Titel: | Ueber die Ausdehnung des Flachsbaues in Irland und über das Watt'sche Flachsröstverfahren; von B. R. Scheibler auf Nieder-Schönborn, ehemaligem Dirigenten der Flachsbereitungs-Anstalten zu Suckau und Patschkey in Schlesien. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XVI., S. 62 |
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XVI.
Ueber die Ausdehnung des Flachsbaues in Irland
und über das Watt'sche
Flachsröstverfahren; von B. R.
Scheibler auf Nieder-Schönborn, ehemaligem Dirigenten der
Flachsbereitungs-Anstalten zu Suckau und Patschkey in Schlesien.
Aus der agronomischen Zeitung, 1854, Nr.
10.
Scheibler, über die Ausdehnung des Flachsbaues in Irland und über
das Watt'sche Flachsröstverfahren.
Aus einem Berichte, welchen der General-Registrator im Auftrage der Regierung
an die königl. Flachsbaugesellschaft über das Quantum Flachs, welches in jeder der
verschiedenen Counties Irlands angebaut worden, erstattet hat, ist die folgende
Tabelle abgekürzt zusammengestellt. Dieselbe gibt einen richtigen Begriff von der
Zunahme der Flachscultur in Irland, sowohl in Vergleich mit vorigem Jahre (1852),
als mit der 1847er Periode, wo die Regierung zuerst die Statistik über diese Ernte
aufnahm; gleichzeitig ist das Verhältniß des mit Flachs bebauten Landes zu der
ganzen Fläche cultivirten Landes in Irland angegeben.
Textabbildung Bd. 133, S. 62
Fläche des angebauten Flachses;
Vermehrung in 1853; Fläche cultivirten Landes in jeder Provinz Acres; Verhältniß
des Flachses zu dem cultivirt. Lande; Die 9 Counties der Provinz Ulster (nördl.
Irland); Die 12 Counties der Provinz Leinster; Die 6 Counties der Provinz
Munster; Die 5 Conties der Prov. Connaught; Durchschnitt für ganz Irland
Aus früheren officiellen Angaben war ersichtlich, daß im Jahre 1847 in Irland noch
nicht volle 5 Ctr. reiner Flachs pro Acre erzeugt
wurden; für das Jahr 1851 ist aber schon die Production dort auf 5 1/4 Ctr.
ermittelt worden, und ist durch zweckmäßigere Cultur, Röste und Ausarbeitung seitdem
in stetem Steigen begriffen. In preuß. Geldwerts) reducirt, kann die Vermehrung des
Flachsbaues in Irland von 1847 bis 1853 von 58312 Acres zu 60 Thlr. pro Acre = 3,498720 Thlr. auf 175493 Acres zu 80 Thlr.
pro Acre oder 14,039440 Thlr., mithin auf einen Mehrwerth von 10,090720 Thlr.
veranschlagt werden, oder in sieben Jahren um ungefähr denselben Geldbetrag, worauf
es die schlesische Wollproduction, vermittelst ungeheurer Opfer und Unterstützungen,
erst in 50 Jahren und länger zu bringen vermocht hat!
Im nördlichen Theile Irlands werden gegenwärtig bereits circa 5 Procent der gesammten Ackerfläche mit Lein bestellt, und wenn wir
dasselbe Verhältniß auch für Schlesien annehmen, so würde dieß eine Fläche von
400000 Morgen Lein jährlich ausmachen, oder zu 50 Thlr. pro Morgen (gegenwärtiger
jährlicher Ertragswerth von Flachs in Irland) einen ungefähren Geldwerth von
20,000000 Thlr. für unsere ganze Provinz.
Das Beispiel Irlands beweist, daß dieß Ziel auch bei uns erreichbar wäre. In den
beiden Flandern werden bekanntlich 10–11 Procent der gesammten Ackerfläche
mit Lein bestellt, und dennoch hat die Erfahrung gezeigt, daß dem Getreidebau
daselbst durch Flachs kein Abbruch geschehen ist, weil die tiefere Bearbeitung und
Auflockerung des Bodens, welche Flachs, um lohnend zu seyn, erfordert, eine höhere
Stufe der Cultur herbeiführten, wodurch Getreide und alle Früchte dort jetzt weit
höhere Erträge als früher liefern.
Die größte Ausdehnung des Flachsbaues hatte in denjenigen Gegenden Irlands
stattgefunden, wo Flachsbereitungsanstalten ins Leben getreten waren. Achtzehn
solcher Anstalten, welche nach der Schenk'schen Methode
arbeiteten, waren zu Anfang 1853 bereits in Thätigkeit, als durch einen Mr. Watt ein durchaus neues Verfahren patentirt und in
größerem Maaßstabe zuerst in Ausführung gebracht wurde, welches alle anderen
bekannten früheren Methoden weit hinter sich zurückzulassen scheint. Der Erfolg
desselben, hinsichtlich seiner schnellen Aufnahme, ist beispiellos zu nennen, indem
während 1853 nicht weniger als zehn neue Etablissements der Flachsbereitung nach dem
Watt'schen System in Irland und England errichtet
wurden, und noch mehrere in 1854 projectirt sind.
Die Hauptvortheile des Watt'schen Verfahrens sind, nach
authentischen Berichten zuverlässiger Sachkenner, folgende:
1) eine Abkürzung des Processes der Röste und Trocknung auf 24–36 Stunden,
während diese Operation bei der Schenk'schen Methode
5–8 Tage, bei der Kaltwasserröste 2–4 Wochen dauert;
2) ein bedeutend höheres Ergebniß reinen Flachses;
3) eine bessere Qualität reinen Flachses, als nach den bisher angewandten
vortheilhaftesten Methoden, indem derselbe sich sowohl in der Spinnerei, als bei der
nachherigen Bleiche, als tadellos bewährt hat;
4) geringere Arbeitskosten als bei den bisherigen Methoden, und eine größere
Sicherheit des Erfolgs und der Arbeit, welche letztere eine rein mechanische
ist;
5) Vermeidung einer großen Unannehmlichkeit. Während das Röstewasser bei der Schenk'schen oder Kaltwasserröste, seines Übeln
Geruchs halber, eine Lästigkeit für die Nachbarschaft einer solchen Anstalt ist,
wird durch das Watt'sche Verfahren eine geruchlose Brühe
gewonnen, die das Vieh gern frißt, und welcher, nach damit angestellten
Fütterungsversuchen, ein fast gleicher Futterwerth als der Kartoffelschlämpe
beigelegt werden kann;
6) die große Aufmunterung, welche das Verfahren bei dessen Einführung auch für den
Flachsbau in hiesiger Provinz darbieten würde, indem dasselbe die Gelegenheit gibt,
mit weit geringeren Anlagekosten als bisher Flachsbereitungsanstalten ins Leben zu
rufen, welche den Flachsbauern ihrer Umgegend eine willige und sichere Abnahme ihrer
Rohflächse gewähren würden.
Die Watt'sche Methode der Flachsbereitung kann mit kurzen
Worten folgendermaßen beschrieben werden: Die Flachsstengel werden an die Anstalt
mit oder ohne den Samen abgeliefert. Im ersteren Falle läßt man die Samenknuten
durch Metallwalzen vom Stengel abziehen und zerquetschen, um, vermittelst einer
Windfeier, die Knutenspreu vom Samen abzusondern und letzteren gleichzeitig zu
reinigen. Die Flachsstengel werden sodann in einen verschlossenen Kasten oder
Behälter mit zwei Thüren gebracht, welche letztere dazu dienen, die Flachsstengel
bequem in den Kasten legen und wieder herausnehmen zu können. Der Kasten hat einen
doppelten Boden, wovon der obere, auf welchem der Flachs ruht, von Eisen und
durchlöchert ist. Nachdem die Thüren verschlossen und durch Schrauben luftdicht
gemacht worden sind, wird vermittelst eines Rohres Wasserdampf zwischen die beiden
Böden eingelassen, welcher die Flachsmasse durchdringt und sich condensirt. Diese
condensirte Flüssigkeit enthält die Extractivstoffe, welche die Flachsfaser mit dem
holzigen Theile zusammenhalten, und kann, wie die Erfahrung gelehrt hat, mit
Vortheil zur Fütterung verwandt werden. Der Röstproceß kann durch Anwendung einer
Pumpe abgekürzt werden, vermittelst welcher man die condensirten Dämpfe zum
wiederholten Auswaschen die Flachsmasse überspülen läßt, und ist in der Regel in 11
Stunden vollendet. Bei Herausnahme der Flachsstengel läßt man dieselben zwischen
Walzen durchgehen, zum Zweck, um die äußere Haut zu trennen, und den größeren Theil
des in den Stengeln enthaltenen Wassers zu entfernen, und zugleich dieselbigen in
durchnäßtem und geschwollenem Zustande der Länge nach zu spalten, wo selbige sodann
sehr leicht getrocknet und in wenigen Stunden zum Schwingen fertig gemacht werden
können.
Es ist leicht erklärlich, wie bei diesem Verfahren, wo die Flachsfaser keiner Gährung
unterworfen wird, der Bast eine größere Haltbarkeit behalten müsse, als bei allen
früheren Röstemethoden.
Durch das Watt'sche Verfahren lieferte der
Rohstengelflachs folgende Ergebnisse reinen fertigen Flachses, nämlich:
a) Bei einem Versuche, welchen eine Kommission der
königl. Flachsbau-Gesellschaft anstellen ließ, gaben 10 1/4 Centner
gewöhnlichen Flachsstrohes ein Gewicht von 187 Pfd., mithin 16,28 Proc. reinen
Flachs.
b) Ein irländischer Edelmann, Sir J. Macneill, welcher eine Anstalt nach der Watt'schen Methode bei Dunkalk besitzt, theilt der
königl. Flachsbau-Gesellschaft Folgendes mit: „Ich habe bei der
gewöhnlichen Röstemethode in Teichen oder Gruben und nachherigem Trocknen auf
Wiesen ein Ergebniß von 20 Stein zu 16 Pfd. oder 320 Pfd. reinen Flachs von
einer Tonne (zu 2240 Pfd. engl.) trocknen Flachsstrohes (mithin 14,28 Procent)
gehabt, nur sehr selten 24 Stein pro Tonne (oder
17,14 Procent). Bei der Watt'schen Methode erhielt
ich im Mittel 21 Pfd. reinen Flachs pro Centner von 112 Pfd. (= 18,75 Proc.) und
häufig bis 25 Pfd. pro Centner (= 22,32
Proc.).“
c) Mehrere Versuche wurden durch einen Mr. Kirkwood, Agenten der Regierung von Canada, in
irländischen Anstalten, wo das Watt'sche und Schenk'sche Verfahren gleichzeitig in Ausführung kamen,
mit Canada-Flachsstroh gemacht, und derselbe fand, daß, wo 6 1/4 Pfd.
Flachsstroh bei Watt's Methode 1 Pfd. 3 Unz. oder 25
Proc. reinen Flachs gaben, 2 Pfd. 12 1/2 Unz. von demselben Flachsstroh bei der Schenk'schen Methode 6 Unzen oder 17,6 Proc. reinen
Flachs lieferten. Bei einem anderen Versuche von Kirkwood gab die Watt'sche Methode einen reinen Flachs, werth 12 Shill.
Sterl. pro Stein (= 7 1/2 Sgr. pro Pfund), die Schenk'sche Methode einen
solchen, werth 10 1/2 Shill. pro Stein (= 6 1/2 Sgr. pro Pfund). Der erstere war zum Verspinnen zu Nr. 85
Werstegarn und der letztere zu Nr. 75 Werstegarn geeignet.
Nach diesen Resultaten in Irland würde der schlesische Flachsbereiter bei Anwendung
der Watt'schen Methode den reinen Flachs muthmaßlich zu folgenden Preisen
herzustellen im Stande seyn: Derselbe kauft 1 Schock zu 1200 Pfd. trockne
Flachsstengel guten Gewächses zu 15 Thlr., und würden die Kosten der Röste und
Ausarbeitung, welche in den irländischen Anstalten vielseitig erprobt worden sind,
nach der Watt'schen Methode 10 Pfd. Sterl. (= 72 Thlr. 20
Sgr.) pro Tonne von 20 Ctr. engl. oder 2172 Pfd. preuß.
reinen Flachses (mithin ungefähr 1 Sgr. pro Pfund
preuß.) betragen. Nach den oben specificirten Erfolgen in Irland wäre man
berechtigt, das muthmaßliche Ergebniß reinen Flachses bei schlesischem Gewächs, nach
der Watt'schen Methode behandelt, im Mittel auch auf
17,75 Procent anzunehmen; mithin würden 1200 Pfd. trockne Flachsstengel (ohne die
Samenknuten) ein Ergebniß von 225 Pfd. reinem Flachs liefern, und diese kosten für
Röste und Ausarbeitung zu 1 Sgr. pro Pfund (nach Watt'scher Methode) 7 Thlr. 15 Sgr. Dieß zu vorerwähnten
15 Thlrn. hinzuaddirt, gibt in Summa 22 Thlr. 15 Sgr., wofür derselbe 225 Pfd.
reinen Flachs erhielte, oder es würde dem schlesischen Flachsbereiter 1 Ctr. nach
Watt'scher Methode ausgearbeiteten reinen Flachses
einstehen auf 11 Thlr. preuß. Cour., während die Flachsbereitungs-Anstalten
zu Suckau, Patschkey und Hirschberg, welche zum Theil das Schenk'sche Verfahren, zum Theil die Kaltwasserröste in Anwendung bringen,
für ihre Flächse im Mittel 18 Thlr. pro Centner oder mehr bezahlt bekommen.
Der Ertrag roher trockner Flachsstengel pro Morgen wechselt in Schlesien (bei der
jetzigen in Bezug auf Flachs theilweise noch sehr fehlerhaften Cultur daselbst)
zwischen 1 1/2–3 Schock; mithin würde der schlesische Flachsbauer, durch
Verkauf seines Rohflachses zu obigem Preise von 15 Thlr. pro Schock an eine
Flachsbereitungs-Anstalt, für diese Ernte – excl. des Samens, welcher in der Wirtschaft verbliebe – einen
Brutto-Ertrag von 22 Thlr. 15 Sgr. bis 45 Thlr. pro Morgen lösen, welchen er nicht leicht durch irgend welche andere
Handelsfrucht zu erreichen im Stande wäre, und wobei noch in Betracht käme, daß der
wohlbestandene Flachs sich stets als eine der besten Vorfrüchte zu Getreide bewährt
hat.
Die Tragweite der Watt'schen Erfindung zum Besten der
Linnen-Industrie läßt sich heute noch nicht mit Gewißheit ermessen, jedoch
wenn sich die davon gerühmten Vortheile ferner bewähren sollten, – wie nach
dem Mitgetheilten kaum noch zu bezweifeln ist, – so kann die gesammte
Linnen-Industrie dadurch einen nie gekannten Aufschwung erhalten, indem
dadurch vielleicht die Möglichkeit geboten wird, Leinengewebe
annähernd zu denselben Preisen als Baumollengewebe darzustellen, was zu
einem unendlich vermehrten Absatze der ersteren führen würde.
Möchten doch die Capitalisten, Landwirthe und Industriellen Schlesiens, in ihrem
eigenen wohlverstandenen Interesse, dieser Angelegenheit bei Zeiten diejenige
Aufmerksamkeit zuwenden, welche sie in England und Irland bereits gefunden hat, und
die sie im höchsten Grade auch für Schlesien zu verdienen scheint. Wenn nur eine
Fraction der vielen Millionen, welche sich so leicht zum Bau von Eisenbahnen finden
lassen, in richtiger Weise zur Verbesserung und Ausdehnung der wahrhaft
naturwüchsigsten Industrie Schlesiens verwendet würden, so könnte diese Provinz
binnen wenigen Jahren, in allen ihren Theilen, ein erfreulicheres Bild, als das
gegenwärtige, darbieten.