Titel: | Ueber Auflösung der Eisenoxydhydrat-Kruste in eisernen Wasserleitungsröhren. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LXXVI., S. 264 |
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LXXVI.
Ueber Auflösung der Eisenoxydhydrat-Kruste
in eisernen Wasserleitungsröhren.
Ueber Auflösung der Eisenoxydhydrat-Kruste in eisernen
Wasserleitungsröhren.
Veranlaßt durch ein in öffentlichen Blättern gestelltes „Gesuch um
Mittheilung erprobter Mittel zur Auflösung der Oxydhydrat-Kruste in
eisernen Wasserleitungsröhren“ theilt die Sächsische
Bergwerks-Zeitung in Nachstehendem die Art und Weise mit,
auf welche die Reinigung der Einfallröhren von Eisenoxyd bei der Alt Mordgrübner
Wassersäulenmaschine im Freiberger Bergamtsrevier nach Inhalt eines im Kalender für
den sächsischen Berg- und Hüttenmann auf das Jahr 1840 enthaltenen Aufsatzes
des Hrn. Professors Gätzschmann erfolgt ist.
Bei der auf dem Berggebäude Alte Mordgrube Fdgr. im Gange stehenden
Wassersäulenmaschine hatte sich im Inneren der Einfallröhren nach und nach eine
Kruste von Eisenoxyd und Oxydul angesetzt, und während eines nahe fünfzehnjährigen
fast ununterbrochenen Ganges um und um eine Stärke von 1/2 Zoll erreicht, dadurch
aber die untere Ausmündung der Einfallröhren von ihrem ursprünglichen lichten
Durchmesser von 7 Zoll auf 6 Zoll verengt, sonach den uranfänglichen Querschnitt um
1/4 kleiner gemacht.
Allem Anscheine nach, welcher sich durch die späteren Beobachtungen und das Ergebniß
der nachmaligen Reinigung zur größten Wahrscheinlichkeit, ja fast zur Gewißheit
erhob, beruhte diese Bildung auf einem Niederschlage des Eisens aus den etwas
sauren, eisenhaltigen Wassern des Kohlbachgrabens (der Freiberger oberen
Wasserversorgung), von welchen die Betriebswasser für die genannte Maschine
entnommen werden, aus welchem Wasser durch deren längere Fortleitung im freien
offenen Graben, die das
Eisen aufgelöst erhaltende Kohlensäure entwichen war und somit eine Ausscheidung und
Fällung des ersteren nach sich gezogen hatte.
Der Niederschlag machte sich zuerst, schon vor mehreren Jahren, durch einzelne
Knollen in der, der Beobachtung offenliegenden, oberen Einmündung der Einfallröhren
bemerklich, welche Knollen sich nach und nach vermehrten und zu einem
zusammenhängenden Ueberzuge vereinigten; nächstdem aber durch dergleichen abgelöste
Knollen und Krustenstücke, die sich immer häufiger in dem Abzugsgerinne ab-
und ansetzten, in welchem die gebrauchten Aufschlagewasser von der Maschine weg und
auf den Stollen geführt werden.
Am meisten und fühlbarsten machte sich aber diese Verengerung durch den Einfluß auf
den Gang der Maschine bemerklich, indem in der Mitte des Quartals Reminiscere 1839
die Maschine beim Gewältigen, wenn die Sätze voll hoben, selbst bei ganz geöffnetem
Tagehahne, höchstens und kaum zwei Spiele pro Min.
machte, während sie ursprünglich für die größte Belastung und größte Aufschlagsmenge
auf 3 1/2 bis vier Spiele pro Min. berechnet war.
Die Natur und Beschaffenheit der Knollen und der Kruste anlangend, so zeigte sich
weder in deren Stellung gegen einander, noch in ihrer absoluten Größe, irgend eine
Gleichförmigkeit noch Regelmäßigkeit. Die Farbe war dunkelgelb in allmählichen
Uebergängen bis zum Dunkelbraunen; die Structur schalig, die äußere Oberfläche ganz
glatt.
Zu gründlicher Abstellung des Uebelstandes konnten nach dem Vorschlage des Hrn.
Maschinendirectors Brendel
drei verschiedene Wege eingeschlagen werden: 1) Man konnte durchaus neue
Einfallröhren einwechseln, die gegenwärtigen aber nach erfolgter Reinigung anderweit
verwenden; 2) eine Röhre nach der anderen herausnehmen, sie durch Ausbrennen und mit
Stoßmeißeln reinigen und sodann wieder einbauen; oder man konnte 3) versuchen, sie
durch verdünnte Schwefelsäure zu reinigen, mit welcher die vorher unten
geschlossenen Einfallröhren angefüllt würden. Es kam darauf an, denjenigen Weg zu
wählen, welcher neben den mindesten Kosten auch den geringsten Zeitaufwand
erforderte, damit der Gang der Maschine nur auf eine möglich kürzeste Zeit
unterbrochen würde.
Der erste der genannten drei Wege war der kostspieligste, aber der kürzeste; die
Arbeit konnte in 48 Stunden vollendet werden; der zweite war wohlfeiler, aber vier
bis fünf Mal aufhältlicher; der dritte war der wohlfeilste und in Bezug auf
Zeitaufwand zwischen dem ersten und zweiten mitten inne stehend; denn obschon man
auch hätte neue, um 2 Zoll weitere Röhren einwechseln können, die sonach, da die
jetzigen bei ihrem angegebenen Durchmesser sich in 15 Jahren um 1 Zoll verengt
hatten, 30 Jahre
brauchen würden, um bis auf die nunmehrige Weite der gegenwärtig eingebauten
herabzukommen, so würde dieß doch immer nur ein einstweiliges Auskunftsmittel
gewesen seyn, das nach Verlauf jener Zeit immer wieder eine gründliche Reinigung
oder eine abermalige Veränderung nothwendig gemacht hätte.
Es wurde daher beschlossen, den dritten Weg
einzuschlagen.
Um zuvörderst zu ermitteln, in welchem Verhältnisse Schwefelsäure und Wasser zusammen
zu setzen seyen, um überhaupt die beabsichtigte Wirkung, und insbesondere nicht zu
langsam zu leisten, stellte der Hr. Maschinendirector Brendel vorerst einen Versuch ganz im Kleinen an,
durch welchen sich ergab, daß bei einem Gesammtfassungsraume der ganzen zu
reinigenden Einfallröhrentour von (bei ihrem gegenwärtigen verengten Querschnitte
und bei ungefähr 420 Fuß flacher Länge derselben) gegen 131 Kubikfuß, etwa 8 Ctr.
concentrirter Schwefelsäure nothwendig seyen, um, dem specifischen Gewichte der
angewendeten Schwefelsäure entsprechend, das Gemenge in einem Gewichtsverhältnisse
der Schwefelsäure zu dem Wasser wie 1 : 7 darzustellen, welches Verhältniß sich bei
dem ursprünglichen Fassungsraume der Röhren etwa wie 1 : 8 gestalten würde.
Um ferner die Zeit zu ermitteln, welche zu der Reinigung der Röhren nöthig war,
wurden von der im Wassereinfallkasten stehenden obersten Einfallröhre die obersten
30 Zoll Höhe. abgesperrt und mit einem Gemenge von 9/10 Wasser mit 1/10
Schwefelsäure angefüllt.
Diese Absperrung wurde durch eine aus einer starken Pfoste geschnittene Scheibe
bewirkt, welche man mittelst einer kurzen Stange, an der sie in der Mitte befestigt
war, oberhalb derjenigen Seitenmündung einsetzte, durch die zur Zeit das
Aufschlagewasser aus dem Kasten in diese Röhre eintritt (indem letztere dazu
eingerichtet ist, später nach Erfordern noch eine Verlängerung der
Einfallsröhrentour nach oben, bis auf die höhere Sohle der Kehrradaufschlagsrösche
aufsetzen zu lassen, um aus dieser die Wasser entnehmen zu können); – sodann
wurde auf jene Pfostenscheide eine 1 Zoll starke Schicht von Thon festgestampft, und
darüber jene verdünnte Schwefelsäure eingegossen.
Nach Verlauf von 48 Stunden zeigte sich noch wenig oder keine Wirkung der Flüssigkeit
auf das Eisenoxyd; nach 96 Stunden hingegen war alles Oxyd in Knollen und Schalen
dergestalt abgelöst, daß die Röhrenfläche rein, aber nicht angegriffen erschien.
Dieser Umstand, welcher sich auch bei der nachmaligen Reinigung der ganzen Röhrentour
ergab, d.h., daß die von dem Ueberzuge von Eisenoxyd gereinigte Innenfläche der
Röhren rein und so gut als nicht angegriffen, nur der harten Gußhaut beraubt und
etwas schwärzlich erschien, dürfte als hauptsächlichster Beweis dafür betrachtet werden, daß sich
das Eisenoxyd aus dem hindurch geführten Wasser abgesetzt, nicht aber durch
Anfressen der Röhre durch etwa in dem Wasser enthaltene freie Säure gebildet
hatte.
Auf dieses günstige Ergebniß begründet, wurde nun am 18. April, in der 3. Woche
Quartal Reminiscere 1839, die Wassersäulenmaschine ganz abgeschützt, die Wassersäule
aus den Einfallröhren (durch allmähliches Herausnehmen des Tagehahnes) abgelassen,
durch das Gehäuse dieses Hahnes ein Thonklumpen, von hinreichender Größe, um einen
18 Zoll starken dichten Pfropf zu bilden, eingetrieben, und hinter (unterhalb)
demselben eine 3 Zoll starke Pfostenscheibe von dem Querschnitt des zu
verschließenden Rohres, worauf man den Kern des Tagehahnes wieder einsetzte und die
Einfallröhren von oben anfüllte.
Um die Reinigung zu beschleunigen, war auf den Wunsch der Grubenvorsteher die
Zusammensetzung des Gemenges jetzt in dem Verhältnisse von 1 : 5 3/4 bestimmt, daher
ein Quantum von 10 Centner Schwefelsäure bestellt worden; da jedoch eine der die
Säure enthaltenden Flaschen unterwegs zerbrach, so blieben nur 1041 3/4 Pfund übrig,
so daß das Mengungsverhältniß noch etwas unter dem bestimmten zurückblieb, sich wie
3 : 16 gestaltete.
Da es ferner an den geeigneten Gefäßen und selbst an dem nöthigen Raum fehlte, um das
Mengen des Wassers mit der Schwefelsäure, vor dem Eingießen außerhalb der Röhren, zu
bewirken, so wurde die Füllung gleichzeitig aus zwei Gefäßen bewirkt, deren eines
das Wasser, das andere die Schwefelsäure enthielt; ihr Fassungsraum stand in dem
Verhältnisse der Mengen der Flüssigkeiten, und aus ihnen wurden die letzteren durch
Röhren in das Einfallrohr geleitet, deren Querschnitte ebenfalls das Verhältniß von
1 : 11 hatten, welche ungefähr dem Volumenverhältnisse der beiden Flüssigkeiten
entsprachen.
Dieses Einfüllen, welches mit der größten Vorsicht bewirkt werden mußte, damit nicht
die, bekanntlich beim Zusammenmengen mit Wasser sich stark erhitzende und oft
herumspritzende Schwefelsäure die umgebenden Personen und Gegenstände beschädigte,
erforderte im Ganzen acht Stunden Zeit. Durch die allmählich höher anwachsende
Drucksäule wurde der Thonpfropf immer fester gegen den Kern des Tagehahnes gedrückt
und verdichtet, so daß sich nur Anfangs einige Flüssigkeit durch die Fugen
mehrgenannten Hahnes herauspreßte, später aber ein völlig wasserdichter Abschluß
eintrat. Im Uebrigen wurde das Anfüllen der Röhren nur so hoch bewirkt, daß die
Flüssigkeit nicht in den Einfallwasserkasten trat, was um so leichter geschehen konnte,
da der oberste Theil des obersten Rohres schon durch den ersten Versuch gereinigt
worden war.
Während des Anfüllens fand eine sehr starke Entwickelung von kohlenhaltigem
Wasserstoffgas statt, welche nicht nur, indem es einen sehr reichlichen Schaum
bildet – der den oberen Theil der Röhren bis auf 15 Ellen Höhe erfüllte und
selbst bis 1 1/2 Ellen hoch über den Wasserkasten herausstieg – den diesem
durch die Zersetzung von Gußeisen durch Schwefelsäure gebildeten Gase
eigenthümlichen, höchst unangenehmen Geruch entwickelte, sondern auch sich an einem
angenäherten Lichte mit einer heftigen Explosion entzündete, die jedoch, außer daß
sie den Nächststehenden die Hüte von den Köpfen warf, Haupthaare, Bart und
Augenbrauen versengte, keinen weiteren Schaden anrichtete. Der brennende Schaum
wurde durch aufgegossenes Wasser, welches die Gasblasen zerstreute, gelöscht.
Da sich diese Entwickelung des Gases während des weiteren Anfüllens der Röhren
fortsetzte, so sah man sich genöthigt, von Zeit zu Zeit das Abbrennen absichtlich zu
wiederholen, um gefährlichen Anhäufungen des Gases vorzubeugen. Dieser ganze Vorgang
war allem Anscheine nach dem Umstande zuzuschreiben, daß die specifisch schwerere
Schwefelsäure sich in den Röhren vorzugsweise nach unten senkte, hier das Gußeisen
stärker angriff, und, wie schon angedeutet, mit dem in demselben enthaltenen
Kohlenstoffe die Gasbildung der bezeichneten Art einleitete; eine Vermuthung, welche
auch dadurch bestätigt wurde, daß, während sich im oberen Theile der Röhre das
Eisenoxyd in Knollen ablöste und hier, wie schon erwähnt, nur ein ganz leichter,
bloß durch Entfernung der harten Gußhaut sich kundgebender Angriff des Eisens
stattfand, im unteren Theile der ganze Ueberzug zerfressen und zu Brei verwandelt
wurde.
Nachdem man die so angefüllten Einfallröhren 96 Stunden lang sich selbst überlassen
hatte, eine Montags am 22. April angestellte Untersuchung aber ergab, daß noch nicht
alle Oxydknollen abgelöst waren, zudem berücksichtigt wurde, daß ein Theil der
angelieferten Schwefelsäure unterwegs verloren gegangen, daher das Gemenge nicht
ganz so stark, als beabsichtigt war: so wurde beschlossen, das Ganze noch einen Tag
stehen zu lassen, wodurch sich die Zeit der Wirkung auf 120 Stunden verlängerte.
Man ließ demnach Dienstags am 23. April, wo sich alles Oxyd abgelöst hatte, die
Einfallröhren ab, indem man den Tagehahn herumdrehte und nur gerade so hoch heraus
hob, und dadurch lüftete, daß die Flüssigkeit nach und nach in den Maschinenraum
abfloß; dieselbe trat jetzt als ein ganz dünnflüssiger Schlamm, aber zugleich mit
einem äußerst unangenehmen, Erbrechen erregenden Geruche heraus. Da man ein Bohrloch,
welches von der Sohle des Maschinenraumes schräg abwärts nach dem Kunstschachte
hinüber geführt ist, vorher verstopft hatte, damit die Flüssigkeit nicht in den
Schacht trat und hier die Pumpen, vornehmlich deren Liderung, zerstörend angriff, so
erfüllte dieselbe den ganzen Maschinenraum und mußte nachmals aus letzterem wieder
ausgeschöpft werden.
Hierauf wurde zu der völligen Reinigung der Röhren geschritten. Man stellte dazu
einen aus Buchenholz abgedrehten 10 Zoll hohen, 6 1/4 Zoll starken Cylinder her,
welcher mit 24 Stück ringsherum eingeschlagenen, stählernen 1/2 Zoll starken und 3/8
Zoll hervorstehenden Spitzen versehen war; ferner ging durch die Mitte des Cylinders
eine eiserne Spindel, die oben in einen Ring endigte, unten aber durch eine,
ebenfalls mit einem Ringe versehene Schraubenmutter gehalten wurde.
Mittelst des oberen Ringes hing man den so vorgerichteten Cylinder an einem
Haspelseile in das Einfallrohr ein und zog ihn unter stetem Zuflusse von reinem
Wasser so lange auf und nieder, bis alles Oxyd vollends abgestoßen war und das
Wasser ganz klar ablief. Der untere Ring an der Schraubenmutter hatte hierbei den
Zweck, ein zweites Seil daran zu befestigen, um den Cylinder auch von unten anziehen
zu können, wenn derselbe in der Röhre sitzen bleiben sollte, was jedoch bei der
Anwendung nicht der Fall war.
Hierauf wurde endlich am 23. April Nachmittags 5 Uhr die Maschine wieder angeschützt,
nachdem sie in Allem 131 Stunden lang still gestanden hatte, und der günstige Erfolg
der Reinigung zeigte sich dadurch, daß sie sofort, bei ganz geöffnetem Tagehahne und
bei vollem Anhube der Sätze, reichlich 3 bis 3 1/4 Spiele pro Minute machte.
Die Gesammtkosten der Reinigung der Einfallröhren betrugen in Allem 52 Thlr. 22 Ggr.
1 Pf., als:
Thlr.
Ggr.
Pf.
1
2
– 8
– –
dem Maschinensteigerfür 10
Zimmerlingsschichten,
für Abschützen, Anlassen,Reinigen der
Einfassröhrenund sonstige Arbeit dabei,
1
6
–
für drei
Werkmeister-Extraschichten,
47
8
5
für neun Centner 51 3/4 Pfund Schwefelsäure
à Ctr. 5 Thlr.
–
23
8
für Lieferantenbeitrag von genannter
Schwefelsäure, zur Knappschaftscasse,welchen Beitrag die Grube selbst
zu tragen hatte.
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Die allmähliche Verstopfung dieser Röhren durch Eisenoxyd in knollen- und
schalenartigen Ansätzen ist sonach ein ganz ähnlicher Fall, wie der,
welcher sich bei den Wasserleitungsröhren der Stadt Grenoble in Frankreich, Departement
Isère, ereignete, zuerst durch einen Bericht des dortigen Stadtrathes, vom
Jahre 1833, bekannt wurde und mehrfache Untersuchungen französischer Chemiker und
Techniker hervorrief.Polytechn. Journal Bd. LIII S. 207
und 213.