Titel: | Apparat zum Abdampfen der Zuckerlösungen und anderer Flüssigkeiten, von Dr. E. Stolle zu Berlin. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XLV., S. 200 |
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XLV.
Apparat zum Abdampfen der Zuckerlösungen und
anderer Flüssigkeiten, von Dr. E. Stolle zu Berlin. Dr. Stolle starb bekanntlich während der allgemeinen
deutschen Industrie-Ausstellung in München, wo er als Geschäftsführer den
Verein preußischer Fabrikanten vertrat. A. d. Red.
Aus Armengaud's
Génie industriel, Novbr. 1854, S. 266.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Stolle's Apparat zum Abdampfen der Zuckerlösungen.
Seit etwa 30 Jahren wurden verschiedene Apparate construirt, um Flüssigkeiten, welche
sich in der Wärme verändern, bei einer niedrigen Temperatur abzudampfen.
Howard, Derosne, Brame-Chevalier, Norbert,
Rillieux und Andere suchten den Zuckersaft zu concentriren, ohne ihn auf
den gewöhnlichen Siedepunkt zu bringen; ihre dazu vorgeschlagenen Apparate sind sehr
sinnreich, aber im Allgemeinen auch sehr kostbar, und deren Betrieb erfordert
überdieß sehr aufmerksame und intelligente Arbeiter.
Diese allgemein anerkannten, aber bis jetzt noch nicht verbesserten Nachtheile hatten
seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit des Hrn. Stolle
erregt und veranlaßten ihn, diese Frage genau zu studiren, wodurch er nach und nach
auf die Erfindung eines Apparates geführt wurde, welcher sehr einfach, daher auch
wohlfeil ist und überdieß leicht und vollständig gereinigt und von jedem Arbeiter
bedient werden kann. Dieser Apparat bewirkt wegen seiner bedeutenden Heizfläche,
selbst bei einem sehr geringen Dampfdruck, ein sehr starkes Abdampfen, daher man
dazu Dämpfe verwenden kann, welche bereits als Triebkraft in Maschinen gedient
haben. Er gewährt deßhalb auch eine bedeutende Brennmaterial-Ersparung.
Das bei dem Stolle'schen Apparat angewendete Princip
besteht darin, in die abzudampfende Flüssigkeit eine hohle
Schraube bis zur Höhe der Achse zu legen. Diese Schraube besteht aus einer
großen Anzahl neben
einander liegender metallenen Röhren, welche so angeordnet sind, daß die Gewinde,
vom Ende aus gesehen, Scheiben gleichen, deren Kreise ebenso viele Röhren sind und
deren Mittelpunkt die Welle ist, um welche sich der Apparat dreht.
Läßt man nun in diesen Scheiben, welche eine Schraube von
etwa 4 Zoll Steigung bilden, Dampf oder heiße Luft, oder Salzlösungen, z.B.
salzsauren Kalk, oder bloß kochendes Wasser oder siedendes Oel circuliren, und
erneuert man die verdampfende Oberfläche unaufhörlich dadurch, daß man die Schraube
60 bis 150mal in der Minute umlaufen läßt und zwar so, daß immer abwechselnd die
Hälfte der Schraube in die abzudampfende Flüssigkeit untertaucht, um dann sofort,
mit einer dünnen Schicht dieser Flüssigkeit bedeckt, daraus hervorzutreten, so
erlangt man eine sehr schnelle Verdampfung.
Damit die Producte dieser Abdampfung sogleich nach ihrer Bildung entweichen können,
wendet der Erfinder einen künstlichen Luftstrom an, welcher mittelst Ventilatoren
oder anderer Gebläse hervorgebracht wird, oder auch bloß dadurch, daß man in den
Seitenwänden des Mantels oder des Behälters welcher die Flüssigkeit enthält, eine
hinreichende Anzahl von Löchern anbringt, deren Größe im Verhältniß zum Querschnitt
der Esse steht, durch welche die Dämpfe entweichen.
Die Abdampfung dauert mit gleicher Geschwindigkeit fort, wenn man den Behälter stets
so voll erhält, daß die abzudampfende Flüssigkeit wenigstens die Hälfte der
Abdampfungsschraube umgibt. Man erlangt auf diese Weise, wie die Erfahrung gezeigt
hat, eine schnelle Abdampfung, ohne daß die Flüssigkeit den Siedepunkt erreicht.
Fig. 1 ist ein
senkrechter Längendurchschnitt von diesem Apparat. Er besteht aus einem
cylindrischen Mantel oder Gefäß A, das auf einem Gerüst
B befestigt ist und durch welches der Länge nach
eine röhrenförmige Welle C geht, welche die Schraube
oder Schnecke D trägt, die aus einer großen Anzahl von
Röhren besteht. Durch diese Röhren zieht ein Dampfstrom, welcher von der rechten
Seite her in die röhrenförmige Welle C tritt und den
Scheider c trifft, so daß er nicht gerade durch die
Welle gehen kann, sondern in die Röhren dringt welche an dieser Stelle mit der Welle
in Verbindung sind; nachdem er in den Röhren circulirt hat, gelangt er bei c' in die Welle zurück, um aus dieser in die Röhre an
der linken Seite E zu strömen.
Wenn der Dampf in die erste Scheibe der Schraube eintritt, so gelangt er nur durch
die äußerste Röhre dahin, welche am entferntesten von der Achse ist, aber direct mit
ihr in Verbindung steht. Aus der ersten Röhre zieht er durch eine kleine
Verbindungsöffnung in die zweite, aus dieser in die dritte und so fort, bis er sich nach und
nach der Welle nähert. Die Verbindungsöffnungen zwischen den Röhren müssen so
angebracht seyn, daß der Dampf nicht zurückzutreten braucht, um aus der einen Röhre
in die andere zu gelangen, sondern daß er sie auf seinem Wege trifft. Durch diese
Anordnung erlangt man eine schnelle und gleichartige Vertheilung des Dampfes im
ganzen Apparat.
Um den Abfluß des Wassers zu erleichtern, welches von der Verdichtung des Dampfes
herrührt, ist am anderen Ende der Welle, nämlich da wo sich die letzte Scheibe auf
sie stützt, ein Vorsprung angebracht, der ringsum mit Löchern wie ein Rost versehen
ist, so daß das Wasser ohne Hinderniß und ohne Unterbrechung ablaufen kann.
Die Röhren, welche die Abdampfungsschraube bilden, haben nur 15 bis 25 Millimeter (7
1/2 bis 12 Linien) Durchmesser. Der erste im Großen ausgeführte Stolle'sche Apparat bestand für jede Scheibe in 12
Windungen von Röhren welche 8 Linien im Durchmesser hatten; auf denselben befanden
sich 12 Windungen von 9 1/2 und dann 12 Röhrenwindungen von 12 Linien Weite. Man muß
die weiteren Röhren immer von dem Mittelpunkte entfernter anbringen.
Die Welle C dreht sich in Stopfbüchsen a; die drehende Bewegung wird ihr durch eine
Riemenscheibe b mitgetheilt.
Das cylindrische Gefäß A ist mit einem Hahn d versehen, durch den man im Verhältniß des
Fortschreitens der Abdampfung Flüssigkeit zugießen kann, die sich nicht über die
Welle C erheben darf. Der Apparat ist außerdem mit einem
Wasserstandszeiger e und zum Reinigen mit einem
Entleerungshahn f versehen. l bezeichnet die Esse, durch welche die von dem Apparat erzeugten Dampfe
ausströmen; g bezeichnet die Oeffnungen zum Ansaugen der
Luft.
Dasselbe Princip kann ebenso nützlich für alle industriellen Operationen angewendet
werden, welche keinen andern Zweck als die Entfernung des Wassers durch Abdampfung
haben. So kann man den Stolle'schen Apparat zum Rösten
oder Darren des Stärkmehls, zum Brennen des vorher gemahlenen Gypses u.s.w.
benutzen. Zu diesen Zwecken läßt man den Rauch und die heißen Gase aus einem Herde
durch die Schraubengänge strömen. Es ist wohl überflüssig zu erinnern, daß bei
Anwendung des Apparates zum Brennen oder Trocknen fester Substanzen die Construction
desselben auf das Princip der archimedischen Schraube begründet seyn muß, weil man
solchen Substanzen gleichzeitig eine Bewegung nach vorwärts geben muß, um sie,
nachdem sie hinlänglich getrocknet sind, aus dem Apparat zu schaffen.
Wenn der Stolle'sche Apparat einerseits als sehr
zweckmäßig zum Abdampfen aller zuckerhaltigen, salzigen und klebrigen Flüssigkeiten
betrachtet werden muß, weil er ihre Veränderung verhindert, indem er sie während der
schnellen Verdampfung stets weit unter dem Wärmegrade erhält, wobei ihr Anbrennen
beginnen kann, so hat die Erfahrung andererseits bewiesen, daß er mit wenigstens
gleichem Vortheil zum Abdampfen der Farbholzabsüde, der Milch, des Leims etc.
benutzt werden kann. Man wird leicht einsehen, daß man ihn ebenso zum Destilliren,
Abdampfen und Versieben in der Luftleere verwenden kann, wenn man ihn mit einer
Luftpumpe in Verbindung setzt und dem gemäß seine Construction abändert.
So kann es, wie wir schon oben bemerkt haben, unter gewissen Umständen vortheilhaft
seyn, diesen Apparat in Verbindung mit Ventilatoren oder Aspiratoren anzuwenden.
Wenn es sich aber nur darum handelt, den Luftstrom zu steigern, wie bei der
Anordnung in Fig.
1, so kann man einen Dampfstrahl anwenden, wie es zur Verstärkung des
Zuges bei den Locomotiven geschieht.
Für die gewöhnliche Benutzung des Stolle'schen Apparates
ist es vorzuziehen, den untern Theil, d.h. den Behälter der abzudampfenden
Flüssigkeit, beweglich und ganz unabhängig von dem Evaporator zu machen. Dieß kann
leicht dadurch bewirkt werden, daß man den Behälter an zwei Winden aufhängt,
mittelst deren man ihn mit der darin enthaltenen Flüssigkeit sofort senken und
folglich die Schraube mehr oder weniger aus ihm hervortreten lassen kann, was in
mehrfacher Hinsicht Vortheile gewährt.
Im Vergleich mit den jetzt gebräuchlichen Apparaten zeichnet sich der Stolle'sche besonders dadurch aus, daß in ihm die
Abdampfung in demselben Augenblicke beginnnt, wo man Dampf oder siedendes Wasser in
den Evaporator strömen läßt.
Stolle hat noch ein einfacheres Mittel erdacht, um sein
Princip der Vervielfachung der verdampfenden Oberflächen anzuwenden, nämlich auf die
länglich-viereckigen Kessel, welche besonders mit directer Feuerung in den
Colonien benutzt werden.
In diesem Fall wird eine sich horizontal umdrehende Welle mit vielen metallenen
Stäben, welche an ihrem Ende kleine Haken haben, so versehen, daß sie rechtwinklich
auf ihr stehen. Diese Stäbe werden so angebracht, daß jede Reihe eine Art von Stern
bildet. An den Haken wird in Scheiben geschnittene Leinwand, baumwollener oder
sonstiger Zeug aufgehängt. Je nach den Umständen kann man diese Zeugscheiben durch
solche von Drahtgaze, Ruthengeflecht, Kort, leichtem Holz u.s.w. ersetzen. Auf diese
Weise erhält man eine sehr große, die Verdampfung begünstigende Oberfläche, weil man die
Scheiben in Zwischenräumen von 3 Centimetern (1 1/4 Zoll) anbringen kann und jede
Scheibe eine Oberfläche von 8 Quadratmetern hat, was bei einem 2 Meter langen
Apparat eine Gesammtoberfläche von ungefähr 600 Quadratmetern gibt.
Die Wirkung dieser Zeugscheiben, welche sich unaufhörlich um eine gemeinschaftliche
Welle drehen, ist einleuchtend. Eine Hälfte derselben taucht in die von unten
erhißte Flüssigkeit, während die andere Hälfte gegen den gewölbten Deckel aufsteigt,
wo sie einen starken Luftstrom antrifft, welcher die Dämpfe rasch wegführt, die sich
von der dünnen, auf den Scheiben verbreiteten Flüssigkeitsschicht entwickelten.
In diesem Fall dient die Welle mit ihren vielen Scheiben zugleich als Rührer der
Flüssigkeit und verhindert das Brenzlichwerden der Zuckerlösungen.
Ein anderer Vortheil dieser Einrichtung besteht darin, daß die Welle bloß mit dem
unbedeutenden Gewicht der Zeugscheiben belastet ist und daher nur eine sehr geringe
Triebkraft erfordert. Die Scheiben können zur Reinigung leicht abgenommen werden.
Ihre Anschaffung veranlaßt auch nur unbedeutende Kosten, indem eine Oberfläche von
600 Quadratmetern auf höchstens 100 Fr. zu stehen kommt.
Abdampfungs-Apparat mit doppelter und mit dreifacher
Wirkung. – Man kann natürlich mehrere solche Apparate wie den oben
beschriebenen mit einander verbinden.
Stolle hat aber auch noch einen andern Apparat mit
doppelter und dreifacher Wirkung von ganz anderer Construction beschrieben, welcher
sich ebenfalls auf das Princip der vielfachen Abdampfungs-Oberflächen
gründet, und hauptsächlich zum Abdampfen und Versieden von Zuckersaft bestimmt ist.
Dieser Apparat kann eine doppelte und eine dreifache Wirkung haben, je nachdem man
für den ersten Abdampfkessel Dämpfe von hohem oder niedrigem Druck anwendet und
dabei für den zweiten und dritten Kessel die Luftpumpe benußt, welche die Abdampfung
bei niedriger Temperatur und folglich die Anwendung von Dämpfen von viel geringerem
Druck gestattet.
Fig. 2 ist ein
äußerer Aufriß des doppelt-wirkenden Apparats.
Fig. 3 ist ein
Grundriß desselben oder eine Ansicht von oben.
Fig. 4 ist ein
senkrechter Durchschnitt durch die Achse eines Kessels.
Dieser Apparat besteht aus drei mit einander verbundenen Kesseln A, A¹, A²
nebst ihren Sicherheitssäulen B, B¹, B². Jeder Kessel ist in seinem Innern mit einem
Raum a versehen, welcher Dampf aufnimmt und durch den
die senkrechten Röhren b gehen, worin der Saft, welcher
verkocht werden soll, in die Höhe steigt.
Der Saft gelangt aus dem (Monte-jus genannten)
Gefäß C, mittelst der Röhren c, in die Kessel. Der Dampf strömt mit hohem Druck aus dem Generator durch
die Hähne e und i, und mit
niederm Druck aus der Maschine durch den Hahn f
herbei.
Jeder Kessel ist mit einer Niveau-Glasröhre g
versehen, damit man den Stand des Saftes im Kessel sehen kann. Durch gläserne Linsen
h¹, mit Lampen h², kann man ins Innere des Apparates sehen. Jeder Kessel ist ferner
mit einem Hahn j, mit einem Indicator der Luftleere k, mit einem Thermometer l,
mit einem Probehahn m, einem Mannloch n und einer Abflußöffnung o
für das durch die verdichteten Dämpfe entstandene Wasser versehen.
Auch die Sicherheitssäulen sind mit Niveau-Glasröhren g versehen.
p bezeichnet die Dampfröhre; q die Steigröhre des Gefäßes l; letzteres
steht durch eine Röhre r mit dem Condensator D in Verbindung. Dieser ist mittelst der Röhre s mit der Luftpumpe verbunden; er hat bei t seinen Einspritzhahn.
Der ganze Apparat steht auf eisernen Säulen E.