Titel: | Newall's Bremsapparat für Eisenbahnzüge. |
Fundstelle: | Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LXXXIX., S. 329 |
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LXXXIX.
Newall's Bremsapparat
für Eisenbahnzüge.
Newall's Bremsapparat für Eisenbahnzüge.
In der Zeitschrift des
österreichischen Ingenieur-Vereins, 1853, Nr. 22 und
23, gibt Hr. Ingenieur Landauer nachstehende Beschreibung von Newall's Bremse.
Das Eigenthümliche dieser Brems-Anordnung besteht in folgenden zwei Punkten.
1) Der Druck der Bremsklötze gegen die Wagenräder wird durch die Spannkraft einer
starken Spiralfeder, und nicht, wie bisher, durch den von einer Person ausgeübten
Druck bewirkt; und die Thätigkeit der letzteren beschränkt sich beim Bremsen nur
darauf, einen Hemmhaken auszulösen, um die Feder, durch welche die Bremsklötze an
die Räder gedrückt werden, zur Wirksamkeit zu bringen. Will man dagegen das Bremsen
aufheben, also die Bremsklötze wieder von den Rädern abziehen, so muß die Feder
allerdings durch die Kraftanwendung einer Person, mittelst einer mechanischen
Vorrichtung, wieder zusammengedrückt, und in diesem Zustande durch das Einlegen des
Hemmhakens festgestellt werden. Die Bremse ist daher einigermaßen selbstwirkend.
2) Die Bremsen aller Wagen eines Eisenbahnzuges stehen mit einander derart in
Verbindung, daß sie von einer einzigen Person gemeinschaftlich gehandhabt werden
können, und daher die Wirkung Aller gleichzeitig erfolgt. Zu diesem Zwecke dient
eine horizontale, längs des ganzen Zuges über die Wagendecken fortlaufende Welle,
welche so eingerichtet ist, daß sie der während des Fahrens wechselnden Verlängerung
und Verkürzung des Zuges, und eben so den Krümmungen der Bahn und den Vibrationen
nachgibt. – Löset sich ein Theil des Zuges zufällig ab, so entsteht eine
Trennung in der Communicationswelle, und in Folge dieser Trennung allein, ohne
Mitwirkung irgend einer Person, werden alle Bremsen an dem abgelösten Theile des
Zuges sogleich wirksam und bringen ihn zum Stillstande. Diese Einrichtung des Selbstwirkens ist beim Fahren über starke Steigungen von
großem Nutzen; indem durch dieselbe jene Unglücksfälle verhindert werden, welche
unter solchen Umständen durch das Reißen einer Kuppelung entstehen können.
Der unter 1) angeführte eigentliche Bremsapparat hat folgende Einrichtung: An der
zwischen den Wagenrädern befindlichen Welle, zur Bewegung der gewöhnlichen Bremsen,
ist ein langer, etwas eingebogener Hebel in beinahe horizontaler Lage befestigt, an
dessen, in eine gabelähnliche Form ausgehendem Ende scharnierartig zwei verticale
Stangen eingehangen sind, welche an der Querwand des Wagens bis nahe zur halben Höhe
derselben aufsteigen. An dieser Wand ist eine cylindrische Hülse befestigt, die eine
starke Spiralfeder umschließt. Unter der Feder befindet sich ein Querbolzen mit
vorstehenden Enden, welche in Längenschlitzen der Hülse gleiten, und außerhalb
derselben mit den vom Bremshebel vertical aufsteigenden Stangen verbunden sind. Die
Enden dieses Querbolzens tragen zugleich noch einen weiter über die Hülse
emporgehenden, beinahe bis zur Decke des Wagens reichenden, verticalen Rahmen, über
welchem zu beiden Seiten verticale gezahnte Stangen befestigt sind. Je nach
Umständen steht eine dieser gezahnten Stangen mit einem durch eine Kurbel zu bewegenden Räderwerke
in Verbindung, mittelst welchem die Stange auf und ab bewegt und zugleich die Feder
gespannt oder nachgelassen werden kann, je nach dem Willen des Conducteurs. Zur
Feststellung der Vorrichtung in irgend einer Lage dient ein in das Räderwerk
einzulegender Hemmhaken. Die Spiralfeder ist stark genug gespannt, um nach erfolgtem
Ausheben des Hemmhakens das Räderwerk zurück zu treiben, den Hebel herab zu drücken
und das Bremsen zu bewirken, wobei natürlich das Gewicht des Hebels und des
verticalen Gestänges zu Hülfe kommt. Es können somit durch entsprechendes Drehen der
Kurbel diese Theile gehoben, die Spiralfeder zusammengedrückt, und die Bremsklötze
von den Wagenrädern abgezogen werden. Durch das Einlegen des Hemmhakens wird sodann
der ganze Mechanismus in dieser Lage festgehalten. So wie man hingegen denselben
aushebt, werden wieder Gestänge und Bremshebel durch die freigewordene, sich
ausdehnende Feder, so wie durch das eigene Gewicht herabgedrückt und die Bremsklötze
gegen die Wagenräder gepreßt. Soll dann wieder das Bremsen aufgehoben werden, was
natürlich jedesmal geschehen muß, ehe der Zug in Bewegung gesetzt wird, so ist
mittelst der Kurbel und des Räderwerkes der Hebel neuerdings zu heben, dadurch die
Spiralfeder zu spannen, und nach vollendeter Spannung der Hemmhaken wiederholt
einzulegen. Die Zahnstange muß, wie oben erwähnt, doppelt seyn, damit die Wirkung in
die entgegengesetzte verwandelt werden kann, wenn der Wagen zufällig verkehrt in den
Zug eingereiht wird, wodurch das Umdrehen desselben bei Zusammensetzung eines Zuges
vermieden wird. Durch ein Excentric wird die eine Zahnstange vom Räderwerke
ab- und gleichzeitig die andere angeschoben. Bei dem Tender hingegen ist die
Stange nur einfach, da dieser stets nach derselben Richtung in den Zug eingestellt
bleibt.
Die zu 2) angeführte Communication zwischen allen Bremsen eines Zuges hat folgende
Einrichtung: Eine horizontale, röhrenförmige Welle erstreckt sich über den ganzen
Zug hin drehbar in Lagern, welche an der Decke der Wagen, in vulcanisirtem Kautschuk
oder einem ähnlichen elastischen Materiale ruhend, befestigt sind. Auf dieser Welle
sitzen an den Enden, und außerdem bei jedem oder bei einigen Wagen, die Zahnräder,
welche, wie oben erwähnt, in die Zahnstangen eingreifen, so daß durch die Drehung
der Welle gleichzeitig die sämmtlichen Zahnstangen bewegt werden. Bei jedem Wagen
endet ein Theil der Welle mit einer vierkantigen Verlängerung, während der andere
Theil derselben eine aufpassende Schubhülse besitzt, so daß, wenn der Zug sich durch
die Bewegung der Buffer verlängert oder verkürzt, auch die Welle an jedem einzelnen
Wagen die entsprechende Länge annehmen kann. Das Uebergreifen in der Schubhülse ist außerdem
so lang, daß selbst beim Brechen der Wagenkuppelung keine Trennung der Welle
eintritt; und nur dann zieht sich die Stange aus der Hülse, wenn auch die beiden
Nothketten reißen, und sich die rückwärtigen Wagen von den vorderen ablösen; die
Welle am abgelösten Theile des Zuges wird dadurch frei (da sich nur an dem
Vordertheile des Zuges ein Hemmhaken befindet); es erfolgt daher die Expansion der
Spiralfedern, die Bremsen werden dadurch in Wirksamkeit gesetzt, und die Wagen bald
zum Stillstande gebracht. An den mit dem Tender fortrollenden Wagen hingegen bleibt
die Welle durch den an demselben befindlichen Hemmhaken in unveränderter Lage
festgehalten. Damit die Welle ferner auch den Wagen von ungleicher Höhe sich
anpasse, ebenso ihrer Drehung in den Bahncurven und ihren Vibrationen nachgebe, sind
die zwischen den Wagen liegenden Theile derselben mit starken
Universal-Kugelgelenken versehen, so daß ein solcher Theil der Welle entweder
am Wagen herabhängen, oder zurückgeschoben werden kann, wenn er nicht mit der Welle
eines andern Wagens verbunden wird. Diese Gelenke sind unter rechtem Winkel gebohrt,
so daß sie in jeder Richtung nachgeben können. Zur leichten und sicheren Verbindung
der Enden zwischen zwei Wagen dient eine Drehkuppelung mit Federschnapper und
Sicherheitsschraube, so daß die Verbindung augenblicklich durch Einschieben des
Schaftendes in die Kuppelungshülse hergestellt ist.
Die Communicationswelle könnte natürlich auch unter den
Wagenkästen oder an jeder anderen Stelle derselben angebracht seyn; die Einrichtung
bleibt aber im Wesentlichen immer dieselbe.
Eine einzige Person ist im Stande, mittelst der Kurbel an irgend einem Wagen die
Welle in allen Theilen zu drehen, wodurch alle Gestänge gehoben, alle Federn
zusammengedrückt, und die sämmtlichen Bremsen des Zuges von den Rädern abgezogen
werden. Man kann dabei den Druck der Bremsklötze auf die Räder nach Willkür entweder
ganz aufheben oder nur vermindern. Durch das Einlegen des Hemmhakens werden dann die
sämmtlichen Bremsen in der beliebig weit gelüfteten Lage festgehalten; durch das
Auslösen derselben werden sie hingegen augenblicklich alle wieder wirksam gemacht.
Da auf dem Tender ebenfalls eine Aufzug-Vorrichtung angebracht ist, so kann
das Bremsen des ganzen Zuges auch durch den Maschinenführer oder durch den Heizer
bewirkt werden. Der Hemmhaken, welcher am vorderen Wagen oder am Tender angebracht
ist, kann jeder Zeit von irgend einer Stelle des mit dem Apparate versehenen
Zugtheiles aus mittelst der Längenwelle selbst außer Wirksamkeit gesetzt werden.
Dieß geschieht durch einen Ruck der Welle nach derjenigen Richtung, welche das Lüften der
Bremsklötze bewirkt, und ist das Werk eines Momentes. Befinden sich an dem Zuge
mehrere Hemmhaken, so werden alle gemeinschaftlich in derselben Weise ausgelöst, und
es kann daher jede Person unabhängig von der andern den Zug zum Stillstande bringen.
Den Personen, welche den Zug bedienen, steht es zu, wenn räthlich, einen
additionellen Druck auf die Bremsen mittelst der Kurbeln auszuüben, und dadurch die
Räder zum Gleiten zu bringen. Aber es ist, besondere selten vorkommende Nothfälle
ausgenommen, nicht wünschenswerth, die Umdrehung der Räder gänzlich aufzuheben, weil
dadurch eine bedeutende sehr schädliche Abnützung der Räder und der Schienen
entsteht. Es soll vielmehr die Spiralfeder nur jene Spannkraft besitzen, welche die
Umdrehung bis zu einem gewissen, durch Versuche zu ermittelnden Grabe verzögert;
indem ein besonderer Vortheil der neuen Erfindung, gegen die bisherige Bremsmethode,
darin besteht, daß der Zug rasch zum Stillstande gebracht werden kann ohne gänzliches Feststellen der Räder, also mit Schonung
dieser und der Schienen, so wie mit viel längerem Erhalten der
kreisrunden Form der ersteren.
Der beschriebene Mechanismus kann auch sehr vortheilhaft zur Bewegung eines Signales
zwischen den verschiedenen Theilen eines Zuges (etwa durch Anschlagen einer Glocke)
benützt werden.
Der neue Apparat kann bei jeder der bestehenden Bremsarten angewendet werden, jedoch
sollen an der eigentlichen Bremse alle Verbindungen conisch seyn, damit einzelne
Theile, welche durch die Abnützung lose werden, wieder angezogen werden können.
Es versteht sich von selbst, daß nur eine beliebige Anzahl Wagen eines Zuges mit
Bremsen versehen zu seyn braucht, und die Welle über die andern bloß leer fortgeht,
so daß die Communication vom Tender bis zum letzten Bremswagen erhalten bleibt. Wäre
aber ein Zug so lang, daß es unräthlich erscheint, die Welle über alle Wagen
fortzusetzen, so ist schon viel gewonnen, wenn man immer mehrere Wagen für sich je
durch eine Längenwelle verbindet und einige solche Wagenpartien bildet, welche von
je einem Conducteur überwacht werden.