Titel: | Ueber elektrochemische Zugutemachung der Silber-, Blei- und Kupfererze; von Hrn. Becquerel. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LIII., S. 214 |
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LIII.
Ueber elektrochemische Zugutemachung der
Silber-, Blei- und Kupfererze; von Hrn. Becquerel.
(Der französischen Akademie der Wissenschaften
vorgetragen am 26. Juni 1854.)
Aus den Comptes rendus, Juni 1854, Nr. 26.
Becquerel, über elektrochemische Zugutemachung der Silber-,
Blei- u. Kupfererze.
Wir haben gar keine Daten über die Zugutemachung der edlen Metalle bei den Azteken
vor der Eroberung Amerika's; wir wissen nur aus den Briefen des Ferdinand Cortez, daß die Besiegten große Mengen von Gold und
Silber besaßen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Völker, wie diejenigen des
Alterthums, sich mit dem Verwaschen, des gold- und silberhaltigen Sandes
begnügten und mit dem Verschmelzen sehr reiner Erze, welche unmittelbar Gold und
Silber liefern. Im Jahre 1557 bewirkte aber Bartholomes de Medina durch die Erfindung der kalten, sogenannten amerikanischen
Amalgamation oder Zugutemachung der Silbererze mittelst des Quecksilbers, eine
Umwälzung der Metallurgie des Silbers. Bekanntlich war dieses Verfahren mehrere
Jahrhunderte hindurch eine Quelle des Reichthumes für Spanien. In Europa wurde die
Amalgamation erst zwei Jahrhunderte später mit Veränderungen angenommen, welche die
verschiedene Zusammensetzung der Erze erforderte; diese Verzögerung erklärt sich
durch den Holzreichthum in den europäischen Bergwerksdistricten, welcher es nicht
nöthig machte, zum Quecksilber die Zuflucht zu nehmen und die Schmelzprocesse als
vortheilhafter und schneller zum Ziele führend erscheinen ließ; auf den ausgedehnten
Hochebenen von Mexico aber, wo Brennstoffe selten sind, können die Schmelzprocesse
nur ausnahmsweise angewendet werden, und es mußte die Amalgamation die größte
Ausdehnung erlangen.
Seit etwa zwanzig Jahren habe ich eine Reihe von Untersuchungen über eine von den
beiden genannten ganz verschiedene Methode begonnen, die sich auch auf Blei-
und Kupfererze anwenden läßt. Diese Methode, welche sich auf die chemische Wirkung
der Elektricität gründet, macht das Quecksilber und in gewissen Fällen sogar das
Brennmaterial entbehrlich. Meine Versuche wurden mit mehr als 10,000 Kilogrammen
(200 Centner) Erzen von verschiedenen Punkten der Erde, hauptsächlich aber aus
Mexico, Peru, Columbien und aus dem Altai angestellt; sie bezogen sich
insbesondere:
1) auf die Vorbereitung, welche die Erze erhalten müssen, um die in ihnen enthaltenen
Metalle in Verbindungen zu verwandeln, welche in einer gesättigten Kochsalzlösung
auflöslich sind;
2) auf die Zersetzung der aufgelösten Metallsalze und die Scheidung der Metalle von
einander, mittelst der chemischen Wirkung der Elektricität;
3) auf eine große Anzahl von Fragen, welche die Elektrochemie im Allgemeinen und die
Metallurgie des Silbers und Bleies insbesondere interessiren.
Zuvörderst habe ich die Zugutemachung des Silbers auf dem nassen Wege, wie sie in
Amerika und an einigen Orten in Europa üblich ist, d.h. die verschiedenen Arten der
Amalgamation, beschrieben. Nur diese Methoden sind im Großen, in der Neuen Welt, wegen der
Seltenheit der Brennmaterialien, anwendbar; bei diesem Gang war es mein Zweck, sie
mit dem elektrochemischen Verfahren zu vergleichen. Das Werk des Hrn.
Saint-Clair Duport, über die Production der edlen
Metalle in Mexico (Paris 1843), welches interessante Documente in Beziehung auf das
Metallurgische in jenem Lande enthält, hat mich in den Stand gesetzt, diese
Vergleichung machen zu können.
Die Arbeit, welche ich hiemit der Akademie vorlege, besteht aus einer Reihe von
Abhandlungen und aus einem Atlas, zusammen ein Werk bildend, das die
Erfahrungsresultate enthält, welche ich seit 1834 gemacht habe, um die
elektrochemische Zugutemachung der Silber-, Blei- und Kupfererze
festzustellen. Es soll diese Arbeit sofort herausgegeben werden.
Mein Werk wird folgende Eintheilung erhalten:
Erstes Capitel. – Auseinandersetzung der
Grundsätze der Elektrochemie, welche als Basis der Zugutemachung der Erze
dienen.
Zweites Capitel. – Vorbereitung welche die Erze
erhalten müssen, ehe sie auf elektrochemischem Wege behandelt werden.
Drittes Capitel. – Verfahrungsarten bei der
Behandlung der Silbererze auf nassem Wege; es umfaßt die amerikanische Amalgamation
oder a patio, die europäische und namentlich die
Freiberger, und dann die Amalgamation mit Sieden oder a
cazo; die Beschreibung der elektrochemischen Zugutemachung der Erze und die
Erörterung der darauf bezüglichen Fragen.
Viertes Capitel. – Beschreibung einer
elektrochemischen Hütte, welche als Versuch- oder Musteranstalt eingerichtet
ist, und in der man 1000 Kilogr. (20 Ctr.) Erz auf einmal behandeln kann.
Fünftes Capitel. – Darstellung der Resultate,
welche sowohl bei der elektrochemischen Zugutemachung, als auch bei der Amalgamation
durch Kochen, mit den gewöhnlich in Mexico vorkommenden Erzen, mit blendehaltigen,
Fahlerz und silberhaltigen Bleiglanz führenden Erzen erhalten wurden.
Die elektrochemische Behandlung der Erze besteht, wie schon bemerkt, darin, die Erze
so vorzubereiten, daß die entstandenen Silber- und Bleiverbindungen, wenn man
Bleiglanz verarbeitet, in einer ganz gesättigten Kochsalzsolution löslich sind;
diese Verbindungen sind das Chlorsilber und das schwefelsaure Blei. Ist die
Auflösung geschehen, so läßt man sie, nachdem sie sich geklärt hat, in hölzerne
Behälter ab, wo man die Zersetzung der Metallsalze mit Paaren von Zink und
Weißblech, oder statt des letztern Kupfer oder Haufen gut gebrannter Kohle bewirkt;
man kann selbst Paare aus Bleiplatten und denselben elektronegativen Elementen anwenden. Die
Zink- oder Bleiplatten befinden sich in Beuteln von Segeltuch, welche mit
gesättigter Salzlösung gefüllt sind und die in der Metalllösung stecken, während die
andern Platten in letzterer unmittelbar befindlich sind. Man stellt darauf die
Verbindung zwischen den Elementen mit Metallstäben her. Mit Zinkplatten erhält man
auf den andern Platten einen elektrochemischen Niederschlag in sehr feinen Theilen,
welcher aus allen leicht reducirbaren Metallen, dem Silber, Kupfer und dem Blei
besteht; mit Bleiplatten, besteht der Niederschlag aus Silber, welches je nach dem
Bleigehalt der Auflösung mehr oder weniger rein ist.
Statt der Beutel von Segeltuch ist es besser hölzerne Kästchen anzuwenden, deren
Wände die Dicke von einigen Millimetern haben, und aus deren Holz man vorher
mittelst Dämpfens die löslichen Extractivstoffe entfernt hat, oder Gefäße aus halb
gebranntem Thon, welche beide soviel als möglich mit Stückchen amalgamirten Zinks
und mit Quecksilber gefüllt sind. Die Wirkung ist alsdann weit regelmäßiger und die
Menge des verbrauchten Zinks steht im atomistischen Verhältniß zu derjenigen der
gefällten Metalle.
Indem man die Zusammensetzung der Volta'schen Paare verändert, gelangt man nach und
nach zu der Abscheidung eines jeden in der Salzsolution aufgelösten Metalles.
Die Versuche, deren Resultate in meinem Werke aufgeführt sind, wurden mit Erzmengen
von 100 Grammen bis 1000 Kilogr. angestellt. Die in 24 Stunden gesammelten
Silbermengen betrugen von einigen Decigrammen bis 1 oder 2 Kilogr., so daß es mir
möglich war, die Vortheile und die Nachtheile der elektrometallurgischen Behandlung
der Silber-, Blei- und Kupfererze, besonders der beiden ersteren,
deren Vorbereitung mehr Schwierigkeiten darbietet, nachzuweisen.
Im Durchschnitt ist die Arbeit in 24 Stunden beendigt; operirt man aber mit der
kräftigen Beihülfe eines unabhängigen Paares, dessen Temperatur man mittelst Dampf
erhöhet, so ist ein Proceß in dem Viertel weniger Zeit beendigt. Es versteht sich,
daß dieses Paar voltaisch mit den übrigen Apparaten verbunden wird; wenn man auf
diese Weise operirt, so bringt man in letztere nur Bleiplatten, wovon die einen dann
die elektropositiven, die andern die elektronegativen Elemente der Säule bilden, und
obgleich das Blei direct zersetzend auf das Chlorsilber wirkt, so scheinen doch die
beiden Ströme in entgegengesetzter Richtung, welche von dieser Wirkung herrühren,
dem Effect des unabhängigen Paares nicht zu schaden. Man vereinigt auf diese Weise
die Vortheile welche die unmittelbare Fällung des Silbers durch das Blei gewährt,
mit den aus der
elektrochemischen Wirkung des unabhängigen Paares hervorgehenden, welches letztere
jeden Apparat, bei der gewöhnlichen Temperatur, in ein Volta'sches Paar
verwandelt.
Bei Anwendung von Bleiplatten hat man nach mehreren Operationen im Salzwasser nur
noch Chlorblei und schwefelsaures Blei, welche man mit Kalk zersetzt.
Da ich hier nicht alle Vorsichtsmaßregeln angeben kann, welche befolgt werden müssen,
um die verschiedenen Silber- und Bleierze nach der neuen Methode zu
behandeln, so beschränke ich mich auf die Bemerkung, daß die am schwierigsten zu
amalgamirenden und zu schmelzenden Erze, wie die blendehaltigen und das Fahlerz,
nach diesem Verfahren mit Leichtigkeit zu behandeln sind.
Der silberhaltige Bleiglanz kann, nachdem das Blei in schwefelsaures Salz und das
Silber in Chlorür verwandelt ist, sehr schnell mittelst der Amalgamation à cazo zu gute gemacht werden, ohne daß dabei ein
anderer Quecksilberverlust stattfindet, als der beim Verwaschen des Erzes, um die
Amalgamation daraus zu entfernen, unvermeidliche. Ich gebe die Mittel zur
Verminderung des Quecksilberverlustes an. Das nach dem Abdestilliren des
Quecksilbers erhaltene Silber ist rein. Die Hüttenleute werden diese Art der
Zugutemachung des Bleiglanzes zu schätzen wissen, welche eine unmittelbare Gewinnung
des Silbers aus dem Bleiglanz gestattet, nachdem er unter gewissen Bedingungen
geröstet worden ist, und wobei man, ohne Treibarbeit, das Blei mit nur geringen
Spuren von Silber, elektrochemisch gewinnt. Das auf den elektronegativen Elementen
abgelagerte Blei ist zum Theil in schwammigem Zustande; nachdem es gewaschen und
noch feucht zusammengepreßt worden, schmilzt man es in Thontiegeln, wobei man zur
Vermeidung der Oxydation die Oberfläche mit Kohlenstaub bedeckt; es wurden auf diese
Weise mehrere Hundert Kilogramme Blei geschmolzen. Dieses gefällte Blei ist
pyrophorisch; man darf es daher nicht an der Luft trocknen lassen, weil es sich
sonst mit Wärme-Entwickelung oxydiren würde.
Es genügte offenbar nicht, daß ich die Versuche in großem Maaßstabe anstellte, sie
mußten auch von einem tüchtigen praktischen Hüttenmann wiederholt und begutachtet
werden. Dieß geschah von Hrn. Saint-Clair Duport,
welcher ehemals eine Goldscheide- oder Affiniranstalt in Mexico leitete; er
hat die Resultate seiner Beobachtungen in seinem oben erwähnten Werte (Sur la production des métaux précieux an
Mexique) mitgetheilt. Auf S. 405 dieses Werkes äußert er sich hinsichtlich
der elektrochemischen Zugutemachung der Silbererze folgendermaßen:
„Wenn einmal die Almadener Bergwerke keinen Zinnober mehr liefern würden,
sey es in Folge bedeutender Brüche oder weil die Wasser so bedeutend wurden, daß
man sie nicht mehr bewältigen kann, oder auch weil die reichen Erze abgebauet
worden, so würde die Quecksilber-Production auf Idria in Krain beschränkt
und zu gering seyn, um den Bedürfnissen zu genügen. Die Preiserhöhung dieses
Metalles müßte dann so steigen, daß sie einem gänzlichen Mangel desselben gleich
käme: was würde alsdann aus der mexicanischen Silbergewinnung werden? Vor
wenigen Jahren war diese Frage schwer zu lösen, indem man kein anderes Verfahren
zur Zugutemachung der Silbererze kannte, als die Schmelzarbeit und die
Amalgamation. Die gelehrten Untersuchungen, womit sich Hr. Becquerel ausdauernd beschäftigt hat, bieten aber jetzt der
Metallurgie, durch Benutzung der elektrischen Kräfte ein ganz neues Mittel dar.
Von dem Erfinder selbst in alle Details seines Verfahrens eingeweiht, konnte ich
mich von der Möglichkeit der Anwendung dieser Methode zur Zugutemachung der
mexicanischen Erze überzeugen; ich ließ nämlich zu meinen Versuchen etwa 4000
Kilogr. (80 Ctr.) Erze aus den hauptsächlichsten Bergwerksdistricten vor drei
Jahren nach Paris kommen, habe diese Versuche aber auch an Ort und Stelle
wiederholt. Nachdem die Anwendbarkeit des neuen Verfahrens im Großen constatirt
war, beschränkte sich die Frage auf eine Vergleichung der Kosten des alten und
des neuen Verfahrens....... Das Ergebniß meiner betreffenden Untersuchungen
sprach, bei sehr vielen Erzen, zu Gunsten des elektrochemischen Verfahrens,
wobei ich die Möglichkeit eines dereinstigen gänzlichen Mangels des Quecksilbers
gar nicht berücksichtigte, sondern nur dessen jetzigen hohen Preis. Man könnte
sich daher mit Recht wundern, daß diese Methode noch gar nicht angewendet worden
ist; die Ursachen, welche dieß verhinderten, sind analoge, wie sie bei der
Einführung jedes neuen Verfahrens sich darbieten: die Einfachheit der
mexicanischen Amalgamationsapparate ist zuvörderst ein Hinderniß für jede
Neuerung; dazu kommt die Macht der Gewohnheit als Folge einer
dreihundertjährigen Praxis und das genaue Studium des Verfahrens in ökonomischer
Hinsicht; die Nothwendigkeit bedeutende Massen verarbeiten zu müssen, ehe man
Zutrauen zu einem neuen Processe gewinnt, und die bedeutenden Kosten, welche
jede neue Anlage in Mexico veranlaßt, dämpfen überdieß den Eifer für jede
Neuerung.“
„Da das Quecksilber das chemische Hauptagens bei dem jetzt gebräuchlichen
Verfahren ist, so kommt sein Preis ganz natürlich bei Vergleichung dieses
Verfahrens mit der Methode wodurch man es ersetzen will, sehr in Betracht, weil
durch eine Verminderung des Quecksilberverbrauchs oder gänzliche Weglassung
desselben, die Nachfrage nach diesem Metall, daher auch sein Preis, geringer
werden muß.“
„Insofern der Preis, einer Handelswaare von ihren Productionskosten
abhängt, sind sehr bedeutende Schwankungen desselben wenig wahrscheinlich; beim
Quecksilber ist es aber ganz anders, da in Folge des Monopols sein jetziger
Handelspreis das Vierfache von den Productionskosten betragen dürfte; würde es
nun weniger angewendet, so könnte der Handelspreis plötzlich fallen, zum großen
Nachtheil der Anstalten, welche das Quecksilber ersetzen oder seinen Verlust bei
der Amalgamation durch irgend eine neue Erfindung vermindern sollen.“
Hr. Duport bemerkt noch, und dieß ist von Wichtigkeit, daß
außer den auf das Quecksilber sich beziehenden Verhältnissen, auch noch die Umstände
berücksichtigt werden müssen, welche das Kochsalz betreffen, das die Basis meines
Verfahrens bildet, und dessen Verlust nur da vernachlässigt werden kann, wo es sehr
wohlfeil ist. In den meisten Bergrevieren Mexico's ist dieß aber nicht der Fall,
denn es kostet der metrische (2 Zoll-) Centner Salz dort oft mehr als 40 Fr.
(10 2/3 Rthlr.). Wären diese Schwierigkeiten nicht in dem erwähnten Grade vorhanden,
so würde der Einführung des elektrochemischen Verfahrens nichts entgegenstehen.
Daraus läßt sich folgern, daß überall, wo das Kochsalz wohlfeil ist, der
elektrochemische Hüttenproceß sich anwenden läßt, vorausgesetzt, daß wenn die
Silbererze zweifache oder mehrfache Schwefelverbindungen sind, das zur Röstung
derselben erforderliche Brennmaterial genügend vorhanden ist. Als Beispiel führen
wir die Bergwerke von Markirch (Sainte-Marie-aux-Mines) im
Ober-Rhein-Departement an, welche in der Nähe großer Salzwerke liegen,
und deren Erze auf die gewöhnliche Weise nur schwierig zu gute gemacht werden
können, wogegen bei denselben das elektrochemische Verfahren leicht anzuwenden
wäre.
Der Zweck dieser kurzen Anzeige meines Werkes ist, einen allgemeinen Begriff von den
Untersuchungen zu geben, welche ich über die elektrochemische Zugutemachung der
Silber-, Blei- und Kupfererze durchgeführt habe.