Titel: | Das neue Verfahren des Hrn. Champonnois zur Alkohol-Fabrication mittelst Runkelrüben; beschrieben von Prof. A. Payen. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. XCII., S. 378 |
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XCII.
Das neue Verfahren des Hrn. Champonnois zur
Alkohol-Fabrication mittelst Runkelrüben; beschrieben von Prof. A. Payen.
Aus dessen: Traité de la Distillation des Betteraves.
Paris, 1854.
Payen, über Alkohol-Fabrication mittelst
Runkelrüben.
Hinsichtlich der Alkohol-Fabrication mittelst Runkelrüben scheint man jetzt
allgemein darin übereinzustimmen, daß die directe Verarbeitung
des Rübenbreies oder der gekochten Rüben zu verwerfen ist, weil man dabei
eine teigige Masse destilliren müßte. Es sind daher von allen Fabrikanten, nach der
Cultur und Aufbewahrung der Runkelrüben, folgende Arbeiten vorzunehmen: Reinigung
der Rüben, Gewinnung des Saftes, Einmaischen oder Gährung, Destillation, in manchen
Fällen Rectification, und Verwendung oder Verkauf der zurückbleibenden Preßrückstände nebst der
Schlempe.
Wir beschreiben im Folgenden das neue Verfahren des Hrn.
Champonnois, welches einerseits das vortheilhafteste
und anderseits sowohl auf großen als kleinen Pachtgütern am leichtesten anwendbar
ist.
Waschen und Putzen der Rüben, Gewinnung des Saftes, Gährung,
Destillation, Benutzung der Rückstände. –
Die geernteten Rüben, so wie sie von den Feldern in die Fabrik kommen, werden
mittelst eines mechanischen Wäschers, welchen Hr. Champonnois zu diesem Zweck construirt hat, gereinigt. Er besteht in einem
Cylinder aus Latten, welche mittelst vier Kreuzen und Kränzen mit einer Achse
verbunden und durch eiserne oder hölzerne Reifen auf den Kränzen fest gehalten
werden, ist daher den Waschmaschinen in den Rübenzuckerfabriken ganz gleich.
Dieser Cylinder steckt zur Hälfte im Wasser, welches sich in einem Troge befindet; er
wird durch Menschen- oder Maschinenkräfte bewegtNach den Localitäten, den Bedürfnissen und den Verhältnissen des Pächters
könnte es vortheilhaft seyn, die von einem Pferde, einem Ochsen oder einer
Kuh, welche in einem Göpel nur 15 bis 30 Minuten in der Stunde arbeiten,
erzeugte Kraft, zur Bewegung der Waschmaschine zu benutzen; man kann auf
diese Weise täglich 40 bis 80 Cntr. Rüben reinigen. Auch könnte man eine
Dampfmaschine theilweis benutzen, die noch zu andern Zwecken in der Fabrik
verwendet wird, z.B. zum Heizen der Blase, zum Wärmen der Schlempe etc. Eine
Dampfmaschine ist besonders in größern Fabriken zweckmäßig., und zwar mit einer Geschwindigkeit von 12 bis 15 Umgängen in der Minute.
Die Rüben gelangen mittelst eines Trichters in den am höchsten liegenden Theil des
Cylinders; sie reiben sich im Wasser aneinander, reinigen sich dadurch gegenseitig,
und da der etwa 6 Fuß lange Cylinder eine Neigung von etwa 4 Zoll hat, so gelangen
sie nach und nach an das entgegengesetzte Ende, wo ein gewundenes Gitter sie in
Folge der drehenden Bewegung auf eine geneigt liegende Hürde wirft. Von dieser
nehmen Frauen oder Kinder sie auf, befreien sie mittelst eines Messers von den
Wurzeln, wenn solche von der Fäulniß ergriffen sind (was gewöhnlich am Ende der
Saison, im März und April, der Fall ist), und werfen sie in den Trichter einer
Schneidmaschine.
Rübenschneider. – Das Werkzeug zum Zerschneiden
der Rüben besteht in einer sich drehenden gußeisernen Scheibe, welche mit vier
länglichviereckigen Oeffnungen versehen ist, in denen Schneiden, wie Hobeleisen,
angebracht sind. Dabei werden die Rüben in dünne Scheiben zerschnitten, und diese
dann durch kleine, senkrecht auf die Schneide angebrachte Messerchen wiederum in längliche
Schnittchen (von 5 Millimeter Breite, 3 Millimeter Dicke und verschiedener Länge)
zertheilt, auf ähnliche Weise wie es mit zu verspeisenden Rüben in den Küchen
geschieht.Man sehe Durant's Rübenschneider, S. 182 in diesem
Bande des polytechn. Journals.A. d. Red.
Das Zerschneiden der Rüben erfordert eine um die Hälfte geringere mechanische Kraft,
als das Zerreiben einer gleichen Menge zu Brei erheischt; zwei Menschen an Kurbeln,
welche stündlich 25 bis 30 Minuten arbeiten, können in 9 oder 10 Stunden 2250
Kilogr. (45 Cntr.) Rüben zerschneiden.
Extraction des Zuckersaftes. – Zur Extraction des
Zuckersaftes aus den zerschnittenen Rüben wendet Hr. Champonnois ein neues System der Maceration und Verdrängung an. Die
Rübenschnittchen gelangen in einen Bottich, der einen Inhalt von 550 Litern hat. Er
hat einen doppelten Boden und der obere ist mit Löchern versehen, und statt nun über
die ganze Masse siedendes Wasser zu gießenDas Wasser ist in dieser Beziehung nur bei den ersten Operationen zweckmäßig;
man ersetzt es durch Schlempe (aus der Blase), sobald man diesen flüssigen
Rückstand von einer ersten Destillation erhalten hat., bringt man 200 Liter siedender Schlempe (von der Destillation eines, vorher
derselben Behandlung, der Gährung und Destillation unterworfen Saftes) auf die
Schnitte.
Nach Verlauf einer Stunde, während welcher eine solche Kufe von gleicher Räumlichkeit
mit Rübenschnitten angefüllt worden ist, zieht man die Flüssigkeit, d.h. den durch
Maceration erlangten Saft, von dem ersten Bottich ab und gießt ihn auf die Rüben des
zweiten Bottichs. Nun gießt man sogleich eine zweite Portion Schlempe auf die zum
Theil schon extrahirte Masse des ersten Bottichs und läßt diese zweite Maceration
eine Stunde dauern. Währenddem füllt man einen dritten Bottich mit den Producten des
Rübenschneiders, der in Zwischenzeiten von 25 bis 30 Minuten zu wirken
fortfährt.
Das Gemisch von Schlempe und Saft, welches eine Stunde lang auf der dritten Kufe
stehen blieb, enthält den Saft, welcher durch drei aufeinanderfolgende Macerationen
ausgezogen worden ist. Man zieht es ab und gießt es in einen der drei
Gährungsbottiche, die man auf diese Weise zu füllen beginnt. Die abgezogene
Flüssigkeit hat ein Volum von etwa 250 Liter, weil ein bedeutender Theil des
normalen Safts durch Endosmose verdrängt worden ist und das weich gewordene
Zellgewebe sich merklich zusammengedrückt hat.
Der erste Bottich, in welchem zwei Füllungen mit Schlempe, jede eine Stunde, verweilt
haben, die dann nach einander abgezogen wurden, empfangt eine dritte Füllung von 200
Litern Schlempe, deren Product man nach einer halben Stunde abzieht, um es in einen
Kessel zu leiten, wo es bis zum Siedepunkt erwärmt wird.
Die Rübenschnittchen, welche nun vollständig extrahirt sind, läßt man abtropfen und
nimmt sie alsdann mit einer doppelten Gabel, die mit zwei Griffen versehen ist, und
deren Schenkel sich um einen Nagel drehen (wie bei den Salatgabeln) aus dem Bottich,
um sie nach einer Vorbereitung, die wir unten angeben, als Viehfutter zu
verwenden.
Die sehr einfache Arbeit wird nun in solcher Art fortgesetzt, daß von den drei
Bottichen abwechselnd der dritte mit Rüben gefüllt wird und sofort die Flüssigkeit
empfängt, welche von dem zweiten abgezogen wurde und eine Stunde lang zu einer
Maceration gedient hat; im zweiten Bottich wird ein zweites Mal eine Maceration
vorgenommen und im ersten Bottich eine dritte Maceration, worauf die etwas
zuckerhaltige Schlempe, welche er enthält, dem Wärmekessel zugeführt wird. Wenn man
die Flüssigkeit, welche eine Stunde lang auf den neuen Rübenschnitten des dritten
Bottichs gestanden hat, abzieht, um sie in die Gährungskufe zu gießen, so empfangt
der frisch mit Rüben gefüllte Bottich die einmal macerirte Flüssigkeit, welche
sofort durch die Schlempe von einer zu gleicher Zeit ausgeführten Destillation
ersetzt wird. Auf solche Weise haben die erschöpften Rübenschnitte wirklich drei
successive Aufgüsse von Schlempe erhalten, wovon jedoch die letzte großentheils in
dem Zellgewebe der Rübe zurückbleibt, wo sie den Platz des ursprünglich darin
enthaltenen Zuckersaftes einnimmt. Letzterer ging vom ersten in den zweiten Bottich,
dann vollständiger in den dritten Bottich über, von wo aus er in die Gährungskufe
gelangt.
Man sieht, daß man jede Stunde 250 Liter zuckerigen Saft für die Gährung bekommt und
anderseits 200 Kilogr. Schnitte, welche mittelst zweier Macerationen ausgesogen
sind, von denen die letzte mittelst der aus der Blase kommenden Schlempe bewirkt
wurde.
Der Zweck, welchen Hr. Champonnois zu erreichen suchte,
bestand darin, der Runkelrübe den größten Theil des Zuckers zu entziehen, und ihr
dabei die organischen stickstoffhaltigen Stoffe, die schleimigen, fetten und
salzigen Substanzen zurückzuerstatten, welche anderen Schnitten durch eine
vorhergehende Operation entzogen wurden, kurz, den flüssigen Rückstand aus der Blase
dem festen Rückstand beizufügen, welcher durch das Auswaschen mittelst Maceration
erhalten wurde; so daß dieser zusammengesetzte Rückstand so ziemlich alle nahrhaften
Stoffe der Runkelrübe enthält, abgesehen von etwa 20 Proc. verdampftem Wasser,
während der Zucker fast
gänzlich in Alkohol und Kohlensäure verwandelt wird. Hr. Champonnois erspart auf diese Weise das Wasser nebst dem Brennmaterial zum
Erhitzen desselben, welche bisher beim Maceriren und Auslaugen der Schnitte und des
Breies der Runkelrüben angewendet wurden, er macht also die ganze Operation weit
wohlfeiler und kann überdieß der Landwirthschaft feuchte und warme Trestern liefern,
die bei dem geschnittenen Futter eine Maceration und eine Gährung einleiten, welche
dessen nahrhafte Eigenschaften zu entwickeln vermögen.
Es war jetzt noch ein wohlfeiles Verfahren zu ermitteln, um in dem so mittelst der
Schlempe extrahirten Rübensaft eine anhaltende Gährung zu veranlassen. Hr. Champonnois hat auch diese Aufgabe durch eine sehr
einfache Methode gelöst.
Dieses sinnreiche Verfahren beruht auf der Anwendung einer bedeutenden Masse von
Ferment, welches sich unaufhörlich erneuert und stufenweise auf eine verhältnißmäßig
sehr geringe Menge von schwach angesäuertem zuckerhaltigem Saft wirkt. Diese
Säuerung erfolgt durch die Säuren, welche in der Schlempe auf Kosten der
Bestandtheile der Runkelrübe frei werden; überdieß werden die Rüben, wenn sie
gewisse Veränderungen erlitten haben, mit einer sehr geringen Menge, 1/2 oder 1/4
Tausendtel Schwefelsäure versetzt, die mit 8 bis 10 Thln. Wasser verdünnt ist. Man
verwirklicht diese günstigen Bedingungen auf folgende Weise, wobei noch das
überschüssige und oft veränderte Ferment, welches sich niedergeschlagen hat,
entfernt wird.
Geistige Gährung. – Wir zeigten, daß man mittelst
einer geregelten Auslaugung und dreier Bottiche, stündlich 250 Liter zuckerhaltigen
Saft erhält, der fast gänzlich durch die Schlempe (den Blasenrückstand) ersetzt
wird, welche man zum Ausziehen desselben anwandte und die in den theilweise an
Zucker erschöpften Schnitten der vorhergehenden Bottiche zurückblieb. Man
erleichtert diese Auslaugung, indem man die drei Bottiche durch Röhren mit einander
verbindet; das eine Ende einer solchen Röhre steckt zwischen dem Doppelboden des
einen Bottichs, das andere Ende geht zum obern Rande des folgenden, so daß die
Füllungen sich in den Bottichen durch bloße Verdrängung, indem man Hähne öffnet,
erneuern. Wir werden später, mit Hülfe von Abbildungen, diese Einrichtung genauer
beschreiben.
Der gewonnene zuckerhaltige Saft muß eine mittlere Temperatur von 15 bis 16°
C. (12 bis 13° R.) haben. In der Regel wird diese Temperatur, wenn es nicht
friert, auf natürlichem Wege erreicht, mittelst der Schlempe, welche fast siedend
aus der Blase genommen, auf die Rübenschnittchen geschüttet wurde, um die erste
Maceration zu bewirken, deren Product die Wärme von 40 bis 50° C. (32 bis
40° R.) hat, während dasjenige der letzten Maceration 15 bis 16° C.
zeigt. Uebrigens muß das Local so geschlossen seyn, daß mittelst der Wärme der Blase
und der Kochapparate, letztere Temperatur der Luft unterhalten bleibt. Sollten aber
die Rüben in den kältesten Wintertagen eine Temperatur von fast 0° erreicht
haben, so wirft man sie, ehe sie zur Schneidmaschine gelangen, einige Minuten in
warmes Wasser von 40 bis 45° C.
In dem Maaße als die erste Gährungskufe sich mit der Macerationsflüssigkeit füllt,
wozu neun Abzüge, jeder von 250 Lit. = 2250 Liter erforderlich sind, entwickelt sich
die Gährung und schreitet vorwärts.Man veranlaßt ein für allemal die Gährung, indem man in die erste Kufe,
sobald sie 250 Liter Saft aufgenommen hat 4 Kilogr. gute Bierhefe gibt, die
vorher in 6 bis 8 Liter Saft oder gewöhnliches Wasser eingerührt worden ist.
Dieses Ferment erneuert sich dann während der ganzen Dauer der Operationen
von selbst in der Kufe. Nach 24 Stunden setzt man zwei benachbarte Kufen mit einander in Verbindung,
so daß sich die gährende Flüssigkeit darin gleich vertheilt.
Man beginnt alsdann beide halbvolle Kufen auf dieselbe Weise zu füllen, wie man die
eine gefüllt hat, indem man einen schwachen Zufluß aus den Auslaugegefäßen
einführt.
Da erst nach zehn oder zwölf Stunden beide Kufen gefüllt sind, so dauert die Gährung
in denselben fort, und zwölf Stunden später erkennt man an dem Aufhören der
Kohlensäure-Entwickelung, daß die Gährung (also nach 48 Stunden) fast ganz
beendigt ist.
Die eine von den beiden Kufen läßt man in diesem Zustand, damit sie abkühlt und 24
Stunden später zur Destillation gelangen kann; aus der andern Kufe wird hingegen die
Hälfte der Flüssigkeit in eine leere Kufe abgelassen.
Letztere zwei halbgefüllte Kufen erhalten dann den Macerationssaft; mit Hülfe des in
der Flüssigkeit suspendirten Ferments, welches auf den Zuckerstoff des neuen Saftes
einwirkt, wird die Gährung wieder lebhaft; beide Kufen sind am Ende der Tagarbeit
gefüllt, die Gährung dauert die Nacht ohne Zusatz fort und hat, wie das erstemal, in
48 Stunden ihre Hauptphasen durchgemacht.
Man sieht, daß wenn einmal dieser Kreislauf hergestellt ist, man jeden Morgen eine
abgekühlte Kufe hat, die man während der Tagarbeit destillirt; ferner eine zweite
Kufe, welche man 24 Stunden verkühlen läßt; dann eine dritte Kufe, gefüllt mit
Flüssigkeit von gleicher Beschaffenheit, die man zwischen dieser und der vierten
Kufe vertheilt, welche letztere den Tag vorher entleert worden ist, um den
Destillirapparat zu speisen.
Man erkennt sehr leicht den Gang der Gährung, indem man in die Flüssigkeit ein
Thermometer taucht; dasselbe steigt von 16° auf 22° bis 25° C.
(von 13° auf 18° bis 20° R.), erhält sich auf letzterm Grade
eine Zeit lang, und sinkt am Ende der Gährung. Da die Dichtigkeit der Flüssigkeit in
Folge des gebildeten Alkohols sich vermindert, so läßt sich das Ende der Gährung
durch ein Baumé'sches Aräometer erkennen; dasselbe zeigt dann nur 1°,
während der Saft 5 bis 6° hatte, ehe die geistige Gährung statt fand; es
zeigt 2° während der ganzen Zeit, in welcher der gezuckerte Saft nach und
nach, in 8 bis 10 Stunden, in die zwei Kufen gelangt.
Auf diese Weise sind täglich nur vier Kufen im Betriebe. Wenn eine davon, womit man
den Destillirapparat gespeist hat, entleert ist, so findet man nach dem Abgießen der
weinartigen Flüssigkeit, auf dem Boden dieser Kufe einen schlammigen Absatz von
überschüssiger Hefe.
Dieser, ein Volum von 20 bis 30 Liter einnehmende Niederschlag, wird in den zweiten
Kessel des Destillirapparats geschafft; wollte man ihn in das obere Reservoir
gießen, so könnte dieß Nachtheil bringen, weil er beim Hinablaufen über die Platten
und durch die Röhren der Säule sich an den Wänden festsetzen, sich theilweise
zersetzen und unangenehm riechende, brenzliche Producte erzeugen, oder wenigstens
die engen Durchgänge für die Flüssigkeit und Dämpfe verstopfen könnte.
Die festen Stoffe des Niederschlags bestehen hauptsächlich aus den näheren
Bestandtheilen des Ferments: sie enthalten eine beträchtliche Menge
stickstoffhaltiger Substanz, fetter Materien und salziger Verbindungen. Es ist daher
von Wichtigkeit, sie in das Futter zu bringen. Dieser Zweck wird durch das
angegebene Mittel erreicht, wobei man auch den Alkohol gewinnt; denn in dem zweiten
Kessel wird der flüssige Absatz der Siedhitze ausgesetzt, welche den größten Theil
des Alkohols daraus verjagt; der letzte Alkoholgehalt wird während des Siedens im
ersten Kessel daraus abgeschieden. Die aus dem ersten Kessel abgezogene Schlempe,
welche hernach auf die Rübenschnittchen gegossen wird, läßt beim Filtriren durch
dieselben alle Substanzen zurück, die darin suspendirt waren, und auch fast alle in
ihr aufgelösten Substanzen. Die einen wie die andern gehen so zuletzt in die Gemenge
über, welche als Viehfutter benutzt werden. Sobald eine Kufe entleert ist, muß sie,
ehe neue Flüssigkeit zur Gährung hineingelangt, sehr sorgfältig gereinigt und
ausgespült werden. – Eben so nothwendig ist es, am Ende einer Tagarbeit die
drei Macerationsbottiche zu reinigen, obgleich alsdann der letzte nicht gänzlich
erschöpft seyn kann; denn man hat die Bemerkung gemacht, daß wenn die
Blasenrückstände eine ganze Nacht mit den Rübenschnitten, in einem dieser Bottiche, in Berührung
bleiben, eine klebrige Gährung eintreten kann, welche den Erfolg der späteren
Operationen zweifelhaft macht. Man muß daher aus dem Bottich, worin man zuletzt den
gezuckerten Saft für die Gährungskufen extrahirt hat, die in demselben enthaltene
Schlempe abziehen. Diese abgezogene Flüssigkeit kommt in einen Kessel, in welchem
man sie den folgenden Morgen erhitzt, um sie zur ersten Maceration zu verwenden.
Man würde ohne Zweifel den erwähnten Nachtheil vermeiden, wenn man die Arbeit Tag und
Nacht fortsetzte; alsdann würde aber die Production der ausgelaugten Rübenschnitte
so bedeutend seyn, daß sie wahrscheinlich nicht alle verfüttert werden könnten und
überhaupt der ganze Betrieb mehr fabrikartig als landwirthschaftlich seyn; besonders
wäre auch die Beaufsichtigung der Nachtarbeit weit mühsamer und kostspieliger.
Eine andere Ursache zufälliger Veränderungen, welche mehr oder weniger nachtheilig
für den Erfolg der Gährung ist, zeigt sich gegen das Ende der Arbeitssaison,
besonders bei der Verarbeitung gewisser Rübensorten, welche schwieriger
aufzubewahren sind als die schlesischen Rüben.
Bei den HHrn. Huot vermeidet man eine Art von klebriger
Gährung, welche unter den erwähnten Umständen eintreten kann, dadurch, daß man auf
die frischen Rübenschnitte, in dem Augenblick wo sie in den Bottich gebracht wurden,
50 Gramme Schwefelsäure, mit 500 Grammen Wasser verdünnt, per 100 Kilogr. Rüben gießt, also in einen Bottich mit 250 Kil. Rüben, 125
Gr. Schwefelsäure, welche mit 1250 Gr. Wasser verdünnt wurden.
Dieser geringe Zusatz von Schwefelsäure (1/2 Tausendtheil) kann nicht in freiem
Zustande im Saft bleiben, weil derselbe Salze mit organischen Säuren enthält, welche
durch die Schwefelsäure zersetzt werden; ebensowenig kann die Schwefelsäure in
freiem Zustand in dem Gemenge vorhanden seyn, welches man als Viehfutter darstellt,
weil das trockene Futter ebenfalls Salze mit Pflanzensäuren enthält, welche ihre
Basis an die Schwefelsäure abtreten würden, wenn dieselbe nicht schon gesättigt
wäre. Die Erfahrung hat übrigens gezeigt, daß ein solches Futter nichts weniger als
nachtheilig, sondern vollkommen gesund ist.
Destillation. – Dieser Proceß wird mit den auf
angegebene Weise erhaltenen Flüssigkeiten vorgenommen, und erfolgt weit leichter als
bei Anwendung einer teigigen Masse. Die Apparate für ununterbrochene Destillation,
namentlich der Derosne'sche, welchen wir unten
beschreiben, lassen sich hierzu leicht anwenden. Man muß in dem Apparat im Verlauf
von zehn Stunden das Quantum weiniger Flüssigkeit destilliren können, die man täglich erhält,
d.h. 2250 Liter, welche jeden Morgen parat sind.
Die zu destillirende weinige Flüssigkeit wird mittelst einer Pumpe aus dem Behälter,
in welchen sie aus der Kufe abgelaufen ist, in das Reservoir über dem Apparat
gehoben. Ein Schwimmer, der an einer dünnen Schnur hängt, welche über zwei Rollen
läuft, bezeichnet dem die Pumpe bewegenden Arbeiter den Stand der Flüssigkeit in dem
obern Reservoir.
Mittelst eines an diesem Reservoir angebrachten Hahns gelangt die zu destillirende
Flüssigkeit ununterbrochen in den Apparat, und zwar wird der Abfluß so regulirt, daß
man einerseits aus dem Schlangenrohr den destillirten Alkohol von beliebigem Grade
gewinnt, anderseits die Schlempe während derjenigen Zeit, welche erforderlich ist um
jeden der beiden Kessel des Destillirapparates zu füllen, an Alkohol erschöpft wird
(wo sie dann beiläufig 1° Baumé zeigt).
Man erreicht diesen doppelten Zweck auf ökonomische Weise, wenn man den
ununterbrochenen Abfluß der weinigen Flüssigkeit (welche etwa 4 Procent wasserfreien
Alkohol enthält) so regulirt, daß der Alkohol aus der Schlange mit 150
Centesimalgraden (die 19° Cartier entsprechen) abfließt. Die Menge der in der
Stunde erhaltenen Schlempe beträgt alsdann etwa 200 Liter, bei einem Apparat welcher
180 Liter Alkohol von 50 Volumprocenten in 10 bis 12 Stunden liefert.Wenn man mittelst der unten angegebenen Zeichen gewahr wird, daß die Schlempe
in dem Augenblick, wo man sie abziehen müßte, noch Alkohol enthält, so müßte
man den Abfluß durch Verminderung der Hahnöffnung verzögern und auf diese
Weise ihren Aufenthalt in dem Apparat verlängern.
Die Destillation folgt, wie man sieht, auf die anderen vorher beschriebenen
Operationen; sie würde ihnen auch dann folgen, wenn der Betrieb, sowohl der
Maceration als der Destillation, Tag und Nacht fortgesetzt würde, dann würde sie
aber die oben angegebenen Nachtheile zur Folge haben.
Anstatt sich auf die Darstellung von Alkohol von 50 Centesimalgraden (50
Volumprocenten) zu beschränken, könnte man ihn auch rectificiren und auf 85 bis
90° bringen, indem man ihn zum zweitenmal in demselben Apparat destillirt; es
würde dadurch aber der Proceß unnöthig verwickelt, wenn man den Spiritus von
50° absetzen kann.
Zubereitung der Rückstände als Viehfutter. – Zum
Schluß der Beschreibung dieses Industriezweigs, wie er in der Landwirthschaft der
schon erwähnten HHrn. Huot betrieben wird, wollen wir noch angeben, wie man
die Rückstände von der Spiritusfabrication zubereitet und als Viehfutter
benutzt.
Die mit der Schlempe behandelten Rübenschnitte, d.h. etwa 2000 Kilogr. oder 40 Cntr.
von einer Tagarbeit oder zehnstündigen Betriebszeit, werden in dem Maaße als sie von
der Destilliranstalt an die Meierei abgegeben werden, in Quantitäten von etwa 200
Kil. mit ihrem dreifachen Volum trockenem Futter (kurzem Stroh, Häcksel, Spreu von
Getreide, Klee, Luzerne etc.) gemengt.
Dieses Gemenge wird in einem offenen Trog gemacht und bildet am Ende einer Tagarbeit
eine Masse von 7 bis 8 Kubikmeter, welche jenes große hölzerne oder steinerne Gefäß
ausfüllt. Es entsteht sehr bald eine Gährung in dem Gemenge, wodurch es die
Eigenschaften erlangt, welche die Landwirthe bei dem gegohrenen Futter fordern. Die
in den Rübenrückständen zurückgehaltene Schlempe genügt nämlich, um dem Futter die
Feuchtigkeit und die organischen Stoffe, welche die Gährung begünstigen,
mitzutheilen; überdieß bringt derselbe Rückstand diejenige Wärme in die Masse,
welche zur Einleitung der Gährung erforderlich ist, bei deren Fortpflanzung die
Temperatur der ganzen Masse erhöht wird.
Man muß das Mengefutter wenigstens 36 Stunden dieser freiwilligen Reaction
überlassen, damit es auf den gehörigen Grad der Gährung kommt, wobei es für das Vieh
am zuträglichsten ist. Das anfangs trockene Futter ist alsdann weich und feucht
geworden; es entwickelt einen aromatischen und schwach alkoholischen Geruch. Man
gibt dieß Futter den Ochsen, Kühen und jungen Rindern, selbst den Stieren, in
abgemessener Ration, welche für jedes dieser Thiere aus 25 Kilogr. Rübenrückständen
und deren dreifachem Volum, nämlich 75 Liter geschnittenem Trockenfutter, welche
etwa 10 Kilogr. wiegen, besteht, so daß die ganze Ration 35 Kilogr. wiegt.
Der Verfasser überzeugte sich in den Ställen der HHrn. Huot von der großen Begierde, womit alle Thiere dieses Futter fressen,
wobei sie ihr Instinct auch nicht täuscht, denn man erkannte leicht die sicheren
Zeichen einer guten Verdauung; ihre Excremente waren fester und härter, als es sonst
bei so feuchtem Futter der Fall ist, oder wenn man den rückständigen Rübenbrei aus
den Zuckerfabriken, roh und ohne Gährung verfüttert. Die Fütterung welche mit diesen
Thieren seit drei Monaten vorgenommen worden war, hatte den besten Einfluß auf ihre
Gesundheit, so wie auf ihren Milchertrag gehabt. Die Arbeitsochsen waren in gutem
Zustande und setzten schon Fett an; die Stiere waren kräftig und lebhaft; ein junges
Rind war so fett geworden, daß es, anstatt zur Zucht, zur Schlächterei verwendet werden
mußte. Die Kühe gaben nicht allein mehr Milch, sondern es konnte aus dieser auch
eine weit festere Butter dargestellt werden, als bei bloßer Gras- und
Kräuterfütterung.
Oekonomische Frage: Vergleichung der Futtermenge, welche man
bei der Zuckerfabrication und bei der Weingeistfabrication mittelst Runkelrüben
erhält.
Der Brei, welcher beim Zerreiben der Runkelrüben in den Zuckerfabriken erhalten wird,
bietet ohne Zweifel ein treffliches Viehfutter dar, allein seine Benutzung hat
manches Nachtheilige. Man erhält ihn in zu bedeutenden Massen, als daß man ihn nach
Maaßgabe seiner Production verbrauchen könnte; denn wegen der Schwierigkeiten,
welche die Zuckerfabrication darbietet und wegen der Steuer, ist es unmöglich sehr
kleine, mit Landwirthschaften verbundene Fabriken, mit Vortheil zu betreiben. Es
müssen daher die Preßrückstände aufbewahrt und nach Meiereien und andern
landwirtschaftlichen Etablissements, wo sie verbraucht werden können, und die mehr
oder weniger fern von der Fabrik liegen, transportirt werden. Dadurch entstehen
Kosten für Aufbewahrung in gemauerten Silos, Herausnehmen aus denselben, Transport
etc. Auch hat der Betrieb der Rübenzuckerfabriken bis jetzt mit Vortheil nicht über
3 1/2 bis 4 Monate ausgedehnt werden können, so daß es nicht möglich war die
Arbeiter während der ganzen Zeit zwischen den lebhaftesten Feldarbeiten zu
beschäftigen.
Ganz anders sind die Verhältnisse der Runkelrüben-Brennereien, besonders wenn
man eine der beschriebenen analoge Methode befolgt. Alsdann kann man wirklich sehr
leicht die Fabrication nach den Bedürfnissen einer mehr oder minder großen
Landwirtschaft einrichten, oder selbst nach dem Bedarf mehrerer Meiereien der
kleinsten Art, welche einander nahe liegen und ihr Destillationsproduct an eine
Alkohol-Fabrik zur Rectification abliefern würden; diese könnte auch in einer
Centralfabrik geschehen, für welche die Landwirthschaften Abnehmer der Rückstände
wären; da letztere hierbei täglich verfüttert werden könnten, so waren auch keine
Magazine zu ihrer Aufbewahrung erforderlich. Das Rectificiren des rohen Spiritus
ließe sich ohne allen Nachtheil, ja sogar mit Vortheil, auf mehr als sieben Monate
ausdehnen, d.h. im Allgemeinen vom 1. October bis zum 10. oder 15. Mai, oder von der
Zeit, zu welcher das grüne Futer aufhört, bis zu derjenigen, wo es wieder vorhanden
ist, und in diesem Zeitraume, vom Mai bis October, fehlt es an Arbeitern auf dem
Lande nicht.
Aus diesem Grunde muß die Production von rectificirtem Weingeist Alkohol) dem
täglichen Verbrauch der Rübenschnitten-Rückstände bei der Landwirthschaft
untergeordnet und das industrielle Product, der rectificirte Alkohol, als
Nebensache, dagegen aber die Rückstände oder das landwirthschaftliche Product, als
Hauptsache betrachtet werden. Vom richtigen ökonomischen Gesichtspunkte aus wird man
daher die Spiritusfabrication weder ausdehnen noch vermindern, der Handelswerth
dieses Products mag seyn welcher er wolle, und wenn der Preis desselben auch um ein
Drittel des gewöhnlichen fiele, wird der im Besitz einer Brennerei befindliche
Landwirth dieselbe noch vortheilhaft betreiben können, während der eigentliche
Spiritusfabrikant keinen Gewinn mehr machen könnte.
Was nun die Besteuerung des Runkelrübenspiritus betrifft, so hat sie durchaus keine
Schwierigkeiten, da der tägliche Betrieb so regulirt werden kann, daß der
Steuerverwaltung die Controle gar keine Mühe macht.
Ein letzter Einwurf gegen die Verbindung von Runkelrüben-Brennereien mit der
Landwirthschaft, ist derselbe, welchen man auch gegen die Anlage kleiner
Zuckerfabriken auf dem Lande gemacht hat, nämlich daß ihre Herstellung mit zu vielen
Schwierigkeiten verbunden seyn dürfte Dagegen ist aber zu bemerken, daß, abgesehen
von den besondern Vortheilen, welche die Runkelrüben-Brennereien im Vergleich
mit den Rübenzuckerfabriken gewähren, sie weder chemische Agentien noch eine so
kostspielige Einrichtung erheischen, während auch die Processe weniger verwickelt
und schwierig sind. Zur Zuckerfabrication braucht man Kalk, thierische Kohle,
Reiben, hydraulische Pressen, Schaumpressen, Läuterungskessel, zwei Reihen von
Filtern, Abdampffessel, Behälter für Syrupe und Melassen, Krystallisirgefäße,
Trockenstuben, Dampfkessel und Dampfmaschinen, Apparate zur Wiederbelebung der
Knochenkohle, und noch eine Menge kleiner Geräthe; und diese verschiedenen Apparate
müssen in großen Gebäuden von mehreren Stockwerken enthalten seyn. Zur Einrichtung
einer Runkelrüben-Brennerei braucht man aber nur drei Macerations- und
vier Gährungs-Bottiche, eine Wasch- und eine Rübenschneidmaschine,
zwei kleine Kessel und eine Destillirblase.
Das Material und die Processe sind bei einer Runkelrübenbrennerei nicht kostbarer und
complicirter als bei der Spiritusfabrication aus Getreide oder Kartoffeln, oder
Weintrebern, welche seit langer Zeit von den Landwirthen betrieben wird, ja sie sind
noch einfacher. Die Processe erfordern bei jener keine so große Sorgfalt und weniger
Arbeit; es kann daher die Einführung dieses neue landwirthschaftlichen
Industriezweiges, der Spiritusfabrication mittelst Runkelrüben, gar keine Schwierigkeiten darbieten.
Nun bleibt aber noch ein Zweifel zu heben: besteht hinsichtlich der Menge und Qualität des Futters, welches die Rückstände
von den beiden Industriezweigen, der Zucker- und der Spiritusfabrication
liefern, ein wesentlicher Unterschied? Zu Gunsten welches von beiden
Industriezweigen ist dieser Unterschied? Die Beantwortung dieser Fragen bietet keine
Schwierigkeiten dar.
Wir wollen annehmen, daß die Zuckerrüben von mittlerer Qualität, welche in 100
Gewichtstheilen 16 Theile trockne Substanzen enthalten, auf Zucker oder Spiritus
verarbeitet werden, und wollen nun sehen, wie viel in dem einen und in dem andern
Falle als Viehfutter bleibt.
Der Rückstand von 100 Kilogr. zerriebenen und ausgepreßten Rüben, aus welchen man 84
Kil. Saft oder dessen Aequivalent gewonnen hat, wiegt im Durchschnitt 16 Kilogr.
Dieser Rückstand wird wegen der auf die Reibe gegossenen Wassermenge, welche durch
Endosmose einen Theil des Zuckers und der andern löslichen Stoffe verdrängt hat,
höchstens 1 Kilogr. Zucker und 1,25 Kilogr. andere nahrhafte Substanzen
zurückhalten. Da nun dieser Rückstand durchschnittlich erst nach einem drei-
bis viermonatlichen Aufenthalt in den Silos, den Thieren verfüttert wird, so haben
sich diese Quantitäten alsdann auf 1,75 Kil. nahrhafter Stoffe vermindert, diese als
trocken berechnet.
Die von 100 Kil. ähnlicher Rüben herrührenden Schnitte, denen der Zucker durch
Auslaugen mit Schlempe entzogen wurde, halten fast die sämmtlichen übrigen
stickstoffhaltigen und nicht stickstoffhaltigen, fetten, salzigen u.s.w. nährenden
Stoffe zurück, nebst etwas Essig und Milchsäure, welche von einer kleinen Menge
veränderten Zuckers herrühren. Die Gesammtmenge dieser als trocken angenommenen
Substanzen, beträgt, für 80 Kilogr. Rübenschnitte, etwa 7 Kilogr., d.h. viermal
soviel als im ersten Fall.
Man könnte allerdings, wie schon vorgeschlagen wurde, anstatt Champonnois' Verfahren anzuwenden, die Extraction des Saftes durch
Zerreiben und Auspressen bewirken, diesen Saft unmittelbar der geistigen Gährung
unterziehen, und den Absatz in den Gährkufen sammeln, um ihn siedend dem
ausgepreßten Rübenbrei von den folgenden Operationen beizumengen. In diesem Fall
würde man nahezu die Vortheile der vorhergehenden Methode hinsichtlich des in dem
Gemenge von Rübenbrei und Blasenrückstand (Schlempe) enthaltenen Quantums von
Nahrungsstoff erzielen, und dieses Gemenge in denselben Verhältnissen zerschnittenem
Stroh und sonstigem
trockenen Futter zugesetzt, würde ohne Zweifel eben so gute Resultate liefern, als
die oben angegebenen sind.
Aber das Zerreiben der Runkelrübe erfordert dreimal soviel mechanische Kraft als das
Zerschneiden derselben. Die Anlagekosten der Apparate wären weit bedeutender; man
müßte den Saft erwärmen, ihm ein- bis zwei Tausendtheile Schwefelsäure
zusetzen, und es würde die schwieriger zu leitende Gährung zuweilen in die
schleimige oder Milchgährung umschlagen, welche wenig Alkohol liefern. Man sieht,
daß weder die Zuckerfabriken, welche die Melassen verkaufen, noch die großen
DestilliranstaltenIn diesen letzteren, wo man den Saft durch Zerreiben der Runkelrüben gewinnt,
könnte der ausgepreßte Brei schwerlich die Blasenrückstände (Schlempe) ganz
absorbiren, ohne daß ein flüssiges Gemisch entstünde, welches sich nur
schwierig transportiren und nicht gut mit dem Futter vermischen läßt. der Landwirthschaft so viel Vortheil gewähren können, als die neuen, mit ihr
verbundenen Brennereien; letztere gestatten alle Verbesserungen zu realisiren,
welche die Cultur der Runkelrübe gewährt, nämlich durch Auflockerung und sehr tiefes
Pflügen des Bodens, durch Jäten, Behacken u.s.w., was bei der Rübencultur so
nothwendig ist und wodurch der Boden so günstig für den Getreidebau und für
künstliche Wiesen vorbereitet wird; überdieß liefern solche Brennereien Rückstände,
welche drei- bis viermal so viel Nahrungsstoffe enthalten, als der
ausgepreßte Rübenbrei. Diese Rückstände erleichtern durch ihre Beimengung die
Assimilation des gewöhnlichen Futters, dessen Nährvermögen sie bedeutend vergrößern,
so daß mehr Fleisch producirt wird und Alles was von den Thieren nicht assimilirt
werden konnte, gelangt endlich als Dünger in den Boden zurück.
Auf diese Weise lassen sich die vier wechselseitigen Bedingungen des
landwirthschaftlichen Fortschritts durchführen: Steigerung des Futters, Vermehrung
des Düngers, Entwickelung des künstlichen Wiesenbaues und anderer Culturen, Erhöhung
des Bodenertrags und dadurch Steigerung der Volkswohlfahrt.
Die Resultate der Runkelrüben-Brennerei mit Anwendung des Verfahrens von Champonnois berechnen sich bei einem Gute von 80 Hektaren
folgendermaßen:
Die Anlagekosten bestünden, außer dem Gebäude, in dem Ankauf des Apparates zur
ununterbrochenen Destillation, womit täglich der gegohrene Saft von 2250 Kit.
geputzter Rüben verarbeitet werden kann, welcher beiläufig 1 Hektoliter und 80 Liter
Alkohol von 50 Volumprocenten liefert:
Destillirapparat (von Cail und Comp. in Paris)
2500 Fr.
Wasch- und Schneidmaschine
300 „
blecherne Macerationsbottiche mit Hähnen
und Röhren
1000 „
Kessel zum Wärmen und
Schlempebehälter
250 „
vier Gährungskufen
320 „
Pumpe, Röhren, Hähne für die
Bottiche
800 „
–––––––
Summa
5470 Fr.
Diese tägliche Fabrication würde dem Anbau von 11 bis 12 Hektaren mit Runkelrüben,
auf einem Gute von 80 Hektaren, entsprechen.
Man erhielte täglich 2000 Kil. mit Schlempe imprägnirter Rübenschnitte, welche mit
ihrem dreifachen Volum oder 250 Kil. geschnittenem trockenen Futter gemengt, achtzig
Stück großes oder eine verhältnißmäßig größere Menge kleines Vieh ernähren können.
Diese Fütterung könnte wenigstens 200 Tage fortgesetzt werden, sie würde einer
Production von 360 Hektolitern Spiritus von 50° entsprechen, welche jetzt
einen Werth von 21600 Fr. haben. Nimmt man nun an, daß nächstes Jahr die
Spirituspreise um mehr als die Hälfte fallen und das Hektoliter nur noch 25 Fr.
kostet, so gäbe dieß immer noch 9000 Fr. und einen Nettogewinn von 6000 Fr., wenn
man die Rückstände zu ihrem vollen Werth als Viehfutter ansetzt.
Man kann die Berechnung auch auf folgende Weise aufstellen, indem man annimmt, daß
täglich 2000 Kil. Rüben mit 10 Proc. Zuckergehalt verarbeitet werden:
Ausgaben:
2000 Kil. Runkelrüben, à 19 Fr. die
1000 Kil.
38 Fr. – Cent.
Arbeitslöhne an drei Arbeiter à 2,50
Fr.
7 „ 50
„
1 1/2 Hektoliter Steinkohlen, à 2
Fr.
3 „
– „
1 Pferd zur Bewegung des Göpels
2 „ 50
„
Zinsen von 5470 Fr. à 10
Proc.
2 „ 35
„
Zinsen von 5000 Fr. für das Local, zu 5
Proc., Reparaturen etc.
1 „ 90
„
––––––––––––
Summa
55 Fr. 25 Cent.
Einnahme:
für 200 Liter Spiritus von 50 Graden
(Volumprocenten) à 60 Fr. die 100
Liter
120 „
– „
–––––––––––––
Bleibt reiner Gewinn
74 Fr. 75 Cent.
täglich, oder 14,950 Fr. in 200 Arbeitstagen, außer dem Werth
der Rückstände.
Wenn der Preis des Spiritus so weit sänke, daß der Gewinn mittelst desselben aus 50
Fr. täglich reducirt würde, so bestände der Hauptgewinn in dem Werth der Rückstände,
welcher täglich etwa 24 Fr. beträgt, was für eine Kampagne von 200 Tagen etwa 4800
Fr. ausmacht.
Bauet man auf einem Gut von 150 Hektaren jedes Jahr 26 bis 30 Hektaren Rüben, was
800,000 Kil. geben würde, so könnte man 800 Hektol. Spiritus von 50°
produciren, welche bei dem niedrigen Preise von 25 Fr. einen Werth von 20,000 Fr.
und einen Netto-Gewinn von etwa 4,800 Fr. repräsentiren. Man erhielte dabei
700,000 Kilogr. Rückstände, welche hinreichen um das Futter für 150 Kühe zu
ergänzen. Der Werth dieses Complements an Futter würde den Gewinn verdreifachen.
Man kann daher in diesem Falle die Selbstkosten des Spiritus auf nachstehende Weise
berechnen; sie fallen gegen die obigen geringer aus, weil das Fabricationsquantum
verdoppelt ist, während die Kosten bei weitem nicht in demselben Verhältniß steigen.
Man begreift übrigens, daß Localverhältnisse einen großen Einfluß auf diese
Selbstkosten-Berechnung haben müssen.
Kosten der Spiritusfabrication und der täglichen Production
der Rückstände in einer Landwirthschaft.
Ausgaben:
4000 Kil. Runkelrüben, à 16 Fr. die 1000
Kil.
64 Fr.
– Cent.
Lohn für vier Arbeiter, à 2,50 Fr.
10 „
– „
Steinkohlen, 2 Hektoliter à 2 Fr.
4 „
– „
Göpelpferd
2 „
50 „
Zinsen vom
Betriebscapital, 10 Proc.
4 „
– „
„ vom Anlagekapital,
5 Proc.
2 „
– „
––––––––––––
Productionskosten für 4 Hektol. Spiritus
à 50°
86 Fr.
50 Cent.
1 Hektoliter Spiritus à 50° würde daher 21,65 Fr.
kosten. Wenn der Preis des Hektol. auf 25 Fr. sänke,
würde der Gewinn per Hektoliter betragen
3 Fr.
63 Cent.
oder in 200 Tagen für die 800 Hektol. 2904
Fr.; rechnet man aber dazu den Werth der
Rückstände, d.h. 3560 Kil. mit Schlempe
imprägnirter Rübenschnitte, zu 10 Fr.
die 100 Kil
35 „
60 „
–––––––––––––
so ergibt sich ein Gewinn von
38 Fr.
23 Cent.
oder in einer Campagne von 200 Tagen = 7646 Fr. Man sieht
daher, daß in diesem Fall die Spiritusfabrication Nebensache ist und der Gewinn
dafür gänzlich unberücksichtigt gelassen werden kann.
Diese Vortheile, welche auf den ersten Blick übertrieben zu seyn scheinen, werden
einleuchtend, wenn man berücksichtigt, daß viele Gutsbesitzer, namentlich in den
Umgebungen von Paris, es jetzt in ihrem Interesse finden, das Futter für Kühe etc. mit
Rübenbrei zu bereiten, aus welchem der Saft nicht ausgepreßt wurde, indem man ihn
mit seinem dreifachen Volum zerschnittenen trockenen Futters vermengt; man läßt
dieses Futter 4 bis 5 Wochen lang in Gruben gähren.In Deutschland hat man schon seit langer Zeit den Nutzen der Gährung bei dem
mit zerschnittenen Rüben vermengten zerschnittenen trockenen Futter erkannt;
es läßt sich dadurch in vielen Fällen das Kochen des Futters ersetzen, wobei
man noch die Kosten für Brennmaterial erspart. Man erlangt durch dieses
Verfahren hauptsächlich den Vortheil, manche harte und trockene Substanzen
verfüttern zu können, wie Stroh, Spreu, die Samenkapseln von Hanf und Flachs
etc., was besonders in Jahren des Futtermangels sehr wichtig ist, wie
nachstehende Beispiele zeigen.Der verstorbene Prof. Schweitzer übernahm im Jahre
1836 die Administration des mit der Forst- und landwirthschaftlichen
Lehranstalt zu Tharand verbundenen Kammerguts, welches sich in Beziehung auf
Futterproduction in sehr schlechten Verhältnissen befand. Umsonst versuchte
er zuerst mehrere Mittel, um Roggenstroh ohne Beimengung von Heu zu
verfuttern; dann vermengte er es mit geschnittenen Rüben und ließ dieses
Gemenge gähren. Ein solches Gemenge von Roggenstroh und Rüben verfütterte er
in den folgenden sechs Jahren mit dem besten Erfolg.Ein französischer Landwirth, Hr. Nivière,
fand durch Versuche im Großen, daß Häcksel, welches der Gährung unterzogen
wurde, per 100 Kilogr. seines Aequivalents an
Heu 3,270 Kil. Fleisch erzeugte, während dasselbe Stroh, in gleicher Menge
ungegohren verfüttert, nur 0,900 Kil. Fleischansatz veranlaßte.A. d. O.
Bei diesem Verfahren entsteht auf Kosten des Zuckers Alkohol, welcher sich zum großen
Theil verflüchtigt, und es bleibt ein ähnliches Gemenge zurück, wie es die mit
Schlempe getränkten Rübenschnitte bilden. Der Hauptunterschied bei dieser Methode
besteht darin, daß der Alkohol verloren geht, während er bei dem neuen Verfahren
durch Gährung und Destillation gewonnen wird.
Man erhält auch durch den Alkoholverlust nachtheilige Resultate, wenn man die ganzen
Rüben kocht, sie alsdann zwischen Walzen unter Zugießen von 25 Proc. Wasser
zerquetscht, um hierauf den dünnen Brei mit seinem dreifachen Volum trockenen
Futters zu vermengen, wie dieß jetzt in mehreren Landwirthschaften geschieht. Der
Verbrauch an Triebkraft, Arbeitslöhnen und Brennmaterial, ist dabei fast derselbe,
wie in einer gut eingerichteten Destilliranstalt; die vier oder fünf Tage dauernde
Gährung verwandelt den Zucker großentheils in flüchtige Producte, und der
Hauptunterschied ist noch der fast gänzliche Verlust des Alkohols, ohne irgend einen
Ersatz.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)