Titel: | Ueber die Umwandlung, welche der Rohrzucker durch die Wirkung des reinen Wassers erleidet, und über die Analyse der Syrupe; von Hrn. G. Maumené. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XVI., S. 60 |
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XVI.
Ueber die Umwandlung, welche der Rohrzucker durch
die Wirkung des reinen Wassers erleidet, und über die Analyse der Syrupe; von Hrn. G.
Maumené.
Aus den Comptes
rendus, Novbr. 1854, Nr. 19.
Maumené, über die Umwandlung, welche der Rohrzucker durch
die Wirkung des Wasser erleidet.
Der Rohrzucker verwandelt sich bekanntlich unter dem Einfluß der verdünnten Säuren in
unkrystallisirbaren oder um
gesetzten Zucker, und zwar sehr schnell, wenn man die Temperatur erhöht.
Man nimmt allgemein an, daß ausschließlich die Säuren das Vermögen besitzen diese
Veränderung zu bewirken, welche in der Verbindung des Zuckers mit einem Aequivalent
Wasser besteht, und man hat zu wenig den Antheil berücksichtigt, welchen das Wasser
selbst an dieser Reaction hat, während es doch allein in den neuen Zucker eingeht
und stets in beträchtlicher Masse angewandt wird.Dumas sagt in seinem Handbuch der angewandten
Chemie (deutsche Uebersetzung von Büchner, Bd. VI
S. 138): „Ein fünfzehn- bis zwanzigstündiges Kochen einer
wässerigen Zuckerlösung reicht hin, um den Rohrzucker in Glucos und in
unkrystallisirbaren Zucker umzuwandeln.“
I. Ich habe diese Untersuchungen vorgenommen, und, wie zu erwarten war, gefunden, daß
das vollkommen reine Wasser hinreicht, um die fragliche wichtige Modification zu
bewerkstelligen. Der reinste Candiszucker, in reinem Wasser aufgelöst, verwandelt
sich nach und nach, selbst in der Kälte, in unkrystallisirbaren Zucker. Ich habe
diese Thatsache schon vor
mehreren Jahren beobachtet und sie in meinen Vorlesungen gezeigt, indem ich Aetzkali
auf eine mehr oder weniger alte Zuckerlösung und auf ein Muster desselben, zu diesem
Zweck aufbewahrten Zuckers wirken ließ. Während die Zuckerkrystalle sich im
kochenden Aetzkali auflösen, ohne dasselbe zu färben, findet man, daß sich alte
Zuckerlosungen beim Vermischen mit dem Alkali mehr oder weniger stark färben, im
Verhältniß ihres Alters.
Noch leichter läßt sich diese interessante Thatsache mit dem Saccharimeter
nachweisen. So verminderte sich das Ablenkungsvermögen nach Rechts beim
krystallisirten Zucker in allen Fällen: die Verminderung ist für den reinsten
Candiszucker beträchtlich; sie ist es noch viel mehr für den Hutzucker von 1854,
aber letzterer enthält eine Spur von Kalk, welche ihn viel beständiger macht, wie
folgender Versuch beweist. Zuckerkalk, durch Auflösen von 16,35 Grammen Candiszucker
und 12 Gr. Kalk im Volum von 100 Kubik-Centimetern dargestellt, gab:
im Januar 1854
53° R.D.h. die Flüssigkeit drehte die Polarisationsebene um 53° nach
Rechts; L bedeutet nach Links.
im October
1854
53° R.
Textabbildung Bd. 135, S. 60
Flüssigkeit, in 100 Kub. Cent.
enthaltend 16,35 Gr. von; Directe Beobachtung; Umsetzung; Januar 1854; October
1854; Candiszucker; Hutzucker; Cassonade; Melasse (zweimal durch Knochenkohle
filtrirt); Melasse Saft:; Runkelrübe, obere Hälfte; Runkelrübe, untere Hälfte;
Möhre, oberer Theil; Möhre, unterer Theil
(a) Die Flüssigkeit enthält ein Zehntel mehr essigsaures
Blei von 25° Baumé.
Das Drehungsvermögen wurde ein solches nach Links für den Zucker von 1838, welcher
fast vollständig umgesetzt ist. Dieser Zucker gehört unter diejenigen, welche einem
Glas Zuckerwasser in einigen Stunden einen unangenehmen Geruch mittheilen, in Folge
einer reichlichen Schimmelbildung.
II. Die Wärme begünstigt die Wirkung des Wassers auf den Zucker; nachdem die zwei
Auflösungen von Candiszucker drei Stunden lang im Wasserbad erhitzt worden waren,
gaben sie:
1.
96°,5 R.
2.
96°R.
III. Das Glucos (Traubenzucker, Stärkezucker) und das Gummi erleiden unter denselben
Umständen keine Veränderung:
Textabbildung Bd. 135, S. 61
Directe Beobachtung; Umsetzung;
Januar 1854; October 1854; Auflösung von Glucos (Gehalt unbek.); Weizensyrup und
9 Volume Wasser; arabisches Gummi (1853) und 9 Gewichtstheile Wasser; arabisches
Gummi (1854) und 9 Gewichtstheile Wasser; turisches Gummi und 9 Gewichtstheile
Wasser; Salabrida-Gummi und 9 Gewichtstheile Wasser
IV. Diese Versuche gestatten uns zu erklären, was in den
Runkelrüben vor dem Ausziehen des Zuckers stattfindet. Nämlich:
1) Die Runkelrüben geben im Verlauf der Campagne eine stufenweise abnehmende
Zuckerausbeute; dieß muß, selbst bei den ganzen Wurzeln, der Fall seyn, weil der
Zucker und das Wasser länger mit einander in Berührung geblieben sind.
2) Die Austrocknungs-Methoden, welche sich auf die Anwendung der Wärme
gründen, haben den Nachtheil, eine erste Veränderung des Zuckers zu veranlassen,
ohne diejenige zu verhindern, welche später bei der Extraction stattfindet.
3) Hr. Pelouze hat längst gezeigt, daß die Runkelrübe bei
der Behandlung mit Alkohol keinen unkrystallisirbaren Zucker gibt, und diese
Thatsache stimmt mit meinen Versuchen überein.
4) Das Austrocknen im luftleeren Raum in der Kälte würde einen beträchtlichen
Zuckerverlust vermeiden; man sollte dieses Verfahren im Großen versuchen.
V. Die organischen Säuren verstärken die Wirkung des Wassers nicht merklich. Ich
theile in dieser Hinsicht folgenden Versuch mit:
Textabbildung Bd. 135, S. 62
Directe Beobachtung; März 1849;
October 1854; Auflösung von 100 Grammen Wasser; 30 Grammen Zucker; 1 Gramm
Weinsteinsäure
* Beobachtet mit einem gleichen Volum Wasser.
In fünf Jahren ist der Zucker noch nicht vollständig umgesetzt. Der Einfluß der Säure
ist schwach, denn das Wasser allein hätte beinahe dasselbe Resultat
hervorgebracht.
VI. Die Wirkung des Wassers auf den Rohrzucker muß bei der Analyse des Zuckersyrups,
Gummisyrups etc. berücksichtigt werden.
Zwei in meinem Laboratorium deponirte Syrupe wurden nach Verlauf eines Jahres, im
Februar 1854, analysirt, und acht Monate später, im October, gaben sie:
Textabbildung Bd. 135, S. 62
9 Volum Wasser und 1 Volum von;
Directe Beobachtung der gemachten Auflösung; Nach Verlauf eines Jahres; Nach
Verlauf von zwanzig Monaten October 1854; Unmittelbar Februar 1854; Acht Monate
später October 1854; Gummisyrup, Apotheke D; Gummisyrup, Specereihandlung F
VII. Man ersieht aus diesen Resultaten, wie schwierig die Analyse der Syrupe ist.
Die Tabelle des Hrn. Soubeiran (polytechn. Journal Bd.
CXIX S. 146) läßt sich dazu nicht benutzen:
1) weil das arabische Gummi kein constantes Drehungsvermögen besitzt;
2) weil das Drehungsvermögen des Zuckers sich in den Syrupen schnell modificirt, und
man aus seiner Verminderung auf die Gegenwart überschüssigen Wassers schließen
könnte.
VIII. Dieser Gegenstand veranlaßt mich noch zu einer andern Bemerkung: Hr. Soubeiran gab zum Auffinden des Glucos in den Syrupen
eine Methode an (polytechn. Journal Bd. CXXV S. 292), welche darin besteht, den
verdächtigen Syrup mit seinem gleichen Volum destillirten Wassers zu behandeln, und
ihn hierauf mit zwei bis drei Tropfen Zweifach-Jodkalium (hydriodigem Kali)
zu vermischen. Er hält diese Reaction für sehr sicher aus zwei Gründen:
1) weil sie durch das Dextrin veranlaßt wird;
2) weil das im Handel vorkommende Glucos immer Dextrin enthält.
Leider sind diese Angaben nicht genau.
1) Wird die Färbung durch das Dextrin veranlaßt?
Bekanntlich gibt das reine Dextrin mit Jod eine violette
Färbung, welche gar keine Aehnlichkeit mit der rothen
Färbung hat, wovon Hr. Soubeiran spricht. Letztere ist
das in Orange stechende Roth der Jodauflösungen. Um diese Färbung mit dem Dextrin zu
erhalten, muß man unter den käuflichen Sorten wählen: dasjenige Dextrin, welches man
durch schwaches Rösten eines Stärkmehls erhält, das mit einem einige Tausendtheile
Salpetersäure enthaltenden Wasser befeuchtet worden ist, gibt die rothe Färbung
bisweilen; der Weizensyrup ebenfalls; aber das ohne Säure geröstete Stärkmehl gibt
die violette Färbung; deßgleichen das durch Diastase erhaltene Dextrin. Diese
Färbung ist also gewiß nicht dem Dextrin zuzuschreiben; ihre Entstehung ist unsicher
und ganz zufällig. Man weiß nicht, worin sie besteht, und folglich kann man, wenn
sie sich einstellt, keinen Schluß daraus ziehen.
2) Ist das Dextrin immer in dem käuflichen Glucos enthalten?
Das erste Muster von Glucos, womit ich Soubeiran's Reagens
versuchte, gab keinerlei violette und ebensowenig eine rothe Färbung. Fast alle
seitdem von mir geprüften Muster waren in demselben Fall.
IX. Einige Chemiker glauben, daß das Aetzkali ein unfehlbares Reagens auf Glucos ist;
so gut wie das Glucos, färbt Aetzkali aber auch den umgesetzten Zucker, die Melasse
etc. braun. Der weißeste Hutzucker welcher im Handel vorkommt, färbt sich meistens
durch Aetzkali; der mit solchem Zucker dargestellte Syrup färbt sich ein wenig mehr, und man könnte sich
daher auf ein solches Anzeichen nicht stützen, um einen Syrupfabrikanten zu
verurtheilen.
X. Es ist daher durchaus nothwendig, in diesem Fall die Menge des krystallisirbaren Zuckers zu messen. Man gelangt dazu sehr
sicher, wenn man den Syrup unter einer Glocke durch Kalk oder Schwefelsäure
austrocknen läßt: in einigen Tagen krystallisirt der Zucker, und es ist sehr leicht
den Zeitpunkt zu treffen, wo das Gummi auszutrocknen anfängt. Wenn der Syrup Glucos
enthält, bekommt man keine Krystalle mehr, letzteres müßte denn in sehr geringem
Verhältniß vorhanden seyn, wo dann aber der Betrug keinen Zweck hätte.