Titel: | Ueber das Trocknen des Braunsteins zum Behuf seiner Prüfung; zwei offene Briefe an die HHrn. Verkäufer und Käufer von Braunstein, von Prof. Dr. R. Fresenius. |
Autor: | Carl Remigius Fresenius [GND] |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXII., S. 277 |
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LXII.
Ueber das Trocknen des Braunsteins zum Behuf
seiner Prüfung; zwei offene Briefe an die HHrn. Verkäufer und Käufer von Braunstein, von
Prof. Dr. R. Fresenius.
Fresenius, über das Trocknen des Braunsteins zum Behuf seiner
Prüfung.
I.
Es ist früher allgemein üblich gewesen, den Braunstein im lufttrockenen Zustande zu prüfen. – Da der Begriff lufttrocken ein
unbestimmter ist, wurden bei Prüfung verschiedener Proben eines und desselben
Braunsteins auf ihren Gehalt an Hyperoxyd bald höhere bald niedrigere Resultate
erhalten, je nachdem der Braunstein trockener oder feuchter war. – Diesen
Uebelstand suchte man später zu beseitigen, indem man übereinkam, den Braunstein im
getrockneten Zustand zu untersuchen, und in der
letzteren Zeit bezogen sich in der That alle Angaben des Hyperoxydgehaltes auf
getrockneten Braunstein.
Jeder aber, der Geschäfte in Braunstein gemacht hat, wird erfahren haben, daß auch
dadurch der Uebelstand nicht beseitigt wurde, denn auch bei Prüfung eines und
desselben Braunsteinpulvers im getrockneten Zustande wurden von verschiedenen
Personen oft ziemlich abweichende Resultate erhalten.
Dieser Umstand stört die Geschäfte in Braunstein außerordentlich, erweckt Mißtrauen
sowohl in Hinsicht auf Methode als auf Ausführung der Prüfung, und führt zu den
mannichfaltigsten Differenzen.
Ich habe es daher für wichtig gehalten, den Grund dieses Uebelstandes zu erforschen,
und es war nicht schwierig denselben zu finden.
Bekanntlich erhält man bei Prüfung zweier Proben eines und desselben getrockneten
Braunsteinpulvers, wenn man solche gleich nach dem Trocknen, unmittelbar nach
einander abwägt und der von Will und mir angegebenen
Prüfung unterwirft, nur sehr geringe Abweichungen in den Resultaten, und wenn man
darauf achtet, daß der Braunstein äußerst fein gepulvert ist, daß das oxalsaure
Natron frei ist von kohlensaurem, daß genau gewogen und überhaupt die einfache
Operation richtig ausgeführt wird, läßt das angegebene Verfahren kaum etwas zu
wünschen übrig.
Es war also der Grund anderswo zu suchen; er liegt in der That nur in der unbestimmten Art des Trocknens. Beachtet man die
Ausdrücke, welche gegenwärtig gebraucht werden, um die Art des Trocknens deutlicher
zu bezeichnen, als da sind: wohl getrocknet, feuchtigkeitsfrei, ganz trocken,
vollkommen trocken, sehr trocken, extra trocken etc., so tritt diese Unbestimmtheit
schon hervor, klarer aber wird sie noch, wenn man die Methoden ins Auge faßt, nach welchen in der Regel
die Braunsteine getrocknet werden, um denselben die oben bezeichneten Grade der
Trocknung zu geben. Während der eine sich begnügt, das Braunsteinpulver eine Zeit
lang der Temperatur des Wasserbades auszusehen, erhißt es der andere längere oder
kürzere Zeit über der freien Lampe oder auf sonstige Art bei denverschiedensten
Temperaturen bis zu mehreren 100 Graden.
Um den Beweis zu liefern, wie verschiedene Resultate hierdurch erhalten werden
müssen, habe ich einen Braunstein bei steigender Temperatur getrocknet und den
Wassergehalt genau bestimmt, den derselbe bei jedem Stadium des Trocknens verlor.
Die folgende Tabelle belehrt über die erhaltenen Resultate. Um dieselben
übersichtlich zu machen, habe ich sie auf 100 Theile lufttrocknen Braunstein
berechnet. – Der so geprüfte Braunstein ist ein nassauischer von der Art und
Stärke, wie sie gegenwärtig zumeist im Handel vorkommen.
Textabbildung Bd. 135, S. 278
100 Theile lufttrockener Braunstein
lieferten beim Trocknen; Getrockneten Braunstein 100,00 und Wasser 0,00; Der
getrocknete enthält Hyperoxyd in Procenten 65,536; Stunde; blieb das Gewicht
constant
Der so bei 220–250º getrocknete Braunstein war übrigens noch keineswegs
ganz wasserfrei, denn als derselbe in einer Kugelröhre 1/4 Stunde lang direct über
der kleinen Weingeistlampe bis zu einer noch nicht an die dunkle Rothgluth
reichenden Temperatur erhißt wurde, gab derselbe noch 1,08 Procent Wasser ab,
welches in einer Chlorcalciumröhre aufgefangen und bestimmt wurde. Doch entsprach
der Gewichtsverlust des Braunsteins, welcher 2,49 Procent betrug, nicht dem
entwichenen Wasser, es hatte derselbe vielmehr bei diesem Erhitzen auch schon 1,41
Procent Sauerstoff verloren.
Aus der obigen Versuchsreihe lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
1) Die Temperatur, bei welcher der
Braunstein getrocknet wird und ebenso die Dauer des
Trocknens sind von entschiedenstem Einflusse auf den Wassergehalt desselben, und
es führt somit jedes Trocknen des Braunsteins nur dann zu einem festen Ziele,
wenn es bei einer bestimmten Temperatur geschieht und so lange fortgesetzt wird,
bis bei dieser Temperatur keine Gewichtsabnahme mehr erfolgt.
2) Als die Zustände der Trockenheit, welche sich am sichersten
erreichen lassen, sind die zu bezeichnen, welche durch Trocknen bei 100º
C. oder durch Trocknen bei 220–250º C. erhalten werden.
3) Der Unterschied im Hyperoxydgehalt, welchen ein bei
100º getrockneter Braunstein gegenüber einem bei 220–250º
getrockneten zeigt, beträgt etwa 3 Procent. (Doch ist dieß wesentlich abhängig
von der Art des Braunsteins).
Um das Trocknen bei einer bestimmten Temperatur leicht und sicher ausführbar zu
machen, habe ich einen besonderen Trockenapparat construirt, dessen Einrichtung ich,
soferne sie ihrem Zwecke entspricht (der Apparat wird erst in einigen Tagen fertig)
demnächst veröffentlichen werde. Ich werde dann auch mittheilen, wie lange ein
Braunstein in demselben getrocknet werden muß, um alles Wasser abzugeben, welches er
bei einer bestimmten Temperatur verliert; denn daß in der Praxis die Proben nicht
ohne großen Zeitverlust in der Art getrocknet werden können, daß man mit der Waage
bestimmt, ob sie keinen Gewichtsverlust mehr erleiden (wie es der Chemiker zu thun
pflegt), liegt auf der Hand.
Gestützt auf die mitgetheilten Resultate erkläre ich schließlich, daß ich zünftig allen Braunsteinanalysen, welche aus meinem Laboratorium
hervorgehen, die Temperatur in Celsius'schen Graden beifügen werde, bei welchen das
Trocknen ausgeführt wurde. Wollten die HHrn. Verkäufer und Käufer der Braunsteine
bei ihren Kaufabschlüssen dieselbe Regel befolgen, so werden, ich bin davon
überzeugt, die Unannehmlichkeiten verschwinden, welche bisher obwalteten.
Wiesbaden, den 18. November 1854.
II.
Im vorstehenden offenen Briefe habe ich den Beweis geliefert, daß die bisher übliche
Art den Braunstein zu trocknen, d.h. das Trocknen desselben ohne genaue Bestimmung
der Temperatur, verlassen werden müsse, wenn an verschiedenen Orten und von
verschiedenen Analytikern ausgeführte Analysen eines und desselben Braunsteins
übereinstimmende Resultate liefern sollen.
Ich habe inzwischen meine Versuche über diesen Gegenstand fortgesetzt und mich
bemüht, die Temperatur zu ermitteln, welche einzuhalten ist, wenn der Zweck des
Trocknens, die vollständige Entfernung der hygroskopischen Feuchtigkeit ohne
chemische Zersetzung der im Braunstein enthaltenen Hydrate, vollkommen erreicht
werden soll.
Ich stellte zu dem Behufe zwei völlig verschiedene Versuchsreihen an und säume nicht
von den erhaltenen Resulten hierdurch Kenntniß zu geben.
Erste Versuchsreihe.
1. In vier flache, cylindrische, glatt ausgedrehte Pfännchen von Messing wurden
je 8 Gramme eines und desselben Braunsteinpulvers gebracht. Dasselbe war im
Achatmörser möglichst fein gerieben. Der Braunstein war ein nassauischer und
enthielt, bei 120º getrocknet, 53 Procent Manganhyperoxyd. – Alle
Pfännchen, welche ich der Kürze halber mit I, II, III, IV bezeichne, wurden nun
in kupferne Trockenschränkchen gebracht, welche sich in einem und demselben
Dampfapparate befanden. Das Wasser desselben blieb vom Beginn des Versuchs bis
zu dessen Ende stets in gleichmäßigem Kochen.
Nach drei Stunden wurde I, nach sechs Stunden II, nach neun Stunden III, nach
zwölf Stunden IV den Trockenschränkchen entnommen und unter die Exsiccatorglocke
gebracht, so daß sie keine Feuchtigkeit aus der Luft anziehen konnten.
Nach dem Erkalten hatte der Braunstein in I 0,145, in II 0,15, in III 0,15, in IV
0,15 Gramm abgenommen.
Es ergibt sich daraus der Schluß:
Braunstein muß in dünner Schicht und als höchst feines
Pulver sechs Stunden lang im Wasserbad erhitzt werden, wenn er alle Feuchtigkeit
verlieren soll, die er bei dieser Temperatur verlieren kann.
2. Ich ließ jetzt I und II lose bedeckt zwölf Stunden lang im Zimmer stehen und
wog sie dann wieder. II wog jetzt wieder genau so viel als am Anfang, bei I
fehlte nur 0,01 Gramm.
Daraus folgt:
Das bei 100º C. entwichene Wasser ist kein
Hydratwasser, sondern lediglich hygroskopische Feuchtigkeit denn die davon
befreiten Braunsteine ziehen solche unverändert wieder an.
3. Alle vier Pfännchen wurden jetzt zwei Stunden lang einer genau bestimmten
Temperatur von 120º C. ausgesetzt, dann unter die Exsiccatorglocke
gebracht. Nach dem Erkalten betrug die Abnahme eines jeden, im Hinblick auf das
ursprüngliche Gewicht, übereinstimmend 0,180.
4. Es wurden jetzt I und II lose bedeckt im Zimmer stehen gelassen und zuerst
nach 36, sodann nach 60 Stunden gewogen. Nach 36 Stunden wog I 0,01, II 0,02
Gramm weniger als am Anfang; nach 60 Stunden aber wogen beide genau eben so
viel, als am Anfang.
Aus 4 folgt:
Das bei 120º C. entwichene Wasser ist ebenso und
aus demselben Grunde wie das bei 100º entwichene kein chemisch
gebundenes Wasser, sondern nur hygroskopische Feuchtigkeit.
Und somit folgt aus 3:
Bei 100º C. läßt sich, auch bei zwölf Stunden
fortgesetztem Trocknen, nicht alle hygroskopische Feuchtigkeit aus den
Braunsteinen entfernen.
Im vorliegenden Falle verlor der Braunstein bei 100º 1,87 Procent, bei
120º 2,25 Procent Wasser, also Differenz 0,38 Procent.
5. Die Pfännchen III und IV wurden zwei Stunden lang einer Temperatur von
150º C. ausgesetzt. Nach dem Erkalten unter dem Exsiccator betrug die
Gesammtgewichtsabnahme eines jeden 0,215. – Die beiden Pfännchen blieben
nunmehr lose bedeckt im Zimmer stehen. Nach 36 Stunden fehlte bei III am
ursprünglichen Gewichte noch 0,05, bei IV 0,06, nach weiteren 36 Stunden war das
Gewicht von III constant geblieben, während das von IV noch um 0,01 zugenommen
hatte, so daß an diesem jeßt nur noch 0,05 fehlte.
Hieraus ergibt sich:
Bei 150º C. entweicht aus Braunsteinen mit der
hygroskopischen Feuchtigkeit auch schon ein wenig chemisch gebundenes Wasser, denn
die so getrockneten ziehen, an der Luft stehend, nicht wieder die ganze
Menge des entwichenen Wassers an.
Zweite Versuchsreihe.
Dieselbe erstreckte sich auf eine genaue Erforschung des Verhaltens, welches die
verschiedenen wasserhaltigen Gemengtheile der gewöhnlichen Braunsteine zeigen,
wenn sie bei verschiedenen Temperaturen erhißt werden.
Untersucht wurden:
Manganoxydhydrat (Manganit), Eisenoxydhydrat (Brauneisenstein
und Pyrosiderit) und Thon.
Ich werde die ausführlichen Resultate dieser Untersuchung an einem anderen Orte
niederlegen und begnüge mich daher hier damit, die Hauptresultate
mitzutheilen.
1. Manganit, Brauneisenstein und Pyrosiderit, vollständig bei 100º C.
getrocknet, enthalten noch ein wenig Feuchtigkeit, welche sie erst bei
120º C. abgeben; zwischen 120º und 150º erfolgt keine oder
fast keine Gewichtsabnahme, zwischen 150 und 200º fängt das Hydratwasser
an zu entweichen.
2. Thon (lufttrockener von Ebernhahn) verlor bei 100º C. 1,66, bei
120º 1,92, bei 150º 1,92, bei 200º 2,11, bei 250º
2,18, beim Glühen 8,48 Procent Wasser.
Aus dieser Versuchsreihe folgt somit, übereinstimmend mit den Resultaten der
ersten Reihe:
Die chemisch gebundenes Wasser enthaltenden
Braunsteinbestandtheile geben
a. bei 100º C. ihre Feuchtigkeit nicht
vollständig ab; es geschieht dieß vielmehr erst bei 120º,
und
b. sie verlieren bei 120º C. kein
chemisch gebundenes Wasser.
Nachdem so die völlig verschiedenartigen Versuche ein ganz übereinstimmendes
Resultat gegeben haben, nehme ich nicht Anstand, folgenden Saß
auszusprechen:
Soll ein Braunstein vollkommen getrocknet werden, d.h.
soll ihm alle Feuchtigkeit entzogen werden, die ihm entzogen werden kann,
ohne ihn irgend wie zu zersetzen, so muß das Trocknen bei 120º C.
geschehen; denn trocknet man denselben bei 100º C., so enthält er noch etwas
Feuchtigkeit, trocknet man ihn dagegen bei höherer Temperatur, so verliert
er schon chemisch gebundenes Wasser.
Zum Trocknen der Braunsteine über 100º habe ich einen Apparat eigens
construirt, der sich in jeder Beziehung als zweckmäßig bewährt hat; er gestattet
ein gleichzeitiges Trocknen von je fünf Braunsteinproben, – macht das
Einhalten der Temperatur zu einer leichten Aufgabe, ist unzerbrechlich,
gestattet ein verhältnißmäßig rasches Trocknen und erfordert einen relativ
geringen Aufwand an Heizmaterial.
Derselbe besteht aus einer abgedrehten Scheibe von Gußeisen, von 21 Centimeter
Durchmesser und 37 Millimeter Dicke. Dieselbe hat somit eine bedeutende Masse
– ihr Gewicht beträgt 16 Pfund. Hierin liegt der Grund, daß sie sich sehr
gleichmäßig erwärmt, und daß man den gewünschten Temperaturgrad leicht einhalten
kann. – In der Scheibe befinden sich, in gleichen Abständen um das
Centrum vertheilt, sechs glatt ausgedrehte cylindrische Vertiefungen, in welche
sechs gedrehte cylindrische Messingpfännchen, von 55 Millimeter Durchmesser und
18 Millimeter Höhe im Lichten, ein wenig lose eingepaßt sind, so daß sie auch
nach dem Erwärmen leicht herausgenommen werden können. Jedes Pfännchen hat einen
kleinen Stiel, welcher der Peripherie der Scheibe zugewendet und ebenfalls in
diese eingelassen ist; auf den Stielen sind die Nummern 1–6
eingeschlagen, eben solche befinden sich auch hinter den cylindrischen
Vertiefungen, so daß jedes Pfännchen immer in seine bestimmte Vertiefung kommt.
Die Mittelpunkte der Pfännchen sind von dem Centrum der Scheibe 6,5 Centimeter
entfernt, die Ränder derselben liegen mit der Oberfläche der Scheibe in einer
Ebene. – Von den Pfännchen sind fünf für die Braunsteinproben, das
sechste zur Aufnahme des Thermometers bestimmt. Zu dem Ende paßt in das letztere
ein Messingring, der 3 Centimeter über die Oberfläche herausragt. Das durch
denselben erhöhte Pfännchen füllt man mit Messing- oder Kupferfeile und
senkt in diese die Kugel des Thermometers so ein, daß sie den Boden berührt. Zum
Befestigen des Thermometers dient ein kleiner Halter, der neben dem Pfännchen
eingeschraubt wird.Trockenscheiben, welche genau nach obiger Angabe gefertigt sind, liefert
Hr. Mechanikus Stumpf in Wiesbaden von sehr
exacter Arbeit.
Zum Erhitzen bedient man sich entweder einer Gas- oder Weingeistflamme,
welche man auf den Mittelpunkt der auf einem Dreifuß liegenden Scheibe wirken läßt, oder
man wendet eine kleine Kohlenpfanne an, die am besten mit bereits glühenden
Kohlen gespeist wird.
Es bedarf nur einer kurzen Uebung, um auf eine oder die andere Art die Scheibe
auf 120º C. zu erhitzen und sie stundenlang auf dieser Temperatur zu
erhalten. – Die die feingepulverten Braunsteinproben enthaltenden
Pfännchen werden erst eingesetzt, wenn die richtige Temperatur erreicht und
Fürsorge getroffen ist, um dieselbe zu erhalten. Die Pulver werden dann und wann
mittelst eines Glasstäbchens umgerührt. – Ein anderthalbstündiges
Erhitzen genügt vollkommen, um 6–7 Grm. Braunsteinpulver zu trocknen.
– Die getrockneten Proben bringt man am besten noch heiß in am einen Ende
zugeschmolzene Glasröhren, verstopft diese mit glatten, mit Stanniol unterlegten
Korkstopfen, läßt sie erkalten und wägt alsdann die Proben ab, indem man den
Braunstein aus dem Röhrchen direct in das tarirte Schälchen bringt.
Vom Standpunkte der Wissenschaft hat somit die
vorliegende Frage ihre volle Erledigung gefunden; es ist gezeigt worden, daß, warum und wie die Braunsteine bei 120º C.
zu erhitzen sind, wenn der Zweck des Trocknens ganz
erreicht werden soll. – Fassen wir jetzt die Frage vom Standpunkt der Praxis ins Auge.
Für den Handel mit Braunstein ist es offenbar weniger wichtig, letzteren so zu
trocknen, wie es den strengen Anforderungen der Wissenschaft entspricht, als
vielmehr so, daß durch das Trocknen auf eine möglichst leichte Art ein fester,
allen gleich gut erreichbarer Grad der Trockenheit auf sichere Art erzielt wird;
ob daher das Trocknen bei 100º, oder bei 120º ausgeführt, ob alle
Feuchtigkeit oder nur der größte Theil ausgetrieben wird, ist in dieser Hinsicht
gleichgültig, wenn nur Gleichmäßigkeit und Uebereinstimmung herrscht.
Da nun die Temperatur von 100º C., als die des kochenden Wassers, sich
leicht, sicher und ohne Thermometer herstellen und beliebig lange erhalten läßt,
so kann keine andere Trockentemperatur bequemer seyn als diese, und es möchte
daher, ungeachtet unserer erlangten Erkenntniß, daß 120º C. die
richtigste Trockentemperatur ist, doch wohl am zweckmäßigsten seyn, die Temperatur von 100º C. allgemein
anzunehmen, zumal auch in England alle Braunsteinproben mit bei
100º C. getrockneten Pulvern angestellt werden, und eine allgemeine
Uebereinstimmung in diesem Punkt nicht hoch genug angeschlagen werden kann.
– Da oben festgestellt ist, daß die bei 100º getrockneten
Braunsteine bei vollständigem Trocknen bei
120º noch 0,3–0,5 Procent Feuchtigkeit abgeben, so läßt sich ja
nöthigenfalls der eine Zustand auf den andern mit größter Leichtigkeit
reduciren. - Wohl zu beachten aber ist, wie sich aus meinen obigen
Versuchen ergibt, daß der Braunstein nur dann als bei
100º getrocknet betrachtet werden kann, wenn sein höchst feines
Pulver in dünner Schicht sechs Stunden lang der angegebenen Temperatur
ausgesetzt worden ist.
Zum Trocknen bei 100º empfehlen sich kleinere oder größere kupferne
Dampfkessel am meisten, in welche 4, 6, 12 oder mehr kleine Trockenschränkchen
an der Seite frei eingesetzt sind, so daß sie überall von siedendem Wasser oder
Wasserdampf umgeben werden. – Die Braunsteinpulver werden am besten in
kleinen Messingpfännchen in die Trockenschränke eingeschoben.
Da der Braunstein des Handels immer mehr oder weniger feucht ist, und für diese
Feuchtigkeit, wenn sie ein gewisses Maaß überschreitet, häufig eine Vergütung
geleistet wird, so mache ich darauf aufmerksam, daß man als Regel muß gelten
lassen, daß die Feuchtigkeit bei derselben Temperatur zu bestimmen ist, bei
welcher der Braunstein zum Behuf der Analyse getrocknet werden soll. Läßt man
z.B. die Temperatur von 100º als Normaltemperatur gelten, so muß somit
auch der Braunstein zum Behufe der Feuchtigkeitsbestimmung bei 100º
getrocknet werden. Man wird zu dem Ende zweckmäßig einige Trockenschränkchen an
den oben besprochenen Dampfapparaten größer machen lassen als die übrigen, so
daß man kleine flache viereckige Pfannen in dieselben einschieben kann, welche
etwa 50 oder 100 Gramme gepulverten Braunsteins in so dünner Schicht fassen, daß
man überzeugt seyn kann, derselbe werde nach sechs Stunden alle Feuchtigkeit
abgegeben haben, welche er bei 100º überhaupt abgeben kann. Es wird
hierdurch der Zweck weit leichter und sicherer erreicht werden, als wenn man den
Versuch mit einem ganzen Pfunde anstellt, wie dieß bisher meist geschah.
– Da sich der Feuchtigkeitsgehalt der Braunsteine leicht ändert, so wird
es stets am zweckmäßigsten seyn, die Bestimmung der Feuchtigkeit sogleich an dem
Orte vorzunehmen, an welchem der Braunstein abgewogen wird.
Nach meiner Ueberzeugung würde endlich der Braunsteinhandel dadurch an Sicherheit
gewinnen, wenn man alle Abschlüsse auf bei 100º C. getrockneten
Braunstein bezöge, und die Procente an Hyperoxyd durch den Zähler eines Bruches
ausdrückte, dessen wechselnder Nenner die jeweilige, bei 100º
austreibbare Feuchtigkeit bezeichnete; so wäre Braunstein von 60/100 solcher,
der in 100 Theilen bei 100º C. getrocknetem Braunstein 60 Procent
Hyperoxyd enthielte – Braunstein von 60/107 solcher, der im bei
100º getrockneten Zustande 60 Procent Hyperoxyd, aber in dem Zustande,
wie er eben ist,
soviel Wasser enthält, daß auf 100 Pfund bei 100º getrocknetem Braunstein
7 Pfund bei 100º austreibbare Feuchtigkeit kommen. Man ersieht leicht,
daß bei dieser Bezeichnung der Zähler den Gehalt des Braunsteins, der Nenner
aber die Zahl der Pfunde angibt, welche statt 100 Pfund bei 100º
getrockneten Braunsteins geliefert werden muß. Es ist dieß dieselbe
Bezeichnungsweise, welche ich früher, in Gemeinschaft mit Hrn. Professor Dr. Will, bereits für
Potasche und Soda vorgeschlagen habe. Nichts kann einfacher seyn, als die Art,
wie man aus dem Feuchtigkeitsgehalte den fraglichen Nenner findet. Verlieren
z.B. 100 Gramme Braunstein 6 Gramme Wasser, wenn sie bei 100º getrocknet
werden, enthalten somit 100 Theile feuchten Braunsteins 94 Theile bei
100º getrockneten, so ergibt sich der Nenner aus dem Ansatze:
94 :
100
= 100 : x
x
= 106,4.
Man ersieht, daß bei dieser Art des Abschlusses alle Differenzen wegfallen, denn
je feuchter der Braunstein ist, um so mehr muß für dieselbe Summe geliefert
werden.
Wiesbaden, den 27. Januar 1855.