Titel: | Benutzung der aus den Frischfeuern entweichenden Flamme zum Glühen von Eisen, Kupfer und andern Metallen; von dem Ingenieur Eugen Karr zu Paris. |
Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LV., S. 198 |
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LV.
Benutzung der aus den Frischfeuern entweichenden
Flamme zum Glühen von Eisen, Kupfer und andern Metallen; von dem Ingenieur Eugen Karr zu Paris.
Aus Armengaud's Publication industrielle, t. IX, p.
87.
Karr, über Benutzung der aus den Frischfeuern entweichenden Flamme
zum Glühen von Eisen etc.
Wir haben im polytechn. Journal Bd. CXXX S.
30 den von Hrn. Karr construirten sinnreichen
Apparat zur Benutzung der Frischfeuerflamme beschrieben und die Vortheile
nachgewiesen, welche derselbe für den Eisenhüttenbetrieb gewährt. Die in mehreren
Hütten damit erlangten guten Resultate wiesen eine bedeutende
Brennmaterial-Ersparung auf das Bestimmteste nach.
Später hat man den Karr'schen Apparat auch in der Hütte zu
Pontens im Heiden-Departement eingeführt, und es sind sehr genaue
vergleichende Versuche angestellt worden, deren Resultate wir hier mittheilen
wollen.
1. Die vor der Einführung des Karr'schen Apparates in der
Hütte zu Pontens gebräuchlichen unbedeckten Frischfeuer
gaben bei jeder Luppe folgende Resultate:
eingeschmolzenes Roheisen
85 Kilogr.
zugeschlagenes altes Eisen
5
„
––––––––
Rohmaterialien
90 Kilogr.
Verbrauch an Fichtenkohlen aus den Heiden 5 1/2 Körbe à 110 Liter = 605 Liter, d.h. 17,8 Pariser Kubikfuß.
Aus diesen 90 Kilogr. Rohmaterial erfolgten:
gezängte Luppenstücke
76 Kilogr.,
d.h.
1185 Kil.
Roheisen
zu
1000 Kil.
Eisen
ausgeschweißte Kolben
60,5 „
„
1375 „
„
„
„ „
„
fertiges Stabeisen
62,5 „
„
1438 „
„
„
„ „
„
Die mittlere Zeit die zum Frischen einer Luppe und zu deren Ausschmieden erforderlich
ist, beträgt 3 Stunden und 10 Minuten.
2. Die bedeckten und nach dem Karr'schen System eingerichteten Frischfeuer haben für jede Luppe folgende
Resultate gegeben:
eingeschmolzen wurden an Roheisen
85 Kilogr.
zugeschlagen an Brucheisen
5
„
––––––––
Rohmaterial
90 Kilogr.
Verbraucht wurden an fichtenen Kohlen 4,70 Körbe = 517 Liter = 15,1 Kubikfuß.
Aus diesen 90 Kilogr. Rohmaterial sind erfolgt:
gezängte Luppenstücke
78 Kilogr.,
d.h.
1153 Kil.
Roheisen
zu
1000 Kil.
Eisen
ausgeschweißte Kolben
65,5 „
„
1375 „
„
„
„ „
„
fertiges Stabeisen
63,5 „
„
1414 „
„
„
„ „
„
Die mittlere Zeit, welche zum Frischen und Ausschmieden erforderlich war, betrug 2
Stunden 20 Minuten.
Man sieht, daß der Unterschied bei dem Kohlenverbrauch ein sehr wesentlicher ist,
indem in den gewöhnlichen Frischfeuern zur Darstellung von 1000 Kilogr. Stabeisen
9,40 Kubikmeter und zur Erzeugung derselben Quantität in den neuen Feuern nur 8
Kubikmeter, d.h. zu 100 Pfd. 12,4 rhein. Kubikfuß fichtene Kohlen erforderlich
sind.
3. Die Beschaffenheit des producirten Eisens ist sehr gut und die große Hitze der
offenen Feuer fällt bei den bedeckten weg und ist den Arbeitern nicht mehr
hinderlich.
4. Der von den Frischfeuerflammen gefeuerte Glühofen gestattete, während des
Frischens von 90 Kilogr. Roheisen, das Glühen fast bis zur Schweißhitze von 400 Kil.
Kolben in zwei Hitzen von 200 Kil., welche zu Eisen aller Art ausgewalzt wurden,
oder das Glühen von 5 bis 600 Kil. Kolben von 10 bis 15 Kil. jeder, in zwei Hitzen
zu 250 bis 300 Kil., das
Auswalzen derselben zu Platinen und das Spalten derselben zu Schneideisen.
5. Der mittlere Abbrand bei dem verwalzten oder gespaltenen Eisen belief sich auf 5
Proc., allein es würde derselbe offenbar geringer gewesen seyn, wenn das Walzwerk zu
Pontens sich nicht so langsam bewegte, so daß das Ausstrecken einer Hitze mehr als
eine halbe Stunde erforderte, daher das zur höchsten Gluth gelangte Eisen noch im
Ofen bleiben und natürlich verbrennen mußte.
6. Das auf diese Weise geglühte Eisen ließ in Beziehung auf Qualität und äußeres
Ansehen nichts zu wünschen übrig.
Dieser Ofen ersetzt daher sehr vortheilhaft den Glühofen, der bis zur Einführung des
neuen Verfahrens zu Pontens im Gange war und mit Torf und Fichtenholz gefeuert
wurde. Die Feuerungskosten betrugen in jeder täglichen Schicht 62 Franken, welche
durch die Karr'schen Einrichtungen gänzlich erspart
wurden. – Kurz, es lassen dieselben nichts zu wünschen übrig und übertreffen
noch die Angaben des Erfinders.
Dem amtlichen Berichte des kaiserl. Bezirks-Ingenieurs über die Anlage
entnehmen wir Nachstehendes:
1. Die Verbesserungen und Ersparungen an Zeit und Brennmaterial, welche durch diese
neue Einrichtung der Frischfeuer erreicht worden, betragen 1/6 Brennmaterial und 50
Minuten bei jeder Luppe.
2. Die Resultate des Glühofens beweisen, daß während eines Frischens, 400 Kil. Kolben
von den schwächsten bis zu den stärksten von 35 bis 40 Kil., zu allen Eisensorten,
stark und schwach ausgezogen werden konnten, die nach dem Erkalten vollkommen blau
waren und in jeder Beziehung nichts zu wünschen übrig ließen.
„Demnach bin ich überzeugt“, setzt der Berichterstatter hinzu,
„daß die erlangten Resultate nur die unterste Gränze von denen
bezeichnen, welche der Karr'sche Apparat in Beziehung
auf die Ersparungen gewähren kann. Die Arbeiter waren nämlich dem neuen
Verfahren sehr abgeneigt, und es mußten daher bei den vergleichenden Arbeiten
die nach der alten Methode ausgeführten sehr gut seyn, während die Resultate des
neuen Betriebes nur sehr schlecht seyn konnten. Hr. Karr hatte gegen die systematische Widerspänstigkeit zu kämpfen,
welche Arbeiter gewöhnlich dann zeigen, wenn sie gewohnte Verfahrungsarten
aufgeben und sich eine neue Betriebsmethode aneignen sollen. Haben sie in dieser
erst die gehörige Routine erlangt, so werden die Resultate weit besser seyn.
– Jedenfalls wird die Erfindung für die Hütten mit Holzkohlenbetrieb von
großem Nutzen seyn, und es steht daher auch zu hoffen, daß sie sich beeilen
werden, dieselbe anzunehmen.“