Titel: | Das Krupp'sche Geschütz von Gußstahl, untersucht und beschossen von der braunschweigischen Artillerie im Sommer 1854. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XC., S. 370 |
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XC.
Das Krupp'sche
Geschütz von Gußstahl, untersucht und beschossen von der braunschweigischen Artillerie
im Sommer 1854.
Ueber das Krupp'sche Geschütz von Gußstahl.
Man hat bisher zu den Geschützröhren hauptsächlich die Bronze, eine Legirung von
durchschnittlich 100 Kupfer und 10 Zinn benutzt, weil man in ihr allein die
erforderliche Zähigkeit und Härte vereint fand, um der Einwirkung von Geschoß und
Ladung zu widerstehen. Gußeiserne Geschütze wurden, mit geringen Ausnahmen, nur in
der Festungs-, Belagerungs- und Schiffsartillerie angewandt, d.h.
überall da, wo es entweder nicht nothwendig war, die Geschütze so leicht als möglich
zu machen, weil sie nicht beweglich zu seyn brauchten, oder da wo man Gefahr lief
große Geschützmassen zu verlieren.
Die Vortheile der Bronze in Vergleich mit dem Gußeisen (denn Geschütze aus Stabeisen
darzustellen, ist wegen des schwierigen Schmiedens großer Massen nie gelungen)
bestehen in der größeren Widerstandsfähigkeit, insbesondere der größeren Sicherheit,
denn das Bronzegeschütz reißt meistens eher, als es springt; wogegen erfahrungsgemäß
keine noch so sorgfältige Untersuchung gegen plötzliches Springen auch der besten
gußeisernen Geschütze sicherstellen kann. Gegen diese Gefahr muß aber der
Artillerist unter allen Umständen gewährt seyn, wenn die Bedienung des Geschützes
eine ruhige, also erfolgreiche seyn soll. Das Mittel, sich durch vergleichsweise
große Dimensionen und geringere Ladungen bei eisernen Geschützen zu sichern, kann
die Feldartillerie nicht anwenden, weil sie möglichst leicht (beweglich) gemacht
werden muß, auch ein ungemein heftiges Feuer oft nicht zu vermeiden ist; so blieb
denn die Bronze das einzige Material für die Feldartillerie.
Die Nachtheile der Bronzegeschütze bestehen zunächst in ihrer größeren Kostbarkeit,
im Vergleich mit eisernen. Die Kosten der ersteren stellen sich auf circa 1/2 Thaler per Pfund, während
schwedisches Gußeisen nur auf circa 1/12 Thaler per Pfund bei den schwersten Geschützen zu stehen kommt.
Dieser Nachtheil wird noch dadurch erhöht, daß Bronzegeschütze sich weit rascher
abnutzen, als eiserne; ein aus gutem schwedischen Eisen gegossenes Geschütz (etwa
aus Gußeisen in der Mitte zwischen Weiß und Grau) ist in dieser Beziehung dem
Bronzegeschütz weit überlegen.
Die Annahme, daß Bronzegeschütze 2000) und mehr Schüsse aushalten, ist im Allgemeinen
eine übertriebene, besonders, wenn plötzlich große Anforderungen befriedigt werden
müssen, die im Wechsel des Kriegsglücks stets eintreten werden, und auf welche man
also bei der Wahl des Geschützmaterials wenigstens rechnen muß. Nach der russischen
Campagne z.B. mußten wir in wenigen Monaten ganz neu ausgerüstet werden, denn wir
hatten das gesammte Feldartillerie-Material verloren. Am Abend der Schlacht
von Groß-Görschen, freilich nach einem überaus heftigen Kampf, waren mir die
Zündlöcher bei zwei ganz neuen Sechspfündern so
ausgeschossen, daß sie in Dresden neue Zündlochstollen erhalten mußten. Am Mittag
des ersten Schlachttages von Bautzen zeigten sich am Zapfenstücke einer neuen Haubitze so bedeutende Risse, daß ich sie im großen
Park umtauschen mußte; am zweiten Schlachttag war dasselbe mit einer anderen
Haubitze und einer Kanone der Fall. Nach der Schlacht an der Katzbach waren die
Kanonen der Batterie, vor Bischofswerda die Haubitzen, neuerdings so ruinirt, daß
ich fast mit durchweg anderen Röhren zur Schlacht bei Leipzig kam. Am 17. October
mußte ich schon wieder zwei Röhren umtauschen, die am 16ten, also an einem Tage,
durch das eigene Feuer ruinirt worden waren. Da ich am 18ten den Befehl erhielt,
zwischen Probstheida und Stötteritz den Rückzug vom elften Corps zu decken und mich
so. lange wie möglich zu halten, so wurde meine Batterie so zusammengeschossen, daß
am Morgen des 19ten von ihr nur noch ein Geschütz mit wenigen Leuten übrig blieb,
welches außerhalb des Grimmaer Thores von Leipzig auch noch demontirt wurde und die
Hälfte seiner geringen Bedienung verlor. Das geschah freilich durch feindliche
Kugeln, aber ich kann versichern, daß die Geschütze durch das anhaltende Feuer
bereits so ausgeschossene Zündlöcher bekommen hatten, daß der Daumen sie nicht
ausfüllte, und unter andern Verhältnissen die Röhren als unbrauchbar betrachtet
worden wären. Daß die Wahrscheinlichkeit des Treffens dadurch erstaunlich leiden
mußte, ist klar, abgesehen von der Gefahr für die Bedienung. Was ich an Munition
verbrauchte, kann ich allerdings nicht mehr angeben, glaube aber behaupten zu
können, daß aus keinem der durch das eigene Feuer gänzlich unbrauchbar gewordenen
Geschütze 1000 Schüsse
oder Würfe geschehen sind. – Auch in der neueren Zeit bereicherte sich meine
Erfahrung in dieser Hinsicht durch das Treffen bei der Nübeler Windmühle in
Schleswig gegen die Dänen am 28. Mai 1848. Nach 64 Schüssen aus jedem Geschütz war
das Zündloch einer Haubitze bereits so ausgeschossen, daß es unbrauchbar wurde und
in Flensburg ein anderer Zündstollen eingeschroben werden mußte; bei den übrigen
Geschützen hatten sich die Zündlöcher auch erweitert, wenn auch nicht so, daß sie
augenblicklich dienstunfähig wurden.
In der Praxis, d.h. während großer Kriege, stellen sich also die Verhältnisse für die
Haltbarkeit bronzener Röhren weit ungünstiger, als Versuche auf dem Uebungsplatze
mit den besten Geschützröhren sie ergeben. Dabei muß noch der wichtige Umstand in
Betracht gezogen werden, daß man in Folge der Verbesserungen in der
Pulverfabrication jetzt für ein Bronzerohr nur noch 800 Schuß rechen kann, denn mit
der Zunahme der Kraft des Pulvers ist auch die Abnutzung des Rohres größer geworden.
Ueberdieß ist wohl kaum zu bezweifeln, daß im Kriege das Feuergefecht an Umfang und
Intensität, selbst im Vergleich mit den großen Kaiserschlachten, noch zunehmen wird,
und daß daher die nächsten Weltschlachten Ansprüche an das Feldgeschütz machen
werden, welchen das Bronzerohr nicht mehr zu entsprechen im Stande ist. Es ist daher
offenbar Aufgabe der Artilleristen, ein neues Geschützmaterial zu ermitteln, welches
den Anforderungen der Zukunft genügen kann.
Vom national ökonomischen Standpunkte aus, den der Artillerist, weil seine Waffe sich
vorzüglich auf die Geldmacht des Staates stützt, stets berücksichtigen muß, ist
ferner nicht in Abrede zu stellen, daß bei Anwendung der Bronze für die Geschütze
der Hauptwerth im Material, nicht in der Arbeit liegt.
Das Capital, welches im Rohmaterial der Geschützröhren
steckt, ist aber ein todtes, es arbeitet nicht. Jedes eben so kostspielige
Geschützmetall von gleicher Güte, bei welchem aber der Werth der Arbeit überwiegt,
ist folglich vorzuziehen. Allerdings läßt sich das unbrauchbar gewordene Bronzerohr
umgießen, aber ein Theil des Materials geht dabei verloren, so daß man höchstens 4/5
des Capitals als dadurch wieder gewinnbar annehmen kann. Nach fünfmaligem Umguß ist
also der Werth des Rohmaterials beim Bronzerohr aufgezehrt.
Ich habe schon oben bemerkt, daß außer der Bronze nur das Gußeisen sich zum
Geschützmetall eignet, von dessen Anwendung zu Feldgeschützen man jedoch fast
überall absehen zu müssen glaubte. Man hat bisher in England, Deutschland etc., um
die möglichste Sicherheit und Güte des Eisenrohrs zu erzielen, sich auf das
schwedische Eisen beschränkt, doch wird, außer auf den Hütten von Finspong und Aeker, auch in
Lüttich für Rechnung der verschiedenen Großstaaten gegossen. In dem einen wie dem
anderen Falle würde man sich also (bei dem gegenwärtigen Standpunkte der deutschen
Eisenhüttenwerke) vom Auslande in Bezug auf ein wesentliches Kriegsmaterial abhängig
machen, wollte man das Eisen als einziges Geschützmaterial adoptiren; überdieß
leistet bis jetzt, wie schon bemerkt, der beste Eisenguß nicht, was der Artillerist
von dem Feldgeschütz verlangen muß.
Diese Verhältnisse veranlaßten mich, angeregt durch die besondere Aufmerksamkeit,
welche Se. Hoheit der Herzog von Braunschweig, mein Kriegsherr, jeder Verbesserung
im Heerwesen schenkt, als mir die vortrefflichen Resultate zu Gesicht kamen, welche
sich bei Versuchen der preußischen Artillerie-Prüfungs-Commission in
Berlin, mit einem 3 Pfünder-Rohr von Gußstahl aus der Fabrik des Hrn.
Friedrich Krupp zu Essen in Rheinpreußen ergeben hatten,
mit dem Genannten in Verbindung zu treten und die Anfertigung eines 12
Pfünder-Rohrs zu veranlassen. Jene Versuche der preußischen
Artillerie-Prüfungs-Commission sind auf meine Veranlassung im
polytechn. Journal, Jahrg. 1852, Bd. CXXIII S. 191 veröffentlicht worden, und ich
verweise darauf das größere Publicum, welches Detailangaben über die Untersuchung
etc. der Krupp'schen Geschützröhre von Gußstahl verlangt.
Ich glaubte ein 12 Pfünder-Geschützrohr, also größere Dimensionen, beantragen
zu müssen, weil ich (aus Gründen, die ich in der „preußischen
Wehrzeitung“ in verschiedenen Abhandlungen dargelegt habe) jedes
Feldgeschütz unter dem Caliber eines 12 Pfünders für ungeeignet zur Ausrüstung einer
Feldartillerie halte. Hier beschränke ich mich darauf zu bemerken, daß die durch die
Ausbildung der Landfeuerwaffen hervorgerufene Nothwendigkeit, den Shrapnel zum
Hauptgeschoß in den neuen Feldschlachten zu machen, größere Caliber verlangt, als
bisher im Gebrauch waren.
Hr. Alfred Krupp, Besitzer der Gußstahlfabrik unter der
Firma „Friedrich Krupp“ kam meinem
Wunsche auf die bereitwilligste und uneigennützigste Weise entgegen, und lieferte
mir im Sommer dieses Jahres eine 12 Pfünder-Granatkanone von Gußstahl nach
den von mir vorgeschriebenen Dimensionen zur Prüfung und jeder Art von Probe.
Bekanntlich bieten bei gußeisernen Geschützen die Untersuchung und Proben weniger
Sicherheit dar, als die Beobachtungen über den Gang des Ofens etc. während des
Gusses selbst, daher gewöhnlich ein erfahrener Artillerie-Officier während
der Geschützfabrication auf den Eisenhütten zugegen ist. Die Geschütze von Gußstahl
lassen sich auf ihre Güte offenbar eben so sicher probiren wie die bronzenen; ich habe jedoch
nicht verabsäumt, die Krupp'sche Fabrik in Augenschein zu
nehmen, um den Gang der Arbeiten im Allgemeinen zu beobachten, wobei mich eine
chemische Autorität, Hr. Prof. Otto, begleitete. Der Guß
des Krupp'schen Stahls ist Geheimniß, Mittheilungen
darüber sind also nicht zulässig; über die Sicherheit aller Manipulationen welche
ich daselbst beobachtete, der beste Maaßstab für die Vollkommenheit des Verfahrens,
muß ich aber das günstigste Zeugniß ablegen; die mir vorgelegten Gußstahlproben
überstiegen an Güte alles was ich je gesehen, sie haben in London ihre Anerkennung
gefunden, und liegen allen Technikern jetzt in München zur Beurtheilung vor. Ich
beschränke mich auf folgende Resultate, welche vorgenommene Proben mit verschiedenen
Erzeugnissen aus diesem Stahl hinsichtlich seiner Härte
und Zähigkeit ergaben: Kürasse beiläufig um 9 Pfd.
leichter als die preußischen, waren, auf 5 Schritte Entfernung mit Kugeln aus einer
Zündnadelbüchse beschossen, undurchlöchert, und dieselben mit dem Druck von 20,000
Pfd. zusammengebogen, zeigten auf der Kante keine Spur von Trennung der Krystalle;
ein Gewehrlauf von demselben Gußstahl reifartig kalt gebogen, zeigte ebenfalls in
der Biegung nicht den geringsten Bruch.
Die erwähnte, von Hrn. Krupp gelieferte 12
Pfünder-Granatkanone wurde vor einer Commission braunschweigischer
Artillerie-Officiere unter meinem Präsidium untersucht und beschossen. Ich
beschränke mich hier, mit Umgehung der Details, auf die Mittheilung der Hauptproben
und der Gesammtresultate.Der Hr. Verfasser hat der Redaction dieser Zeitschrift die specielle
Beschreibung der betreffenden Versuche und Proben zur Einsicht
übersendet.A. d. Red. Da die Hauptaufgabe war, die Vorzüge des Gußstahls gegen Bronze zu
ermitteln, so mußten Gewaltproben vorgenommen werden, um vorzüglich die
Widerstandsfähigkeit gegen abnorme Ladungen und Geschosse, crepirte Hohlkugeln im
Rohr, sowie die Einwirkung glühender Kugeln mit großem Spielraum und langes
Verweilen derselben im Rohr zu erproben, als auch das Maaß der Ladungen kennen zu
lernen, welches erforderlich ist, um die Schildzapfen abzubrechen und das Rohr zu
sprengen, sowie die nöthige Kraft um die Traube abzuschlagen.
Bei den angestellten Versuchen haben die im Rohr zerschellten Hohlgeschosse, sowie
die Anschläge der Kugeln mit sehr großem Spielraum (bis zu 7 Stück auf einmal und mit
vierfacher Ladung), endlich die kirschroth glühenden Kugeln bei einer Minute langem
Verweilen im Rohr, nur so unbedeutende Flecken und Schrammen hinterlassen, daß
erstere bloß sichtbar, von den letzteren nur eine meßbar (15/1000 Zoll) war. Bei den
Schüssen mit drei- bis vierfachen Ladungen und doppelten Vorlagen und bei 17
Fuß betragendem Rücklauf auf natürlichem Boden, brachen die Laffetenwände, Achse,
Räder etc.; darauf wurde der Rücklauf fast gänzlich gehemmt, so daß sich die ganze
Kraft des Rückstoßes auf die Schildzapfen concentrirte, dennoch bekamen sie erst
nach mehreren Schüssen Risse. Der Traubenhals hatte nur die Dimension von 2,44 Zoll
(engl.), aber die Traube brach erst nach 313 Schlägen eines 42pfündigen Hammers. Die Versuche, das Rohr zu sprengen, sind nicht gelungen,
obgleich bis fünffache Pulverladung und bis sieben Kugeln mit stark gepreßten
Vorschlägen angewendet wurden; ich ließ das Rohr endlich bei drei- bis
vierfacher Pulverladung mit trockenem Sande füllen und
verschloß es bis zur Mündung durch zwei (mit Blei ausgegossene) Granaten und
Vorschlag; bei allen diesen Versuchen blieb das Rohr
unversehrt, mit Ausnahme einer geringen Ausbrechung am unteren Theile des
Zündlochs.
Der Umstand, daß das Gußstahlrohr den Gebrauch glühender Kugeln gestattet (was bei
Bronzeröhren nicht thunlich ist), scheint mir von hoher Wichtigkeit zu seyn, da in
Verbindung mit der großen Schnelligkeit, womit die neuen Feldschmieden das Glühen
von Kugeln ermöglichen, solche in Zukunft eine größere Rolle spielen dürften als die
unsicheren Brandgeschosse.
Was die Kosten der Geschützröhre von Gußstahl betrifft, so sind solche nicht eher
genau zu veranschlagen, als bis die Größe der Lieferung angegeben, jedenfalls ist
der Preis geringer als der der Bronzegeschütze. Da Hr. Krupp für seine Gußstahlröhren mindestens die dreifache Dauer der besten
Bronzeröhre garantiren will, was er nach den Prüfungsresultaten füglich thun kann,
so muß ich das Gußstahlrohr relativ für viel wohlfeiler
erklären, als das bronzene, und ich glaube, daß durch dessen Einführung in der
Feldartillerie ein wesentlicher Fortschritt der Waffe erzielt und einer bedenklichen
Schwäche derselben abgeholfen würde. Sollte der Gußstahl bei den Feldgeschützen zur
Anwendung kommen, so würde dabei Gelegenheit gegeben werden, das
Artillerie-Material der deutschen Bundesheere endlich einheitlich zu
organisiren. Für ein kräftiges Zusammenwirken, die Leichtigkeit des Ersatzes etc.
würde dieß vom größten Werth seyn.
Se. Hoheit der Herzog von Braunschweig haben geruht, das Proberohr selbst in den
genauesten Augenschein zu nehmen und meinen Bericht über den Gang und die Resultate
der Untersuchungen und Proben bereits entgegengenommen, so daß ich bei der günstigen
Beurtheilung des Krupp'schen Fabricats Seitens Sr. Hoheit
hoffen darf, daß mein Gesuch um Ausrüstung zweier Feldbatterien mit 12
Pfünder-Granatkanonen-Röhren von Gußstahl die allerhöchste Genehmigung
erhalten wird. Würde dieses Nachahmung in anderen Staaten finden, so dürfte
allmählich das Stahlrohr auch in der Belagerungs-, Festungs- und
Schiffs-Artillerie eingeführt, und damit Deutschland in Beziehung auf dieses
so wesentliche Bedürfniß seiner Wehrkraft in Zukunft unabhängig vom Auslande werden.
Bei der ungeheuren Wirkung großer Hohlkugeln gegen Schiffswände etc., würde es für
kleinere Schiffe zumal von höchster Bedeutung seyn, mit ihren Pivotgeschützen
nöthigenfalls auf bedeutende Entfernungen feuern, d.h. überaus starke Ladungen
anwenden zu können; dich wäre nur mit Stahl-Paixhans möglich.
Ich beabsichtige durch Veröffentlichung dieses Aufsatzes hauptsächlich die
Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die Krupp'sche
Gußstahlröhre zu lenken, und fasse schließlich noch einmal die Gründe zusammen,
welche für einen Ersatz der Bronze bei den Feldgeschützen durch Gußstahl
sprechen.
Ein Ersatz der Bronze ist überhaupt nothwendig, weil dieses Material in Folge der
gesteigerten Kraft des Pulvers und der größern Energie des Feuergefechts den
Anforderungen der Zukunft offenbar nicht genügend zu entsprechen vermag. Durch die
Kostbarkeit des beim Bronzeguß verwendeten Rohmaterials werden der Industrie sehr
bedeutende Summen entzogen, welche todt liegen. Die ungenügende Widerstandsfähigkeit
der Bronzeröhre nöthigt die Armeen eine große Anzahl Reserveröhren im Park
mitzuführen. Die Bronzeröhren gestatten nicht den Gebrauch von glühenden Kugeln,
deren Anwendung im Feldkriege große Vortheile bringen wird.
Das Krupp'sche Gußstahlrohr leistet dagegen schon jetzt
mehr, als die Artillerie bisher an
Widerstandsfähigkeit forderte. Die Gußstahlröhren, welche die Anwendung glühender
Kugeln gestatten, sind absolut, wie relativ, wohlfeiler, besonders im
nationalökonomischen Sinne. Würden auch die bis jetzt gebräuchlichen eisernen
Geschütze durch sie ersetzt, so flößen der deutschen Eisenindustrie alle Summen zu,
welche bis jetzt dem Auslande dafür zugewendet wurden, und Deutschland wäre in Bezug
auf ein wesentliches Kriegsbedürfniß nicht mehr dem Auslande zinsbar.
Gern bin ich bereit, soweit ich irgend dazu im Stande, auf die Anfragen deutscher
Militärbehörden, oder meiner HHrn. Cameraden von der Waffe die ausführlichsten
Antworten über die mit dem Krupp'schen Rohr angestellten
Versuch zu ertheilen.
Georg OrgesOberstlieutenant,
Commandeur der herzogl. braunschweigischen Artillerie.