Titel: | Webestuhl für Wolle, mit Differential-Regulator; construirt von Gottlob Jordan in Heilbronn. |
Autor: | Gottlob Jordan |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XXVI., S. 94 |
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XXVI.
Webestuhl für Wolle, mit
Differential-Regulator; construirt von Gottlob Jordan
in Heilbronn.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Jordan's Webestuhl für Wolle, mit
Differential-Regulator.
Bekanntlich besitzen wir Regulator-Webestühle für Baumwolle in zureichender
Vollkommenheit. Auf den ersten Anschein könnte man glauben, daß für Baumwolle und
für Wolle dieselbe Einrichtung sich eigne; dem ist aber nicht so, da die Natur
beider Stoffe wesentlich verschieden ist. Baumwolle widersteht, je nach ihrer
Qualität, einer ziemlich bedeutenden Zugkraft, dagegen weit weniger der Reibung.
Wolle verhält sich gerade entgegengesetzt.
Vor einiger Zeit erhielt ich den Auftrag, einen Regulator-Webestuhl für Wolle
zu construiren, was mir bei den vielen Erfahrungen an baumwollenen Stühlen ein
Leichtes dünkte, indem ich von den bei letztern geltenden Principien ausging. Diese
Annahme war aber unrichtig, und der Stuhl arbeitete nicht gut; demungeachtet ließ
ich längere Zeit darauf weben, um durch aufmerksame Beobachtung die Bedingungen
kennen zu lernen, unter welchen ein für Wolle entsprechender Stuhl gebaut werden
müßte.
Der eben erwähnte Stuhl hatte die Form, wie der beigegebener Zeichnung zu Grunde
liegende, und gab ich ihm die in Fig. 1 eingezeichnete
Vorrichtung zum Aufwinden des Stoffes.
a ist der Brustbaum; seine Zapfen ruhen in den Schlitzen
des Gestelles auf einer Schraube b, welche, ebenfalls in
einem jenem diagonalen Schlitz verstellbar, das Brustbrett c, und innerhalb des Stuhles das Brett d
festhält. Unter Umständen ist letzteres entbehrlich und kann bei einem eichenen
Gestell wegbleiben, bei einem tannenen durch ein hartes Klötzchen ersetzt werden.
Dieses Brett ließ ich durchgehen, weil der Stuhl eine Breite von circa drei Ellen oder mehr hatte, um den Regulator von
der Mitte der Lade aus zu treiben. Von dem Brustbaum ging der Zeug über den Baum e, nach dem Baum f, welchen
ich hatte besandeln lassen, um den Zeug fest zu halten. Aus dem Baum f liegt der eigentliche Zeugbaum g, welcher den Zeug durch Reibung aufnimmt.
h ist der gußeiserne, an das Stuhlgestell in einem
verschiebbaren Schlitz angeschraubte Träger der drei Bäume e,
f und g, so wie des Räderwerkes i; das große Rad sitzt an der Achse des besandelten
Baumes f; in i greift k, mit welchem l verbunden;
in I greift das kleine Getriebe des Stoßrädchens m.
Dieses Stoß- oder Zahnrädchen kann nun auf beliebige Weise in Bewegung
gesetzt werden, was gewöhnlich bei Handstühlen mittelst der Lade geschieht. Der
Einschnitt n ist zur Aufnahme des Zeugbaumes g bestimmt, wenn die Waare abgezogen werden soll.
Diese Anordnung des Aufwind-Regulators gestattet dick aufnehmende Waarenbäume,
ohne den Weber im Arbeiten zu hindern, und ist analog dem gewöhnlichen
Handstuhl.
Für fest gespannte Stoffe müßte selbstverständlich die Reibung des besandelten Baumes
erhöht werden.
Die Spannung des Kettenbaumes versuchte ich zuerst mit Gewicht und Waage, wie bei
baumwollenen Stoffen; später bloß durch Pression. Letztere war günstiger. Ich war
sicher gegangen, und hatte die erste Spannung vorher an einem Stuhl ohne Regulator
versucht, wobei mich der Weber versicherte: er arbeite ganz gut damit; doch hatte er
sie bald wieder entfernt, was ich seiner Gewohnheitsliebe zuschrieb, da mir zu einer
strengen Probe die Hände gebunden waren.
Auf diesem so vorgerichteten Stuhle brachen weit mehr Fäden als auf den andern
Stühlen ohne Regulator, und alle Versuche dagegen zu wirken, lieferten kein
erhebliches Resultat; die Fäden brachen meistens in der Nähe des Blattes und im
Geschirr. Ich überzeugte mich bald, daß der Fehler nur in der Spannung lag.
Betrachtete ich einen gewöhnlichen Handstuhl, so sah ich bei leichten Waaren, selbst
bei offenem Fach, die Kette nur lose, selbst schlaff gespannt; da aber der
Kettenbaum fest gehalten ist, so kann demungeachtet der Anschlag erfolgen und
einzelne fester spannende Fäden können sich bei der Ruhe des Kettenbaumes und da
dieser Stoff nur locker aufgebäumt wird, etwas eindrücken und empfinden dadurch
weniger allein die Heftigkeit des Schlages. Bei der Spannung mittelst Gewicht oder
Reibung muß aber diese wenigstens so stark seyn, daß sie dem Schlag vollkommen
widersteht, also immerhin einen Ueberschuß haben; sonst würde die Kette durch den
Schlag hereingezogen. Eine leichtere Spannung als der erforderliche Schlag, wie
solche bei den anderen Stühlen stattfand, war also hier nicht möglich. Dazu kommt
noch, daß beim Auftreten das Geschirr gerade in der ungünstigsten Lage des Fadens,
diametral zu seiner Richtung, in einen Winkel gezogen, die Kette durch sich selbst,
um so viel als der Regulator sie vorwärts schob, wieder herbei ziehen muß. Ob man
den Regulator vor oder nach dem Schlag arbeiten läßt, wird gleichgültig seyn.
Würde bei der Wolleweberei dieselbe Genauigkeit, z.B. beim Zetteln, Leimen und
Aufbäumen, wie bei der Seide oder nur bei der Baumwolle beobachtet, so wäre der Einfluß
weniger fühlbar. Aber meistens sieht man beim Zetteln der Wollewaaren aus falcher
Ersparniß Rollen von 5 Zoll Durchmesser neben solchen von 1 Zoll, und die davon
ablaufenden zwei Fäden müssen daher eine sehr verschiedene Spannung annehmen.
Beim Leimen zerrt und handthiert man mit dem Zettel, man schleppt ihn von einem Ort
zum andern, worüber ein Weber, welcher an die beim Seidenstoffe übliche Genauigkeit
gewöhnt ist, sich nicht wenig verwundern muß. Es wird daher ein Theil der Faden sehr
fest gespannt, während ein anderer nur eine schwache und ein dritter gar keine
Spannung erleibet.
Bei jenem Hereinziehen müssen nun die einzelnen fest gespannten die Last allein
ziehen, und werden deßhalb leichter brechen, als wenn die Last auf alle gleich
vertheilt wäre. Hilft auch der Weber durch Bespritzen etwas nach, so ist dieß doch
nur ein nothdürftiger und nachtheiliger Behelf.
Es bleibt unter diesen Umständen nichts anderes übrig, als für einen Regulatorstuhl
die Manipulation des Handstuhls ganz nachzuahmen, und dieß hat bereits in England zu
einem sehr sinnreich construirten, aber in der Ausführung sehr kostbaren
Differential-Webestuhl geführt. Auch ist, wenn ich mich recht erinnere, an
den Schoenherr'schen mechanischen Webestühlen etwas
Aehnliches angebracht.
Um nun doch den Regulator der gewöhnlichen Wollenweberei mit Handstühlen zugänglich
zu machen, suchte ich den Zweck auf einfachere und weniger kostspielige Weise zu
erreichen, und verfiel nach mehrfachen Versuchen auf die in Fig. 1 dargestellte
Construction.
A ist der Kettenbaum; seine Zapfen drehen sich in einem
Einschnitt eines an den Stuhl angeschraubten Brettchens; er liegt frei auf der Walze
B, welche etwas schmäler ist, als der schmalste
Stoff der auf dem Stuhle gefertigt werden soll, damit die Scheiben des Kettenbaumes
ungehindert heruntersinken können, wenn dieser an Dicke abnimmt. Die Zapfen der
Walze B werden durch Gabeln, welche an einem durch den
Stuhl gehenden Verbindungsstück befestigt sind, ohne senkrecht aufzuliegen, in ihrer
Lage erhalten. Diese Walze liegt auf einer ähnlichen Walze C von der ganzen Breite des Stuhls, welche wiederum frei auf der kleinen
Walze D liegt. Die Kette geht nun von dem Baume A nach der Walze C,
umschlingt dann die Walze D, und geht dem Stuhl
aufwärts. Die Walzen D und C
würden zweckmäßig mit Flanell oder Tuch überzogen. Um soviel als nun die Walze D gedreht wird, drehen sich die Peripherien aller drei
auf ihr ruhenden Walzen, ihr Durchmesser mag zu- oder abnehmen, und dem
Anschlag steht die Reibung von 7/8 der Peripherie von D und 1/4 der Peripherie von C entgegen,
vermehrt durch den Druck des Gewichtes der auf D
ruhenden drei Walzen. Die weitere Anordnung ist nun leicht zu treffen. Man gebe z.B.
der Walze D ein Kammrädchen und lasse eine Schraube ohne
Ende eingreifen, an deren Achse man ein Stoßrädchen, wie beim Zeugregulator,
anbringt. Nun können beide durch eine Stoßstange verbunden werden. Wie bereits
erwähnt, geschieht gewöhnlich die Bewegung des Stoßrädchens durch die Lade,
vermittelst einer an der Seite angebrachten Verbindung. Bei breiten Stühlen ist dieß
entschieden verwerflich; man spürt schon bei schmalen Stühlen und starker Spannung
den dadurch auf die Lade ausgeübten einseitigen Widerstand. Die Verbindung in der
Mitte der Lade, unterhalb des Zeuges, ist, wenn auch etwas umständlicher
herzustellen und zu reguliren, jedenfalls richtiger. Der von der Lade zurückgelegte
Weg ist jedoch selten ein immer gleicher und es erfordert eine einigermaßen
genügende Gleichförmigkeit desselben einen sehr an Pünktlichkeit gewöhnten Weber.
Der Regulator soll jedoch neben Zeitersparniß auch die Ungenauigkeit des Webers
vervollständigen, weßhalb der Constructeur nur den ungeübten Weber im Auge haben
darf. Legt nun die Lade sehr ungleiche Wege zurück, so werden selbst bei grober und
hie und da ungleicher Schrift zwei Zähne des Stoßrädchens statt einem genommen, bei
feiner z.B. 4 statt 3 etc. Bei grober Schrift kommt dieß zwar viel seltener vor als
bei feiner, ist aber auch dagegen von größerer Bedeutung.
Bei recht großen Zähnen des Stoßrädchens und genauer Regulirung der Verbindungen wird
es jedoch sehr selten vorkommen.
Will man ganz sicher gehen, so bringe man am Hintergestell des Stuhls auf einer
eisernen Achse zwei Schwungrädchen an, verbinde sie durch Kurbelstangen mit der
Lade, und lasse durch die Schwungradachse den Regulator treiben. Diese Einrichtung
würde sich auch in anderer Beziehung dankbar erweisen und hätte den wichtigen
Vortheil, daß für die Thätigkeit des Regulators, sie mag vor, während oder nach dem
Schlag stattzufinden haben, jeder beliebige Moment frei und von andern Bewegungen
unabhängig bestimmt werden könnte.
Sind die Tritte gut angeschnürt und ist durch eine Unterlage für ein gehöriges
Austreten gesorgt, so ist deren Bewegung sehr regelmäßig und sie können zum Bewegen
des Regulators recht gut verwendet werden, zudem ist bei diesen die dafür zu
verwendende Last weniger fühlbar. Verbindet man nun den Regulator mit den Tritten in
der in Fig. 1
bezeichneten Weise, so erhält man dadurch die überaus günstige Combination, daß in dem Moment des
Herabgehens des Geschirrs und vor dem erfolgenden Anschlag die Kette durch den
Zeugaufwinder um die Länge des Vorwärtswindens angespannt, und beim Aufwärtsgehen
des Geschirrs der Kettenbaum um so viel nachgelassen, die Oeffnung des Faches
dadurch begünstigt, und die Kette möglichst schonend dabei in Anspruch genommen
wird. Diese Combination ist leicht auszuführen. Man bringe das Wälzchen l auf zwei Ständern an, gebe demselben in der Mitte
Verbindung mit den Tritten, auf der andern Seite ein Gegengewicht und setze es in
Korrespondenz mit der Zahnstange. Durch etwaige kleine Differenzen der beiden
Stoßrädchen um einen Zahn mehr oder weniger, hat man es auch an der Hand, die Kette
während dem Weben etwas zu strecken oder zu lockern (einzuarbeiten), ein Punkt
welcher diese Einrichtung auch für andere Stoffe vortheilhaft machen dürfte.
In Fig. 2 ist
die Differential-Bewegung des Kettenbaumes auf eine noch einfachere Weise
gelöst.
A ist der Kettenbaum; er ruht auf der Trommel B, welche wie die Walze B in
Fig. 1
schmäler ist. Ueber A ist die Walze C in einem Lager angebracht, und auf dieser liegt die
Walze D. Diese beiden Walzen können mit Flanell
überzogen seyn. Die Zapfen der Walze D befinden sich in
am Stuhlgestell drehbaren Armen, um einen freien Druck und das Emporheben dieser
Walze zu gestatten, wenn ein Faden angeknüpft oder nachgeführt werden soll.
Bei dieser Anordnung muß die Walze C die fördernde
werden, und das Getriebe für die Kettenbaum-Bewegung, wenn wir die in Fig. 1
angegebene auch hier benützen wollen, würde so, wie aus Fig. 3 deutlich zu ersehen
ist, anzuordnen seyn.
Es ist dann eine Verbindung der Walze C mit der Trommel
B herzustellen, etwa durch Riemenscheiben; in diesem
Falle müßte man den Riemen durch eine Spannrolle mittelst Federdruck gegen
Veränderungen sichern; siehe Fig. 4.
Man kann jedoch recht wohl die Trommel B ganz entbehren
und den Kettenbaum auf seinen Zapfen ruhen lassen, da die Kette immerhin den leeren,
wenn auch durch ein schwaches Gewicht gegen freiwilliges Drehen gesicherten
Kettenbaum ohne allen Schaden wird bewegen können, und erhält so eine
Differential-Bewegung der einfachsten Form für leicht zu spannende Stoffe.
Durch Vergrößerung der Durchmesser der Bäume C und D, und dadurch vermehrte Fläche der Reibung und des
Druckes, kann man dieses Princip selbst für stärker zu spannende Stoffe anwendbar machen. Es wird kaum
nöthig seyn zu bemerken, daß hier nur mehrfach und gut verleimte Walzen andauernd
gute Dienste leisten können, und aus einem einzigen Stück bestehende zu verwerfen
sind.