Titel: | Arbeitercontrole im Arsenale zu Woolwich; von Gustav Werther. |
Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. V., S. 11 |
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V.
Arbeitercontrole im Arsenale zu Woolwich; von
Gustav
Werther.
Aus dem Civilingenieur, 1854, Bd. I S.
161.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Werther, über Arbeitercontrole im Arsenale zu Woolwich.
Im königlichen Arsenale zu Woolwich besteht schon seit
einigen Jahren eine im Nachfolgenden näher beschriebene Controleinrichtung über die
tägliche Anwesenheit der in den verschiedenen Abtheilungen des Arsenals
beschäftigten Arbeiter. Durch dieselbe wird nicht nur die Anwesenheit jedes
Arbeiters im Arsenale in kürzester Zeit auf höchst einfache Weise controlirt,
sondern auch sogleich dessen täglicher, der Zeit seiner Anwesenheit entsprechender
Verdienst angezeigt, welcher, von allen Arbeitstagen einer Woche addirt,
allsonnabendlich den Betrag des Wochenlohns jedes Arbeiters bestimmt.
Das Arsenal liegt am rechten Themse-Ufer unterhalb Londons und das zu
demselben gehörige Areal ist, soweit es sich am Ufer der Themse ausbreitet, durch
einen Quai begränzt, im Uebrigen aber durch eine hohe Mauer abgeschlossen. In dieser
Umfassungsmauer befinden sich mehrere Pforten, in denen die in den verschiedenen
Werkstätten arbeitenden Arbeiter zu bestimmten Zeiten ein- und ausgelassen
werden. Jeder dieser Eingänge entspricht einem bestimmten Departement und gewissen
Werkstätten, so daß also z.B. die Arbeiter des Kanonenbohrwerks nur zur ersten
Pforte, die in den Stellmacherwerkstätten beschäftigten nur zur zweiten Pforte, die
in den Schmieden arbeitenden nur zur dritten Pforte u.s.w. ein- und
ausgehen.
Während der täglichen Arbeitszeit, von früh 6 Uhr bis Abends 6 Uhr, sind zwei Pausen
gestattet, die eine nach fünfstündiger Arbeit von 11 bis 12 Uhr zum Genuß des
Mittagsbrodes, die zweite nach drei und einhalbstündiger Arbeit, von 3 1/2 bis 4 Uhr
zum Vesperbrod. Außer zu diesen Ruhezeiten wird unter keiner Bedingung einem
Arbeiter gestattet, das Arsenal zu verlassen.
Jeder Arbeiter wird, wenn er in Arbeit tritt, dem Namen nach unter einer Nummer in
ein Buch eingetragen und erhält gleichzeitig drei Marken.
Auf jeder derselben ist die Nummer, unter welcher des Arbeiters Name im Buche steht,
geprägt. Diese Marken sind wohl von gleicher Größe, etwa der eines Thalers, aber von
verschiedener Farbe, nämlich
weiß (diese sind von Zinn), gelb (diese sind von Messing) und braun (diese
sind von Kupfer). Jede entspricht einer der Schichten, in
die der Tag, wie vorhin erwähnt, eingetheilt ist, und ist daher für den Arbeiter von
verschiedenem Werth. Die weiße Marke entspricht der fünfstündigen Schicht von früh 6
bis 11 Uhr, die gelbe der dreieinhalbstündigen von 12 bis 3 1/2 Uhr und die braune
der zweistündigen Schicht von 4 bis 6 Uhr, d. i. bis zum Feierabende.
Bei Beginn jeder dieser drei Schichten wird geläutet und an jedem Eingange für den
Eintritt der Arbeiter in das Arsenal 10 Minuten Zeit gelassen, während welcher Frist
das Läuten fortdauert. Wer nach Verlauf der 10 Minuten, sobald das Läuten aufgehört
hat, nicht gekommen ist, wird nicht mehr eingelassen und verliert den Betrag der
nächsten Arbeitsschicht an seinem Lohne.
Der Gebrauch der Marken und die dadurch bewirkte Controle ist nun folgende:
An jedem Eingange steht ein sogenanntes Controlbureau, an welchem jeder eintretende
Arbeiter vorüber muß, um zu der betreffenden Werkstätte zu gelangen. In der Fronte
jedes dieser Häuschen befinden sich die Oeffnungen dreier (oder je nach der
passirenden Arbeiterzahl von mehreren oder weniger) Kästchen, die an der inneren
Wand angebracht sind (s Fig. 7). In eine dieser
Oeffnungen (ähnlich wie bei Briefkästen) steckt bei jedesmaligem Eintritt in das
Arsenal jeder Arbeiter eine seiner Marken, und zwar früh die weiße, nach dem
Mittagsbrod die gelbe und nach dem Vesper die braune. Die zu diesen verschiedenen
Zeiten, je nach der Höhe der Nummer der Marken, in eine Oeffnung gesteckten Marken
fallen jedesmal in einen anderen Kasten. Dieß wird dadurch bewirkt, daß der
Controleur im Innern seines Häuschens früh den obersten Kasten m unter die Oeffnung schiebt, beim Beginn der zweiten
Arbeitsschicht zieht er diesen zurück, so daß die gelben Marken nur in den zweiten
Kasten n fallen können. Nachdem auch dieser
zurückgezogen worden, können die beim Beginn der letzten Arbeitsschicht eingehenden
Marken nur noch in den dritten Kasten v fallen. In Fig. 8 bedeutet
r einen Ring oder sonstigen Griff, um den Klotz k, durch den die Oeffnung für die Marken hindurchgeht,
und an dessen Stirnseite, wie in Fig. 7 angedeutet, die
Nummern der Marken, welche in den betreffenden Kasten gehören, angeschrieben sind,
hereinziehen und so die Einwurfsöffnung verschließen zu können.
Die sich so in jedem Kasten vorfindenden Marken werden sogleich nach jedesmaliger
Schließung des betreffenden Einganges auf ein Brett, welches ähnlich wie ein
Schriftsetzerkasten in circa 200 fortlaufend nummerirte,
dem Durchmesser der
Marken angemessene Fächer eingetheilt ist, gesteckt, und zwar in jedes Fach stets
nur die mit ihm gleichnummerirten Marken. Früh, wenn alle Arbeiter eingetreten sind,
muß sich unter jeder Nummer des Brettes die weiße Marke finden, nach Mittag die
weiße und gelbe und nach Vesper die weiße, gelbe und braune. Hat ein Arbeiter den
Eintritt zu einer Zeit versäumt, so fehlt unter seiner Nummer, in dem Fache des
Controlbrettes, die entsprechende Marke.
Es hat noch nie ein Arbeiter die Marke für einen Abwesenden eingesteckt, da dieß
sofort, ohne Nachsicht, Bestrafung wegen Betrugs nach sich zieht. Durch den Vormann
jeder Werkstätte würde das Fehlen eines Arbeiters auch sogleich entdeckt werden, da
jener über die Anwesenheit der Arbeiter in der Werkstatt an das Controlbureau zu
berichten hat.
Wenn die Arbeiter des Abends aus dem Arsenal gehen, finden sie am Bureau das
Controlbrett offen ausgelegt, damit sich ein jeder ebensowohl von der richtigen
Notiznahme seiner Anwesenheit überzeugen, als auch die bei seiner Nummer steckenden
Marken heraus und an sich nehmen kann, um sie den folgenden Tag in gleicher Weise
von Neuem zu gebrauchen.
Jeden Sonnabend, dem Tage der Lohnzahlung, findet jeder Arbeiter in dem Fache des
Controlbrettes neben seinen Marken ein kleines, ebenfalls mit der Nummer, welche der
Arbeiter führt, bedrucktes Billet, auf dem der Betrag seines Lohnes, der Zeit der
täglichen Anwesenheit während der Woche entsprechend, bemerkt ist. Mit diesem
Billetchen begibt sich der Arbeiter zur Zahlung, welche durch das Controlbureau
schon so weit vorbereitet ist, daß sie in einer bloßen Austheilung der verschiedenen
Lohnbeträge besteht. Zu diesem Zwecke werden letztereVom Zahlmeister nach den Listen des Controlbureau's. in baarem Gelde, ganz so wie alltäglich die Controlmarken in die nummerirten
Fächer der Controlbretter, auf Zahlbretter, welche gerade wie jene eingetheilt und
nummerirt sind, gelegt. Jedes Zahlbrett beaufsichtigt sodann ein Vormann einer
Werkstatt. Die Arbeiter gehen an dem Brette, welches ihre Nummern und dabei ihren
Lohn enthält, in möglichster Reihenfolge, mit dem erwähnten Billetchen in der Hand,
vorüber, ein jeder ruft im Vorübergehen die Nummer seines Billets aus, erhält das
Geld, welches auf derselben Nummer des Zahlbretts liegt, vom Vormann, und händigt
diesem als Quittung über den richtigen Empfang seines Wochenlohns das Billet ein,
welches wieder in das Controlbureau zurückgegeben wird.
Auf diese Weise werden sämmtliche im Arsenal zu Woolwich beschäftigten Arbeiter
controlirt, und erhalten darnach allsonnabendlich ihren Lohn. Diese Zahlungen gehen
mit größter Ruhe und Ordnung und dabei mit einer so wunderbaren Schnelligkeit von
statten, daß vierhundert Mann (jeder einzeln) in eilf Minuten in Besitz ihres Lohnes sind.