Titel: | Ueber die Anwendung des Warmwasser-Röstverfahrens in der Flachsbereitungs-Anstalt von Willmann und Weber zu Patschkey bei Bernstadt in Schlesien; von Hrn. Flandorffer, technischem Dirigenten der Spinnerei und Flachsbereitungs-Anstalt daselbst. |
Fundstelle: | Band 133, Jahrgang 1854, Nr. CXIV., S. 459 |
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CXIV.
Ueber die Anwendung des
Warmwasser-Röstverfahrens in der Flachsbereitungs-Anstalt von Willmann und Weber zu Patschkey bei Bernstadt in Schlesien; von Hrn. Flandorffer, technischem Dirigenten der Spinnerei und
Flachsbereitungs-Anstalt daselbst.
Aus den Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß in
Preußen, 1854, 3te Liefer.
Flandorffer, über die Anwendung des Warmwasser-Röstverfahrens.
Das Verfahren, den Flachs in durch Dampf erwärmtem Wasser zu rösten, ist in der
hiesigen Flachsbereitungs-Anstalt seit dem 1 Juli 1852 regelmäßig und in
größerem Maaßstabe angewendet worden, wie aus dem Quantum, welches nach dieser
Methode behandelt worden ist, hervorgeht, und dürften demnach die Resultate hiernach
einigermaßen für die Anwendbarkeit dieses Verfahrens im Allgemeinen maßgebend seyn.
Die hiesige Warmwasser-Röstanlage ist im Ganzen den nach dem Schenk'schen Verfahren in Irland eingerichteten
Flachsbereitungsanstalten ähnlich angelegt worden und sind 12 Bottiche und 3
viereckige Kästen als Röstgefäße vorhanden. Zur Erwärmung des Wassers wird der zum
Betrieb der Dampfmaschine schon benutzte Dampf angewendet, und über Nacht nur so
viel Dämpfe lediglich für diesen Zweck erzeugt, als nöthig sind, um das Wasser auf
dem erforderlichen Wärmegrad zu erhalten.
Was das Verfahren selbst, hauptsächlich den Wärmegrad, die Steigerung der Erwärmung
und die Dauer des Röstprocesses anbelangt, so läßt sich dafür eine allgemeine
Verhaltungsregel nicht aufstellen, und wird die vorteilhafteste Anwendung des
Verfahrens in den verschiedenen Stadien durch die jedesmalige Natur des Gewächses
selbst bedingt. Eine Steigerung von 1/2 bis höchstens 1 Grad in der Stunde und eine Erwärmung bis zu 24
– 28° Réaumur, je nach der Feinheit
und Natur des Gewächses, hat sich für den Flachs hiesiger Gegend, den Resultaten
nach, als am erfolgreichsten herausgestellt. Die Dauer des Röstprocesses wechselt
zwischen 60 – 90 Stunden, je nach dem Gewächs und gibt hierfür die praktische
Erfahrung durch Probenziehen die Vollendung der jedesmaligen Röste an. Nach der
Röste bekommt der Flachs eine Nachbleiche von 8 – 14 Tagen, indem er auf
Wiesen gebreitet und je nach der Witterung und Erforderniß ein oder mehreremale
gewendet wird.
Da die Handarbeiten bei dem Dampf-Röstverfahren im Wesentlichen dieselben
sind, als bei der Kaltwasser-Röste, so sind die Bearbeitungsunkosten nicht in
Erwägung zu ziehen, bis auf die der Erzeugung von Dampf zur Erwärmung des Wassers,
welche allerdings nicht unbeträchtlich sind, wenn der Dampf ohne mehrseitige
Benutzung lediglich zur Erwärmung des Röstwassers allein erzeugt werden muß.
Diese Mehrkosten der Warmwasser- gegen die der Kaltwasser-Röste werden
jedoch durch günstigere Resultate nach ersterem Verfahren mehr als gedeckt, wie aus
folgenden Angaben hervorgeht.
Vom 1 Juli 1852 bis Ende Juni 1853 wurden, bei Unterbrechung des Röstens während der
Wintermonate, in hiesiger Anstalt nach dem Warmwasser-Röstverfahren 600
Schock zu 1200 Pfd. Rohflachs geröstet und hat sich dabei im Ganzen ein
Gewichtsverlust durch die Röste im Durchschnitt von 23,5% ergeben; dagegen stellt
sich bei der belgischen Röst-Methode in Gruben, welche hier neben dem
Warmwasser-Röstverfahren in noch größerem Umfange betrieben wird, ein
Gewichtsverlust nach der Röste von durchschnittlich 25 – 26% heraus.
Ferner hat der nach ersterem Verfahren behandelte Flachs bei der Ausarbeitung ein
Durchschnitts-Ergebniß von 18%, dagegen der nach belgischer Methode geröstete
Flachs durchschnittlich beim Schwingen nur 16% ergeben.
Hiernach haben sich in unserer Flachsbereitungs-Anstalt nach beiden Verfahren
folgende Resultate ergeben:
1 Schock = 1200 Pfund Rohflachs ergab:
a) nach der
Warmwasser-Röste 918 Pfd. gerösteten und 165 Pfd. geschwungenen
Flachs,
b) nach der
Kaltwasser-Röste 900 Pfd. gerösteten und 144 Pfd. geschwungenen
Flachs,
woraus wohl zur Genüge einleuchtet, daß durch den Mehrertrag
die verhältnißmäßig unbeträchtlichen Mehrkosten der Dampferzeugung zur Erwärmung des Wassers bei der
Warmwasserröste gegen die Grubenröste mehr als gedeckt werden.
Obige Angaben sind die Resultate der Ergebnisse eines ganzen Betriebsjahres und
stellen sich dieselben in einzelnen Fällen noch weit vortheilhafter zu Gunsten der
Warmwasserröste heraus; jedoch waren dann bei größeren Gewichtsverlusten nach der
Kaltwasserröste in Gruben meist ungünstige Witterungsverhältnisse die Ursache.
Faßt man aber eben letzteren Umstand ins Auge, so leuchtet der Vorzug der
Warmwasserröste, wo man fast unabhängig von der Witterung die Röste mehr in der
Gewalt hat, deutlich hervor.
Was die Qualität des nach der Warmwasserröste erzeugten Flachses anbelangt, so kommt
diese im Durchschnitt der nach dem anderen Verfahren erlangten Güte gleich,
vorausgesetzt, daß sowohl die Steigerung der Erwärmung nicht zu schnell erfolgt, als
auch der Wärmegrad selbst der Natur des Gewächses entspricht, widrigenfalls der
Flachs an Geschmeidigkeit verliert und später weniger günstige Resultate beim
Hecheln ergibt.
Fast sämmtliche schlesische Spinnereien, ferner die Spinnereien zu Hirschfelde bei
Zittau, zu Hohenelbe und Schatzlar in Böhmen, Wiesenberg in Mähren, haben aus
hiesiger Anstalt bedeutende Quantitäten nach der Warmwasserröste behandelten Flachs
bezogen und sich stets zur Zufriedenheit über die erzielten Resultate
ausgesprochen.
Wenn einerseits letzteres am deutlichsten für die Güte des Products selbst spricht,
so geht andererseits auch aus den oben angeführten Resultaten, Ergebnisse der
Anwendung dieses Verfahrens in hiesiger Anstalt im Großen, die Anwendbarkeit des
Verfahrens der Warmwasserröste überhaupt hervor.
Dieses Verfahren kann daher zur allgemeinen Anwendung, hauptsächlich für solche
Anlagen, wo Dampfkraft schon vorhanden und die Erwärmung des Röstwassers nebenbei
und ohne besonderen großen Kostenaufwand hervorgebracht werden kann, nur anempfohlen
werden.