Titel: | Bemerkungen über Fische als Nahrungsmittel; von Hrn. John Davy. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. CIV., S. 391 |
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CIV.
Bemerkungen über Fische als Nahrungsmittel; von
Hrn. John Davy.
Aus dem Edinburgh new philosophical Journal, Octbr. 1853,
S. 225.
Davy's Bemerkungen über Fische als Nahrungsmittel.
Wie groß ist der Nahrungswerth der Fische im Vergleich mit andern thierischen
Nahrungsmitteln? Haben verschiedene Fischspecies einen wesentlich verschiedenen
Nahrungswerth? Besitzen die Fische als Nahrungsmittel irgend besondere oder
specielle Eigenschaften? Dieß sind Fragen, deren genügende Beantwortung bei dem
gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft ziemlich schwierig ist und wozu ich hiemit
einen Beitrag liefere.
1. Ueber die Nahrhaftigkeit der
Fische.
Man wird wohl zugeben, daß der Nahrungswerth aller gewöhnlichen thierischen
Nahrungsmittel, wenigstens der hauptsächlich aus Muskelfaser oder aus Muskel und
Fett bestehenden, zu welcher Classe sie auch gehören mögen, annähernd durch ihr
verschiedenes specifisches Gewicht und ihren Gehalt an fester Substanz bestimmt
werden kann; letzterer ergibt sich durch vollständiges Trocknen oder Verjagung der
wässerigen Theile bei der Temperatur des kochenden Wassers, wo noch keine merkliche
chemische Veränderung eintreten kann. Bei den in dieser Hinsicht von mir angestellten Versuchen
wurde das specifische Gewicht durch das gewöhnliche hydrostatische Verfahren
ermittelt; bei Fischen winden zu diesen Versuchen die dickeren Theile des Rückens
gewählt und von Haut und Gräten befreit, so daß sie hauptsächlich aus Muskeln
bestanden. Eben solche Theile wurden auch zur Bestimmung des Gehalts an trockner
Substanz in Platin- oder Glasschalen so lange ausgetrocknet, bis sie nicht
mehr an Gewicht abnahmen.
Die Resultate sind in folgenden Tabellen zusammengestellt; in der ersten die mit
einigen Fischarten und in der zweiten die mit einigen andern thierischen
Nahrungsmitteln erhaltenen.
Bei den Fischen habe ich Zeit und Ort des Fangs so genau, als es mir möglich war,
angegeben (bei Seefischen ist der dem angegebenen Orte nächste Seehafen gemeint),
weil beide auf deren individuelle Beschaffenheit einen Einfluß haben können.
Tabelle I.
Fischart.
Spec. Gewicht.
Procentefester
Substanz.
Zeit und Ort des Fangs.
Steinbutte (Rhombus
maximus)
1062
20,3
März, Liverpool.
Gemeine Scholle (hrill; R. vulgaris)
1061
20,2
October, Penzance.
Schellfisch ( Kabeljau, Gadus oeglefinus)
1056
20,2
August, Ambleside.
Stockfisch (G.
merlucius)
1054
17,4
October, Penzance.
Pollack (G.
pollachius)
1060
19,3
October, Penzance.
Witling (Merlangus
vulgaris)
1062
21,5
März, Chester.
Gemeine Kabeljau (Morrhua vulg.)
1059
19,2
April, Ambleside.
Rother Knurrhahn, Mehrhahn (Trigla cuculus)
1069
23,6
October, Penzance.
St. Peterfisch (dory; Zeus faber)
1070
22,0
October, Penzance.
Makrele (Scomber-scombrus)
1043
37,9
October, Penzance.
Zungenfisch (Solea
vulgaris)
1065
23,0
Februar, Ambleside.
dtto. dtto.
1064
21,1
Februar, Ambleside.
Stachelroche (Raia
clavata)
1061
22,2
October, Penzance.
Lachs (Salmo
salar)
1071
29,4
März, Bohnefluß, Irland.
Frisch vom Meere eingelaufen.
Seeforelle (S.
eriox)
–
41,2
Juni, Amblestde.
Rothling (S.
umbla)
1056
22,2
November, Windermere.
Forelle (S.
fario)
1053
22,5
März, Lough Corrib, Irland, 1/2
Pfund schwer, gut beschaffen
Octbr., Brathay-Fluß;
dtto. dtto
1050
18,7
ein kleiner, etwa 2 Unz.
schwerer Fisch.
Stint (S.
eperlanus)
1060
19,3
März, Liverpool.
Aal (Anguilla
latirostris)
1034
33,6
Juni, Ambleside.
Tabelle II.
Arten von Nahrungsmitteln.
Spec. Gewicht.
Procentefester
Substanz.
Zeit und Ort.
Rindfleisch, Lendenstück
1078
26,9
März, Ambleside.
Kalbfleisch, Lende
1076
27,2
Novbr., deßgl.
Hammelfleisch, Keule
1069
26,5
Novbr., deßgl.
Schweinfleisch, Lende
1080
30,5
Januar, deßgl.
Pemikan, zusammengesetzt
aus Rindfleisch und rohem Talg
....
86,25
Proviantmagazin
zu Portsmouth.
Gemeines Geflügel, Brust
1075
27,2
Novbr., Ambleside.
Grauer Regenpfeifer, Brust
1072
30,1
Novbr., deßgl.
Kuhmilch, frisch, vor Abnahme des
Rahms
1031
11,2
Novbr., deßgl.
Weißes vom Hühnerei
1044
13,9
Dotter desselben
1032
45,1
Diese Resultate sind jedoch nur als annähernde zu betrachten. Ein Blick auf die erste
Tabelle zeigt, daß bei den Fischen das specifische Gewicht mit dem Verhältniß der
festen Substanz ziemlich gleichen Schritt hält, mit nur wenigen Ausnahmen, z.B. bei
der Makrele, deren spec. Gewicht viel geringer ist, als es dem Substanzgehalte nach
seyn sollte, was sich aber dadurch erklärt, daß bei ihrer Substanz der Thran zu
15,52 Procent mit inbegriffen ist; auch die Seeforelle und der Aal geben viel Thran,
wenn man sie nach dem Trocknen zwischen Fließpapier preßt.
Beim Vergleichen der ersten Tabelle mit der zweiten findet man zwischen den in beiden
obenan stehenden Artikeln hinsichtlich des Nahrungswerths nur einen unbedeutenden
Unterschied; derselbe ist auch bei den meisten anderen nicht groß, die Flüssigkeiten
ausgenommen.
2. Ueber die besondern Eigenschaften der
Fische als Nahrungsmittel.
Daß die Fische, mit Ausnahme derjenigen welche Oel (Thran) im Muskelgewebe enthalten,
in der Regel gut zu verdauen sind, wird allgemein angenommen und stimmt mit der
größern Zartheit ihrer Muskelfaser, im Vergleich mit derjenigen der Vögel und
Säugethiere, wohl überein.
Es fragt sich nun, ob die Fische als Nahrungsmittel der Gesundheit zuträglicher sind
als obige Fleischarten, und besonders hinsichtlich der Verhütung von Skropheln und
Tuberkel-Krankheiten.
Nach dem, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte, muß ich dieß glauben.
Bekanntlich sind die Fischer und ihre Familien in der Regel gesunde Leute und
obengenannten Krankheiten weniger ausgesetzt, als alle anderen Classen ohne
Ausnahme. Nach einer Mittheilung von Dr.
Cookworthy, Arzt am Spital zu Plymouth, zeigten sich
unter 20,000 eingetretenen Kranken 654 Fälle entschiedener Lungenschwindsucht
(Phthysis) und Blutspeiens, als wahrscheinliche Folge von Tuberculosis; unter
letztern Kranken waren aber nur vier Individuen aus Fischerfamilien, ein Verhältniß
von 1 : 163,2;In einem Nachtrag bemerkt der Verfasser, daß von der ganzen männlichen
Bevölkerung von Plymouth (24,650 Individuen) 726 Personen Fischer sind,
welche große Anzahl obige Thatsache noch auffallender macht. Von
Schuhmachern, 608 Individuen, starben 37 an der Lungenschwindsucht. die Bootführer, welche, wenn es nicht viel Arbeit gibt, sich mit dem
Fischfang beschäftigen und ein ärmliches Leben führen, hatten sammt ihren Familien
zu den erwähnten Krankheitsfällen nur 11 Individuen geliefert, ein Verhältniß von 1
: 58,8.
Diese Wirkung der Fischkost ist wahrscheinlich einem eigenthümlichen Bestandtheil,
dem Jod, zuzuschreiben. Ich habe deutliche Spuren von Jod in allen Seefischen
gefunden, die ich bisher untersuchte, auch in den Wanderfischen, obgleich nicht so
auffallend; in Süßwasserfischen aber nicht. Da die Seethiere, welche den Fischen zur
Nahrung dienen, ebenfalls Jod enthalten, so ist der Jodgehalt der letzteren leicht
zu erklären.
Auf dem Jodgehalt beruht auch die Anwendung des Stockfischleberthrans gegen
Lungenschwindsucht.
Da sich die Fische so leicht auch ohne Salz, mittelst vollständigen Austrocknens
aufbewahren lassen, so dürften sie in Zukunft als Nahrungsmittel allgemeiner in
Gebrauch kommen; das Austrocknen sollte aber so weit getrieben werden, daß sie
selbst das hygroskopische Wasser verlieren. Selbst bei jenen Nahrungsmitteln, welche
sich in ihrem gewöhnlichen trocknen Zustand conserviren, wäre unter gewissen
Umständen das Austreiben dieses Wassers vortheilhaft, sey es auch nur zur
Verminderung ihres Gewichtes. So findet man in obiger Tabelle II, daß der in der
Proviant-Anstalt zu Portsmouth sorgfältig bereitete Pemican (ein aus Fleisch
und rohem Talg bestehendes Nahrungsmittel für Reisende) durch sorgfältiges Trocknen
13,75 Procent verlor, was also sein Gehalt an hygroskopischem Wasser ist –
eine Gewichtsverminderung, welche den Nordpolfahrern erwünscht seyn müßte.
Meines Wissens kommt bei den fischessenden Bewohnern der Seehäfen und Seeküsten der
Kropf nicht vor, was der Jodgehalt der Fische erklärt. Nach den wenigen Versuchen welche ich angestellt
habe, dürften nicht alle Theile der Seefische gleich viel Jod enthalten, weil ihr
Gehalt an unorganischen Substanzen verschieden ist; so fand ich in der Asche der
Leber und des Muskels der Seefische stets viel salzige Stoffe, hauptsächlich
Kochsalz, mit einem kleinen Antheil Jod – und zwar in der Leber mehr Jod als
im Muskel – überdieß freies Alkali, während ich im Rogen und der Milch nur
sehr wenig Salze und keine Spur von Jod oder freiem Alkali fand; im Gegentheil eine
freie Säure, Phosphorsäure, analog dem Dotter des Hausgeflügels.