Titel: | Ueber Gußstahlfabrication; vom Bergbau-Ingenieur Röhrig zu Taff-Vale. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XXXI., S. 107 |
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XXXI.
Ueber Gußstahlfabrication; vom
Bergbau-Ingenieur Röhrig zu Taff-Vale.
Aus dem Notizblatt des hannoverschen Architekten- und
Ingenieur-Vereins, Bd. III S. 318.
Röhrig, über Gußstahlfabrication.
Bei der Verarbeitung des Sollinger Gußstahls hat man im hannöverschen häufigere
Härterisse als im englischen Gußstahl gefunden, und hat die Ursache solcher Risse
aus der chemischen Constitution des Stahls herzuleiten gesucht, wobei präsumirt
wird, daß der englische Stahl aus einer homogenen Masse
von größerer Cohäsion bestehe, während der Sollinger Stahl aus heterogenen Partikeln zusammengesetzt sey; und daß letztere Ursache von
der Ungleichartigkeit des angewandten Rohmaterials herkomme. Dieses ist eine
Veranlassung, hier auf das Heath'sche Patent aufmerksam
zu machen,Es ist vom 5. October 1839 und wurde im polytechn. Journal Bd. LXXV S. 472 mitgetheilt.A. d. Red. dessen Anwendung in (jetzt allen) englischen Gußstahlwerken den
vorzüglichsten Unterschieb zwischen der englischen und Sollinger Gußstahlfabrication
bildet.
J. H. wichtiges Patent besteht in dem einfachen Mittel, daß man den Gußstahl mit etwa
1 Procent, und selbst weniger, Kohlenmangan schmilzt. Es gibt nun viele Methoden,
den Stahl durch Mangan zu verbessern, doch alle laufen auf dasselbe Princip hinaus,
nämlich, den Stahl beim Schmelzen in Berührung mit Kohle und Mangansuperoxyd
(Braunstein) zu bringen; und diese Schmelztemperatur ist höher als genügend, um das
Kohlenmangan in flüssigen Zustand zu versetzen. Setzt man die Mischung mit dem Stahl
zugleich in den Ofen, so findet sich nach einer vollen
Hitze der Stahl nur agglutinirt, doch nicht geschmolzen, und das Kohlenmangan am
Boden des Tiegels. Wird hingegen das Kohlenmangan dem schon geschmolzenen Stahl
hinzugefügt und dann die Temperatur so weit erniedrigt, daß der Stahl in einen
teigartigen Zustand kommt, so findet sich die Mangan-Verbindung in Kugeln auf
der Oberfläche des Stahls. Und daraus geht hervor, daß sich in jedem Falle das
Kohlenmangan bilden wird, zu welcher Periode man auch das Gemenge von Kohle und
Braunstein in den Tiegel geben mag, und jenes influirt auf den flüssigen Stahl. Man darf jedoch nicht erst die Kohle und später den
Braunstein eingeben und umgekehrt, da in beiden Fällen das Mangan durch den Tiegel
schmelzen und den Stahl nach sich ziehen wird.
Hr. Heath gelangte zu seiner Entdeckung bei dem Bestreben,
englisches Eisen mit Mangan zu verbinden, um dasselbe dem Stahleisen des Continents
gleich zu machen, und die durch die Materialien bedingten Schwierigkeiten führten
ihn dahin, das Kohlenmangan, welches früher nur in kleinen Partien verbreitet
gewesen war, in großen Quantitäten darzustellen, welchen Zweck er durch Benutzung
von Theer vollkommen erreichte.Durch Reduction des Mangans mittelst Kohle erhält man ein
Kohlenstoff-Mangan, welches jedoch noch nicht näher untersucht ist;
es gleicht dem Gußeisen und hinterläßt beim Auflösen in Säuren Kohlenstoff
als schwarzes Pulver.A. d. Red.
Bei Anwendung dieses Kohlenmangans zur Verbesserung des Stahles ergab sich, daß eine
nur sehr geringe Quantität für den Zweck ausreichend war, und daraus erhob sich ein
Zweifel über die Bildung der beabsichtigten Legirung, welcher denn auch durch
Analysen gerechtfertigt wurde, indem diese nicht die geringste Quantität Mangan in
verbessertem Stahl nachwiesen; ja es gibt sogar Eisen, welches viel Mangan enthält
und nur geringen, oft selbst rothbrüchigen Gußstahl ergibt, aber durch Erfahrung ist
bewiesen, daß der Rothbruch durch Kohlenmangan auch aus solchem Eisen entfernt
werden kann, das schon mit Mangan gesättigt ist.
Der Patentträger nimmt nun an, daß das Mangan, indem es durch seine Verbindung mit
Kohle eine beharrende Existenz erlangt hat, fähig wäre, auf die im Stahl
befindlichen, sehr fein zertheilten Partikelchen von Erden und Eisenoxyd zu wirken,
und durch Entfernung dieser die höhere Cohäsion des
Gußstahls bewirke, welche die vorzüglichste Charakteristik des Gebrauchs von
Kohlenmangan ist. Er betrachtet es als ein Reinigungsmittel, eine Ansicht, die mit dem Gebrauch von Mangan in kleinen
Quantitäten sehr verträglich ist, wie es auch in seiner Anwendung bei der
Glasfabrication, zur Entfernung der grünen Farbe, in England sehr treffend
„soap“ (Seife) genannt
wird. Hiermit steht noch im Einklange die Wirkung des mit Kohlenmangan geschmolzenen
Stahls auf die Tiegel, indem dieselben an den Stellen, welche mit der Oberfläche der
schmelzenden Masse in Berührung kommen, zerfressen werden, und dieses ist Beweis,
daß, obgleich die große Verwandtschaft des Mangans zu Erden durch seine Verbindung
mit Kohle verringert ist, sie doch augenscheinlich noch besteht und sowohl auf die
Erden des Stahls als die des Tiegels einwirkt.
Die Folgen dieser Entdeckung des Kohlenmangans sind von überraschend großem Belang.
Vor der Entdeckung war die Erzeugung von Gußstahl auf
bestimmte Sorten Stabeisen beschränkt, die, wenn cementirt und geschmolzen, ein
Product ergaben, das bei einer gewissen Hitze ausgereckt
werden konnte, und nur einige wenige Qualitäten schwedischen Eisens ergaben
Gußstahl, der mit Vorsicht wie shear-Stahl zu schweißen war. Andere Sorten desselben Eisens
konnten bei niedriger Temperatur in Stäbe gereckt werden, doch diese waren nur mit
Anwendung von Borax bei geringer Hitze zu schweißen. Das meiste schwedische Eisen
indessen ergab Gußstahl, der bei keiner Temperatur in zusammenhängende, dichte Stäbe
auszurecken gewesen wäre, und solchen aus gewöhnlichem Kohks- oder
Holzkohleneisen zu erzeugen, war vollkommen unmöglich. Durch den Proceß nun ergibt gewöhnliches schwedisches Eisen zu 14 Pfd. St.
pr. Ton. vollkommen schweißbaren Gußstahl, und das
gewöhnlichste Holzkohleneisen und viele der bessern Sorten Kohkseisen ergeben Gußstahl,
welcher gut zu hämmern ist und soviel Hitze bei der Bearbeitung erträgt, als für
Gußstahl gewöhnlich erforderlich ist. Daher folgt, daß in den meisten Fällen jetzt
besserer Stahl aus Eisen für 16 Pfd. St. pr. Ton.
darzustellen ist, als früher aus Eisen für 36 Pfd. St., während außerdem tausend
neue Anwendungen, für welche Gußstahl früher unmöglich war, einen ungemein großen
und noch beständig wachsenden Bedarf erzeugt haben.
Nach diesen Erfahrungen liegt die Annahme nicht fern, daß bei Anwendung des Heath'schen Patents in der Sollinger Gußstahlfabrication,
alle Härterisse bis auf die auch im englischen Stahl befindlichen, verschwinden
werden.