Titel: | Ueber die Branntwein-Fabrication mittelst Runkelrüben in Frankreich; von Hrn. Aimé Girard. |
Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CXXI., S. 437 |
Download: | XML |
CXXI.
Ueber die Branntwein-Fabrication mittelst
Runkelrüben in Frankreich; von Hrn. Aimé Girard.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, April 1854, S. 206.
Girard, über die Branntwein-Fabrication mittelst Runkelrüben
in Frankreich.
Hr. Dubrunfaut hat sich zuerst (in seinem Traité de l'art de la distillation, Paris 1824)
ernstlich mit der Fabrication des Runkelrüben-Alkohols befaßt. Er betrachtet
dieselbe als eine Hülfsquelle des Rübenzuckerfabrikanten im Falle schlechter Ernten,
und folgende Stelle in seinem Werke findet heutzutage ihre traurige Bestätigung:
„In ungünstigen Jahrgängen kann ein Rübenzucker-Fabrikant,
welchem der Zuckergehalt seiner Rüben die Fabricationskosten nicht decken würde,
in der Destillation eine schätzbare Hülfsquelle finden.“
Nach der in seinem Werke gegebenen Anleitung muß man, um gute Erfolge zu erzielen,
folgendermaßen verfahren: Man zerreibt die Wurzeln und preßt ihren Saft aus, wodurch
man ungefähr 75 bis 80 Procent einer Flüssigkeit erhält, welche 5–9°
an Baumé's Aräometer zeigt. Der Saft enthält außer Zucker und Wasser, einen
Gährungsstoff und einige extractive Stoffe.
Die durch die Presse abgeschiedene Flüssigkeit kann sogleich in Gährung gebracht
werden; sie führt ihre Hefe mit sich und fängt bald zu arbeiten an.
Man kann mittelst dieses Verfahrens aus 1000 Pfd. Runkelrüben 30 Liter guten
Branntweins von 19° Baumé gewinnen.
Wir wollen nun die seit dem Jahr 1824 (in Frankreich) bezüglich des
Runkelrüben-Alkohols genommenen Patente durchgehen, zuerst diejenigen welche
gegenwärtig Gemeingut sind und von denen wir die Hauptpunkte hervorheben werden,
ohne uns auf lange Beschreibungen einzulassen, dann die noch gültigen Patente,
namentlich diejenigen des Hrn. Dubrunfaut.
I. Das erste Patent, dem wir begegnen, lautet auf zehn Jahre und wurde am 31 Januar
1832 von den HHrn. Louvet, Gilles und Jallu zu
Péronne auf die Destillation des gegohrenen Runkelrübensafts und anderer
geistiger Flüssigkeiten mittelst des Derosne'schen
verbesserten Apparats genommen.
Die Runkelrüben werden nach diesem Verfahren geputzt, zerrieben und ausgepreßt, wie
behufs der Zuckerfabrication. Die Preßrückstände gibt man in einen Bottich mit ihrem
gleichen Gewichte Wassers von 50° R., man läßt sie eine Stunde lang darin weichen und preßt
wiederholt aus; diese vereinigten Säfte werden auf 26° R. erwärmt, und in
einen Gährbottich geleitet, worin man auf zwei Hektoliter Saft 1 Liter Vierhefe
zusetzt; die Gährung entwickelt sich bald kräftig, und in dem Maaße als sich Alkohol
bildet, schlägt derselbe sämmtliches Pflanzeneiweiß der Rübe nieder, welches alle
unlöslichen und nicht gährungsfähigen Stoffe, die bei der Destillation nur
hinderlich wären, mit sich reißt; auf diese Weise findet eine wirkliche Läuterung
statt.
In demselben Patent wird auch ein Destillationsverfahren beschrieben, wozu die Rübe
vorher gedämpft und dann ausgepreßt wird; der Saft kommt in Bottiche und wird
mittelst Bierhefe wie oben in Gährung versetzt.
Das zweite und wichtigere dieser Patente nahmen am 8 Dec. 1838 die HHrn. Nicolle, Watringue, Brongniart und Monroy zu Arras (Pas de Calais) auf ein Verfahren zur
Alkohol-Gewinnung aus dem Rübensaft.
Bei diesem Verfahren kommt zum erstenmal die Schwefelsäure in Anwendung. Zwar
bediente sich derselben schon Mathieu de Dombasle bei der
Gährung der Melassen, wo sie aber keinen andern Zweck hatte, als das in denselben
enthaltene Alkali zu sättigen, während bei jenem Verfahren diese Säure eine ganz
andere Rolle spielt. Die gut gewaschenen Rüben werden zu einem Brei zerrieben und
dann der Saft ausgepreßt, welcher eine Dichtigkeit von 4 bis 7° Baumé
haben soll; gleich darauf bringt man diesen Saft in Bottiche, worin er auf
25° C. erwärmt wird, um ihn in Gährung zu versetzen. Auf einen Bottich von 15
Hektoliter Inhalt setzt man hinzu:
1 1/2
Kilogr.
Schwefelsäure,
2 1/2
„
gepreßte Bierhefe,
2
„
eines besondern Präparats.
Dieses besondere Präparat, dessen Zweck ist zu verhindern
daß die Gährung stürmisch wird, besteht aus:
16
Kilogr.
grobgemahlenem Roggenmehl,
9
„
Weizenkleie,
1 1/2
„
ungesalzener Butter,
2 1/2
„
Marseille Seife,
1
„
Salpeter,
20
„
siedendem Wasser.
Nach der Destillation setzt man auf ein Faß von 6 Hektoliter Inhalt 2 Liter Essig und
1/2 Liter Schwefelsäure zu, um dem Branntwein einen bessern Geschmack zu geben,
welcher dann rectificirt wird.
In einem am 29 Oct. 1844 genommenen Patent beschreibt Hr. Lalenne-Delagrange, Destillateur zu Valenciennes, ein Verfahren, um
die gedämpften Runkelrüben in Gährung zu versehen, ähnlich dem Verfahren der HHrn.
Louvet, Gilles und Jallu.
Die Rüben werden in einem Fasse der Einwirkung des Dampfes ausgesetzt und dann
zerquetscht; man läßt sie hierauf mit ein wenig heißen Wassers und kurzem Haberstroh
maceriren; man bringt die Temperatur mittelst kaltem Wasser auf 25° C.
zurück, setzt auf 1000 Kilogr. Rüben 5 Liter Bierhefe zu, und läßt gähren.
Am 11. Sept. 1844 nahm Hr. Douay-Lesens ein Patent
auf Branntwein-Gewinnung aus Runkelrüben. Sein, dem vorhergehenden ähnliches
Verfahren besteht darin, die Rüben in geschlossenen Gefäßen kochen zu lassen, wobei
er das erste Wasser abfließen läßt, bis es ohne Geschmack und Geruch abläuft; auf
diese Weise wird die Pflanze von den ätherischen Oelen befreit, welche dem erzeugten
Alkohol einen schlechten Geschmack mittheilen. Man läßt dann mit 1 Procent
Gerstenmalz gähren, indem man 6 bis 8 Liter guter Bierhefe auf 20 bis 22 Hektoliter
Saft anwendet. Auf diese Weise erhält man von 1000 Kilogr. Rüben 70 bis 80 Liter
Alkohol.
Dieses sind die bis zum J. 1846 zur Gährung der RunkelrübenRuukelrüben angewandten Verfahrungsweisen, welche nun (in Frankreich) Gemeingut
geworden sind.
Es geht daraus hervor, daß man schon längst den Runkelrübensaft direct destillirte,
nachdem man ihn mit Bierhefe allein die Gährung durchmachen ließ, und daß seit dem
J. 1838 die HHrn. Nicolle, Watringue, Brongniart und Monroy den Saft auf die Art gähren machten, daß sie ihn
mit Schwefelsäure und Bierhefe zugleich, im Verhältniß von 1 1/2 Kil. der erstem und
2 1/2 Kil. der letztern auf 15 Hektoliter Saft behandelten, welches Verhältniß 100
Gram. Säure und 165 Gram. Hefe per Hektoliter
entspricht.
II. Wir kommen nun an die jetzt (in Frankreich) noch in Kraft stehenden Patente.
Hr. Douay-Lesens, Destillateur zu Marly, bei
Valenciennes, nahm am 27. August 1846 ein Patent für 15 Jahre auf ein Verfahren die
Runkelrübe in geistige Gährung zu versetzen.
Dieses Verfahren besteht darin, den Rübensaft mit Schwefelsäure in der Wärme zu
behandeln, um eine vollkommene Läuterung zu bewirken und den krystallisirbaren
Zucker in unkrystallisirbaren zu verwandeln. Er läßt 40 Liter Saft mit 65 Milliliter
Schwefelsäure kochen.
Nachdem man diese Mischung eine Zeit lang im Kochen erhielt, läßt man sie, nach
Entfernung alles Schaums, erkalten, und setzt eine gewisse Menge gestoßenen
Leinsamens zu, um das Stürmischwerden der Gährung zu verhindern, nebst 60 Milliliter
guter, frischer Hefe.
In einem zweiten, am 5. Oct. 1846 genommenen Patent beschreibt Hr. Douay-Lesens ein bei getrockneten Runkelrüben
anwendbares Verfahren der geistigen Gährung. Die mittelst einer
Wurzelschneidmaschine in kleine Stücke geschnittenen und dann auf Drahtgeweben
getrockneten Rüben werden mit einer Mischung von heißem Wasser und Schwefelsäure
vollständig ausgewaschen und die saure Flüssigkeit wird, wie beim ersten Patent, in
Gährung versetzt.
Die Gebrüder Cheval, Landwirthe zu Etroeux bei
Valenciennes, nahmen am 4. Juni 1847 ein Patent auf ein Verfahren um Spiritus aus
Runkelrüben zu gewinnen. Dasselbe unterscheidet sich nicht wesentlich von den
vorhergehenden; der Saft wird ebenfalls mit Schwefelsäure gelocht und dann mittelst
Bierhefe die Gährung bewirkt.
Dasselbe gilt von dem Patent, welches am 27. Januar 1852 Hr. Genot, Landwirth zu St. Ladre bei Metz (Mosel), nahm, und wir kommen nun
an die wichtigen Patente des Hrn. Dubrunfaut.
Derselbe nahm sein Hauptpatent am 9. Oct. 1852 auf die Weingeistfabrication aus
Runkelrüben und die Anwendung der dabei erhaltenen Rückstände; seitdem hat er drei
Zusatz-Patente genommen, eines im December 1852, das zweite im Februar und
das dritte im September 1853.
In seinem ersten Patent sagt Hr. Dubrunfaut, er habe
gefunden daß die starken Säuren, sowohl die mineralischen als die vegetabilischen,
die Eigenschaft besitzen, die Gährung zu verhindern, indem sie zugleich den
krystallisirbaren Zucker in unkrystallisirbaren verwandeln. Dieß ist eine schon
längst bekannte Thatsache; allein dieselben Säuren, fährt er fort, in geringerer
Menge angewandt (etwa 1 Proc. vom Gewicht des Zuckers), haben die Eigenschaft, den
natürlichen Gährungsstoff der Runkelrübe zu fällen, welcher dann auf den Zucker
einwirkt und eine vollkommene Gährung hervorruft, ohne daß man Bierhefe anzuwenden
braucht. In dieser Gährung ohne Anwendung von Hefe wird man nun wohl etwas ganz
Neues erkennen.
Um die Gährung rascher zu bewirken, bemerkt D., kann man allerdings eine kleine Menge
von Hefe in den Bottich geben, oder aus einer in voller Gährung befindlichen Kufe
genommenen Wein.Der Gedanke, den gährenden Wein als Hefe anzuwenden, findet sich schon in dem
im J. 1824 von Dubrunfaut herausgegebenen Werke,
wo er sagt: „um die Gährung in Gang zu bringen, kann man
eine kleine Menge reinen Rebensafts (jus
vierge) in die Kufe bringen, welchen man für sich allein in
Gährung kommen ließ und der hier als Gährungsstoff (pied de levain) dient.“
Um sicher zu gehen, kann man diesen Zusatz stets machen. Unter einer kleinen Menge versteht D.
einige Tausendtheile des Zuckergewichts.
Sollte man zuviel Säure zugesetzt haben, so daß sich die Gährung schwer einstellt, so
müßte man den Ueberschuß mit Kalk sättigen und dann etwas Hefe zusetzen. Die Gährung
beginnt bei 18 bis 20° C.; die Temperatur soll nie über 28° E.
steigen.
Hr. Dubrunfaut spricht in diesem ersten Patent auch von
einem Verfahren, welches darin besteht, die Runkelrübe kalt mit einer großen Menge
Schwefelsäure (3 Proc. vom Gewicht des Zuckers) maceriren zu lassen, so daß die
Wurzeln ertödtet und die der Gährung des Zuckers günstigen Umstände aufgehoben
werden. Soll die Masse hernach verarbeitet werden, so sättigt man den
Säure-Ueberschuß mit Kalk.
Hr. Dubrunfaut nimmt folgende Punkte als Patentrecht in
Anspruch:
1) die Anwendung von Mineral- und Pflanzensäuren, um die Gährung des
Rübensafts direct zu bewerkstelligen, ohne Beihülfe von Bierhefe, oder mit einer
äußerst kleinen Menge derselben;
2) die Ertödtung der Wurzeln durch Säuren, und die Maceration in der Kälte;
3) das Trocknen der Wurzeln nach den bekannten Methoden, um die
Branntwein-Fabrication mittelst Runkelrüben das ganze Jahr hindurch betreiben
zu können;
4) die Gewinnung von Kali- und Natronsalzen aus den Rückständen von der
Destillation der Runkelrüben.
In seinem ersten Zusatz-Patent geht Hr. Dubrunfaut
etwas näher auf die Natur des in der Runkelrübe enthaltenen Ferments ein, welches
mit der Bierhefe viel Aehnlichkeit hat. Das in der Rübe enthaltene Ferment beträgt
nach ihm dreimal so viel als erforderlich wäre, um die in dieser Wurzel enthaltene
Quantität Zucker in Gährung zu versetzen. Dieser Hefe-Ueberschuß läßt sich
daher leicht und vortheilhaft zu einer andern Gährung benützen. Zu diesem Behufe
hinterläßt man in dem Bottich, worin der Saft gegohren hat, einen 1 1/2 bis 2 Zoll
hohen Bodensatz, auf welchen man Melasse einfüllt, die bald zu gähren anfängt, ohne
daß irgend ein Zusatz erforderlich wäre.
Im zweiten Zusatz-Patent sagt er: nach der Gährung eines Bottichs entfernt man
die Flüssigkeit mit Hinterlassung eines 2 Zoll hohen Bodensatzes, füllt dann auf diesen Rückstand
frischen Saft ein, den man von selbst gähren lähren läßt und so fort, so daß eine
ununterbrochene Gährung bewerkstelligt wird, ohne Hefe anzuwenden, bloß mittelst des
aus dem Runkelrübensaft sich absetzenden Ferments.
Im dritten Zusatz-Patent spricht er von der Umwandlung einer Rübenzuckerfabrik
in eine Branntweinbrennerei, von den Transportmitteln für den mit 1 Procent seines
Gewichts Schwefelsäure angesäuerten Saft, und gibt die Benützungsart der Apparate,
der Reiben, Pressen, Saftpumpen, Läuterungskessel etc. an. Nach ihm lassen sich die
Kosten zur Umwandlung einer Rübenzuckerfabrik in eine Branntweinbrennerei, welche
täglich 80,000 bis 90,000 Kil. Runkelrüben verarbeitet, auf 25,000 Fr.
ermäßigen.Der Verf. erwähnt schließlich des Verfahrens von Champonnois, um behufs der Weingeistfabrication den Saft aus den
Rüben durch Maceration vollständig in der Art zu gewinnen, daß die
Rückstände als Viehfutter verwendet werden; man s. darüber polytechn.
Journal Bd. CXXIX S. 146.