Titel: | Ueber das für die Truppen der europäischen Staaten bestimmte Commißbrod und die chemische Zusammensetzung der Kleie; von Professor Poggiale in Paris. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. LXXX., S. 287 |
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LXXX.
Ueber das für die Truppen der europäischen
Staaten bestimmte Commißbrod und die chemische Zusammensetzung der Kleie; von Professor
Poggiale in Paris.Wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes lassen wir dem im polytechn. Journal Bd. CXXIX S. 376 mitgetheilten kurzen
Auszug dieser Abhandlung den ausführlicheren Bericht nachfolgen.A. d. Red.
Aus dem Journal de Chimie médicale, Sept. 1853, S.
529.
Poggiale, über das für die Truppen der europäischen Staaten
bestimmte Commißbrod.
Gegen Ende des Jahres 1850 wurde eine Commission, deren Mitglied der Verfasser war,
mit der Untersuchung des Commißbrodes beauftragt, und war daher veranlaßt, Versuche
über die Brodbildung anzustellen und sowohl das für die Truppen der verschiedenen
europäischen Staaten bestimmte Commißbrod, als das Brod der Civilversorgungshäuser
von Paris, das Commißmehl und die käuflichen Mehlsorten zu analysiren. Die Resultate
dieser, seit zwei Jahren fortgesetzten und ergänzten Untersuchungen bilden den
Gegenstand dieser Abhandlung.
Die ziemlich schwierige Analyse des Brodes wurde mit aller Sorgfalt auf folgende
Weise ausgeführt.
Das Gewicht der anorganischen Bestandtheile wurde durch Verbrennen einer Quantität
Brod im Platintiegel und Abwägen des Rückstandes bestimmt, welcher gewöhnlich aus
kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Talkerde, schwefelsaurem Kalk, kohlensaurem Kali,
Kieselerde, Eisenoxyd, Thonerde und Chloriden bestand.
Die Menge des Wassers wurde durch Austrocknen von 50 Grammen Brod in einem auf
120° C. (96° R.) erhitzten Luftstrom bestimmt; das Austrocknen wurde
so lange fortgesetzt, bis der Rückstand ein constantes Gewicht zeigte. Das Gewicht
der Fettsubstanzen wurde durch Behandlung des völlig ausgetrockneten Brods im
Verdrängungsapparat mit rectificirtem Aether ermittelt.
Um das Mengenverhältniß des Klebers oder der stickstoffhaltigen Substanz zu
bestimmen, digerirte man das im Wasserbad bei 60° C. (48° R.)
ausgetrocknete Brod mit Diastas, bis alles Stärkmehl zerstört war; der Kleber wurde
dann auf einem Tuche gesammelt und nach mehrmaligem Auswaschen getrocknet. Man
erhielt so eine in Wasser unlösliche, etwas elastische, durchscheinende, spröde, in
Aetzkali und in Salpetersäure lösliche Substanz. Der Kleber vom Weizenbrod hatte
eine graulichweiße Farbe, während derjenige von Roggen- und Mangkornbrod eine
braune Farbe und einen eigenthümlichen Geruch hatte. Manchmal wurde der Kleber vom
Fibrin und dem Pflanzenalbumin mittelst Essigsäure getrennt; da diese Trennung aber
kein praktisches Interesse darbot, so wurde sie nicht bei allen Analysen
vorgenommen. Bei vielen Versuchen wurde das Mengenverhältniß der stickstoffhaltigen
Substanzen nach ihrem Stickstoffgehalt berechnet.
Das Stärkmehl wurde im Zustand von Zucker mittelst weinsteinsauren Kupferoxydkalis
bestimmt.
Bei einem andern Versuche bestimmte Hr. Poggiale die Menge
des Traubenzuckers und des Dextrins dadurch, daß er das in Pulver verwandelte Brod
in Wasser maceriren ließ; die so erhaltene Flüssigkeit enthielt nur Spuren von
Albumin. Die Menge des Zuckers wurde durch weinsteinsaures Kupferoxydkali bestimmt.
Die Kleie wurde auf einem dichten Sieb gesammelt.
Nach dem beschriebenen Verfahren wurden Proben des Commißbrodes von Belgien, den
Niederlanden, Baden, Piemont, Preußen, Frankfurt a. M., Bayern, Württemberg,
Spanien, Oesterreich und von Paris analysirt.
Wenn man die Resultate dieser Analysen vergleicht, so beträgt der größte Gehalt an
stickstoffhaltigen Substanzen (Kleber und Eiweißstoff) 8,95 Procent, und der
geringste 4,85. Das französische Brod enthält am meisten Kleber und das preußische
am wenigsten. Das französische Brod übertrifft überdieß die andern im schönen
Aussehen, im Geschmack und der Farbe. Da die zur Analyse verwendeten ausländischen
Brode schon seit langer Zeit gebacken und daher großentheils ausgetrocknet waren, so
berechnete Hr. Poggiale später die Nahrhaftigkeit dieser
verschiedenen Brode mittelst ihres Stickstoffgehalts.
Bei mehreren Versuchen wurde das, vorher bei 120° C. (96° R.)
getrocknete Brod in einer Röhre verbrannt und die Verbrennungsproducte in einer
graduirten Glocke gesammelt, welche concentrirte Aetzkalilösung enthielt, um die
Kohlensäure vom Stickstoff zu trennen. Statt einer Glasröhre benutzte der Verfasser
eine lange kupferne Röhre, welche die Operation bequemer und sicherer macht. In die
Röhre wurde eine hinreichende Menge doppelt-kohlensauren Natrons gebracht, um
die im Apparat enthaltene Luft mitzureißen, und nach beendigter Verbrennung allen
Stickstoff in die Glocke zu ziehen. Das Volum des Stickstoffs, auf 0°
Temperatur und 760 Millimeter Luftdruck reducirt, gestattete sein Gewicht zu
bestimmen.
Folgende Tabelle enthält das Resultat dieser Analysen; das Commißbrod der
verschiedenen europäischen Staaten ist darin nach seinem Gehalt an
stickstoffhaltigen Substanzen und an Stickstoff classificirt.
100 Th. bei 96° R.
ausgetrokneten Brides
enthalten an Stickstoff
Stickstoffhaltige Substanzen,
berechnet
Commißbrod von Paris
2,26
14,69
„
„ Baden
2,24
14,56
„ „
Piemont
2,19
14,23
„ „
Belgien
2,08
13,52
„ „
Holland
2,07
13,45
„ „
Württemberg
2,06
13,39
„ „
Oesterreich
1,58
10,27
„ „
Spanien
1,57
10,20
„ „
Frankfurt a. M.
1,44
9,36
„ „
Bayern
1,32
8,73
„ „
Preußen
1,12
7,28
Das Mengenverhältniß der stickstoffhaltigen Substanz wurde berechnet, indem man das
Gewicht des gefundenen Stickstoffs mit 6,5 multiplicirte.
Wie man sieht, hat Hr. Poggiale bei seinen Analysen
hauptsächlich das Mengenverhältniß des Klebers und des Stickstoffs bestimmt; es wird
nämlich heutzutage von den Chemikern und Physiologen angenommen, daß dem Gehalt an
stickstoffhaltiger Substanz die Nahrhaftigkeit des Brods und des Mehls entspreche.
Indessen muß man beim Brod auch die Art seiner Bereitung berücksichtigen; gewiß ist,
daß die kleberreichsten Mehle zur Nahrung des Menschen die geeignetsten sind. Der
Unterschied zwischen den Mehlen aus Weizen, Roggen, Hafer etc. erklärt sich durch
das Mengenverhältniß, vielleicht auch durch die Natur des Klebers, der in seiner
Zusammensetzung und in dem Verhältniß seiner Elemente bedeutende Verschiedenheiten
darbietet.
Nach obigen Versuchen war es von Interesse, das Verhältniß des Klebers und
Stickstoffs im Brod erster und zweiter Qualität der Civilbäckerei und der Pariser
Versorgungshäuser, sowie in den käuflichen Mehlsorten zu ermitteln. Aus der von Hrn.
Poggiale deßhalb angestellten zweiten Reihe von
Versuchen geht hervor, daß das Commißbrod und Commißmehl an stickstoffhaltigen
Substanzen weniger enthält, als das Brod und Mehl erster Qualität, hingegen mehr als
das Brod und Mehl zweiter Qualität. Dieselben Resultate hatte übrigens Hr. Payen mit den Mehlen allein erhalten und daraus
geschlossen, daß das Commißmehl nahrhafter sey, als die Mehle zweiter Qualität. In
der That enthalten letztere nicht, wie das Commißmehl, alle Bestandtheile des
Getreides, denn sie sind die geringeren Sorten welche man nach Absonderung der
Grütze und des feinsten Mehls erhält. Diese, auf unbestreitbaren chemischen Analysen
beruhende Ansicht, theilen auch erfahrene Bäcker. Wir müssen jedoch beifügen, daß
das Commißbrod eine kleine Menge stickstoffhaltiger Substanz enthält, welche nach
den Versuchen des Verfassers nicht assimilirbar ist.
Mehrere Commissionen überzeugten sich, daß das mit Commißmehl bereitete Brod
nahrhafter ist, als das Brod zweiter Qualität der Civilbäckerei. Die Gegner des
Commißbrodes werfen ihm mit Unrecht vor, daß es minder nahrhaft sey als das Weißbrod
zweiter Qualität. Diese irrige Ansicht wurde besonders von der im Jahr 1850
ernannten Commission unterstützt.
Chemische Zusammensetzung der Kleie. – Schon seit
mehreren Jahren haben sich die Chemiker und Praktiker viel mit der Zusammensetzung, dem
Nahrungswerth der Kleie und mit der Rolle beschäftigt, welche sie bei der
Brodbildung spielt. Bekanntlich wird dieses Product von den einen als eine besonders
nahrhafte Substanz betrachtet, weil es mehr Kleber enthält als der Weizen, von den
andern hingegen als ein schädlicher Bestandtheil des Brods. Von den letztern wird
der Kleie hauptsächlich vorgeworfen, daß sie ein beträchtliches Verhältniß von
Wasser verschluckt und zurückhält, daß sie sehr starke Sauerteige erheischt, daß sie
dem Brod eine braune Farbe und einen sauren Geschmack ertheilt, daß sie dessen
Conservirung verhindert, die Bildung der Keimkörner verschiedener Pilzarten
begünstigt, endlich für die Ernährung des Menschen ohne Nutzen ist.
Hr. Poggiale unternahm es, diese Widersprüche durch
Versuche aufzuhellen.
Ist der Kleber- und Stärkmehlgehalt der Kleie so groß, wie in der neuesten
Zeit angenommen wurde? Darf man alles als Nahrungsstoff betrachten, was durch die
Säuren, die Alkalien und die Auflösungsmittel, welche man zur Darstellung der reinen
Cellulose anwendet, der Kleie entzogen wird? Kann man alle im Mehl enthaltene Kleie
ohne Anstand im Brod lassen? Dieß waren die Fragen, welche der Verfasser studiren
mußte, um die verlangten Aufschlüsse liefern zu können.
Die Analyse der Kleie von dem zu 15 Proc. gebeutelten Commißmehl ergab folgende
Resultate:
Wasser
12,65
in kochendem Wasser auflösliche
Substanzen
30,82
in mit ihrem 20fachen Gewicht Wasser
verdünnter Salzsäure lösliche Substanzen
34,37
in Aetzkalilösung von 10 Proc. Kaligehalt
lösliche Substanzen
12,74
unlösliche Cellulose
9,42
–––––––
100,00
Als man die Kleie mehrmals mit den Säuren und den Alkalien behandelte, betrug die
widerstehende Cellulose nur 5,73 statt 9,42 Proc., und bei Anwendung concentrirter
Lösungen betrug der Rückstand nur noch 4,53; dann schien aber die Cellulose
angegriffen zu seyn.
Da die Kleie nach Einwirkung dieser Auflösungsmittel nur 5,73 Procent Cellulose
zurückläßt, so nimmt man an, daß sie sehr reich an nahrhaften und brodbildenden
Substanzen ist, und daß die aufgelösten Stoffe ihren Gehalt an nahrhafter Substanz
repräsentiren.
Diese Folgerung, sagt der Verfasser, scheint mir nicht gegründet zu seyn, weil die
wenig zusammenhängende Cellulose, wie diejenige im Innern des Korns, wie ich mich
überzeugt habe, von den Alkalien und den Säuren aufgelöst wird, und, wenn ihre Organisation noch
nicht vorgeschritten ist, sogar das Wasser sie zertheilt. Ueberdieß enthält der
Holzstoff der Kleie noch andere, nicht nahrhafte Substanzen, z.B. Farbstoffe,
extractive, harzige, schleimige Substanzen etc., welche aber beim Abscheiden der
Cellulose aufgelöst werden.
Der Verfasser kann in Folge seiner Untersuchungen behaupten, daß das Verhältniß der
nicht assimilirbaren Stoffe in der Kleie ein sehr bedeutendes ist.
20 Gramme Kleie von dem zu 15 Procent gebeutelten Commißmehl wurden in einen
Glaskolben von 2 Liter Inhalt gebracht, 1000 Gramme Wasser zugesetzt und die
Mischung einige Minuten lang gekocht. Nach ihrem Erkalten wurde 1 Gramm Diastas
zugesetzt und bei einer Temperatur von 60° C. (48° R.) damit in
Berührung gelassen, bis die Flüssigkeit von einer wässerigen Jodlösung nicht mehr
blau oder violett gefärbt wurde. Der Rückstand zeigte unter dem Mikroskop nur noch
Zellen, theils weiße, theils mehr oder weniger braune, und eine ziemliche Anzahl
fettichter, runder, durchscheinender Kügelchen mit dunkelm Rande, von verschiedener
Größe, welche in Aether löslich sind. Die Stärkmehlkörnchen waren vollständig
verschwunden.
20 Gramme Kleie gaben bei dieser Behandlung mit Diastas folgende Resultate:
Wasser
2,55
Traubenzucker
6,26
unlöslicher
Rückstand
11,19
–––––
20,00
Die Quantität Traubenzucker, welche durch diese Behandlung mit Diastas erhalten wird,
gibt genau das Verhältniß von Dextrin, sowie den in der Kleie enthaltenen
Traubenzucker. Der Rückstand besteht offenbar aus Holzstoff, Fettsubstanz und
Salzen, deren Gewicht durch directe Versuche bestimmt wurde. Man findet, daß die
Kleie ungefähr 35 Procent Holzstoff enthält.
Die stickstoffhaltige Substanz in derselben Kleie wurde quantitativ bestimmt und drei
Analysen gaben durchschnittlich:
Stickstoff
2,062 in 100 Kleie
stickstoffhaltige
Substanz
13,403 –
Es wird aber nicht aller Stickstoff von einer assimilirbaren stickstoffhaltigen
Substanz geliefert, wie folgende Versuche beweisen:
A. Ein Hund wurde während mehrerer Tage mit einem
Gemenge von Fleischbrühe und Kleie gefüttert; die gesammelten Excremente bestunden
fast gänzlich aus
Kleie, welche durch Auswaschen derselben auf einem Seidensieb leicht abgesondert
werden konnte, worauf man dieselbe nacheinander mit Wasser, Alkohol und Aether
auskochte, damit sie keine fremdartige Substanz zurückhielt, und sie zuletzt bei
120° C. (96° R.) austrocknete.
Diese Kleie gab bei der Analyse:
Stickstoff
1,123 Procent
stickstoffhaltige
Substanzen
7,299 –
B. Bei einem andern Versuche wurde Kleie analysirt,
welche nacheinander zweien Hunden gegeben worden war, und die bei der Analyse
erhaltenen Zahlen waren ganz identisch.
C. Dieselbe Kleie, welche schon durch die Verdauungswege
zweier Hunde gegangen war, wurde einem Huhn gegeben, und der Stickstoffgehalt blieb
unverändert.
Diese Versuche sind entscheidend und beweisen, daß die Kleie eine nicht assimilirbare
stickstoffhaltige Substanz enthält, deren Mengenverhältniß 3,516 Proc. erreicht, und
eine assimilirbare stickstoffhaltige Substanz, deren Gewicht 9,877 Proc.
beträgt.
Dieses Resultat kann nicht befremden. Wenn nämlich der Nahrungswerth im allgemeinen
mit dem Mengenverhältniß der in den Nahrungsmitteln enthaltenen stickstoffhaltigen
Substanzen zunimmt, so muß man doch auch zugeben, daß nicht alle stickstoffhaltigen
Substanzen als den Menschen nährend betrachtet werden können. So enthalten nach den
Versuchen von Payen und Boussingault das Stroh des Weizens, des Roggens, der Gerste, des Hafers,
der Erbsen, die Weizenbälge, das Holz etc. von 2 bis 17 Proc. Stickstoff, und doch
hat noch niemand behauptet, daß diese Stoffe für den Menschen und für alle Thiere
nahrhaft seyen. Sie widerstehen, wie der Holzstoff der Kleie, der Wirkung der
Verdauungsorgane gewisser Thierspecies.
D. Wenn man die stärkmehlhaltigen Substanzen der Kleie
mittelst Diastas abtrennt und den Rückstand nach dem Auswaschen mit verdünnter
Salzsäure behandelt, so findet man daß 100 Theile Kleie durch ein lange genug
dauerndes Kochen 59,563 Traubenzucker geben. Dieser Zucker kann aber nur durch die
Umwandlung der Celluse mittelst Salzsäure entstanden seyn.
Es gelang dem Verfasser sogar, indem er immer concentrirteconcentrirtere saure Flüssigkeiten nacheinander anwandte, zuerst das Dextrin und das
Stärkmehl ziemlich genau abzuscheiden und dann mit der in der Kleie enthaltenen
Cellulose, welche allein Zucker geben kann, Traubenzucker zu bilden. Dagegen wird, wenn man 25 Gramme
Kleie mit einer Mischung von 200 Grammen Wasser und 7 Grammen rauchender Salzsäure
einige Minuten lang kochen läßt, die Cellulose kaum angegriffen, während das
Stärkmehl und der Zucker in Traubenzucker umgewandelt werden.
E. Kleie, welche vorher die Verdauungsorgane von Hunden
und Hühnern passirt hatte, ließ man einige Minuten lang mit destillirtem Wasser
kochen, dem auf 15 Theile 1 Theil rauchender Salzsäure zugesetzt war; der Rückstand
wurde ausgewaschen und der in der filtrirten Flüssigkeit enthaltene Traubenzucker
durch weinsteinsaures Kupferoxydkali quantitativ bestimmt. 100 Theile dieser Kleie
verloren 40,501 an Gewicht und lieferten 21,258 Traubenzucker.
Der Rückstand dieser Operation wurde mit Aetzkalilösung von 10 Procent Gehalt in der
Wärme behandelt, und verlor dadurch 37,552 Procent an seinem Gewicht.
Nach diesen beiden Behandlungen erhielt man auf dem Filter eine gelblichweiße
Substanz, die sich durch Aetzkali und durch Salzsäure noch färbte und welche 21,947
Proc. betrug.
Aus diesem Versuch geht hervor, daß die nicht verdaute Kleie
noch 80 Procent nahrhafter Substanz enthalten
müßte, wenn man annehmen wollte daß die von den verdünnten Säuren und
Alkalien aufgelösten Substanzen assimilirbar sind.
F. Einem Hunde wurde während vier Tagen ein Gemisch von
Fleischbrühe und 56 Grammen Kleie gegeben, die ausgetrocknet und mittelst Diastas
von stärkmehlartigen Substanzen befreit war; die Excremente wurden sorgfältig
gesammelt und die Kleie durch wiederholtes Auswaschen auf einem Seidensiebe von
einigen sie begleitenden Substanzen getrennt. Der Rückstand, hernach bei 120°
C. (96° R.) getrocknet, wog 42,053; er hatte sonach durch den Verdauungsact
nur ungefähr 13 Gramme verloren, welche aus Kleber und Fettsubstanz bestunden, und
enthielt noch Stickstoff.
Dieser Versuch, mit 100 Grammen gewöhnlicher Kleie wiederholt, gab nahezu dieselben
Resultate.
G. Man behandelte 10 Gramme, vorher durch die
Verdauungswege gegangener Kleie, mit 15 Gr. concentrirter Schwefelsäure, welche, um
Erhitzung zu vermeiden, in kleinen Portionen zugesetzt wurde. Nach Verlauf von 48
Stunden setzte man dann viel Wasser zu und ließ das Gemisch mehrere Stunden kochen.
Nachdem die saure Flüssigkeit mit Kreide gesättigt worden war, filtrirte man, und
mittelst weinsteinsauren Kupferoxydkali's und des Saccharimeters fand man 4,15
Traubenzucker. Ein
ähnlicher Versuch, mit reiner Cellulose angestellt, gab 4,17 Traubenzucker für 10
Gr. Cellulose.
H. Endlich hat der Verf. noch folgende physiologische
Untersuchungen angestellt.
Er fütterte zwei Hunde, den einen mit einem Gemenge von Fleischbrühe und Weißbrod
erster Qualität; den andern mit einem Gemenge von Fleischbrühe und Kleie. Die Menge
der Fleischbrühe war genau dieselbe; hinsichtlich des Brods und der Kleie mußte aber
deren Wassergehalt berücksichtigt werden. (Für 138 Theile Brod, welches 38 Procent
Wasser enthält, gab man 125 Theile Kleie.) Der mit dem Kleienbrei gefütterte Hund,
welcher 5 Kilogr. und 250 Gr. wog, verlor innerhalb acht Tagen 870 Gramme und war so
geschwächt, daß dieser Versuch nicht ohne Gefahr hätte fortgesetzt werden
können.
Der andere Hund wog 5 Kil. und 240 Gr., und nahm in derselben Zeit um 320 Gramme an
Gewicht ab. Diese Gewichtabnahme wurde aber nicht durch die Art, sondern durch die
Unzulänglichkeit des Futters veranlaßt; denn dieser Hund fraß mit Widerwillen das
ihm gereichte Aequivalent von Fleischbrühe und Kleie.
Als hierauf dem anfangs mit Brod gefütterten Hund Fleischbrühe und Kleie gegeben
wurde, war das Resultat dasselbe.
Bei einem dritten Versuch wurde einem Hunde beliebig Kleie und Fleischbrühe, einem
andern Hunde Brod und Fleischbrühe ebenfalls in beliebiger Menge gegeben. Die
Fleischbrühe betrug für beide gleich viel. Der erste Hund, welcher 5 Kil. und 360
Gr. wog, verlor in acht Tagen 455 Gr.; der andere, welcher 4 Kil. und 975 Gr. wog,
nahm um 210 Gr. zu.
Dieselben Versuche wurden mit Hühnern wiederholt und die Resultate waren gleich; die
mit Kleie gefütterten verloren constant an Gewicht.
Aus diesen Thatsachen erhellt, daß die Kleie viel von Cellulose und nicht
assimilirbaren Substanzen enthält.
Es muß sonach zur Bestimmung des in der Kleie enthaltenen Antheils nahrhaften
Substanz ein anderer Weg eingeschlagen werden.
Der Verf. schritt daher zu einer neuen Analyse, aus welcher hervorgeht, daß die Kleie
44 Proc. assimilirbare Stoffe enthält und 56 Proc. Substanzen welche nicht zur
Ernährung dienen können.
Dieses große Verhältniß von Substanzen welche der Wirkung der Verdauungsorgane
widerstehen, rechtfertigt also die Ausscheidung der Kleie aus dem Mehle und den
Verlust beim Beuteln des Mehls. Ueberdieß läßt sich nicht läugnen, daß das mit rohem
Mehl bereitete Brod im Allgemeinen braun, schlecht gegangen, von nicht sehr
appetitlichem Aussehen, saurem Geschmack und oft schwer verdaulich ist. Geschickte Bäcker haben
beobachtet, daß das Mehl von rohem Weizen mehr Wasser verschluckt und mehr Brod
liefert als das weiße Mehl. Man hat andererseits beobachtet, daß die Kleie 1,240
ihres Gewichts Wasser absorbirt und das Kleienmehl nur 0,998.
Das zu 15 Proc. (d.h. mit Absonderung von 15 Proc. Kleie) gebeutelte Weizenmehl gibt
ein sehr gutes und nahrhaftes Commißbrod. Die darin zurückgelassene Kleie ist
vielleicht nützlich, insofern sie die assimilirbaren Stoffe länger in den
Verdauungsorganen zurückhält. Nach der Annahme vieler Physiologen steigt nämlich die
Nahrhaftigkeit nicht in geradem Verhältniß mit dem Gehalt der Nahrungsmittel an
assimilirbaren Bestandtheilen, und die nährenden Stoffe müssen, um gut verdaut zu
werden, mit solchen die einen größern Widerstand leisten, gemengt seyn. Dieses wäre
die Rolle der Kleie, wenn sie in geeignetem Verhältniß im Commißbrod enthalten ist.
Mit einem zu leichten, die Verdauungswege zu leicht passirenden Brode würden
kräftige junge Leute der angestrengten Mannschaft nicht so gut genährt werden, wie
mit dem Commißbrod. Doch wünscht Hr. Poggiale eine noch
weitere Verminderung des Kleiengehalts.
Einige Praktiker haben vorgeschlagen, das Getreide zu mahlen, die Kleie abzusondern,
letztere wieder zu mahlen und dann das Mehl auf den vorschriftsmäßigen Gehalt zu
beuteln; sie behaupten, daß man durch dieses Mittel sehr schönes Brod erhalte. Seit
einigen Jahren ließ die Kriegsverwaltung zahlreiche Versuche anstellen, um zu
ermitteln ob es von Nutzen sey, die Kleie ein zweitesmal zu mahlen; dabei ergab
sich, daß das Commißbrod welches mit Mehl bereitet ist, wovon ein Theil noch einmal
gemahlen wurde und worin die Kleie mehr zertheilt ist, eine grauere Farbe hat, als
das auf gewöhnliche Art bereitete Commißbrod. Der Vorschlag, die Kleie noch einmal
zu mahlen, was überdieß kostspielig wäre, wurde auch von der Commission einstimmig
verworfen.
Die gänzliche Absonderung der nahrhaften Substanz von der Kleie, ohne zu große
Kosten, ist also ein noch zu lösendes Problem, und wohl nur auf mechanischem Wege
durch Verbesserung der Mahlvorrichtungen zu erreichen.