Titel: | Ueber die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der Resultate; von Dr. Adolph Poppe. |
Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXXVII., S. 259 |
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LXXVII.
Ueber die Anwendung des elektromagnetischen
Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des
Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der
Resultate; von Dr. Adolph Poppe.Aus dem Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für
1852–1853.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Poppe, über die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur
Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen.
Unter den zur Messung sehr kleiner Zeittheilchen dienlichen Vorrichtungen hat in
neuerer Zeit das zuerst von Wheatstone angegebene und von
dem Mechanicus Hipp verbesserte elektromagnetische
ChronoskopBeschrieben im polytechn. Journal, 1849, Bd. CXIV S. 255; man sehe auch Bd.
CXXV S. 12. A. d. Red. von Seiten der Physiker allgemeine Anerkennung gefunden. Dasselbe eignet
sich besonders zur Messung der Geschwindigkeit der Geschosse, sowie zur directen
Bestätigung des Gesetzes der Bewegung frei fallender Körper. Soll mit dem
Instrumente die Zeit gemessen werden, welche eine Flintenkugel zur Zurücklegung
einer gemessenen kurzen Strecke braucht, um daraus ihre Anfangsgeschwindigkeit
abzuleiten, so pflegt man die Einrichtung so zu treffen, daß die Kugel bei ihrem
Austritt aus der Mündung des Gewehrs einen quer über dieselbe gespannten, in die
galvanische Kette eingeschalteten Draht zerreißt und dadurch den Strom unterbricht.
In diesem Momente beginnen die Zeiger eines Zifferblattes mit einer bekannten
gleichförmigen Geschwindigkeit umzulaufen. An ihrem Ziel angekommen, prallt die
Kugel gegen eine bewegliche Fläche, die wir Fangplatte
oder Fangscheibe nennen wollen, drängt diese eine kleine
Strecke zurück und bewirkt dadurch den Schluß der galvanischen Kette. In dem
nämlichen Augenblicke steht das Zeigerwerk still. Man kann daher an dem Zifferblatt
die Zeit ablesen, welche während der Unterbrechung der Kette, d.h. während der
Bewegung der Kugel, verflossen ist. Aehnlich verhält es sich bei den Fallversuchen,
wo die Kette geschlossen ist, so lange die Metallkugel an der Stelle von welcher sie
herabfallen soll, durch eine Zange festgehalten wird, mit dem Beginn des Falles aber
geöffnet und in dem Momente wieder geschlossen wird, wo die Kugel durch ihren Stoß
eine bewegliche Platte um eine kleine Strecke zurückgedrängt hat.
Im Laufe des verflossenen Jahres wurde in einer der gewöhnlichen Versammlungen des
physikalischen Vereins zu Frankfurt a. Main von Hrn.
Professor Dr. Böttger vor
einem zahlreichen Auditorium eine Reihe ballistischer Versuche mit dem Hipp'schen
Chronoskop angestellt, denen auch der Verfasser dieser Abhandlung beiwohnte. An ein
starkes hölzernes Gestell war ein kleiner Lauf von 4 Par. Linien innerem Durchmesser
befestigt, welcher mittelst eines Percussionsschlosses abgefeuert wurde. Die
bleierne Kugel wog 1/4 Loth. Bei der ersten Versuchsreihe betrug die Entfernung der
Scheibe von der Mündung des Laufs 5 Fuß 10 Linien Par. M.; bei der zweiten 42 Fuß 2
Zoll 5 Linien. Folgende Tabelle enthält die durch das Chronoskop angegebene Zeit, in
welcher die Kugel bei 9 hintereinander angestellten Versuchen jene Strecke von 5 Fuß
10 Linien zurücklegte, und die hieraus berechnete Geschwindigkeit, wobei die
zwischen dem jedesmaligen Oeffnen und Schließen der Kette verflossene Zeit als die
Zeit betrachtet wurde, welche die Kugel brauchte, um die erwähnte Strecke
zurückzulegen.
Distanz = 5 Fuß 10 Linien.
Nr.
Zeit.
Geschwindigkeit.
1
0,018 Secund.
281 Fuß per Secunde
2
0,026 „
195
„
„
3
0,029 „
174
„
„
4
0,030 „
169
„
„
5
0,031 „
163
„
„
6
0,032 „
158
„
„
7
0,032 „
158
„
„
8
0,040 „
126
„
„
9
1 „
123
„
„
Was bei dem ersten Blick auf diese Tabelle auffällt, sind nicht nur die
unverhältnißmäßig großen Unterschiede in den Ergebnissen der einzelnen Versuche,
sondern auch Geschwindigkeiten überhaupt, wie sie der Erfahrung gemäß bei derartigen
Geschossen in der Wirklichkeit nicht stattfinden können. Daß die Resultate
wiederholter ballistischer Versuche, selbst bei vollkommen gleicher Quantität und
Qualität des Pulvers, und Beobachtung aller möglichen Vorsicht, mehr oder weniger von einander
abweichen werden, ist vorauszusehen; denn schon ein mehr oder weniger festes
Aufstoßen der Ladung kann unter gleichen übrigen Umständen einen Einfluß auf die
Geschwindigkeit der Kugel ausüben. Aber eben so begreiflich ist es, daß die
Geschwindigkeit nie zwischen solchen Gränzen, wie sie obige Tabelle darlegt,
schwanken kann. Außerdem unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Pistolenkugel,
welche ein Brett durchbohrt, eine weit größere Geschwindigkeit als 281 Fuß per Secunde (die höchste Geschwindigkeit in obiger
Versuchsreihe) hat.
Da diese von der einfachen bis zur doppelten Zeit und darüber schwankenden und
hinsichtlich ihrer Richtigkeit aller Wahrscheinlichkeit entbehrenden Resultate bei
manchem der Anwesenden Zweifel an den Leistungen des Chronoskops und seiner
Brauchbarkeit für derartige Zwecke zu erregen schienen, so fand ich mich veranlaßt,
der Sache näher auf den Grund zu gehen. Ich kam bald zu dem Schlusse, daß die Quelle
jener unregelmäßigen und offenbar fehlerhaften Resultate nicht im Chronoskop selbst
zu suchen sey, sondern einerseits in der Construction des Apparates, welcher die
Kugel auffängt und in Folge ihres Stoßes den Schluß der Kette bewerkstelligt,
andererseits in dem Umstande, daß man den Zeitintervall zwischen Oeffnung und
Schließung der galvanischen Kette gewöhnlich als die Zeit betrachten zu können
glaubt, welche die Kugel zum Zurücklegen der gemessenen Distanz braucht. Diese
letztere Annahme würde aber nur dann richtig seyn, wenn die Ankunft der Kugel an
ihrem Ziel und die Schließung der Kette in einen und denselben Moment zusammenfiele.
Würde die von der Kugel getroffene Scheibe ihren zur Herstellung des galvanischen
Contactes erforderlichen Spielraum mit der Geschwindigkeit der Kugel zurücklegen, so
wäre das Aufprallen der Kugel und die Schließung der Kette ohne wahrnehmbaren Fehler
als coincidirend zu betrachten. Nun kommt aber die träge Masse der Fangscheibe mit
ins Spiel, und dieses ist ein Umstand, welcher die Geschwindigkeit nach dem Stoß
dergestalt vermindern kann, daß, so klein auch die Rückbewegung der Scheibe seyn
mag, die Coincidenz jener beiden Momente, ohne bemerkbaren Fehler, nicht mehr
angenommen, und die am Chronoskop beobachtete Zeit nicht mehr als Maaßstab zur
Beurtheilung der Geschwindigkeit betrachtet werden darf. So wog z.B. die eiserne
Fangscheibe bei der obigen Versuchsreihe 181 Loth, die bleierne Kugel 1/4 Loth.
Demnach bewegte sich, den Gesetzen des Stoßes unelastischer Körper gemäß, die
Scheibe nach erfolgtem Stoße mit einer 725mal kleineren Geschwindigkeit als die
Kugel vor dem Stoß. Hieraus geht hervor, daß die beobachteten Zeiträume zu groß,
mithin die daraus
abgeleiteten Geschwindigkeiten zu klein sind und einer Correction bedürfen, welche
sich theoretisch bestimmen läßt.
Da die Art der Bewegung der Fangscheibe innerhalb des ihr angewiesenen Spielraums
entweder eine parallele, wie bei der den obigen Versuchen
zu Grunde liegenden Einrichtung, oder eine drehende seyn
kann, wie bei der zweiten Versuchsreihe, auf die ich unten zurückkommen werde, so
sollen bei der folgenden Untersuchung diese beiden Fälle berücksichtigt werden.
I. Fangapparat mit Parallelbewegung. Es bezeichne s die gemessene Distanz von der Mündung des Laufs bis
zur Oberfläche der Fangscheibe; δ den zur
Herstellung des Contactes erforderlichen Spielraum der letzteren; p das Gewicht der Kugel; P
das Gewicht der Scheibe; V die zu ermittelnde
Geschwindigkeit vor dem Stoß; v die Geschwindigkeit der
Masse nach dem Stoß; t die am Chronoskop beobachtete
Zeit. Die letztere besteht aus zwei Abschnitten, nämlich aus der Zeit, in welcher
die Kugel die Strecke s, und aus der Zeit, in welcher
die Fangplatte nach erfolgtem Stoße die kleine Strecke δ zurücklegt. Bezeichnet man den ersten Zeitabschnitt mit x, so ist der letztere = t
– x. Es ist demnach die Geschwindigkeit vor dem Stoß
V = s/x
und die Geschwindigkeit nach dem
Stoß
1) v =
δ/(t – x) = δV/(Vt – s).
Aber nach dem Gesetze des Stoßes unelastischer Körper ist
2) v =
pV/(P + p),
also durch Gleichsetzung beider Werthe 1 und 2, indem man
gleichzeitig durch V dividirt:
δ/(Vt – s) = p/(P + p), woraus
3) V =
(s + δ)/t + Pδ/pt.
Nach dieser Formel läßt sich die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoße aus der
beobachteten Zeit, dem Gewichte und Spielraum der Fangplatte, dem Gewichte der Kugel
und dem Abstande der Fangplatte von der Mündung des Laufs bestimmen, Reibung und
andere Nebenhindernisse bei Seite gesetzt. Das erste Glied dieses Ausdruckes repräsentirt die
Geschwindigkeit der Kugel für die wiewohl unrichtige Annahme, daß die beobachtete
Zeit mit derjenigen, in welcher sie die Strecke s + δ zurücklegt, identisch sey, während das zweite
Glied der gesuchte Werth der additiven Correction ist; und dieser fällt um so größer
aus, je größer das Gewicht P der Scheibe so wie ihr
Spielraum δ, und je kleiner das Gewicht p der Kugel ist. Der Fangapparat bestand bei den oben
erwähnten Versuchen aus einer 11 Par. Zoll im Durchmesser haltenden und, wie bereits
bemerkt, 5 Pfund 21 Loth oder 181 Loth schweren kreisrunden eisernen Scheibe, welche
im Centrum an eine 1/2 Zoll dicke Achse befestigt war, die sich zur Herstellung des
galvanischen Contactes in geeigneten Lagern ungefähr um 1/2 Linie zurückschieben
ließ. Mit Bezug auf die Formel (3) ist daher, wenn man die Gewichte auf Lothe und
die Dimensionen auf Linien reducirt: P = 181; p = 0,25; s = 730; δ = 0,5. Hieraus folgt mit Zugrundelegung der
ersten Beobachtung d.h. für t = 0,018 Sec.
V = 730,5/0,018 + (181 . 0,5)/(0,25 . 0,018) = 281 +
139,6 = 420,6 Par. Fuß.
Die Geschwindigkeit der Kugel würde demnach unter alleiniger Berücksichtigung der in
Rede stehenden Verhältnisse 420,6 anstatt 281 Fuß betragen – ein Unterschied,
welcher in der Wirklichkeit noch größer ausfällt, da bei obiger Berechnung
Reibungswiderstand und andere Nebenhindernisse nicht in Betracht gezogen sind.
Was endlich jene auffallende Verschiedenheit der Resultate unter sich anbelangt, so läßt sich diese leicht aus einem unter den
obwaltenden Umständen unvermeidlich veränderlichen Widerstande der Scheibe
erklären.
Eine normale Wirkung konnte nämlich nur dann stattfinden, wenn die Kugel das Centrum
der Scheibe traf. War dagegen der Stoß der Kugel kein centraler, so erfolgte jene
kleine Rückbewegung der Scheibe unter einer um so größeren Klemmung, mithin um so
langsamer, je näher der Stoßpunkt an ihrem Rande lag. Und in der That entging der
Zusammenhang, in welchem die jedesmalige Beobachtung einer größeren Zeitdauer mit
der Annäherung des Stoßpunktes gegen den Rand der Scheibe stand, den Anwesenden
nicht.
II. Fangapparat mit drehender Bewegung. Diese Vorrichtung
besteht gewöhnlich aus einer hinreichend starken viereckigen Platte, welche wie ein
Fensterflügel um eine ihrer Kanten drehbar ist. Der galvanische Contact wird in der
Mitte der äußersten Kante, welche der Drehungsachse parallel läuft, bewerkstelligt.
Daß auch bei dieser Anordnung die am Chronoskop abgelesene Zeit, und die gemessene
Distanz der Fangplatte von der Mündung des Laufs, als Elemente zur Bestimmung der
Geschwindigkeit des Geschosses nicht genügen, folgt schon aus dem die Herstellung
des Contactes verzögernden Trägheitsmomente der Platte.
Außerdem werden aber auch die beobachteten Zeiten verschieden
unter sich ausfallen müssen, weil die Geschwindigkeit der Rückbewegung nach
dem Stoße nicht allein von der trägen Masse der Fangplatte, sondern auch von der
voraussichtlich bei jedem Schusse sich ändernden Entfernung des Stoßpunktes von der
Drehungsachse abhängt. Es würde demnach jeder einzelne Versuch seine besondere
Correction erfordern.
Um nun aus der am Chronoskop beobachteten Zeit und dem gegebenen Abstande der
Fangplatte von der Mündung des Laufs, unter Berücksichtigung des Gewichtes der
Platte, ihres Spielraums und der Lage des Stoßpunktes, die effective Geschwindigkeit
des Geschosses zu ermitteln, stelle Fig. 22 die viereckig
prismatische Fangplatte in perspectivischer Ansicht dar. XY sey ihre Drehungsachse, AD die zur Platte senkrechte Schußlinie, D der Stoßpunkt, CD =
r der Hebelarm der Stoßkraft. P bezeichne die Masse der Fangplatte; p die
Masse der Kugel; M das Trägheitsmoment der Fangplatte in
Beziehung auf die Achse XY; P¹ ihre auf den Punkt D reducirte Masse; b ihre
Dicke; l ihre Länge BC, welche im vorliegenden Falle zugleich dem Halbmesser der Contactstelle
entspricht; endlich V die Geschwindigkeit vor und v die Geschwindigkeit
nach dem Stoß.
Man findet sofort die auf den Stoßpunkt D reducirte Masse
der Platte, indem man ihr Trägheitsmoment durch das Quadrat des Hebelarms des
Stoßpunktes dividirt, d.h.
I.) P¹ = M/r².
Nun ist die Geschwindigkeit der Platte nach dem Stoß im Punkte
D
v = pV/(P¹ + p)
oder, indem man den Werth für P¹ aus I substituirt,
II.) v =
pr²V/(M +
pr²).
Für das Trägheitsmoment M ergibt
sich, nach bekannten Principien der höheren Mechanik, der Werth
M = P (1/3 l² + 1/12 b²).
Substituirt man diesen Werth in II, so folgt
III.) Textabbildung Bd. 132, S. 265
Ist nun, was bei Voraussetzung einer eisernen Fangplatte wohl
angenommen werden darf, die Dimension b gegen die
Dimension l sehr klein, so kann ohne bemerkbaren Einfluß
auf das Resultat, 1/12 b² gegen 1/3 l² vernachlässigt werden. Es ist daher
v = pr²V/(⅓ Pl² + pr²);
und hieraus folgt
IV.) Textabbildung Bd. 132, S. 265
Bezeichnet nun wieder s den
Abstand des Stoßpunktes von der Mündung des Laufes, δ den kleinen als gerade Linie zu betrachtenden Bogen, welchen der
Punkt B zur Herstellung des Contactes durchlaufen muß,
v¹ seine Geschwindigkeit und t die am Chronoskop beobachtete Zeit, so ist zunächst,
ganz analog dem zuerst behandelten Fall,
v¹ = δV/(tV – s);
mithin, wegen v = r/l v¹,
v = r/l
δV/(tV – s).
Indem man diesen Werth für v in
den Ausdruck IV substituirt, ergibt sich nach gehöriger Reduction:
V.) V =
(δPl)/(3tpr) + (s + δr)/lt
als gesuchte Geschwindigkeit des Geschosses, ohne Rücksicht
auf Reibung und Widerstand der Luft an der Platte.
Um mittelst dieser Formel durch ein praktisches Beispiel anschaulich darzulegen,
welch bedeutenden Einfluß Masse und Spielraum der Fangplatte, so wie die Lage des
Stoßpunktes auf das Resultat haben kann, will ich annehmen, die Entfernung s sey = 6 Fuß, der Spielraum δ = 1/2 Linie = 1/288 Fuß und die beobachtete Zeit t = 0,012 Sec. Alsdann würde sich, ohne Berücksichtigung
der obigen Verhältnisse, für die Geschwindigkeit des Geschosses einfach der
Werth
V = (s +
δ)/t = (6 +
¹/₂₈₈)/0,012 = 500,2 Fuß
herausstellen. Berücksichtigt man aber Lage des Stoßpunktes,
Masse und Spielraum, nimmt z.B. an, die Kugel treffe die Mitte der Platte, deren
Länge l = 1 Fuß seyn soll, wodurch r = 1/2 Fuß wird, behält für das Gewicht der Platte und
der Kugel die im vorhergehenden Fall gegebenen Werthe, nämlich P = 181 Loth und p = 1/4
Loth bei, und setzt endlich diese in die Formel V, so
ergibt sich als corrigirte Geschwindigkeit
V = 639,7 Fuß,
welche um 139,5 Fuß größer ist als die obige. Dieser
Geschwindigkeitsunterschied ändert sich aber mit der Lage des Stoßpunktes und steht
im umgekehrten Verhältniß zum Hebelarm r desselben, so
daß er für r = 1/4 Fuß doppelt so groß, mithin die
Geschwindigkeit V = 779,4 Fuß ausfallen würde.
Die Wahrnehmung des ungünstigen Erfolges, welcher in der ersten Versuchsreihe zum
Vorschein kam, veranlaßte Hrn. Professor Böttger, mit dem
Fangapparat eine Veränderung vorzunehmen, nämlich die Parallelbewegung der Scheibe
in eine drehende zu verwandeln und zugleich das Gewicht der Fangscheibe zu
vermindern. Fig.
23 stellt eine Skizze dieser Vorrichtung in der Seitenansicht dar. A ist die kreisrunde Fangscheibe, welche dießmal aus
einem eisernen Reif besteht, der mit einem feinen Drahtgewebe überspannt und an den
einen Arm eines um a drehbaren Hebels befestigt ist. b, d ist der um c drehbare
horizontale Contacthebel, dessen Ende d durch den Druck
der Feder m beständig das Bestreben erhält, mit dem Ende
n des Leitungsdrahtes sich zu vereinigen und die
Kette zu schließen. Um einen Versuch anzustellen, bringt man das Ende b des Contacthebels unter das Ende des verticalen Hebels
in die Fig.
23 dargestellte Lage, wodurch das Ende d mit
seiner Schraube ein wenig von n entfernt und die Kette
geöffnet wird. Sobald nun die Kugel das Drahtgewebe des Reifes A durchdringt, bewegt sich der letztere in Folge der
dadurch erhaltenen momentanen Erschütterung zurück, das untere Ende b seines Hebels löst den horizontalen Hebel aus, dessen
anderes Ende sofort mit n in Contact kommt und die Kette
schließt. B ist eine feststehende eiserne Scheibe zur
Auffangung der durch das Drahtgewebe gegangenen Kugeln. Der Reif A hat einen Durchmesser von 7 3/4 Par. Zoll und wiegt 1
Pfund 10 1/2 Loth; sein Mittelpunkt ist 4,7 Zoll von der Drehungsachse entfernt und
muß sich, bis die Auslösung des Contacthebels erfolgt, um 0,6 Linien zurückbewegen.
Demnach ist bei dieser Anordnung der Zeitintervall zwischen dem Momente der
Durchdringung des Drahtgewebes und demjenigen der Herstellung des galvanischen
Contactes aus zwei Elementen zusammengesetzt, nämlich aus der Zeit, welche der
Mittelpunkt des Reifes
braucht, um in Folge des Impulses der Kugel die Strecke von 0,6 Par. Linien
zurückzulegen, nebst dem kleinen Zeittheilchen, welches die Bewerkstelligung des
Contactes zwischen den Punkten d und n erfordert. Daß die ballistischen Versuche mit
Benutzung dieses zweiten Fangapparates einen ähnlichen ungünstigen Erfolg hatten,
wie die mit dem ersten, erkennt man aus der folgenden Versuchsreihe.
Distanz = 42 Fuß 2 Zoll 5 Linien.
Nr.
Zeit.
Geschwindigkeit.
1
0,106 Secund.
398 Fuß per Secunde
2
0,232 „
182
„
„
3
0,148 „
285
„
„
4
0,255 „
165
„
„
5
0,351 „
120
„
„
Diese unbefriedigenden und schwankenden Resultate finden in der vorangegangenen
Untersuchung ihre Erklärung.
III. Vorschlag eines verbesserten Fangapparates. Die im
Vorhergehenden dargelegten Verhältnisse führen zu dem Schluß, daß bei ballistischen
Geschwindigkeitsversuchen mit dem Chronoskop das Trägheitsmoment der Fangplatte und
die ungleiche Wirkung der Stoßkraft es hauptsächlich sind, auf deren Verminderung
und Beseitigung ein besonderes Augenmerk zu richten ist, wenn die Geschwindigkeit
des Geschosses ohne weiteres aus der beobachteten Zeit und der gemessenen Distanz
abgeleitet werden soll. Diesem Zweck dürfte wohl folgende Einrichtung des
Fangapparates, welche Fig. 24 in einer
Seitenskizze dargestellt ist, am vollständigsten entsprechen. Fig. 25 ist die vordere
Ansicht der Fangscheibe oder Fangplatte A. Dieselbe ist
bei a und b an den Enden
zweier an einer Achse d, d befestigter Arme a, d und b, d aufgehängt.
Die Achse d, d enthält noch einen dritten Arm d, f, welcher im Verein mit den Armen b, d und a, d einen
zweiarmigen Hebel bildet. An einem dritten Punkte bei c
ist die Scheibe mit einem um k drehbaren Hebel m, n (Fig. 24) verbunden. Die
Hebelarme k, m und d, f sind
einander gleich, und da sie an ihren Enden durch eine Stange m, f mit einander verbunden sind, so müssen sie sich gemeinschaftlich und
parallel zu einander bewegen. Da nun aber auch die Hebelarme ck und da (Fig. 24)
einander gleich sind, so haben die drei Aufhängungspunkte a,
b, c der Scheibe stets die gleiche Geschwindigkeit. Die Scheibe wird sich daher durch den
Impuls der Kugel parallel mit sich selbst in unveränderlich senkrechter Lage
zurückbewegen. Diese Anordnung bietet zugleich die aus den Gesetzen der Statik
leicht nachzuweisende wichtige Eigenschaft dar, daß die Wirkung des Stoßes gegen die
Scheibe, auf den Punkt c des Hebels m, n reducirt, sich gleich bleibt, an welcher Stelle
auch die Scheibe von der Kugel getroffen werden möge, daß also jeder Stoß mit
einerlei Stärke auf die Drehung des Hebels mn
wirkt, gleichgültig, ob er gegen eine höhere oder tiefere Stelle, ob er gegen das
Centrum oder den Rand der Scheibe gerichtet ist. Es ist somit durch diese Methode
der Aufhängung die Ursache jener Verschiedenheit der Resultate unter sich in Folge
der veränderlichen Lage des Stoßpunktes beseitigt. Die Auslösung des Hebels n, o zur Herstellung des galvanischen Contactes bei o kann auf ähnliche Weise, wie bei der Einrichtung Fig. 23
bewerkstelligt werden, wobei man noch darauf bedacht seyn mag, durch eine geeignete
Hebellänge kn eine möglichst momentane Auslösung
bei n zu erzielen. Will man die Kugel ganz durch die
Scheibe A auffangen lassen, so ist es nicht zu
vermeiden, der letzteren ein im Verhältniß zur Kugel bedeutendes Gewicht zu geben.
Von der Größe der Bewegung des Hebels k, n bei n, welche erforderlich ist, um den Hebel n, o auszulösen, von dem Spielraum bei o, so wie von dem Hebelverhältniß kc: kn wird es
alsdann abhängen, ob die Herstellung des Contactes momentan genug erfolgt, um ohne
weitere Correction als mit dem Stoß der Kugel gegen die Scheibe coincidirend
betrachtet werden zu können. Der größeren Zuverlässigkeit wegen ist es jedoch
rathsam, die Fangplatte so leicht wie möglich zu construiren, etwa nur aus einem
leichten Reif oder Rahmen, welcher mit einem ganz dünnen Brett bedeckt oder mit
einem feinen Drahtgewebe überspannt ist, und die Kugel durch eine dahinter
befestigte eiserne Platte auffangen zu lassen. Ist der Apparat empfindlich genug
construirt, so genügt die leichte Erschütterung beim Durchgang der Kugel durch das
dünne Brett oder das Drahtgewebe zur momentanen Auslösung des Contacthebels. Es
versteht sich von selbst, daß der eigentliche Mechanismus gegen Beschädigungen durch
die Kugel geschützt seyn muß.