Titel: | Ueber Abbohren weiter Schächte. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LIV., S. 187 |
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LIV.
Ueber Abbohren weiter Schächte.
Ueber Abbohren weiter Schächte.
Hr. Oberbergamtsassessor Huyssen zu Berlin, früher Berggeschworner im westphälischen
Oberbergamts-District, hat in Karsten's Archiv Bd. XXVI S. 65 eine vollständige
Beschreibung der in Westphalen angewandten Methoden, Bohrschächte niederzubringen
und wasserdicht herzustellen, mitgetheilt, der wir Folgendes entnehmen, als
geschichtliche Ergänzung der Abhandlung des belgischen Bergingenieurs Chaudron
„über das Kind'sche Verfahren beim Abbohren
weiter Schächte“ (S. 83 im vorhergehenden Heft des polytechn.
Journals):
Der Berggeschworne Heyn in Sprockhövel war der erste, der
in Westphalen, und soviel bekannt ist, überhaupt fahrbare Bohrlöcher herstellte und
er beschrieb seine Methode im Jahre 1824 in Karsten's
Archiv Bd. VIII S. 91. Im Wesentlichen lief seine Methode darauf hinaus, zuerst ein
enges Bohrloch bis auf eine unterliegende Strecke niederzustoßen und dieses
stufenweise zu erweitern, so daß die erste und zweite Erweiterung gleichzeitig
geschah. Es waren nämlich an dem Bohrgestänge um dasselbe herum zwei Kränze von
Meißeln angebracht, deren oberer weiter vorsprang als der untere, und welche beide
zugleich wirkten. Der Bohrschlamm fiel durch das enge Bohrloch herab, was man
erforderlichen Falls durch eingegossenes Wasser beförderte. – Im J. 1823
wurden im Bochumer Bergamtsbezirk zwei Wetterschächte, jeder 5 1/2 Lachter tief und
der eine 12 und der andere 18 Zoll weit, niedergebracht und letzterer später auch
fahrbar gemacht.
Der Heyn'sche Apparat war nur für mildes Gebirge passend,
eignete sich aber nicht für festes, und trotz den Bemühungen der Bergbehörde, die
Sache weiter zu verfolgen, mußte sie damals aufgegeben werden, zumal die Anzahl der
Fälle, bei denen nach dem damaligen Standpunkte Bohrschächte angewendet werden
konnten, sehr beschränkt war. Erst beinahe 20 Jahre später wurde die Idee, Schächte
mittelst Bohrarbeit herzustellen, wieder aufgenommen. Dieß Verdienst erwarb sich der
damalige Grubenschmied der Zeche Schölerpad bei Essen, Joseph Kindermann. Derselbe erhielt im August 1843 ein Patent auf eine
Vorrichtung zur Wasserverdichtung weiter Bohrlöcher, um diese dadurch in den
fahrbaren Stand zu sehen. Die Erfindung hatte namentlich für die Versucharbeiten auf
Steinkohlen im westphälischen Kohlengebirge großen Werth, da ein Kohlenfeld erst
dann gemuthet werden kann, wenn dessen Vorhandenseyn durch den Augenschein bewiesen ist,
was aber nur mittelst eines fahrbaren Schachtes geschehen kann.
Wegen des großen Wasserreichthums des Kreidegebirges, welches im Allgemeinen das
Hangende des Kohlengebirges bildet, ist eine solche Abteufung, wenn sie in eine
namhafte Teufe dringen soll, ohne starke Maschinenkräfte nicht möglich. Nun ist aber
deren Anschaffung und Aufstellung kostspielig, und da die Versuchschächte, sobald
der Beamte sich von dem Vorhandenseyn der Steinkohlen überzeugt hat, oft wieder
zugestürzt werden, so müssen so bedeutende Geldopfer um so mehr gescheut werden.
– Hier mußte also eine Erfindung wie die Kindermann'sche sehr willkommen seyn, vermöge welcher man ohne
Wasserhaltungsvorrichtungen einen fahrbaren Schacht abbohrte, wasserdicht vermachte
und dann von dem darin stehenden Wasser befreite, worauf man nach dem
Augenscheinstermin den ganzen Verdichtungsapparat wieder herauszog, um ihn anderswo
zu verwenden und den alsdann nicht mehr nöthigen Bohrschacht auszufüllen. Seit 1843
sind durch Kindermann behufs Aufdeckung von Muthungen im
Märkischen und Essen-Werden'schen Bergamtsbezirke 17 Bohrschächte
niedergebracht worden, von denen nur drei ihren Zweck nicht erreicht haben; auch hat
er außerdem mehrere andere derartige Bohrungen ausgeführt. Mit seinem und seines
Sohnes Tode (1848) erlosch das Patent, worüber Hr. Voigt in seiner kleinen Schrift:
„Fortschritte im Bohrwesen“ (Eisleben 1859) eine kurze
Notiz gibt und welches Hr. Huyssen a. a. O. genau beschreibt. Zwar steht die Kindermann'sche der neuesten Kind'schen Methode, über welche Hr. Chaudron berichtete, entschieden nach, allein
sie wird sich immer noch in sehr vielen Fällen mit Nutzen anwenden lassen.
Nach Kindermann's Tode ist sein Verfahren von dem
verstorbenen Berggeschwornen und Major Honigmann und dem
Steiger Rossenbeck sehr durchgreifend verbessert worden,
und es wurden auf diese Weise von 1846 bis 1852 bei Essen drei Wetterschächte
abgebohrt. – Auf den Muthungen Eigan im Essen-Werden'schen
Bergamtsbezirk hat man 1853 einen 14 Fuß weiten Bohrschacht, der als Tiefbau benutzt
werden soll, nach der neuesten Kindermann'schen Methode
in Angriff genommen. Das vorangehende 53 Zoll weite Bohrloch ist von einem 5 Lachter
tiefen ausgemauerten runden Schacht aus 52 1/2 Lachter im Kreide- und 6 3/4
Lachter im Kohlengebirge niedergebracht und hat den Schlammlöffel aufgenommen. Zum
Betriebe dienen zwei 20pferdige Dampfmaschinen, die eine zum Bohren, die andere zum
Ausziehen des Schlammlöffels. In der erwähnten Teufe traf man einen zur Aufsetzung
der wasserdichten Zimmerung geeigneten Schieferthon, und ging alsdann zum
Schachtabbohren über.
Hiermit ist man bei 14 Fuß Weite der Bohrung in 12 Tagen bis zu 13 1/2 sachter Tiefe
vorgedrungen.
Die angewandten Bohrstücke sind verschieden, je nachdem in weichem oder in festem
Gebirge gebohrt wird. Die dazu erforderlichen Apparate sind in unserer Quelle genau
beschrieben und abgebildet, wir wollen aber hier von denselben nur einen allgemeinen
Begriff geben. Im weichen Gebirge bediente sich Kindermann folgender Apparate: Erstens des Bohrkessels oder Kesselbohrers; dieß ist ein
Cylinder aus starken zusammengenieteten Eisenblechen, 3 Fuß weit und 2 1/2 Fuß hoch,
oben und unten offen, am untern Rande anfänglich mit drei Sägen, jede von ein Fuß
Länge, dann aber mit Doppelmessern versehen. Auch hat der Bohrkessel in seiner Wand
drei Oeffnungen mit Seitenmessern zum Nacharbeiten und zur Vermeidung von
Festklemmungen des Bohrers. – Der Zweck des Bohrkessels ist also das
Vor- und das Nacharbeiten, und es wird derselbe zu diesem Zweck entweder für
sich selbst, oder öfter in Verbindung mit dem Bohrgehäuse gebraucht. Es besteht
dasselbe aus einem Gestell von sechs senkrechten, starken eisernen Stäben, welche
oben durch drei horizontale eiserne Bügel mit einander verbunden sind und auf einem
Boden von Eisenblech stehen. Das Bohrgehäuse paßt ganz genau in den Bohrkessel.
Derselbe hat von Honigmann mannichfache Abänderungen
erfahren, von denen die wichtigste die ist, daß er conisch gemacht wurde.
Für feste Gebirgsmassen, die sich mit dem Kesselbohrer nicht durchsinken ließen,
wandte Kindermann zuerst einen zweiarmigen, dann aber
fünf- und neunfache Meißelbohrer an, welche
letztere auch von Honigmann benutzt, und mit dem
Freifallstück verbunden wurden.
Das Bohrgestänge unterscheidet sich nur durch seine
größere Stärke von dem gewöhnlichen Gestänge für enge Bohrlöcher, und wird, damit es
im Bohrschacht nicht schlottere, mit einem eisenblechernen Leitungscylinder
versehen. – Die Fanginstrumente ähneln den bei
gewöhnlichen Bohrlöchern üblichen.
Auch in der Verdichtungsmethode sind die von Kindermann angewendeten Vorrichtungen von denen
verschieden, die Honigmann und Rossenbeck anwendeten. Während jene nur eine vorübergehende
Wasserdichtigkeit behufs der einmaligen Befahrung zum Augenschein bezweckte, und für
eine längere Dauer nicht geeignet war, so ist die letztere gerade für die längere
Dauer berechnet, und muß schon deßhalb als ein wesentlicher Fortschritt bezeichnet
werden.
Wenn Kindermann mit seiner Bohrarbeit bis aufs
Steinkohlengebirge oder vielmehr bis auf eine solche Schicht desselben gekommen war,
welche die Möglichkeit eines wasserdichten Abschlusses gewährte, so versah er den ganzen
Bohrschacht mit einer blechernen Röhrentour, und es waren die untern Röhren 7/16 und
die obern 3/16 Zoll stark. Sobald nun der Schacht seinen Zweck erfüllt hatte, wurden
dieselben wieder herausgezogen.
Bei der Honigmann-Rossenbeck'schen
Verdichtungsmethode haben die zum Zurückhalten des Lehms und Fließes dienenden
Röhren, z.B. bei einem Schacht 33, die eigentlichen Verdichtungsröhren 24 Zoll im
Durchmesser. Zwischen beiden befindet sich daher ein ringförmiger Raum. Die
Verdichtungsröhren sind unten 1/2 und oben 3/8 Zoll stark, die Fließröhren nur 1/4
Zoll. Im Lehm setzt man die letztere in einen vierseitigen 5 Fuß weiten Schacht ein,
auswärts Berge nachfüllend, in den Fließ oder das schwimmende Gebirge dagegen werden
sie von oben her eingetrieben, und dann erst die innerhalb befindliche Gebirgsmasse
ausgefördert. – Die Verdichtungsröhren dürfen auch bei dieser Methode erst
dann eingebauet werden, wenn mittelst der Bohrarbeit ein geschlossenes Gebirge
erschroten ist. Die Verdichtung selbst geschieht durch hydraulischen Mörtel, den man
auf die Sohle des Bohrlochs schüttet und dann die Röhrentour in denselben
hineinläßt. Nach fünf Wochen ist der Mörtel erhärtet und man kann dann im festen
Gestein weiter bohren. Diese Verdichtung hält, wie die Erfahrung bewiesen hat,
vollkommen fest. Der ringförmige Raum zwischen der Fließ – und der
Verdichtungsröhre, oder zwischen der letztern und der Gesteinswand, wird mit
hydraulischem Mörtel ausgegossen.
Bei einer Vergleichung beider Methoden und der Fälle, wo sie anzuwenden sind, wird
man die Honigmann-Rossenbeck'sche der Kindermann'schen gegenüber, für die technisch
vollkommenere erklären. Eine Verdichtung mit Letten, wie sie Kindermann anwendete, ist jedenfalls unzweckmäßig, und eine absolute
Absperrung der Wasserzuflüsse ist damit nicht zu erlangen, so wie denn die ganze Kindermann'sche Methode ihr Ziel nie mit Sicherheit
erreicht. Dennoch ist das Kindermann'sche Verfahren,
trotz aller Mängel, für Schächte deren Zweck nur ein vorübergehender ist, durchaus
angemessen, da es die Wiedergewinnung der Verdichtungsröhre gestattet und daher
wohlfeiler als jede andere Methode ist. Als Ersatz für Schurfschächte, welche man
später wieder zuzufüllen gedenkt, leistet die Kindermann'sche Erfindung vortreffliche Dienste.
Dagegen darf die Honigmann-Rossenbeck'sche Methode
für Wetterschächte besonders in allen den Fällen empfohlen werden, wo man fürchten
muß, sich durch eine Abteufung mehr Wasser zuzuziehen, als die vorhandenen
Maschinenkräfte wältigen können, und wo es mehr darauf ankommt, einer in einigen Jahren
rasch abzubauenden Abtheilung der Grube, als einem ganzen Grubenfelde Wetter zu
bringen. Uebrigens wird sich die Methode zuverlässig auch auf Bohrschächte mit
größern Dimensionen anwenden lassen, obschon dann, wie es anderwärts auch geschehen
ist, aus Segmenten bestehende gußeiserne Cylinder den blechernen vorzuziehen seyn
dürften.