Titel: | Beobachtungen über Seidenzucht, welche im Jahr 1853 in der Versuchs-Anstalt zu Sainte-Tulle gemacht wurden; von den HHrn. Guérin-Mèneville und E. Robert. |
Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CVII., S. 386 |
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CVII.
Beobachtungen über Seidenzucht, welche im Jahr
1853 in der Versuchs-Anstalt zu Sainte-Tulle gemacht wurden; von den HHrn.
Guérin-Mèneville und E. Robert.
Aus den Comptes rendus, Novbr. 1853, Nr.
19.
Guérin-Mèneville's Beobachtungen über
Seidenzucht.
Es wurden zur Gewinnung von Cocons im Jahr 1853 neue Racen gezogen, wovon ein Theil
von italienischen, ein anderer von französischen Eiern herrührte. Der Ertrag der
italienischen an Cocons war ein ausgezeichneter, derjenige der französischen
hingegen, wie überall in Frankreich (wegen der in diesem Jahre herrschenden Seuche)
erbärmlich. So lieferte uns z.B. eine mailändische Race, deren Zucht in 28 Tagen
beendigt war, von 12 Unzen (zu 25 Grammen) Eiern 477,90 Kilogr. Cocons, also 39,82
Kilogr. per Unze. Eine andere italienische Race, von
Briance, deren Eier wir von Hrn. Nicod zu Annonay
erhalten hatten, lieferte von der Unze Eier 39,30 Kil. sehr guter Cocons.
Eine andere Zucht, welche noch gute Producte lieferte, geschah mit Eiern von den
kalten und bergigen Gegenden der Ardèche, die einzige vielleicht in
Frankreich, wo die Seidenwürmerseuche sich noch nicht sehr fühlbar macht. Auch diese
Eier hatten wir von Hr. Nicod erhalten und 1 Unze
derselben gab 30,80 Kil. vortrefflicher Cocons.
Bei letzterer Zucht machten wir einen in industrieller Hinsicht sehr wichtigen
Versuch; indem wir nämlich die Hälfte dieser Würmer täglich in drei Mahlzeiten und
die andere in sechs Mahlzeiten füttern ließen, fanden wir, daß die erstem einen
größern Ertrag an bessern Cocons lieferten, während beiderseits die Häutungen und
das Aufkriechen gleichzeitig vor sich gingen. Schon seit drei Jahren hatten wir
beobachtet, daß die Zucht bei mehreren unserer Pächter mit drei Mahlzeiten ebenso
gut und rasch vor sich ging, als diejenige, welche wir mit fünf, sechs bis acht
Mahlzeiten per Tag betrieben. Dieser Versuch, welcher
für Gegenden wo der Arbeitslohn hoch ist, sehr wichtig ist, wird weiter verfolgt
werden.
Andere Racen, deren Eier vom Ausland bezogen waren, gaben ebenso gute Resultate,
keineswegs aber die inländischen Eier; die herrschende Seuche (gattine) zeigte sich nämlich in allen Lebensaltern der
Würmer und zwang uns zu beständigen Ausmusterungen. Nur durch große Mühe gelang es
uns, die von der Seuche nicht befallenen Individuen und noch so viele gesunde Cocons zu
conserviren, um die französischen Racen nicht ganz zu verlieren, welche hinsichtlich
der Qualität der Seide die sie liefern, so vorzuziehen sind.
Als Beispiel der traurigen Wirkung der Epidemie führen wir an, daß 1 Unze Eier der
berühmten Race von Ardèche nur 2,30 Kilogr. Cocons, und 5 Unzen der weißen
Race aus den Cevennen, welche bekanntlich die schönste weiße Seide gibt, nur 9,8
Kilogr., also weniger als 2 Kilogr. Cocons per Unze
lieferten.
Die Eierzucht zur Gewinnung der bestmöglichen Fortstanzer ward unter ganz andern
Umständen vorgenommen. Um die Luft gehörig zu erneuern, wurde das Local so weit als
möglich auf die Temperatur der äußern Luft abgekühlt; diese natürliche Temperatur
betrachteten wir immer als die geeignetste, um die Racen auf den Gesundheitszustand
zurückzubringen, der zur Erzielung guter Eier so nothwendig ist.
Diese Zucht erforderte zwar längere Zeit und kostete mehr Blätter und Arbeitslohn;
wir schlugen sie aber dennoch ein, denn wenn wir, um Eiercocons zu erhalten, uns auf
die industrielle Zucht verlassen wollten, so hätten wir, durch Auswahl der
schönsten, doch nur Fortpflanzer bekommen, die den Krankheiten ausgesetzt gewesen
wären, welche die schnell erzeugten Seidenschmetterlinge heimsuchen, vorzüglich zur
Zeit der Epidemie.
Bekanntlich legen die Seidenschmetterlinge seit einigen Jahren (in Frankreich) immer
weniger Eier, was das sicherste Zeichen der Abnahme ihrer Gesundheit ist. Natürlich
geben diese Eier im nächsten Jahre krankhafte Individuen und so kam es bei uns zur
Entartung der Racen, unter welcher die Landwirthschaft so sehr leidet. Daraus folgt
offenbar, daß, je mehr Eier die Weibchen legen, desto kräftiger und thätiger die
Schmetterlinge sich beim Begattungsacte zeigen, desto besser diese Eier seyn werden,
weil sie von gesunden Individuen herstammen. Mit diesen Ansichten stimmt die
Wirklichkeit überein; denn wir haben gesehen, daß herrliche Cocons, welche aus dem
Product der in 28 Tagen beendigten industriellen Zucht ausgewählt waren, nur sehr
dicke, weiche, wenig bewegliche Schmetterlinge gaben, deren Weibchen so wenig Eier
legten, daß die mit 1 Kilogr. Cocons erhaltenen nicht ganz 1/2 Unze
(Provencer-Unze zu 25 Grammen) wogen, während in den Seidenzuchtanstalten
bekanntlich unter den gewöhnlichen Umständen das Kilogr. Cocons wenigstens 2 Unzen
(50 Gramme) Eier gibt.
Die Cocons hingegen, welche die speciell auf Eier gerichtete, in 35 bis 40 Tagen
durchgeführte Zucht lieferte, gaben uns Schmetterlinge von ganz anderm Aussehen, welche
sehr beweglich, kräftig, beim Begattungsact sehr thätig waren und deren aus 1
Kilogr. Cocons hervorgegangene Weibchen 2 1/2 bis fast 3 Unzen Eier legten.
Dieß berechtigt wohl zu der Hoffnung, daß die unter solchen Umständen erhaltenen Eier
gesunde und kräftige Individuen liefern werden, welche, mehrere Generationen
hindurch in gleicher Weise behandelt, unsere (französischen) Racen
wiederherzustellen vermögen.
Die Versuchszucht erstreckte sich auf eilf französische und ausländische Racen, was
in dieser Campagne die Arbeit sehr complicirte.
Ohne in das Einzelne dieser Versuche einzugehen, wollen wir nur bemerken, daß es uns
gelang jene Race chinesischer, gelber CoconsMan vergl. darüber polytechn. Journal Bd.
CXXVI S. 424 und Bd. CXXIX S.
72. zu conserviren, deren Eier uns vor drei Jahren vom Ministerium zukamen, die
aber seitdem aus allen Seidenzuchtanstalten, welche sie gleichzeitig erhielten,
wieder verschwand. Diese gelbe Race, mit welcher im Kleinen Versuche bis zum
Abhaspeln angestellt wurden, schien sich im Seidenertrag vor allen andern so
auszuzeichnen, daß wir uns vorgenommen haben ihre Acclimatisirung beharrlich zu
verfolgen.
Was die Muscardine anbelangt, so stellte sie in vielen Zuchtanstalten sehr große
Verheerungen an, namentlich bei der Zucht mit italienischen Eiern. Durch Anwendung
des Desinficirverfahrens für Seidenzuchtanstalten,Polytechn. Journal, 1848, Bd. CX S. 410. welches uns seit vier Jahren so gute Dienste leistet, haben wir unsere
Localitäten und diejenigen einiger Nachbarn vollkommen vor dieser Krankheit bewahrt,
welche, wenn sie von dem sporadischen in den contagiösen und epidemischen Zustand
übergeht, so verheerend ist.