwach, aber
noch lesbar, bei dem Morse'schen Apparate dagegen nicht
mehr verläßlich; und bei der Anwendung von nur drei Elementen endlich hörte sowohl
die Wirksamkeit des chemischen wie die des Morse'schen
Apparates ganz auf.
Hieraus ergibt sich für den elektro-chemischen Schreib-Telegraphen eine
etwas größere Tragweite, als für den Morse'schen Apparat.
Indeß ist dabei zu
erwähnen, daß der Versuch bei sehr günstiger Witterung stattfand; und es wurde die
Befürchtung ausgesprochen, daß bei weniger günstiger Witterung das Ergebniß nicht so
befriedigend seyn möchte, weil alsdann häufige Störungen kaum ausbleiben
dürften.