Titel: Ueber die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der Resultate; von Dr. Adolph Poppe.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXXVII., S. 259
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LXXVII. Ueber die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen, und über den Einfluß des Trägheitsmomentes der Fangscheibe sowie der Lage des Stoßpunktes auf die Genauigkeit der Resultate; von Dr. Adolph Poppe.Aus dem Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. für 1852–1853. Mit Abbildungen auf Tab. IV. Poppe, über die Anwendung des elektromagnetischen Chronoskops zur Ermittelung der Geschwindigkeit von Geschossen. Unter den zur Messung sehr kleiner Zeittheilchen dienlichen Vorrichtungen hat in neuerer Zeit das zuerst von Wheatstone angegebene und von dem Mechanicus Hipp verbesserte elektromagnetische ChronoskopBeschrieben im polytechn. Journal, 1849, Bd. CXIV S. 255; man sehe auch Bd. CXXV S. 12. A. d. Red. von Seiten der Physiker allgemeine Anerkennung gefunden. Dasselbe eignet sich besonders zur Messung der Geschwindigkeit der Geschosse, sowie zur directen Bestätigung des Gesetzes der Bewegung frei fallender Körper. Soll mit dem Instrumente die Zeit gemessen werden, welche eine Flintenkugel zur Zurücklegung einer gemessenen kurzen Strecke braucht, um daraus ihre Anfangsgeschwindigkeit abzuleiten, so pflegt man die Einrichtung so zu treffen, daß die Kugel bei ihrem Austritt aus der Mündung des Gewehrs einen quer über dieselbe gespannten, in die galvanische Kette eingeschalteten Draht zerreißt und dadurch den Strom unterbricht. In diesem Momente beginnen die Zeiger eines Zifferblattes mit einer bekannten gleichförmigen Geschwindigkeit umzulaufen. An ihrem Ziel angekommen, prallt die Kugel gegen eine bewegliche Fläche, die wir Fangplatte oder Fangscheibe nennen wollen, drängt diese eine kleine Strecke zurück und bewirkt dadurch den Schluß der galvanischen Kette. In dem nämlichen Augenblicke steht das Zeigerwerk still. Man kann daher an dem Zifferblatt die Zeit ablesen, welche während der Unterbrechung der Kette, d.h. während der Bewegung der Kugel, verflossen ist. Aehnlich verhält es sich bei den Fallversuchen, wo die Kette geschlossen ist, so lange die Metallkugel an der Stelle von welcher sie herabfallen soll, durch eine Zange festgehalten wird, mit dem Beginn des Falles aber geöffnet und in dem Momente wieder geschlossen wird, wo die Kugel durch ihren Stoß eine bewegliche Platte um eine kleine Strecke zurückgedrängt hat. Im Laufe des verflossenen Jahres wurde in einer der gewöhnlichen Versammlungen des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. Main von Hrn. Professor Dr. Böttger vor einem zahlreichen Auditorium eine Reihe ballistischer Versuche mit dem Hipp'schen Chronoskop angestellt, denen auch der Verfasser dieser Abhandlung beiwohnte. An ein starkes hölzernes Gestell war ein kleiner Lauf von 4 Par. Linien innerem Durchmesser befestigt, welcher mittelst eines Percussionsschlosses abgefeuert wurde. Die bleierne Kugel wog 1/4 Loth. Bei der ersten Versuchsreihe betrug die Entfernung der Scheibe von der Mündung des Laufs 5 Fuß 10 Linien Par. M.; bei der zweiten 42 Fuß 2 Zoll 5 Linien. Folgende Tabelle enthält die durch das Chronoskop angegebene Zeit, in welcher die Kugel bei 9 hintereinander angestellten Versuchen jene Strecke von 5 Fuß 10 Linien zurücklegte, und die hieraus berechnete Geschwindigkeit, wobei die zwischen dem jedesmaligen Oeffnen und Schließen der Kette verflossene Zeit als die Zeit betrachtet wurde, welche die Kugel brauchte, um die erwähnte Strecke zurückzulegen. Distanz = 5 Fuß 10 Linien. Nr.        Zeit.     Geschwindigkeit.  1 0,018 Secund. 281 Fuß per Secunde  2 0,026     „ 195   „         „  3 0,029     „ 174   „         „  4 0,030     „ 169   „         „  5 0,031     „ 163   „         „  6 0,032     „ 158   „         „  7 0,032     „ 158   „         „  8 0,040     „ 126   „         „  9        1     „ 123   „         „ Was bei dem ersten Blick auf diese Tabelle auffällt, sind nicht nur die unverhältnißmäßig großen Unterschiede in den Ergebnissen der einzelnen Versuche, sondern auch Geschwindigkeiten überhaupt, wie sie der Erfahrung gemäß bei derartigen Geschossen in der Wirklichkeit nicht stattfinden können. Daß die Resultate wiederholter ballistischer Versuche, selbst bei vollkommen gleicher Quantität und Qualität des Pulvers, und Beobachtung aller möglichen Vorsicht, mehr oder weniger von einander abweichen werden, ist vorauszusehen; denn schon ein mehr oder weniger festes Aufstoßen der Ladung kann unter gleichen übrigen Umständen einen Einfluß auf die Geschwindigkeit der Kugel ausüben. Aber eben so begreiflich ist es, daß die Geschwindigkeit nie zwischen solchen Gränzen, wie sie obige Tabelle darlegt, schwanken kann. Außerdem unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Pistolenkugel, welche ein Brett durchbohrt, eine weit größere Geschwindigkeit als 281 Fuß per Secunde (die höchste Geschwindigkeit in obiger Versuchsreihe) hat. Da diese von der einfachen bis zur doppelten Zeit und darüber schwankenden und hinsichtlich ihrer Richtigkeit aller Wahrscheinlichkeit entbehrenden Resultate bei manchem der Anwesenden Zweifel an den Leistungen des Chronoskops und seiner Brauchbarkeit für derartige Zwecke zu erregen schienen, so fand ich mich veranlaßt, der Sache näher auf den Grund zu gehen. Ich kam bald zu dem Schlusse, daß die Quelle jener unregelmäßigen und offenbar fehlerhaften Resultate nicht im Chronoskop selbst zu suchen sey, sondern einerseits in der Construction des Apparates, welcher die Kugel auffängt und in Folge ihres Stoßes den Schluß der Kette bewerkstelligt, andererseits in dem Umstande, daß man den Zeitintervall zwischen Oeffnung und Schließung der galvanischen Kette gewöhnlich als die Zeit betrachten zu können glaubt, welche die Kugel zum Zurücklegen der gemessenen Distanz braucht. Diese letztere Annahme würde aber nur dann richtig seyn, wenn die Ankunft der Kugel an ihrem Ziel und die Schließung der Kette in einen und denselben Moment zusammenfiele. Würde die von der Kugel getroffene Scheibe ihren zur Herstellung des galvanischen Contactes erforderlichen Spielraum mit der Geschwindigkeit der Kugel zurücklegen, so wäre das Aufprallen der Kugel und die Schließung der Kette ohne wahrnehmbaren Fehler als coincidirend zu betrachten. Nun kommt aber die träge Masse der Fangscheibe mit ins Spiel, und dieses ist ein Umstand, welcher die Geschwindigkeit nach dem Stoß dergestalt vermindern kann, daß, so klein auch die Rückbewegung der Scheibe seyn mag, die Coincidenz jener beiden Momente, ohne bemerkbaren Fehler, nicht mehr angenommen, und die am Chronoskop beobachtete Zeit nicht mehr als Maaßstab zur Beurtheilung der Geschwindigkeit betrachtet werden darf. So wog z.B. die eiserne Fangscheibe bei der obigen Versuchsreihe 181 Loth, die bleierne Kugel 1/4 Loth. Demnach bewegte sich, den Gesetzen des Stoßes unelastischer Körper gemäß, die Scheibe nach erfolgtem Stoße mit einer 725mal kleineren Geschwindigkeit als die Kugel vor dem Stoß. Hieraus geht hervor, daß die beobachteten Zeiträume zu groß, mithin die daraus abgeleiteten Geschwindigkeiten zu klein sind und einer Correction bedürfen, welche sich theoretisch bestimmen läßt. Da die Art der Bewegung der Fangscheibe innerhalb des ihr angewiesenen Spielraums entweder eine parallele, wie bei der den obigen Versuchen zu Grunde liegenden Einrichtung, oder eine drehende seyn kann, wie bei der zweiten Versuchsreihe, auf die ich unten zurückkommen werde, so sollen bei der folgenden Untersuchung diese beiden Fälle berücksichtigt werden. I. Fangapparat mit Parallelbewegung. Es bezeichne s die gemessene Distanz von der Mündung des Laufs bis zur Oberfläche der Fangscheibe; δ den zur Herstellung des Contactes erforderlichen Spielraum der letzteren; p das Gewicht der Kugel; P das Gewicht der Scheibe; V die zu ermittelnde Geschwindigkeit vor dem Stoß; v die Geschwindigkeit der Masse nach dem Stoß; t die am Chronoskop beobachtete Zeit. Die letztere besteht aus zwei Abschnitten, nämlich aus der Zeit, in welcher die Kugel die Strecke s, und aus der Zeit, in welcher die Fangplatte nach erfolgtem Stoße die kleine Strecke δ zurücklegt. Bezeichnet man den ersten Zeitabschnitt mit x, so ist der letztere = tx. Es ist demnach die Geschwindigkeit vor dem Stoß V = s/x und die Geschwindigkeit nach dem Stoß 1)    v = δ/(tx) = δV/(Vt – s). Aber nach dem Gesetze des Stoßes unelastischer Körper ist 2)    v = pV/(P + p), also durch Gleichsetzung beider Werthe 1 und 2, indem man gleichzeitig durch V dividirt: δ/(Vt – s) = p/(P + p), woraus 3)    V = (s + δ)/t + /pt. Nach dieser Formel läßt sich die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoße aus der beobachteten Zeit, dem Gewichte und Spielraum der Fangplatte, dem Gewichte der Kugel und dem Abstande der Fangplatte von der Mündung des Laufs bestimmen, Reibung und andere Nebenhindernisse bei Seite gesetzt. Das erste Glied dieses Ausdruckes repräsentirt die Geschwindigkeit der Kugel für die wiewohl unrichtige Annahme, daß die beobachtete Zeit mit derjenigen, in welcher sie die Strecke s + δ zurücklegt, identisch sey, während das zweite Glied der gesuchte Werth der additiven Correction ist; und dieser fällt um so größer aus, je größer das Gewicht P der Scheibe so wie ihr Spielraum δ, und je kleiner das Gewicht p der Kugel ist. Der Fangapparat bestand bei den oben erwähnten Versuchen aus einer 11 Par. Zoll im Durchmesser haltenden und, wie bereits bemerkt, 5 Pfund 21 Loth oder 181 Loth schweren kreisrunden eisernen Scheibe, welche im Centrum an eine 1/2 Zoll dicke Achse befestigt war, die sich zur Herstellung des galvanischen Contactes in geeigneten Lagern ungefähr um 1/2 Linie zurückschieben ließ. Mit Bezug auf die Formel (3) ist daher, wenn man die Gewichte auf Lothe und die Dimensionen auf Linien reducirt: P = 181; p = 0,25; s = 730; δ = 0,5. Hieraus folgt mit Zugrundelegung der ersten Beobachtung d.h. für t = 0,018 Sec. V = 730,5/0,018 + (181 . 0,5)/(0,25 . 0,018) = 281 + 139,6 = 420,6 Par. Fuß. Die Geschwindigkeit der Kugel würde demnach unter alleiniger Berücksichtigung der in Rede stehenden Verhältnisse 420,6 anstatt 281 Fuß betragen – ein Unterschied, welcher in der Wirklichkeit noch größer ausfällt, da bei obiger Berechnung Reibungswiderstand und andere Nebenhindernisse nicht in Betracht gezogen sind. Was endlich jene auffallende Verschiedenheit der Resultate unter sich anbelangt, so läßt sich diese leicht aus einem unter den obwaltenden Umständen unvermeidlich veränderlichen Widerstande der Scheibe erklären. Eine normale Wirkung konnte nämlich nur dann stattfinden, wenn die Kugel das Centrum der Scheibe traf. War dagegen der Stoß der Kugel kein centraler, so erfolgte jene kleine Rückbewegung der Scheibe unter einer um so größeren Klemmung, mithin um so langsamer, je näher der Stoßpunkt an ihrem Rande lag. Und in der That entging der Zusammenhang, in welchem die jedesmalige Beobachtung einer größeren Zeitdauer mit der Annäherung des Stoßpunktes gegen den Rand der Scheibe stand, den Anwesenden nicht. II. Fangapparat mit drehender Bewegung. Diese Vorrichtung besteht gewöhnlich aus einer hinreichend starken viereckigen Platte, welche wie ein Fensterflügel um eine ihrer Kanten drehbar ist. Der galvanische Contact wird in der Mitte der äußersten Kante, welche der Drehungsachse parallel läuft, bewerkstelligt. Daß auch bei dieser Anordnung die am Chronoskop abgelesene Zeit, und die gemessene Distanz der Fangplatte von der Mündung des Laufs, als Elemente zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Geschosses nicht genügen, folgt schon aus dem die Herstellung des Contactes verzögernden Trägheitsmomente der Platte. Außerdem werden aber auch die beobachteten Zeiten verschieden unter sich ausfallen müssen, weil die Geschwindigkeit der Rückbewegung nach dem Stoße nicht allein von der trägen Masse der Fangplatte, sondern auch von der voraussichtlich bei jedem Schusse sich ändernden Entfernung des Stoßpunktes von der Drehungsachse abhängt. Es würde demnach jeder einzelne Versuch seine besondere Correction erfordern. Um nun aus der am Chronoskop beobachteten Zeit und dem gegebenen Abstande der Fangplatte von der Mündung des Laufs, unter Berücksichtigung des Gewichtes der Platte, ihres Spielraums und der Lage des Stoßpunktes, die effective Geschwindigkeit des Geschosses zu ermitteln, stelle Fig. 22 die viereckig prismatische Fangplatte in perspectivischer Ansicht dar. XY sey ihre Drehungsachse, AD die zur Platte senkrechte Schußlinie, D der Stoßpunkt, CD = r der Hebelarm der Stoßkraft. P bezeichne die Masse der Fangplatte; p die Masse der Kugel; M das Trägheitsmoment der Fangplatte in Beziehung auf die Achse XY; P¹ ihre auf den Punkt D reducirte Masse; b ihre Dicke; l ihre Länge BC, welche im vorliegenden Falle zugleich dem Halbmesser der Contactstelle entspricht; endlich V die Geschwindigkeit vor und v die Geschwindigkeit nach dem Stoß. Man findet sofort die auf den Stoßpunkt D reducirte Masse der Platte, indem man ihr Trägheitsmoment durch das Quadrat des Hebelarms des Stoßpunktes dividirt, d.h. I.)    P¹ = M/r². Nun ist die Geschwindigkeit der Platte nach dem Stoß im Punkte D v = pV/(P¹ + p) oder, indem man den Werth für P¹ aus I substituirt, II.)    v = pr²V/(M + pr²). Für das Trägheitsmoment M ergibt sich, nach bekannten Principien der höheren Mechanik, der Werth M = P (1/3 l² + 1/12 b²). Substituirt man diesen Werth in II, so folgt III.) Textabbildung Bd. 132, S. 265 Ist nun, was bei Voraussetzung einer eisernen Fangplatte wohl angenommen werden darf, die Dimension b gegen die Dimension l sehr klein, so kann ohne bemerkbaren Einfluß auf das Resultat, 1/12 b² gegen 1/3 l² vernachlässigt werden. Es ist daher v = pr²V/(⅓ Pl² + pr²); und hieraus folgt IV.) Textabbildung Bd. 132, S. 265 Bezeichnet nun wieder s den Abstand des Stoßpunktes von der Mündung des Laufes, δ den kleinen als gerade Linie zu betrachtenden Bogen, welchen der Punkt B zur Herstellung des Contactes durchlaufen muß, v¹ seine Geschwindigkeit und t die am Chronoskop beobachtete Zeit, so ist zunächst, ganz analog dem zuerst behandelten Fall, v¹ = δV/(tVs); mithin, wegen v = r/l v¹, v = r/l δV/(tVs). Indem man diesen Werth für v in den Ausdruck IV substituirt, ergibt sich nach gehöriger Reduction: V.)     V = (δPl)/(3tpr) + (s + δr)/lt als gesuchte Geschwindigkeit des Geschosses, ohne Rücksicht auf Reibung und Widerstand der Luft an der Platte. Um mittelst dieser Formel durch ein praktisches Beispiel anschaulich darzulegen, welch bedeutenden Einfluß Masse und Spielraum der Fangplatte, so wie die Lage des Stoßpunktes auf das Resultat haben kann, will ich annehmen, die Entfernung s sey = 6 Fuß, der Spielraum δ = 1/2 Linie = 1/288 Fuß und die beobachtete Zeit t = 0,012 Sec. Alsdann würde sich, ohne Berücksichtigung der obigen Verhältnisse, für die Geschwindigkeit des Geschosses einfach der Werth V = (s + δ)/t = (6 + ¹/₂₈₈)/0,012 = 500,2 Fuß herausstellen. Berücksichtigt man aber Lage des Stoßpunktes, Masse und Spielraum, nimmt z.B. an, die Kugel treffe die Mitte der Platte, deren Länge l = 1 Fuß seyn soll, wodurch r = 1/2 Fuß wird, behält für das Gewicht der Platte und der Kugel die im vorhergehenden Fall gegebenen Werthe, nämlich P = 181 Loth und p = 1/4 Loth bei, und setzt endlich diese in die Formel V, so ergibt sich als corrigirte Geschwindigkeit V = 639,7 Fuß, welche um 139,5 Fuß größer ist als die obige. Dieser Geschwindigkeitsunterschied ändert sich aber mit der Lage des Stoßpunktes und steht im umgekehrten Verhältniß zum Hebelarm r desselben, so daß er für r = 1/4 Fuß doppelt so groß, mithin die Geschwindigkeit V = 779,4 Fuß ausfallen würde. Die Wahrnehmung des ungünstigen Erfolges, welcher in der ersten Versuchsreihe zum Vorschein kam, veranlaßte Hrn. Professor Böttger, mit dem Fangapparat eine Veränderung vorzunehmen, nämlich die Parallelbewegung der Scheibe in eine drehende zu verwandeln und zugleich das Gewicht der Fangscheibe zu vermindern. Fig. 23 stellt eine Skizze dieser Vorrichtung in der Seitenansicht dar. A ist die kreisrunde Fangscheibe, welche dießmal aus einem eisernen Reif besteht, der mit einem feinen Drahtgewebe überspannt und an den einen Arm eines um a drehbaren Hebels befestigt ist. b, d ist der um c drehbare horizontale Contacthebel, dessen Ende d durch den Druck der Feder m beständig das Bestreben erhält, mit dem Ende n des Leitungsdrahtes sich zu vereinigen und die Kette zu schließen. Um einen Versuch anzustellen, bringt man das Ende b des Contacthebels unter das Ende des verticalen Hebels in die Fig. 23 dargestellte Lage, wodurch das Ende d mit seiner Schraube ein wenig von n entfernt und die Kette geöffnet wird. Sobald nun die Kugel das Drahtgewebe des Reifes A durchdringt, bewegt sich der letztere in Folge der dadurch erhaltenen momentanen Erschütterung zurück, das untere Ende b seines Hebels löst den horizontalen Hebel aus, dessen anderes Ende sofort mit n in Contact kommt und die Kette schließt. B ist eine feststehende eiserne Scheibe zur Auffangung der durch das Drahtgewebe gegangenen Kugeln. Der Reif A hat einen Durchmesser von 7 3/4 Par. Zoll und wiegt 1 Pfund 10 1/2 Loth; sein Mittelpunkt ist 4,7 Zoll von der Drehungsachse entfernt und muß sich, bis die Auslösung des Contacthebels erfolgt, um 0,6 Linien zurückbewegen. Demnach ist bei dieser Anordnung der Zeitintervall zwischen dem Momente der Durchdringung des Drahtgewebes und demjenigen der Herstellung des galvanischen Contactes aus zwei Elementen zusammengesetzt, nämlich aus der Zeit, welche der Mittelpunkt des Reifes braucht, um in Folge des Impulses der Kugel die Strecke von 0,6 Par. Linien zurückzulegen, nebst dem kleinen Zeittheilchen, welches die Bewerkstelligung des Contactes zwischen den Punkten d und n erfordert. Daß die ballistischen Versuche mit Benutzung dieses zweiten Fangapparates einen ähnlichen ungünstigen Erfolg hatten, wie die mit dem ersten, erkennt man aus der folgenden Versuchsreihe. Distanz = 42 Fuß 2 Zoll 5 Linien. Nr.        Zeit.     Geschwindigkeit. 1 0,106 Secund. 398 Fuß per Secunde 2 0,232     „ 182   „         „ 3 0,148     „ 285   „         „ 4 0,255     „ 165   „         „ 5 0,351     „ 120   „         „ Diese unbefriedigenden und schwankenden Resultate finden in der vorangegangenen Untersuchung ihre Erklärung. III. Vorschlag eines verbesserten Fangapparates. Die im Vorhergehenden dargelegten Verhältnisse führen zu dem Schluß, daß bei ballistischen Geschwindigkeitsversuchen mit dem Chronoskop das Trägheitsmoment der Fangplatte und die ungleiche Wirkung der Stoßkraft es hauptsächlich sind, auf deren Verminderung und Beseitigung ein besonderes Augenmerk zu richten ist, wenn die Geschwindigkeit des Geschosses ohne weiteres aus der beobachteten Zeit und der gemessenen Distanz abgeleitet werden soll. Diesem Zweck dürfte wohl folgende Einrichtung des Fangapparates, welche Fig. 24 in einer Seitenskizze dargestellt ist, am vollständigsten entsprechen. Fig. 25 ist die vordere Ansicht der Fangscheibe oder Fangplatte A. Dieselbe ist bei a und b an den Enden zweier an einer Achse d, d befestigter Arme a, d und b, d aufgehängt. Die Achse d, d enthält noch einen dritten Arm d, f, welcher im Verein mit den Armen b, d und a, d einen zweiarmigen Hebel bildet. An einem dritten Punkte bei c ist die Scheibe mit einem um k drehbaren Hebel m, n (Fig. 24) verbunden. Die Hebelarme k, m und d, f sind einander gleich, und da sie an ihren Enden durch eine Stange m, f mit einander verbunden sind, so müssen sie sich gemeinschaftlich und parallel zu einander bewegen. Da nun aber auch die Hebelarme ck und da (Fig. 24) einander gleich sind, so haben die drei Aufhängungspunkte a, b, c der Scheibe stets die gleiche Geschwindigkeit. Die Scheibe wird sich daher durch den Impuls der Kugel parallel mit sich selbst in unveränderlich senkrechter Lage zurückbewegen. Diese Anordnung bietet zugleich die aus den Gesetzen der Statik leicht nachzuweisende wichtige Eigenschaft dar, daß die Wirkung des Stoßes gegen die Scheibe, auf den Punkt c des Hebels m, n reducirt, sich gleich bleibt, an welcher Stelle auch die Scheibe von der Kugel getroffen werden möge, daß also jeder Stoß mit einerlei Stärke auf die Drehung des Hebels mn wirkt, gleichgültig, ob er gegen eine höhere oder tiefere Stelle, ob er gegen das Centrum oder den Rand der Scheibe gerichtet ist. Es ist somit durch diese Methode der Aufhängung die Ursache jener Verschiedenheit der Resultate unter sich in Folge der veränderlichen Lage des Stoßpunktes beseitigt. Die Auslösung des Hebels n, o zur Herstellung des galvanischen Contactes bei o kann auf ähnliche Weise, wie bei der Einrichtung Fig. 23 bewerkstelligt werden, wobei man noch darauf bedacht seyn mag, durch eine geeignete Hebellänge kn eine möglichst momentane Auslösung bei n zu erzielen. Will man die Kugel ganz durch die Scheibe A auffangen lassen, so ist es nicht zu vermeiden, der letzteren ein im Verhältniß zur Kugel bedeutendes Gewicht zu geben. Von der Größe der Bewegung des Hebels k, n bei n, welche erforderlich ist, um den Hebel n, o auszulösen, von dem Spielraum bei o, so wie von dem Hebelverhältniß kc: kn wird es alsdann abhängen, ob die Herstellung des Contactes momentan genug erfolgt, um ohne weitere Correction als mit dem Stoß der Kugel gegen die Scheibe coincidirend betrachtet werden zu können. Der größeren Zuverlässigkeit wegen ist es jedoch rathsam, die Fangplatte so leicht wie möglich zu construiren, etwa nur aus einem leichten Reif oder Rahmen, welcher mit einem ganz dünnen Brett bedeckt oder mit einem feinen Drahtgewebe überspannt ist, und die Kugel durch eine dahinter befestigte eiserne Platte auffangen zu lassen. Ist der Apparat empfindlich genug construirt, so genügt die leichte Erschütterung beim Durchgang der Kugel durch das dünne Brett oder das Drahtgewebe zur momentanen Auslösung des Contacthebels. Es versteht sich von selbst, daß der eigentliche Mechanismus gegen Beschädigungen durch die Kugel geschützt seyn muß.

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