Titel: | Ueber die Verbesserung des Weins durch einen Zusatz von Zucker und Wasser; von Prof. Siemens in Hohenheim. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. XLVII., S. 146 |
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XLVII.
Ueber die Verbesserung des Weins durch einen
Zusatz von Zucker und Wasser; von Prof. Siemens in
Hohenheim.
Aus dem württembergischen Wochenblatt für Land- und
Forstwissenschaft, 1854, Nr. 37 und 38.
Siemens, über die Verbesserung des Weins durch einen Zusatz von
Zucker und Wasser.
Bei der sicheren Voraussicht einer an Quantität geringen Weinernte und dem fast
gänzlichen Mangel an Obst dürfte die Vermehrung und Verbesserung des Weins durch
einen Zusatz von Zucker und Wasser, wie diese bereits seit einigen Jahren in vielen
Weingegenden, namentlich an der Mosel, in der Pfalz und am Rhein, durch die
Bemühungen des Hrn. Dr. Gall
in Trier eine allgemeinere Verbreitung gefunden hat, auch in Württemberg eine
weitere Beachtung verdienen.
Der Zusatz von Zucker gehört zu den ältesten
Verbesserungen des Weins, da es nahe liegt, dem Moste das zu geben, was die Natur
bloß durch den Mangel an Wärme nicht in hinreichender Menge erzeugen konnte. Der
allgemeineren Anwendung dieser Verbesserung trat bis jetzt jedoch der Aufwand, den
dieselbe erforderte, entgegen. Sie lieferte zwar einen weit alkoholreicheren und
dadurch haltbareren Wein, allein diese Eigenschaften gehören doch weniger zu den
wünschenswerthesten, selbst wenn diese Vorzüge den erforderlichen Aufwand lohnen
sollten. Die größere Menge unseres Weinerzeugnisses zeigt außer dem Mangel an Zucker
einen Ueberfluß an
Säure, weil bei minder günstigen Jahrgängen diese Säure fast in demselben Maaße
vorhanden bleibt, als der Zucker in der Traube fehlt. Findet nun auch durch den
Zusatz von Zucker später eine vermehrte Absonderung des in dem Traubensafte
enthaltenen sauren Weinsteinsalzes statt, so enthalten doch die nicht völlig
gereiften Trauben neben der Weinsäure auch noch andere Säuren, die dadurch nicht zu
entfernen sind und deßhalb bei dem bloßen Zuckerzusatze dennoch den Geschmack des
Weins beeinträchtigen. Es sind dieß fast dieselben Säuren und Stoffe, welche in den
Johannisbeeren in noch größerer Menge gefunden werden. Diese Säuren, ohne
Beeinträchtigung der Güte des Weins zu vermindern oder unschädlich zu machen, blieb
bisher noch zu wünschen übrig. Hiezu hat nun Gall die
geeignetsten Vorschläge gemacht und diesen auch durch eine unermüdliche Thätigkeit
bereits eine weit verbreitete Anwendung verschafft.
Es ist nichts Neues, daß man selbst aus den sauren Johannisbeeren einen
vortrefflichen Wein gewinnen kann, wenn man dem Safte derselben zur Verdünnung der
vielen Säure, neben Zucker eine größere Menge Wasser
zusetzt. Unseren Hausfrauen, die eine kleine Mühe nicht scheuen, ist es daher wohl
bekannt, daß man durch diesen größeren Wasserzusatz ein nicht so theures Getränk
erhält, was dennoch so vortrefflich ist, daß sie es in der Regel zum Empfang eines
lieben Gastes aufsparen.
In den nördlichen Ländern, wo die Traube keinen Wein mehr liefert, bereitet man aus
den Johannisbeeren und namentlich aus den Stachelbeeren durch den einfachen Zusatz
von Zucker und Wasser mit Beimischung von getrockneten Weinbeeren der südlichen
Länder die besten Liqueurweine. Zu Althaldensleben bei
Magdeburg fand ich im Jahr 1832 ganze Berge mit Stachelbeeren bepflanzt, von welchen
der bekannte Nathusius alle möglichen südlichen Weine
darstellen ließ.Wäre nicht die Erzeugung des einheimischen Zuckers mit einer so enormen
Steuer belastet, die nördlichen Länder würden durch die Säure ihrer
Beerenfrüchte und durch den Zucker aus ihren Rüben und Kartoffeln Getränke
erzeugen können, die manche Vorzüge besitzen, welche in den südlichen
Ländern nicht zu erreichen stehen. Das so beliebte Bouquet und das
Erfrischende des Weins verdanken unsere. Weine nur der Säure, die dem Weine
der südlichen Länder fehlt.
Diese Erfahrungen hat Dr. Gall
benutzt, um aus solchen Trauben, welche ihre völlige Reife nicht erlangten und
deßhalb noch viel Säure und nur wenig Zucker enthalten, noch gute Mittelweine zu
erzeugen, welche, wie viele glaubwürdige Zeugnisse bestätigen, dadurch zu mehr als
dem doppelten Preis zu verwerthen waren. Gall hat sein
Verfahren in einer
eigenen SchriftUeber Darstellung sehr guter Mittelweine, selbst aus unreifen Trauben, und
höchste Veredlung schon vergohrener geringer Weine durch nochmalige Gährung
allenthalben und zu jeder Jahreszeit. Von Dr.
Ludwig Gall. 1. und 2. Heft. Trier, 1851 und
1852. Verlag von F. A. Gall. schon 1851 bekannt gemacht und seitdem sind eine Menge anderer Schriften und
Aufsätze über diesen Gegenstand erschienen. Obgleich die intelligentesten Männer
unter den Chemikern und Weinproducenten die Zweckmäßigkeit der von Gall empfohlenen Weinverbesserung anerkannt haben, so
sind auch Gegner aufgetreten, die das Gall'sche Verfahren
als eine Weinschmiererei bezeichnen, und ebenso sehr als die Einen die Sache als das
Rettungsmittel für die Weincultur solcher Gegenden bezeichnen, wo die Natur den
Zucker oft nicht in hinreichender Menge in der Traube erzeugt, ebenso sehr wird die
Sache von Andern als der Ruin alles Renommée's der unverfälschten natürlichen
Weinerzeugung dargestellt.
Wenn die Wärme und Heftigkeit, womit die Vertheidiger und Gegner die Sache behandeln,
auch für die Wichtigkeit derselben spricht, so wird man bei der Verfolgung des
Streits doch von den breit gedrückten Anpreisungen und ewigen Wiederholungen nicht
minder angeekelt, als von den sinnlosen Entgegnungen. Sicher schaden die von den
Vertheidigern der Sacke gemachten Versprechungen einer localen Abhülfe aller Noth
der armen Weinbauern mehr, als sie nützen, denn sie tragen zu sehr das Gepräge der
Uebertreibung, obgleich der Gegenstand alle Beachtung auch aus dieser Rücksicht
verdient. Wer wird es glauben, daß, wenn auch in vielen Fällen durch die Gall'sche Weinverbesserung mehr als der doppelte Preis
für dasselbe Gewächs gelöst wurde, nach einer allgemeineren Einführung gleiche
Vortheile zu erlangen wären? Wenn auch alle Weinconsumenten befähigt sind, einen
besseren Wein zu trinken, so steigt mit dieser Befähigung nicht die des besseren
Bezahlens. Ebenso thöricht erscheint die Hoffnung, durch die Production eines
besseren Weins dem immer allgemeineren Biertrinken entgegentreten zu können und
dadurch wieder billigere Brodpreise für den Armen zu erlangen. Das Bier ist und
bleibt ein billigeres Getränk, als der Wein, und wird deßhalb von diesem nicht
wieder verdrängt werden. Wenn seine Konsumtion immer mehr zunimmt, so ist dieß eine
Folge davon, daß die Bierbrauer nicht bei dem Althergebrachten stehen geblieben sind
und dadurch ein besseres Product um billigern Preis herstellen können, als früher.
Auch der bessere Wein wird einen größeren Markt finden, denn es gibt noch viele
Gegenden, wo man unsere Weine kaum dem Namen nach kennt und wo sie fremden Wein verdrängen würden,
wenn sie besser und um billigeren Preis dorthin zu liefern wären. Einen Zusatz von
Zucker und Wasser aber für eine unnatürliche Verbesserung des Weins zu halten, ist
eine sonderbare Behauptung, denn wo bereitet uns die Natur einen trinkbaren Wein
oder ein genießbares Brod ohne künstliche Bereitung?
Das Wesentliche von Gall's Traubenweinverbesserung besteht
nun darin, daß er zunächst dringend empfiehlt, die besseren Trauben von den
geringeren abzusondern, um davon einen besseren Bouquetwein darzustellen, statt sie
mit der meist größern Menge der geringeren Trauben zu vermischen, in deren Saft die
Vorzüge der wenigen, völlig reifen Trauben ganz verschwinden. Den Most der
geringeren Sorte soll man aber gleich nach dem Pressen oder Keltern mit so viel
Wasser und Zucker vermischen, daß sein Gehalt an Säure, Wasser und Zucker dem
Gehalte an diesen Bestandtheilen in einem guten Traubenmoste gleichkomme.
Diese einfache und natürliche Behandlung des Traubensafts bedarf kaum einer
specielleren Vorschrift, sie wird von jedem mit der Weinbereitung Vertrauten
auszuführen seyn. Nur die Bestimmung der vorhandenen Säure und des fehlenden Zuckers
macht eine nähere Prüfung des Mostes nöthig, wenn das Verhältniß zwischen Wasser,
Zucker und Säure, was in jedem Jahrgange, in jeder Traubensorte und bei
verschiedenen Boden und Lagen wechselt, in dem darzustellenden Weine ein genau
bestimmtes seyn soll. Da aber in den besten Weinen dieses Verhältniß der
Bestandtheile nicht immer dasselbe ist, so scheint die Prüfung des Mostes durch die
Weinwaage und das bekannte Verhalten der verschiedenen
Traubensorten sowohl in Betreff ihres Säuregehalts, als der besonderen
Eigenschaften des daraus zu erwartenden Weins allein schon für alle Fälle genügende
und in besonderen Fällen die sichersten Anhaltspunkte über das zuzusetzende Quantum
an Wasser und Zucker zu geben.
Als allgemeine Regel kann dabei wohl dienen, daß wir in dem besseren Traubenmoste
gegen 20 Procent Zucker und 0,5 bis 0,6 Procent Säure
finden, während der Most unserer geringeren Weine, wenn er nicht über 70 Grad an der
Weinwaage zeigt, selten über 15 Procent Zucker und oft mehr als 1 Procent Säure
enthält. Es fehlen demnach in 1000 Pfunden (etwa 1 1/2 württ. Eimer oder 3 bad. Ohm)
Weinmost, die bei gutem Wein 200 Pfund Zucker enthalten sollen, mindestens 50 Pfund
Zucker. Die fast doppelte Menge der vorhandenen Säure macht aber einen größeren
Wasserzusatz nöthig, für welchen noch ein entsprechender Zusatz von Zucker
erforderlich ist. Bei so geringem Moste sind auf obige 1000 Pfund reichlich die
Hälfte oder 550 Pfund einer Lösung aus 150 Pfund Zucker in 100 Maaß oder 400 Pfund Wasser
zuzusetzen. Man wird dann von 1 1/2 Eimern Most durch diesen Zusatz reichlich 2 1/4
Eimer guten Weinmost bekommen, dessen Gewicht in der Regel dann auch dem eines guten
Mostes gleichkommt. Ein wenig Zucker mehr oder weniger, wird auch wenig Unterschied
machen.
So gut wir ohne solche Zusätze den Most nach seinem durch die Waage zu erkennenden
specifischen Gewichte, nach seinem Geschmacke, nach der Art der Trauben etc. zu
beurtheilen im Stande sind, ebenso sichere Merkmale gewahren diese Proben auch für
die Beurtheilung eines mit Zucker und Wasser vermischten Weins oder Mostes. Wünscht
man jedoch eine genauere Bestimmung des nöthigen Zuckers und Wassers, so wird eine
nähere Untersuchung des Mostes auf seinen Zucker- und Säuregehalt nach der
von Prof. Fehling im Jahre
1850 (polytechn. Journal Bd. CXVII S. 276)
angegebenen Methode zu empfehlen seyn, da die von Gall
angegebene Untersuchung des Zuckergehalts durch Gährung, bei einer kleinen Probe des
Mostes, in der Hand eines mit solchen Untersuchungen nicht Geübten viel unsicherere Resultate liefert, als die oben angegebene
einfache Prüfung. Nicht minder unzuverlässig wird auch unter gleichen Umständen die
Untersuchung des Mostes auf seinen Säuregehalt, so
einfach und sicher dieselbe auch von jedem Apotheker auszuführen ist.
Eine weitere Frage ist die, woher der Traubenzucker zu beziehen sey und wie sich die
Kosten einer solchen Weinverbesserung berechnen? Bis jetzt haben wir keine
Trauben- oder Stärkezuckerfabriken im Lande, deren in der Pfalz und am Rhein
seit Einführung dieser neuen Weinverbesserung eine Menge neu gegründet wurden.
Unsere Rübenzuckerfabriken besitzen aber alle dazu nöthigen Apparate, und die kleine
Zuckerfabrik der technischen Werkstätte in Hohenheim
könnte täglich allein 10–12 Centner Traubenzucker liefern, sobald nur eine
Nachfrage oder ein Verbrauch desselben stattfinden sollte. Bei der Aussicht, die
Kartoffeln in diesem Herbste um den Preis von etwa 30 kr. kaufen zu können, wäre es
möglich, den Centner von diesem Zucker um 12–14 fl. zu gewinnen, so daß die
Darstellung von mehr als zwei Eimern jenes verbesserten Weins aus 1 1/2 Eimern Most
und 1 1/2 Centnern Zucker, im Fall der dazu zu verwendende geringere Wein mit 40 fl.
per Eimer zu bezahlen wäre, auf circa 80 fl. kommen würde, wofür man später leicht das
Doppelte lösen könnte.
Es steht dieß nach den bereits gemachten Erfahrungen um so weniger zu bezweifeln, als
der so behandelte Wein wirklich ganz entschiedene Vorzüge besitzt. Unter diesen sind
vor Allem die Reinheit seines Geschmacks und seine
größere Haltbarkeit hervorzuheben. Sein Geschmack ist
nicht nur durch die Verminderung der Säure angenehmer und für die Gesundheit zuträglicher,
sondern auch reiner durch die regelmäßigere Gährung und durch die vollständigere
Abscheidung seiner schleimigen und hefigen Theile. Die Abscheidung dieser
stickstoffhaltigen Stoffe erfolgt bei der Gährung in gleichem Maaße mit der
Zersetzung des Zuckers und Bildung des Alkohols oder des Geistes im Weine.
Ein Most, welcher im Verhältniß seiner schleimigen Beimischungen nur wenig Zucker
enthält, behält auch von jenen nach der Gährung noch einen Theil in löslichem
Zustande zurück. Diese stickstoffhaltigen Bestandtheile des Weins, die durch den
Mangel an Zucker während der Gährung nicht vollständig abgeschieden wurden, erleiden
aber eine ganz andere Veränderung, als bei der Gegenwart von Zucker, indem sie nach
und nach in eine Art Fäulniß übergehen, die sich durch den Geschmack des Weins kund
gibt und ein Verderben desselben herbeiführt. Man kann zwar dieses Verderben, wie
das so häufig geschieht, durch einen Zusatz von Alkohol verzögern, aber jene
faulenden Stoffe greifen nach und nach den Alkohol selbst an und veranlassen, daß
sich aus diesem Essig erzeugt. Aus demselben Grunde mischen die Essigfabrikanten,
welche ihren Essig aus Alkohol erzeugen, diesen mit solchen Flüssigkeiten, welche
jene schleimigen Substanzen in größerer Menge enthalten, wie z.B. das Weißbier und
der Obstmost, und erlangen dadurch eine schnellere Zersetzung des Alkohols. In dem
Weine muß man aber eine solche Zersetzung des Alkohols verhüten und deßhalb jene
schleimigen Stoffe möglichst entfernen, was durch den Zusatz von Zucker erreicht
wird. Bei der Gegenwaet von Zucker werden jene schleimigen Bestandtheile des Mostes
vollständiger abgeschieden, indem sie die unlösliche Hefe bilden, die zur Zersetzung
des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure dient. Dadurch erhält denn dieser Wein eine
größere Haltbarkeit und einen reineren Geschmack.
Wie außerordentlich haltbar ein solcher mit Wasser und Zucker versetzter Wein sich
zeigt, davon liefert die hier mitzutheilende Erfahrung wohl den sichersten Beweis.
Im Herbst 1852 wurde ein kleiner Rest Trauben aus dem in der Nähe von Hohenheim liegenden Weinberge des Instituts mit Zucker
und Wasser in der Art vermischt, daß man dem Safte der je nach der Reife (oder
vielmehr größeren oder geringeren Härte, denn reif oder genießbar war nicht eine
einzige dieser Trauben) in vier Sorten getheilten Trauben um so mehr Wasser und
Zucker zusetzte, je geringer sein specifisches Gewicht war, wodurch alle vier Sorten
auf ein und dasselbe specifische Gewicht gebracht wurden. Die Quantität dieser vier
Weinproben war so gering (sie betrug mit dem Wasser zusammen etwa 3 Imi), und die
Qualität der Trauben versprach so wenig, daß sie bis im August vorigen Jahres
unbeachtet liegen blieben. Erst dann wurden sie untersucht, und da ihre Qualität sie
verkäuflich zeigte, so fanden die drei geringeren Sorten sogleich eine Verwerthung,
während die bessere aus dem Kruge, worin sie sich befand, auf Flaschen gezogen
wurde. Bei der Abgabe jenes geringeren Weins blieb nun ein kleiner Rest, der von der
Hefe getrübt war, in einer Flasche zurück, die seit jener Zeit im technischen
Laboratorium, wo Winters geheizt wird, steht, ohne bis jetzt eine Kahnhaut zu
zeigen, was doch wohl den sichersten Beweis von der unzerstörbaren Haltbarkeit eines
solchen Weins liefert.
Welch einen Werth solche Zusätze von schleimfreiem Zucker für alle unsere geistigen
Getränke haben, davon zeugt auch die Haltbarkeit, welche man dem Biere durch den Zusatz von Syrup oder durch die
Verwendung von Kartoffeln, aus dessen Stärkmehl durch den Maischproceß Zucker zu
erzeugen ist, ertheilen kann. Im letzten Winter wurden in der hiesigen Bierbrauerei
aus Veranlassung der Verdächtigung mehrerer Bierbrauer, solche Zusätze zur Umgehung
der Steuer verwendet zu haben, Proben mit der Verwendung von Syrup angestellt. Diese
lieferten die Ueberzeugung, daß ein geringer Zusatz von Syrup dem Viere nicht nur
neben einer schönen Farbe einen erhöhten Glanz, sondern namentlich auch eine weit
größere Haltbarkeit verleiht. Es wurde aus dem sonst nur zur Gewinnung von etwas
Branntwein brauchbaren Glattwasser durch den Zusatz von
Syrup noch ein gutes Nachbier gewonnen, das bei einem Gehalte von kaum 2/3 (8
Procent) eines besseren Biers, in einem schlechten Keller (der im Mai schon
8–9 Grad R. Wärme zeigte) ganz gesund blieb und durch die erwähnten Vorzüge
eine schnelle und lohnende Verwerthung fand.
Sobald nur das Material zur Gewinnung solcher, für unsere geistigen Getränke
geeigneten Zusätze preiswürdig zu haben ist, sollten dieselben eine weit
allgemeinere Anwendung finden. So könnte man z.B. in diesem Jahre aus den Weintrebern, bei dem Mangel an Obst, einen billigen Trunk
für unsere Arbeiter gewinnen. Zur Bereitung eines solchen Treber- oder
Nachweins sind die Kämme und Beeren unmittelbar nach dem Keltern in einer Stande mit
etwas erwärmtem Wasser zu übergießen, worin man gleich etwas Zucker oder Syrup lösen kann. Man darf die Treber aber nicht zuvor auf
Haufen an der Luft trocknen lassen, damit sie sich nicht erwärmen, was eine schnelle
Säuerung herbeiführt. Die Menge des zuzusetzenden Wassers darf Anfangs auch nicht zu
groß seyn, weil die Währung dadurch unterdrückt werden würde. Im Ganzen kann man je
nach der gewünschten Güte des Weins den sechsten bis vierten Theil von dem
Weinmoste, den die Trauben lieferten, an Wasser verwenden. Die Menge des nöthigen
Zuckers, statt dessen man auch guten Syrup verwenden kann, wird durch die verlangte
Güte des Weins ebenfalls bedingt. Auf 100 Maaß Wasser 30–40 Pfund Zucker oder
Syrup gibt schon ein Getränk, dessen Stärke dem gewöhnlichen Obstmoste gleich
kommt.
Man gibt also zunächst von dem je nach der äußeren Temperatur und nach der Menge der
Treber erwärmten Zuckerwasser nur so viel auf die Treber,
als diese bedürfen, um von der Flüssigkeit bedeckt zu werden. Zweckmäßig ist es, die
Treber in der Bütte mit einem Lattenroste zu bedecken und diesen mit einigen sauber
gereinigten Steinen zu beschweren, damit die Treber sich nicht heben und mit der
Luft in Berührung kommen, was ihre Säuerung beschleunigen würde. Nach dem Eintritt
der Gährung kann dann die übrige zuckerige Flüssigkeit oder nur ein Theil davon und
der Rest erst nach dem Keltern zugesetzt werden. Die Hauptgährung ist nach wenigen
Tagen vorüber, und man muß dann schnell zum Keltern schreiten, weil der Geschmack
des Getränks sonst zu herbe wird. Bei dem Pressen ist große Reinlichkeit dringend
nöthig, um jede Veranlassung zur Säuerung zu vermeiden. Die Fässer sind mit dem
Treberweine ganz zu füllen und die Luft abzuhalten. Ein Einbrennen mit Schwefel ist
aber hier nicht statthaft, weil die Gährung dadurch zu sehr unterdrückt wird und es
solchem Treberweine mehr an Hefe, als an Zucker fehlt. Die Fässer sind deßhalb nach
dem Einbrennen nochmals mit kaltem Wasser auszuschwenken. Der Treberwein ist später
nicht abzulassen, weil nicht zu befürchten steht, daß im Frühjahr eine nachtheilige
Gährung eintritt. Man lasse den Wein wo möglich bis zum Eintritt der wärmeren
Jahrszeit liegen, weil er im vollen Fasse länger gut bleibt und Anfangs für den
Geschmack der Mosttrinker zu viel Süße hat, die aber bis zum Frühjahr nach und nach
verschwindet. Setzt man zu einem solchen Weine auf den hiesigen Eimer nur eine
Handvoll getrocknete Schlehen, so bekommt der Wein dadurch einen viel kräftigern und
angenehmen Geschmack.
Schon Chaptal empfahl die Bereitung solcher Treberweine
durch Zusatz von Wasser und Zucker oder Honig. Statt des Honigs, der bei uns meist
sehr theuer ist, könnte man auch die beim Aussieden des Wachses gewonnene zuckerige
Flüssigkeit verwenden, die im Oberlande bis jetzt zur Gewinnung von Branntwein
benutzt wird, was kaum lohnend scheint. Chaptal empfiehlt
auch den Zusatz von Weinstein, auf 100 Maaß etwa 1/2 Pfund, weil dieser das
natürliche Salz des Weins sey, was dem Nachweine fehlen würde.
Auch die Obsttreber liefern, auf gleiche Weise wie die
Weintreber behandelt, einen noch trinkbaren Most. Bei dem hohen Preise des Obsts sollten in diesem Jahre
Alle, die eine kleine baare Auslage bestreiten können, ihren Most mit einem größeren
Zusatze von Wasser und Zucker oder Syrup darstellen. 10–12 Simri Aepfel und
50 Pfund Stärkezucker oder Syrup würden mit dem nöthigen Wasser einen Eimer sehr
guten Obstwein liefern.