Titel: | Ueber die Blutegelsümpfe des Hrn. Borne zu Clairefontaine; Bericht von Hrn. Soubeiran. |
Fundstelle: | Band 131, Jahrgang 1854, Nr. CXXVII., S. 452 |
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CXXVII.
Ueber die Blutegelsümpfe des Hrn. Borne zu Clairefontaine; Bericht
von Hrn. Soubeiran.
Aus dem Journal de Pharmacie, Januar 1854, S.
5.
Soubeiran, über Borne's Blutegelsümpfe.
Zu Saint-Arnoult, einer Gemeinde des Seine-Oise-Departements,
drei Stunden von Rambouillet, hielt ein Landkrämer, Hr. Borne, eine Blutegelniederlage, aus welcher er im Detail verkaufte; um der
Sterblichkeit der Blutegel, durch welche er große Verluste erlitten hatte,
entgegenzutreten, bemühte er sich dieselben unter Umständen zu erhalten, welche
ihrer gewohnten Lebensweise entsprechen. Wir übergehen die Versuche und
Beobachtungen, welche er zuerst in kleinen Teichen, Sümpfen und Gräben anstellte,
bis er hinreichende Erfahrnng gesammelt hatte, um den großen Blutegelsumpf
anzulegen, von dem hier die Rede seyn soll.
Dieser BlutegelfumpfBlutegelsumpf befindet sich eine Stunde weit von Saint-Arnoult in der
Gemeinde Clairefontaine; seine Ausdehnung beträgt eine Hektare; er bildet den Grund
eines Thales, das Torfboden hat.
Das Wasser in demselben stund ursprünglich in gleicher Höhe mit dem Boden, unter dem
Grase. Seine Herstellung erforderte keine andere Arbeit, als den Boden auszugraben,
indem man die Ränder mit einem Theil des ausgehobenen Torfs erhöhte. Auf diese Weise
bildete man eine Reihe mit Wasser gefüllter Bassins, in welchen von selbst
Wasserpflanzen emporwuchsen, deren zu raschem Ueberhandnehmen zeitweise Einhalt
gethan werden muß.
Die Hälfte des Platzes nehmen jetzt die Blutegelbassins ein, deren es 28 sind.
Jedes Jahr grabt Hr. Borne einige neue aus. Die Größe und
Form dieser Bassins ist sehr verschieden. Anfangs machte er sie groß; die Erfahrung
belehrte ihn aber, daß die kleinen vortheilhafter sind. Er gibt ihnen 18 Fuß Länge,
9 Fuß Breite und 3 Fuß Tiefe.
Man übersteht auf diese Weise das Bassin leicht in seiner ganzen Ausdehnung und
erkennt daher sogleich vorhandene Feinde der Blutegel, welche ein mit einem Netz
versehener Arbeiter immer bereit seyn muß herauszufangen und zu tödten.
Hr. Borne füttert seine Blutegel mit dem Blute der in den
Schlachthäusern der Umgegend geschlachteten Thiere. Seine Erfahrung steht hierin in
förmlichem Widerspruch mit Jenen, welche noch immer hartnäckig behaupten, daß das
Blut warmblütiger Thiere den Blutegeln nachtheilig sey; sie widerspricht aber auch,
was noch wichtiger ist, der Meinung, daß ihnen nur dasjenige Blut zuträglich sey,
welches sie selbst aus dem lebenden Thiere saugen. Hr. Borne gibt seinen Blutegeln mit bestem Erfolg das noch warme Blut. Sicher
wird er dadurch der weiteren Verbreitung einer in mehreren Gegenden, z.B. bei
Bordeaux üblichen Methode entgegenarbeiten, nämlich Pferde und Esel in die Sümpfe zu
führen, damit sie den Blutegeln Nahrung liefern,M. s. Seite 147 in diesem Bande des polytechn.
Journals. durch welches barbarische Verfahren erschöpft, sie bald zu Grunde gehen.
Dasselbe Verfahren sah ich zwar dieses Jahr zu Straßburg, in den Sümpfen des Hrn. Croyard, in Anwendung, aber auf einsichtsvolle Weise.
Wohlfeile, gewöhnlich ganz herabgekommene Pferde werden von einem Thierarzt
ausgewählt, sogleich bei ihrem Eintritt in die Anstalt ihnen die Hufeisen abgenommen
und sie zu keinerlei Arbeit mehr angehalten.
Alle vierzehn Tage werden sie durch die Sümpfe geführt; innerhalb dieser Zeit aber
reichlich gefüttert. In der Regel schlägt ihnen diese Methode wohl an; ich sah sie
im Stall mit frischem Auge, glänzendem Haare; sie werden wieder wohlbeleibt und
gewöhnlich verkauft sie der Thierarzt nach einigen Monaten mit Vortheil. Dagegen
werden bei dem rohen Verfahren in der Gegend von Bordeaux die armen, schlecht
genährten Thiere durch häufige Aderlässe erschöpft, und man läßt dort sogar ihre
Leichname mitten in den Teichen faulen und die Nachbarschaft verpesten.
Ich komme nun auf Hrn. Borne's Verfahren zurück.
Ein Blutegel, der nicht gefüttert wurde, ist zur Fortpflanzung gar nicht oder nur
schleckt geeignet. Will man in die Sümpfe Blutegel bringen, die sich nicht
vollgesogen haben, so muß man ihnen vorher eine Mahlzeit geben. Zu diesem Behufe
bringt man sie in das Schlachthaus; sobald einem Ochs, Kalb oder Hammel das Blut
abgelassen ist, wird dasselbe kurze Zeit geschlagen, um das Fibrin daraus
abzuscheiden und die Bildung des Blutkuchens zu verhindern; dann taucht man die
Blutegel hinein. Sie werden dazu vorher in kleine Säcke aus einer Art Flanell
vertheilt, welche ihnen als Stützpunkt zum Saugen dienen und zugleich ein bequemes
Mittel sind, um von Zeit zu Zeit nachzusehen, ob die Blutegel genug Blut in sich
aufgenommen haben. Man läßt sie in diesem Bade, je nach ihrem Alter und ihrem
Gesundheitszustand, mehr oder weniger lange Zeit; nimmt sie dann heraus, wäscht sie
mit lauwarmem Wasser ab, bringt sie wieder in frisches Wasser und dann in die
Bassins. Zuweilen schafft Hr. Borne auch das Blut an den
Sumpf; er sondert in diesem Fall das Fibrin durch Schlagen ab und umhüllt dann die
Gefäße, welche es enthalten, sehr sorgfältig, damit es während des Hintragens nicht
erkaltet.
Die großen Blutegel müssen im Herbst eine Mahlzeit erhalten, vor dem Zeitpunkt wo sie
sich, um den Winter zuzubringen, in die Erde verkriechen. Dann kriechen sie, sobald
es warm wird, aus, begatten sich und die Cocons haben die ganze schöne Jahreszeit
zum Auskriechen. Wenn hingegen die Blutegel erst im Frühjahr Nahrung erhalten, so
verkriechen sie sich in die Erde, um zu verdauen, begatten sich erst spät und die
Cocons haben während des Spätjahrs große Gefahren zu bestehen.
Was die in den Sümpfen erzeugten kleinen Blutegel betrifft, so behandelt dieselben
Hr. Borne in ähnlicher Weise; nur findet er es
vortheilhaft, sie vorzugsweise mit dem minder kräftigen Blut von Kälbern zu
ernähren. Kaum geboren, sind diese Blutegel schon außerordentlich gierig und hängen sich mit großer
Gefräßigkeit an die Hände, oder an die Haut der Thiere. In den zwei ersten Jahren
ihres Lebens wachsen diese kleinen Blutegel äußerst langsam; hernach aber so rasch,
daß sie in zwei Jahren das zehnfache Gewicht haben. Ich muß erwähnen, daß die
Beschaffenheit des Wassers einen auffallenden Einfluß auf das Resultat hat. In dem
Garten des Hrn. Borne nahmen die auf gleiche Weise
gefütterten kleinen Blutegel nicht zu, und wuchsen erst rasch heran, nachdem man sie
in den Sumpf von Clairefontaine übergesetzt hatte.
Es ist vortheilhaft, im Frühjahr Fadenblutegel zu kaufen und sie groß zu ziehen. Hr.
Borne läßt sie im Jahr drei Mahlzeiten nehmen. Die
erste muß schwach seyn; denn man erhält oft durch die Reise ermüdete Blutegel,
welchen eine kräftige Nahrung nicht zusagt. In der Mitte des Sommers fischt man sie
aus dem Sumpf, gibt ihnen eine Blutmahlzeit und bringt sie dann in den Sumpf zurück;
im Herbst werden sie abermals herausgefischt und erhalten die letzte Mahlzeit dieses
Jahrgangs. Bei dieser Behandlungsweise erreichen Fadenblutegel von 20 Centigrammen
(3 1/5 Gran), vorausgesetzt daß sie nicht in zu lebendigem Wasser gehalten werden,
in zwei Jahren ein Gewicht von 1 1/2 bis 2 Grammen (24–32 Gran) und können
dann verkauft werden. Doch nehmen nicht alle Arten gleichmäßig zu. In den Sümpfen
des Hrn. Borne sind es die ungarischen grauen Blutegel,
welche am schnellsten die Größe zum Verkaufe erreichen.
Die Zeit, während welcher die Blutegel im Blute eingetaucht bleiben müssen, ist nach
ihrer Größe und ihrem Gesundheitszustand verschieben; hier muß die Erfahrung den
Züchter leiten. Für die Kuhblutegel beträgt sie etwa 5–6 Minuten; für die
Mittlern Blutegel 10 Minuten; für die Fadenblutegel eine Viertelstunde, bis eine
halbe Stunde für die ganz jungen. Für müde Blutegel muß die Zeit verkürzt
werden.
Man nimmt diese Verrichtung mit 6–7 Kilogr. Blutegeln zugleich vor. Nachdem
man sie aus dem Blut herausgenommen und gut abgewaschen hat, mustert man sie, um
alle faulen, welche nicht gefressen haben, auszulesen und für einen andern Tag bei
Seite zu thun, weil sie sonst, wenn ihr Appetit wieder erwacht, die andern anbeißen
und an ihnen das Blut suchen würden welches sie früher verschmähten.
Aus diesen Einzelheiten ersieht man, daß es vortheilhaft ist viele Bassins zu haben,
um die Blutegel von verschiedenem Alter, welche nicht in gleicher Weise behandelt
werden dürfen, von einander absondern zu können.
Ein Blutegel muß nach jeder Mahlzeit zweimal so viel wiegen als vorher. Diese
Fütterung ist für sie unerläßlich, denn in Bassins, wo sie in zu großer Anzahl beisammen
sind, könnten sie ihre Nahrung nicht finden. Uebrigens hat sich Hr. Borne überzeugt, daß die gefütterten Blutegel sich
frühzeitiger begatten und Cocons erzeugen, worin die kleinen Blutegel in größerer
Anzahl vorhanden und kräftiger sind.
Durch diese praktischen Resultate über die Ernährung der Blutegel ist ein bisher
streitiger Punkt in ihrer Geschichte nun aufgeklärt. Hinsichtlich der Behandlung der
Cocons verdankt man Hrn. Borne ebenso schätzbare
Beobachtungen.
Bekanntlich machen die Blutegel ihre Cocons, wo möglich, in weicher und feuchter
Erde, außer dem Wasser, in geringer Entfernung über seinem Spiegel. Wenn diese
Bedingungen eingehalten werden und die jungen Blutegel Zeit haben auszukriechen, so
gehen sie dann sogleich in den Sumpf. Ist aber die Erde ausgetrocknet und hat die
Trockne auch die Cocons vor dem Ausschlüpfen der Blutegel erreicht, so sind letztere
verloren; deßgleichen, wenn der Wasserspiegel steigt und wenn die Cocons unter
Wasser gesetzt werden, bevor die Blutegel im Stande sind auszuschlüpfen. (Dieß ist
der Fehler beim Verfahren zu Bordeaux, wobei man, wie Hr. Vayson richtig bemerkt,Seite 147 in diesem Bande des polytechn.
Journals. jährlich viele Cocons dadurch verliert, daß man die Sümpfe trocken legt; ein
Theil der Cocons wird so von der Sonne verbrannt, und ein anderer ertränkt wenn das
Wasser in den Sumpf zurücktritt.)
Hr. Borne besitzt den natürlichen Vortheil eines Sumpfes,
worin das Wasser stets gleiche Höhe behält. Die Ränder sind, wie gesagt, durch einen
Theil des beim Ausgraben gewonnenen Torfs erhöht. Es ist dieß ein weicher, feuchter,
dem Absetzen der Cocons günstiger Boden; die Blutegel legen die Cocons hinein,
vorzugsweise gegen die Mittag- oder die Morgenseite. Bekanntlich höhlen sie
im Naturzustande kleine Gänge aus, in welche sie die Cocons legen. Hr. Borne richtet ihnen ähnliche Räume her; sobald er gewahr
wird, daß sich die Blutegel begatten, macht er am südlichen oder östlichen Rand der
Bassins Höhlungen, in welchen die Blutegel leicht ein bequemes Unterkommen finden;
er hebt nämlich die obere Torfschicht des Randes in einer Dicke von 5 1/2 bis 7 Zoll
auf und zieht auf der unteren Schicht des Torfs, mit dem Finger in den Torf
drückend, kleine hohle Furchen, welche bis in das Wasser abschüssig sind und in
einer Länge von 7 1/2 bis 9 Zoll steigen; er bedeckt dieselben mit dem früher
abgehobenen Torfe wieder. Auf diese Weise stellt er unterirdische Gänge her, deren
in das Wasser ausmündendes Ende die Blutegel leicht erreichen, und worin sie, soweit
es ihnen behagt, hinaufsteigen; sie legen in denselben ihre Cocons ab, oft in
rosenkranzähnlichen Reihen. Von Zeit zu Zeit hebt man die die Gänge bedeckenden
Erdschollen wieder ab und nimmt die Cocons heraus; man darf nämlich nicht die
kleinen Blutegel in den Bassins zur Welt kommen lassen, welche den großen zum
Aufenthalt dienen, denn man könnte ihnen dann nicht die erforderliche Sorgfalt
zuwenden und sie wären fast unfehlbar verloren.
Ein besonderes kleines Bassin (man könnte es Ausbrütungsbassin nennen) ist zum
Unterbringen der Cocons und zur Aufnahme der jungen Blutegel, wenn sie zur Welt
kommen, bestimmt. Diese Einrichtung, eine der glücklichsten Schöpfungen des Hrn. Borne, besteht in Folgendem:
Auf den Rand eines kleinen, im Torf ausgegrabenen und, wie die andern, mit
Wasserpflanzen bewachsenen Bassins, setzt er einen rechteckigen hölzernen Kasten
ohne Boden. Kleine, in den Torf gemachte Gänge gehen von der zwischen den Seiten des
Kastens eingeschlossenen Oberfläche aus in die Tiefe und stehen mit dem Schlammgrund
des Bassins in Verbindung. Der Boden, auf welchem der Kasten steht, ist mit einer
Lage Moos bedeckt; auf dieses Moosbett legt man die Cocons in drei Reihen
übereinander. Man bringt sie dahin in dem Maaße als man sie einsammelt. Man bedeckt
sie mit Moos und verschließt den Kasten mit einem hölzernen Deckel. Um sie gegen die
Sonne zu schützen, legt man noch 2 bis 3 Schichten Torfschollen auf den Deckel. Die
Blutegel kriechen, wenn ihr Zeitpunkt gekommen ist, aus, für jeden Cocon zu anderer
Zeit. Sie dringen durch das Moos in die Gänge hinab, um in den Sumpfschlamm zu
gelangen. Die Spätcocons, welche sonst unfehlbar zu Grunde gegangen wären,
conserviren sich bis zum Frühjahr und schlüpfen erst in den ersten warmen Tagen aus.
Den Winter über schützt sie Hr. Borne gegen den Frost,
indem er den Kasten mit einer 11 bis 15 Zoll dicken Schicht Torf bedeckt. Aus diesem
kleinen Bassin werden die kleinen Blutegel auf dieselbe Weise gefischt, wie die
großen, indem man in das Wasser schlägt und sie mittelst eines Netzes herauszieht,
sobald sie, nach Nahrung verlangend und in der Hoffnung sich an eine Beute hängen zu
können, herankommen.
Neben allem diesem ist aber auch ein Schutz der Blutegel gegen ihre Feinde
erforderlich, von welchen sie unaufhörlich bedroht sind. Zu diesem Behuf umgibt Hr.
Borne seinen Sumpf auf allen Seiten mit einem mit
Wasser gefüllten Graben, welcher stets in gutem Zustand unterhalten wird. Gewissen
Feinden der Blutegel ist durch denselben der Zutritt abgeschnitten, und diejenigen, welche ihn
versuchen wollten, können wahrgenommen und gefangen werden.
Ferner befindet sich in der Mitte der Sümpfe eine aus Holz und Erde erbaute, und mit
Haidekraut bedeckte Hütte. Sie enthält einen Raum, der zugleich als Küche und als
Aufbewahrungsort für das Fischergeräth dient; über diesem ist eine Kammer, in welche
man auf einer Leiter gelangt; von dieser aus kann man die ganze Umgebung und
zugleich den Sumpf übersehen.
Den Tag über sucht der Wächter, neben der Pflege der Blutegel, noch jeden Schaden
durch die Wasserratten, Maulwürfe und Spitzmäuse zu verhüten, oder durch Lockspeisen
die Schwimmkäfer, Wasserkäfer und andere Insecten zu fangen. Wasservögel, welche
sich niederlassen wollen, verscheucht er durch Flintenschüsse.
Ich will nach Mittheilung dieses vortrefflichen Verfahrens zur Blutegelzucht nochmals
darauf aufmerksam machen, daß die Sümpfe eine constante Wasserhöhe haben sollen, und
daß stehendes Wasser, welches durch die torfige Beschaffenheit des Bodens oder durch
die Wassergewächse gesund erhalten wird, dem Blutegel entschieden zuträglicher ist,
als das fließende Wasser.
Die Anstalt des Hrn. Borne befindet sich im besten
Gedeihen; derselbe hat gegenwärtig Niederlagen in den benachbarten Departements, wo
seine Blutegel den gewöhnlich im Handel vorkommenden vorgezogen werden.