Titel: | Ueber Selbstentzündungen organischer Substanzen; von Apotheker L. Bohlen in Dessau. |
Autor: | L. Bohlen |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. XXI., S. 62 |
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XXI.
Ueber Selbstentzündungen organischer Substanzen;
von Apotheker L. Bohlen in
Dessau.
Bohlen, über Selbstentzündungen organischer Substanzen.
Jeder Beitrag zur Aufklärung entstandener Feuersbrünste hat für den Staat mehr als
ein Interesse, ebenso für jeden Einzelnen im Staate bezüglich seiner Besteuerung zum
Wiederaufbaue niedergebrannter Gebäude; die Polizei untersucht daher bei jeder
Feuersbrunst die Veranlassung derselben, übergibt bei stattfindendem Verdacht einer
Brandstiftung den Angeklagten der gerichtlichen Untersuchung, nach deren Ergebniß
entweder Strafe oder Freisprechung erfolgt. Die derartigen gerichtlichen
Untersuchungen gehören indessen, was den Erfolg betrifft, zu den schwierigsten, weil
Zeugen gewöhnlich nicht da sind, und der Beweis, daß absichtliche Brandstiftung,
nicht bloße Verwahrlosung vorliegt, oft schwer zu führen ist. Oft müssen dergleichen
Untersuchungen auf sich beruhen, weil nicht zu ermitteln war, auf welche Weise der
Brand entstand, und dann klebt häufig der Verdacht einer Brandstiftung auf den doch
möglicherweise Unschuldigen.
Man weiß schon längst, daß Selbstentzündungen zu den Möglichleiten gehören, und es
ist Pflicht des Einzelnen dergleichen Fälle, wo die Gewißheit vorliegt, der
Oeffentlichkeit zu übergeben, nicht allein zur Warnung, nämlich um Andere in Stand zu
setzen die Ursachen der Entstehung eines Brandes zu vermeiden, sondern auch um
Assecuranzen und Polizeibeamte behufs ihrer Voruntersuchungen auf Thatsachen zu
lenken, welche den Gang solcher Angelegenheiten zum Besten des Versicherten
verkürzen helfen.
Hier ein solcher Fall. Am Himmelfahrtstage den 25. Mai d. J. Abends halb 9 Uhr
brannte die Tuchfabrik und Wollspinnerei des Hrn. M. hier ab. Das Gebäude auf der
sogenannten Mühlinsel, rings von Wasser umgeben, im J. 1849 neu und durchgängig
massiv erbaut, 4 und 5 Stockwerk hoch, brannte bis auf das unterste Stockwerk rein
aus, so daß nur die Seitenwände, einer Ruine gleich, stehen geblieben sind; gegen 12
Uhr Nachts war die Sache zu Ende; besonders in den letzten Stunden, als die Funken
der Wolle hoch in die Luft getragen wurden, hatte man den Anblick eines wahren
Feuerregens. Die schönen, neuen Maschinen sind in das unterste Stockwerk
hinabgestürzt und theils hierdurch, theils vom Feuer so zerstört worden, daß sie der
Assecuranz als altes Eisen zufallen.
Die schon am nächsten Morgen angestellte Untersuchung ergab, daß in der Fabrik am
Tage des Brandes nicht gearbeitet wurde, und man konnte des bedeutenden Betriebes
des Geschäfts-Inhabers, so wie aller übrigen Verhältnisse wegen, auf
absichtliche Brandstiftung, Seitens des Besitzers, nicht deuten, auch führte die
Untersuchung bezüglich einer solchen von anderer Hand, zu keinem Resultate; jetzt
endlich zeigt sich, wie aus dem Nachstehenden erhellen wird, einiges Licht in der
Sache.
Die HHrn. J. A., Besitzer einer Maschinenfabrik und Inhaber einer Wollspinnerei hier,
übernahmen vor kurzem die Reste von Wolle, Baumöl und Oelsurrogat, welche Hrn. M.
noch geblieben waren, und arbeiteten nun mit letzterem nach Anleitung des Hrn. M.
L.; es werden nämlich 10 Pfd. Baumöl (Maschinenöl mit Terpenthinöl) und 10 Pfd.
Oelsurrogat gemischt (wo sie dann eine milchartige seifige Flüssigkeit darstellen)
und hierauf mittelst einer Brause auf die Wolle gesprengt, indem eine Lage Wolle
besprengt, fest getreten, wieder mit neuer Wolle belegt und so fortgefahren wird,
bis das in Arbeit genommene Quantum auf solche Weise getränkt und mit Oel
durchdrungen ist. Dieses Wollbett wird nun in einen Korb fest eingetreten und so bis
zum andern Morgen hinstellt, dann die weitere Bearbeitung der Wolle, in Auswaschen,
Walken etc. bestehend, vorgenommen.
Am Sonnabend den 24. Juni machten die Leute im Locale der neuen Fabrik ein solches
Wollbett von circa 1 Ctr. Wolle auf angegebene Art zu
recht, und stampften die Wolle nicht in einen Korb, sondern einen Sack fest ein. Obgleich nun am
nächsten Sonntage die Arbeit ruhte, kamen doch zwei Arbeiter, welche in dem Raume,
wo dieses Wollbett lag, etwas zurückgelassen hatten, Morgens dort hin, und fanden
nun das Zimmer voller Rauch, der von der Wolle ausging, und bei Berührung und dem
Auseinanderfallen derselben in helle Flammen ausbrach; von den schnell herbei
eilenden Leuten ward der Brand glücklicherweise noch im Entstehen erstickt.
Dem Brande in der Fabrik des Hrn. M. liegt offenbar eine ähnliche Selbstentzündung zu
Grunde, da von dessen Leuten am Mittwoch vor dem Himmelfahrtstage ein eben solches
Wollbett zurecht gemacht worden war und das Feuer auch in demselben Raum
ausgebrochen ist, worin dieses aufgestellt war.
Zwei Umstände sind bezüglich dieses Brandes besonders hervorzuheben, nämlich erstens
die Anfertigung der Wollbetten am Tage vor einem Ruhetage, und es entsteht die Frage
ob, wenn die Wolle gleich am nächsten Tage, wie gewöhnlich, weiter verarbeitet
worden wäre, eine Selbstentzündung hätte statt finden können? Zweitens hatte Hr. M.,
seit zwanzig Jahren Tuchfabrikant, bis Februar d. J. sein Oelbett stets aus gleichen
Theilen Baumöl und Wasser bereitet, und die Wolle oft Tagelang so zugerichtet stehen
gehabt, ohne je eine Entzündung derselben wahrzunehmen, daher er auf die Vermuthung
kam, daß das seit Februar d. J. durch einen neuen Spinnmeister eingeführte
sogenannte Oelsurrogat die Veranlassung zu dem Brande seiner Fabrik gewesen sey.
In Folge dieser Vermuthung ersuchte mich Hr. M., eine chemische Untersuchung dieses
Oelsurrogats vorzunehmen, welches er von Hr. N. N. aus S. bezieht, und den Centner
mit 3 1/2 Rthlr. bezahlt. Die mir übergebene Flüssigkeit war trübe, fühlte sich
seifenartig an, brauste schwach mit Säuren, hatte ein spec. Gewicht von 1,009,
hinterließ beim Abdampfen zur Trockne 4 Proc. feste Bestandtheile und stellte sich
als eine Seifensiederlauge (Natronlauge) dar, welche mit der Zeit Kohlensäure
angezogen hatte. Es entsteht nun die Frage, ob eine solche Lauge in Verbindung mit
Baumöl, dem etwas Terpenthinöl beigemischt ist, also eine solche seifenartige
Verbindung, unter bestimmten Umständen bezüglich der Feuchtigkeit, Wärme etc., eine
Selbstentzündung mit Wolle veranlassen kann, und ob überhaupt eine solche alkalische
Flüssigkeit in Berührung mit Wolle gefährlicher ist, als die mit reinem Wasser und
Oel behandelte Wolle. Im bejahenden Falle wären Fabrikanten zu warnen sich des
Oelsurrogats zu bedienen, und wenn solches, wie mir Hr. M. versicherte, als
ölsparendes Mittel sehr zu empfehlen ist, es nur mit der gehörigen Vorsicht, die in geeigneten Localen
wohl zu ermöglichen wäre, in Anwendung zu bringen.
Bei dieser Gelegenheit will ich die bekannten älteren
Erfahrungen über Selbstentzündungen und resp. die Körper, welche dazu Veranlassung
geben, hier mittheilen, und werde die Erfahrungen neuerer Zeit später
zusammenstellen. Professor Hacquet erzählt:
„Ich war i. J. 1789 bei meinem Freunde Hrn. v. Eder auf seinem Gute Kolluschiegen (Galizien) und man hatte dort in
einem Nebengebäude des Gutes in eine enge Kammer, deren eine Seite mit Brettern
verschlagen war, 10 Eimer Honig, 30 Eimer Branntwein und einige Centner
Baumwolle gebracht, so daß der Raum dieser Kammer von den darin befindlichen
Gegenständen beinahe angefüllt war. Die Kammer wurde verschlossen, doch bemerkte
man nach einigen Tagen eine Dämmerung, man argwohnte aber aus Unkenntniß keine
bösen Folgen davon, bis in der Nacht die Entzündung ausbrach. Man konnte als man
dazu kam, des von allen Seiten hervorbrechenden Rauches wegen eine Flamme kaum
gewahr werden; sobald man durch Aufbrechen der Thüre und Bretterwand mehr Luft
schaffte, gerieth alles in helle Flammen, so daß kein Einhalt gethan werden
konnte. Man konnte nicht in Erfahrung bringen ob vielleicht ein Honig-
oder Branntweinfaß ausgelaufen war, die Baumwolle mit dessen Inhalt getränkt und
auf diese Art die Entzündung veranlaßt wurde; dieser Fall trat übrigens im Monat
Juli bei ungewöhnlicher Hitze ein.“ – „Ich sah,
erzählt er weiter, während des siebenjährigen Krieges neu gepackte Zelte von
grauer Leinwand, als solche der französischen Armee ins Hannover'sche
nachgebracht wurden, die während des Transportes naß geworden waren, beim
Auspacken rauchen, und fand solche in der Mitte wirklich verkohlt.“
Nach Rozier entzünden sich Kugeln aus Wolle und Oel, fest
zusammengebunden, von selbst.
Apotheker Ried-Nentzer machte 1781 im Leipziger
Intelligenzblatte bekannt, daß er verschiedenemale einen Selbstzünder (Pyrophor) aus
Roggenkleie und Alaun bereitet habe. Nicht lange darauf entstand in dem
nahegelegenen Dorfe Kanschlitz ein starker Brand, von welchem es hieß, daß solcher
im Kuhstalle bei Behandlung eines kranken Viehes ausgekommen wäre. Hr. Ried wußte, daß die Landleute, um ihrem Vieh die dicken
Hälse zu vertreiben, demselben einen Umschlag von gerösteter Roggenkleie machen. Er
versuchte nun ob man durch Kleie allein ohne Zusatz von Alaun eine Selbstentzündung
hervorbringen kann und röstete die Kleie so lange bis solche die Farbe des
gebrannten gemahlenen Kaffees hatte. So beschaffen wickelte er die Kleie in ein
leinenes Tuch. Nach einigen Minuten stieg aus dem Tuche ein starker Rauch, begleitet von brenzlichem
Gerüche, das Tuch wurde schwarz wie Zunder und die durchaus glühend gewordene Kleie
fiel in zusammen gebackenen Kugeln auf die Erde.
Montet erzählt (Mémoires de
l'Académie de Paris), daß thierische Substanzen unter gewissen
Umständen in Brand gerathen können, wie die sogenannten in Sevennes verfertigten
Kaisertuche, die sich oft von selbst entzündeten und zu Kohle verbrannt gefunden
wurden. Er bezeugt schon, daß in heißem Sommer wollene Zeuge, welche dicht über
einander geschichtet sind, in wenig luftigen Zimmern oft von selbst verbrennen. Er
erwähnt ferner viele vorgekommene Selbstentzündungen, veranlaßt durch die sogenannte
Kämmlingewolle, zu deren Anfetten man Oele, Butter etc. verwendet.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstand auf einer Seilerbahn bei Petersburg in
einigen hölzernen Häusern daselbst öfters Feuer; bei alle dem zeigte sich keine Spur
von absichtlicher Brandstiftung, wohl aber fand sich, daß in der Fabrik, worin die
Schiffstaue verfertigt wurden, eine Menge Hanf aus Unvorsichtigkeit mit Oel
begossen, deßhalb für verdorben erklärt, daher wohlfeil gekauft und aufbewahrt
worden, und so die Ursache dieser Feuersbrünste wurde.
Im Jahre 1780 kam in dem Hanfmagazine zu Petersburg Feuer aus, durch welches mehrere
hunderttausend Pud Hanf, Flachs und Seile verbrannten. Im Magazine war alles von
Stein und Eisen, es steht auf einer Insel der Newa, auf welcher, so wie auf den
Schiffen, kein Feuer geduldet wird. – In demselben Jahre kam in dem Gewölbe
eines Pelzhändlers Feuer aus, wohin niemals Licht und Feuer kam; man fand die
Ursache des Feuers darin, daß der Pelzhändler Abends vor dem Brande eine Rolle neuer
Wachstapeten erhalten und solche im Gewölbe gelassen hatte.
In der Nacht vom 20.–21. April 1781 entstand auf der Fregatte Marie, die nebst
mehreren Schiffen auf der Rhede von Kronstadt lag, ein Brand, der jedoch bald
gelöscht wurde. Die Besatzung wurde mit einer strengen Untersuchung bedroht, und
während derselben gab die Weisheit der Kaiserin der Sache einen für Alle
beruhigenden Gang, indem sie die Untersuchungscommission durch folgenden Befehl an
den Grafen Czschernitschew auf den rechten Weg führte:
„Da wir aus Ihrem Bericht über die Untersuchung des Vorfalls auf der
Fregatte Marie ersehen, daß in der Cajüte, in welcher das Feuer ausbrach,
etliche Bündel von einer Hängematte, in welcher Kienruß mit Oel zum Anstreichen
gemischt gewesen, mit
Stricken umwunden gefunden worden, so erinnerten Wir uns, daß bei der
Feuersbrunst, welche im vorigen Jahre die Hanfmagazine betraf, unter andern auch
die Ursache angeführt wurde, daß der Brand von dem mit fetten Matten umwickelten
Hanf oder auch weil solche Matten neben dem Hanf gelegen haben möchten,
entstanden seyn könne. Versäumen Sie also nicht, auf diese Anmerkung Ihre
Untersuchung zu richten.“
Da nun beim Verhöre sowohl, als bei der Untersuchung selbst, befunden wurde, daß in
des Schiffers Cajüte, in welcher sich Rauch zeigte, ein Bündel von mit Oel
befeuchtetem russischem Kienruß gelegen, in welchem besonders beim Löschen Funken
wahrgenommen worden, so veranstaltete die russische Admiralität verschiedene
Versuche, um zu sehen ob eine Mischung von Hanfölfirniß und Kienruß, in eine
Hängematte eingewickelt und zugebunden, sich von selbst entzünden kann. Zu dem Ende
schüttete man 40 Pfd. russischen Kienruß in einen Kübel und goß 35 Pfd. Hanfölfirniß
darauf, ließ 1 Stunde stehen, und goß das Oel ab. Den weichgebliebenen Kienruß ließ
man wieder vier Stunden stehen, wickelte solchen alsdann in eine Hängematte, und
legte diesen Bündel neben die Cajüte, in welcher die Flaggenmänner ihre Versammlung
halten. Um allen Verdacht zu vermeiden, wurden Hängematte und Thür versiegelt und
Schildwachen dabei gestellt. Vier Seeofficiere wurden beordert, die ganze Nacht auf
das, was vorgehen würde, Acht zu haben, und sobald sich Rauch zeige, den
Commandanten des Hafens davon zu benachrichtigen. Die Probe wurde um 11 Uhr
Vormittags den 26. April im Beiseyn aller dazu ernannten Officiere gemacht; schon am
folgenden Tage früh 6 Uhr zeigte sich Rauch. Beim Oeffnen der Thüre und als die
frische Luft Zutritt bekam, fing die Hängematte lichterloh an zu brennen.
In Folge dieser Beobachtung übergab die Admiralität der Akademie der Wissenschaften,
zu fernem Versuchen auffordernd, obige Resultate und Hr. Georgi wurde mit Anstellung solcher beauftragt. Derselbe wiederholte den
Versuch mit Oel und Kienruß, mit Firniß und Kienruß und bestätigte die Wahrnehmungen
der Admiralität. – 30 Pfund Hanf, mit 6 Pfd. Hanföl und 1 Pfd. Talg fest
zusammengeschnürt, verbrennen nach 32stündigem Glimmen vollkommen zu Asche. 20 Pfd.
Schafwolle, mit 2 Pfd. Hanföl und 1 Pfd. Talg gemengt und in Bündel fest
zusammengeschnürt, entzünden sich nach einigen Tagen von selbst und hinterlassen 2
Pfd. 4 Loth Kohle und 2 Pfd. sehr feine Asche. Kuhhaare, eben so mit Oel und Talg
behandelt, liefern gleiche Resultate.
Wie vorsichtig man in pharmaceutischen Laboratorien mit dem Rückstande der gekochten
Oele und Salben seyn muß, ist eine bekannte Sache. Alle einzelnen Wahrnehmungen in
diesem Betreff sind Warnungen wider Unvorsichtigkeiten und Erinnerungen zur
Behutsamkeit, in den bemerkten Fällen, wie z.B. beim Zusammenbringen von Wolle,
Baumwolle, Hanf mit Oel, beim Zusammendrücken der Kämmlingewolle, bei Aufbewahrung
der in Tuchfabriken gebrauchten wollenen und baumwollenen Lappen, und solcher die
zum Abwischen der mit Oel beschmierten Maschinentheile benutzt wurden, welche ein
wahrer Herd für Selbstentzündung sind.