Titel: | Ueber Oxydations- und Reductionsanalysen von Dr. Mohr. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXIV., S. 289 |
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LXIV.
Ueber Oxydations- und Reductionsanalysen
von Dr. Mohr.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Januar 1855, S. 51.
Mohr, über Oxydations- und Reductionsanalysen.
Die Hülfsmittel der maaßanalytischen Bestimmung solcher Körper, welche eine Oxydation
oder Reduction veranlassen, sind bis jetzt durch die vereinigte Thätigkeit
vortrefflicher Beobachter so umfangreich geworden, daß es zweckmäßig erscheint,
unseren Reichthum auf einmal ins Auge zu fassen und unter dem vorhandenen Guten eine
Auswahl zu treffen, möglicherweise dasselbe noch zu verbessern, nach dem bekannten
Satze: facile est, inventis aliquid addere.
Dupasquier hat zuerst die Sulfohydrometrie eingeführt und
eine Jodlösung von bekanntem Gehalt als Maaß des Schwefelwasserstoffs angenommen,
und die Jodstärke-Reaction als Kennzeichen der vollendeten Zersetzung. Dieß
war ein kostbarer Griff, der aber erst in Bunsen's Händen
die vollkommenen Früchte trug. DieserAnnalen der Chemie und Pharmacie Bd. LXXXVI S. 266. stellte die Bedingungen dieser Zersetzung fest, und wendete die dadurch
ermittelte Methode auf eine ganze Reihe von Körpern mit dem größten Erfolge an.
Seine Resultate sind so außerordentlich genau, daß er sie mit Erfolg auf
Atomgewichte und Bestimmung des specifischen Gewichts von Gasarten anwenden konnte.
Die erwähnte Arbeit von Bunsen macht Epoche in der
Geschichte der Maaßanalyse.
Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß manches in Bunsen's
Händen gelingt, was in andern ohne Resultat bleibt, weil dieser Forscher von einer
ungewöhnlichen Dexterität im Arbeiten und einem großen Reichthum an Hülfsmitteln
getragen wird.
Es konnte also selbst nach Bunsen noch ein Anderer mit
Erfolg auftreten, der mit Beibehaltung des Princips und der Reaction, jedoch mit
Wahl anderer Stoffe, dessen Methode wesentlich vereinfachte und zugänglicher machte.
Dieser ist Dr. Aug. Streng.Polytechn. Journal Bd. CXXXIII S. 220. Derselbe führte in die Oxydationsanalyse das saure chromsaure Kali, das
Zinnchlorür und die Jodreaction zugleich ein, und hat dadurch, meiner Ansicht nach,
was man so nennt den Vogel herunter geschossen. Zwar hatte schon Penny
das saure chromsaure
Kali mit Zinnchlorür combinirt, allein da er die Jodreaction nicht anwandte, so
mußte er seine Analyse durch Betupfungsproben beendigen, und man weiß, wie unsicher
und zeitraubend dieses Verfahren ist.
Streng hat Dupasquier, Bunsen
und Penny vereinigt, und dadurch der Oxydationsanalyse
eine Bequemlichkeit, Schnelligkeit und Sicherheit gegeben, welche bis jetzt nicht
erreicht war.
Bunsen wandte als reducirenden Körper eine äußerst
verdünnte (3 bis 4 Hundertstel Procent) schweflige Säure an. Diese mußte in großen,
sehr genauen Pipetten oder Maaßcylindern abgemessen werden, und wegen ihrer
Oxydirbarkeit an jedem Arbeitstage wenigstens einmal auf ihren Gehalt geprüft
werden.
Streng wandte nach Penny das
Zinnchlorür als Mittel der Reduction an, was Penny nur
als Gegenstand der Untersuchung angewendet hatte, und setzte es an die Stelle der
schwefligen Säure. Es hat vor dieser den Vorzug, eine beliebige Concentration zu
vertragen und sich nicht so leicht im Titer zu ändern, wie die schweflige Säure; ja
man kann durch einen passenden Schluß der Flasche mit Kohlensäure und einen festen
Heber mit Quetschhahn diese Oxydirbarkeit sehr beschränken, so daß man eine einmal
richtig gestellte Flasche bis zu Ende mit demselben Titer ausbrauchen kann.
Wir wollen nun die vorhandenen und angewendeten Mittel der Reduction und Oxydation
einzeln ins Auge fassen und ihre verschiedenen Werthe nach ihren inneren
Eigenschaften bemessen.
Unveränderlichkeit in der Auflösung, Leichtigkeit der Darstellung im
chemisch-reinen Zustande, und sichere Abwägung in bestimmten Mengen sind die
Kriterien, worauf wir unser Augenmerk richten.
Von reducirenden Mitteln führe ich an: 1) schweflige Säure, 2) Zinnchlorür, 3) Eisen
und Eisenvitriol, 4) Kleesäure, 5) Ferrocyankalium, 6) Zink, 7) Kupferoxydulsalze
(wenigstens der Idee nach), 8) arsenige Säure; und von den oxydirenden Mitteln: 1)
Chlor, 2) Jod in Jodkalium gelöst, 3) übermangansaures Kali (Chamäleon), 4)
doppelt-chromsaures Kali.
Betrachten wir zuerst die reducirenden Mittel auf ihre Indifferenz gegen
atmosphärischen Sauerstoff, so finden wir unter 4) die Kleesäure und unter 5) das
Ferrocyankalium (die arsenige Säure werde ich am Ende allein besprechen). Beide
behalten trefflich ihren Titer, allein sie sind nur dem Chamäleon gegenüber zu
gebrauchen, denn Kleesäure wird von saurem chromsaurem Kali nicht in der Kälte
zersetzt.
Die Kleesäure ist von Dr. Hempel in Winterthur in die Maaßanalyse eingeführt worden, und ist ein
vortreffliches Urmaaß für die Chamäleonlösung, weil man ihre Lösung, die sich nicht
verändert, pipettiren kann, während man das metallische Eisen, den
Claviersaitendraht, abwägen und heiß auflösen muß und seiner absoluten Reinheit
dennoch nicht sicher ist. Es bleibt deßhalb das metallische Eisen das beste Urmaaß
bei der Eisensteinanalyse selbst, indem man hier unreines Eisen mit reinem abwägt,
d.h. die Wirkung beider vergleicht. Wäre das der Kleesäure gegenüberstehende
Chamäleon ebenfalls constant, was es in ziemlich hohem Grade ist, so würden diese
beiden Körper nichts zu wünschen übrig lassen, allein sie würden immer eine sehr
beschränkte Anwendung haben, da die Kleesäure ein sehr schwach reducirender Körper
ist und von allen reducirenden Stoffen noch am langsamsten auf das Chamäleon selbst
wirkt.
Es bleibt deßhalb die Kleesäure in Verbindung mit Chamäleon auf diejenigen Stoffe
beschränkt, welche, wie z.B. Braunstein, Goldchlorid, von der Kleesäure zersetzt
werden. Könnte man saures chromsaures Kali statt Chamäleon dagegen gebrauchen, was
nicht angeht, so wären diese Arbeiten reichlich mit den besten Hülfsmitteln
versehen.
Von den vorhandenen Reductionsmitteln ist Kleesäure das schwächste; das
Blutlaugensalz wird nur mit Chamäleon combinirt und zur Bestimmung seiner selbst
verwendet.
Die schweflige Säure ist ein sehr kräftiges Reductionsmittel, sie hat aber den großen
Nachtheil einer hohen Veränderlichkeit, und daß sie in sehr starker Verdünnung, also
in absolut großen Massen, angewendet werden muß. Beide Nachtheile sind so bedeutend,
daß sie der Verbreitung der Anwendung dieses Körpers große Hindernisse in den Weg
legen. Auch ist die Flüchtigkeit eines Körpers niemals eine Empfehlung bei Arbeiten
dieser Art.
Das Zinnchlorür hat denselben Umfang der Zersetzungskraft, ist nicht flüchtig und
kann in concentrirteren Flüssigkeiten aufbewahrt und angewendet werden. Beide Körper
entfärben die Jodstärke gleich gut, beide geben durch Oxydation farblose Stoffe,
welche die Jodreaction nicht stören.
Die Eisenoxydulsalze sind ebenfalls der allmählichen Oxydation unterworfen, können
aber von den oxydirenden Mitteln nur gegen Chamäleon gebraucht werden, denn die
Eisenoxydulsalze entfärben nicht die Jodstärke. Sie können also nicht dem sauren
chromsauren Kali entgegengesetzt werden, von dem der erste Tropfen die Jodreaction
erzeugt, weil ein Eisenjodid nicht existirt. Eisenoxydulsalze dem Chamäleon
gegenüber wechseln beide den Titer; man hat also gar keinen festen Halt, sondern muß
auf frisches metallisches Eisen zurückkommen.
Zink dient nur zur Reduction der Eisenoxydsalze und verbleibt in dieser Rolle, tritt
also hier außer Betrachtung.
Kupferoxydulsalze sind an der Luft oxydirbar, bekommen durch Oxydation eine grüne
oder blaue Farbe und sind schwer löslich. Sie stehen also weit hinter dem
Zinnchlorür zurück, obgleich sie die Jodstärke entfärben.
So bleibt uns also von den durchgesehenen Reductionsmitteln in saurer Lösung das
Zinnchlorür als das beste übrig.
Von den Oxydationsmitteln fällt Chlor als ein Gas von vorn aus, da dieser Körper
durch Verdunstung und Wasserzersetzung verändert wird. Das schwächste Chlorwasser
riecht nach Gas, kann also ohne Verlust nicht eingegossen werden. Die drei übrigen:
Jod, Chamäleon und saures chromsaures Kali, bringen ebenfalls in der Kälte die
Jodreaction hervor.
Das kräftigste Oxydationsmittel ist das Chamäleon, dann kommt das saure chromsaure
Kali und das Jod in Jodkalium gelöst.
Das Chamäleon hält nicht constant den Titer, was dem Zinnchlorür gegenüber trostlos
wäre, indem man nun ein neues Standardmaaß hinzuziehen müßte; saures chromsaures
Kali und Jod in Jodkalium halten den Titer. Das erstere läßt sich aber weit leichter
rein darstellen und ohne Verlust und Schaden für die Waagen abwägen. Dem sauren
Zinnchlorür gegenüber bringen sie die Jodreaction gleich gut hervor.
Das ruhige Abwägen, die leicht zu erlangende äußerste Reinheit unterscheiden das
saure chromsaure Kali zu seinem Vortheil. Seine Farbe ist unwesentlich, eher
hinderlich. Wägt man Jod in beliebigen Massen zwischen Uhrgläsern ab, so erzeugt man
jedesmal andere Flüssigkeiten in der Titerflasche, während man bei der chromsauren
Kalilösung bestimmte Mengen, ganze oder zehntel Atome abwägen kann und durch
Anwendung solcher Flüssigkeiten schon die Hälfte der Berechnungsformel voraus hat.
Die Entfernung des Wassers aus dem Jode und die Bestimmung des zufällig anhaftenden
Chlors machen bedeutende, umständliche Arbeiten nothwendig, wie sie Bunsen (Annalen der Chemie u. Pharmac. Bd. LXXXVI S. 268)
ausgeführt hat. Allein ich halte es doch für viel sicherer, Jod durch getrocknetes
Jodkaliumpulver zu sublimiren und sich ein wasser- und chlorfreies Jod zu
bereiten, was auch Bunsen (ebendas. S. 272) in der Hand
hatte, als so umständliche Correctionsarbeiten zu machen, worin eine Gewichtsanalyse
mit eingeht. Unsere genauesten Atomgewichte sind nicht reiner als chemisch reine
Körper, und wir können in den meisten Fällen weit leichter einen chemisch reinen
Körper darstellen, als sein Atomgewicht ermitteln. Wenn man also einen chemisch
reinen Körper in der Hand hat, muß man ihn als solchen benutzen, und nicht nach
einem andern messen, der selbst nicht reiner und dessen Atomgewicht nicht genauer
bekannt ist.
Glücklicherweise kann man noch das Jod nach dem chromsauren Kali und nach der
arsenigen Säure richtig stellen.
Es würde also nach allen inneren und äußeren Eigenschaften das saure chromsaure Kali
unter den oxydirenden Mitteln den Vorzug verdienen, hauptsächlich wegen seiner
leicht zu erlangenden Reinheit, Abwägbarkeit und Titerbeständigkeit.
Dr. Streng wendet eine
willkürlich starke Lösung, von 10 Gram. des geschmolzenen Salzes zu 1/2 oder 1 Liter
gelöst, an. Man kann so zwar den Gehalt der Lösung in jeder beliebigen Menge
Flüssigkeit leicht berechnen, allein die Beziehungen zu andern Körpern können dann
erst durch eine Rechnung gefunden werden. Es ist deßhalb auch hier am besten, die
Lösung in einem bestimmten Verhältnisse zum Atomgewichte zu machen. Da das saure
chromsaure Kali in allen Fällen 3 Atome Sauerstoff abgibt, um auf Chromoxyd reducirt
zu werden (Cr₂O₆ = Cr₂O₃ + O₃), so ist es
zweckmäßig, dieses Salz zu 1/3 seines Atomgewichts oder einem decimalen Verhältniß
eines Drittels abzuwägen. 1/3 Atom wäre 49,57 Gram., was aufs Liter zu stark wäre,
weil diese Concentration keine genügende Schärfe der Ablesung zuläßt. Man muß also
das nächste decimale Verhältniß, nämlich 1/30 Atom = 4,957 Gram., abwägen und diese
Menge zu 1 Liter lösen.
1 Kubikcentimeter dieser Flüssigkeit ist dann äquivalent einem zehntausendtel Atom
eines jeden Körpers, welcher zur Reduction oder Oxydation 1 Atom Sauerstoff abgibt
oder aufnimmt.
Die meisten mit Zinnchlorür behandelten und reducirbaren, oder durch chromsaures Kali
oxydirbaren Stoffe haben diese Eigenschaft. So nimmt 1 Atom schweflige Säure,
Zinnchlorür, Schwefelwasserstoff und ähnliche 1 Atom Sauerstoff auf;
Manganhyperoxyd, Jod, Chlor geben entweder 1 Atom Sauerstoff ab, oder binden 1 Atom
Wasserstoff, was wieder 1 Atom Sauerstoff äquivalent ist.
Man hat nun zwei Methoden, die Analyse und die Berechnung zu machen.
1) Man wäge den zu untersuchenden Körper zu 1/100 At. (in Grammen ausgedrückt) ab,
alsdann würde diese Menge, wenn sie rein wäre, genau 100 Kubikcent. Chromlösung
erfordern; jeder Kubikcent. Chromlösung stellt alsdann 1 Proc. des reinen Körpers
vor und jede Berechnung ist durchaus vermieden;
2) oder man wägt den Körper in beliebigen Mengen ab und multiplicirt die auf ihn
verbrauchten Kubikcent. Chromlösung mit 1/10000 seines Atomgewichts, wo man dann das
Gewicht des Körpers in Grammen ausgedrückt erhält.
Demnach hätte man abzuwägen:
von Jod
1,270 Gram.
„
Jodkalium
1,660 „
„
Braunstein
0,435 „
„
Zinn
0,595 „
„
Zinnchlorür
1,130 „
„
schwefliger Säure
0,320 „
„
Chromsäure (1/300
Atom)
0,3378 „
„
doppelt-chroms. Kali
0,4957 „
u.s.w., in welchem Falle die verbrauchten Kubikcent.
Chromlösung die Procente des Stoffes angeben. Nimmt man 10mal oder 100mal so viel,
so wären die verbrauchten Kubikcent. Chromlösung durch 10 oder 100 zu dividiren,
d.h. das Komma um ein oder zwei Stellen zur Linken zu rücken.
Da es aber häufig unzulässig ist, bestimmte Mengen abzuwägen, auch sich bei Analysen
Producte ergeben, deren Gehalt man direct wissen will, so findet die zweite Methode
statt, daß man beliebige Mengen abwägt, oder erhaltene Producte ganz nimmt und sie
berechnet. Für die obigen Stoffe stellt 1 Kubikcent. verbrauchter Chromlösung
vor:
0,01270 Gram.
Jod,
0,01660
„
Jodkalium,
0,00435
„
Braunstein,
0,00595
„
Zinn,
0,01130
„
Zinnchlorür,
0,00320
„
schweflige Säure,
0,03378
„
Chromsäure,
0,04957
„
doppelt-chromsaures Kali.
Wenn man diese Zahlen im Voraus mit den neun ersten Ziffern multiplicirt, so erhält
man eine Tabelle, aus welcher jede Multiplication als eine einfache Addition
bewerkstelligt wird, und es fallen die langen und umständlichen Formeln, welche
sowohl Bunsen als Streng
angewendet haben, ganz weg. Der größte Theil dieser Formel steckt nach meiner
Methode der Normalflüssigkeit bereits in der Flasche und der Rest ist eine bloße
Multiplication oder Addition.
Das Einschalten der verschiedenen Größen an die richtige Stelle der Formel ist eine
sehr mühsame Arbeit, und bei dem kleinsten Irrthum rechnet man nur Verwirrung
heraus. So hat z.B. Streng bei der Berechnung der
Chromsäure eine Formel mitgetheilt, wo man sechs verschiedene Größen einschalten
muß. Wer diese Formel anwendet, ohne ihre Entstehung ermittelt zu haben, hat nicht die Befriedigung
des Wissens, sondern höchstens die Beruhigung des Glaubens. Die Entstehung der
Formel ist aber an beiden Stellen als eine zu leichte, sich von selbst verstehende
Sache mit Stillschweigen übergangen. Und in der That ist auch dieß gelehrte Gewand
nur das Kind einer Regel de Tri-Rechnung oder eines Proportionalansatzes.
Um z.B. Chromsäure mit chromsaurem Kali zu messen, werden beide Körper auf ein
gemeinschaftliches Maaß, nämlich eine gleiche Menge Zinnchlorür, angelegt. Die
Gehalte an Chromsäure in beiden Fällen verhalten sich genau umgekehrt wie die
angewendeten Mengen beider Substanzen, um denselben Effect hervorzubringen. Diesen
erkennt man in der Jodstärke-Reaction in beiden Fällen mit gleicher Schärfe.
Wenn man nun beispielsweise auf dieselbe Menge Zinnchlorür 10 Kubikcent. reines
chromsaures Kali in Lösung, dagegen 12 Kubikcent. unreines verwendet hat, so ist der
Gehalt 10/12 = 83,333 Proc. Handelt es sich um chromsaures Kali, so ist diese Zahl
83,333 Proc. seine Analyse; handelt es sich um Chromsäure oder Chrom, so findet sich
in der Tafel der Gehalt an beiden Stoffen, welcher der verbrauchten Zahl
Kubikcentimeter der Chromlösung entspricht.
Diesen Charakter haben sehr viele maaßanalytische Operationen, daß man den Gehalt an
einem Körper nicht mit der Waage wägt, sondern mit sichtbaren Raumtheilen einer
Lösung des reinen Körpers mißt.
Zu den einzelnen Operationen will ich noch Weniges zusetzen.
Die Zinnbestimmung ist die Grundlage; sie läßt nichts zu wünschen übrig, da die in
ihr vorkommenden Zahlen auf demselben Wege mit reinen Stoffen ermittelt worden sind.
Es wird unreines Zinn mit reinem gemessen.
Wegen der Braunsteinanalyse wäre ich gerne Hrn. Streng
Dank schuldig geworden, allein die Sache hat mir nicht gelingen wollen. Der Verf.
gibt an, daß man den fein gepulverten Braunstein mit überschüssigem Zinnchlorür
zersetzen solle und den Ueberschuß des Zinns mit Chromlösung bestimmen. Es tritt
aber als ein Hinderniß der nie fehlende Gehalt des Braunsteins an Eisenoxyd
entgegen. Bei der Lösung mit Zinnchlorür bildet sich Manganchlorür und zuerst
Eisenchlorid, dann bei der Erwärmung Eisenchlorür.
Bringt man Jodkaliumkleister mit neutralem Eisenchlorid zusammen, so entsteht
sogleich die blaue Jodstärke-Reaction, und diese wird durch keinen Ueberschuß
von Eisenoxydulsalz hinweggenommen.
Wenn man die gleiche Menge Zinnchlorür einmal rein, das anderemal mit Zusatz von
krystallisirtem Eisenchlorid mit Chromlösung behandelt, so gebraucht man im letzteren
Falle namhaft weniger Chromlösung zur Abstumpfung des Ueberschusses. Wenn man
Eisenchlorid mit Jodkalium und Stärke blau macht, so kann man durch wenige Tropfen
Zinnchlorür die Farbe augenblicklich wieder verschwinden machen, aber es dauert nur
wenige Secunden, so erscheint sie wieder von neuem. Im ersten Augenblicke wirkt
nämlich das Zinnchlorür zersetzend auf die Jodstärke und entfärbt sie; bald aber
wird das Eisenchlorid vom Zinnchlorür zersetzt und letzteres verschwindet, womit
dann die blaue Farbe, wie bei reinem Eisenchlorid, wieder eintritt. Da das
Eisenchlorür nicht im Stande ist die Jodstärke zu entfärben, so ist die Bildung von
diesem Salze immer mit Zerstörung von Zinnchlorür verbunden, welche einem anderen
Effecte zugeschrieben wird. Es kann deßhalb das Zinnchlorür nicht zur Zersetzung von
Braunstein angewendet werden, weil die freie Salzsäure aus dem Eisenoxyd des
Braunsteins immer Eisenchlorid bildet.
In dem Falle von Streng, wo ein selbst bereitetes
eisenfreies Manganoxyd angewendet wurde, findet allerdings dieß Hinderniß nicht
statt, allein dieser Fall ist ohne Vergleich weniger wichtig, als die Analyse der
natürlichen Braunsteine, welche ohne Ausnahme Eisenoxyd enthalten. Die sowohl unter
sich als mit der Kleesäureanalyse wenig stimmenden Resultate erregten in mir den
Verdacht, daß eine in unbestimmtem Maaße störende Ursache vorhanden seyn müsse, und
diese fand sich in der jedesmal in verschiedener Menge zugegossenen Salzsäure,
welche mehr oder weniger Eisenoxyd auflöste, so wie in der ungleichen Erwärmung. Das
anfänglich ganz braunrothe Gemenge des Zinnchlorürs mit dem bereits zersetzten
Braunstein wird durch Erwärmen ganz weiß und farblos. Ich habe recht bedauert, von
dieser vortrefflichen Methode in diesem Falle keinen Gebrauch machen zu können. Eine
Destillation des Chlors in das Zinnchlorür macht die Sache technisch
unbrauchbar.
Die Analyse der chromsauren Salze ist bei Streng eine
Vergleichung mit der reinen Substanz selbst, und ohne Zweifel sehr richtig.
Bunsen destillirt die chromsauren Salze mit starker
Salzsäure und leitet das entwickelte Chlor in Jodkalium. Das ausgeschiedene Jod mißt
er mit der stark verdünnten schwefligen Säure. Dieser Weg scheint etwas umzuführen.
Das Chlor in der schwefligen Säure aufgefangen muß denselben Effect hervorbringen,
als wenn erst Jodkalium zersetzt wird.
Die Destillation in die schweflige Säure hinein ist jedoch zu vermeiden; es steht
aber dann der viel einfachere und sicherere Weg offen, die in freier Salzsäure
gelöste und bereits verdünnte chromsaure Verbindung in die mit Salzsäure angesäuerte
schweflige Säure hineinzuschütten und den Ueberschuß der schwefligen Säure
abzumessen. Die Wirkung der schwefligen Säure ist fast augenblicklich, und das
Verschwinden der gelben Farbe des Chromsalzes zeigt sie aufs Bestimmteste an. Hier
ist die Farbe des Chromsalzes sehr nützlich. Hat man vergessen Salzsäure zuzusetzen,
so bemerkt man an der gelben Farbe, daß etwas nicht in der Ordnung ist. Nach Streng wird viel einfacher die chromsaure Verbindung
durch saures Zinnchlorür reducirt, dessen Stärke gegen reines
doppelt-chromsaures Kali man kennt, und der Ueberschuß des Zinnchlorürs mit
Chromlösung bestimmt.
Die chlorsauren Salze zersetzt Bunsen durch Kochen mit
Salzsäure und Einleiten der entwickelten 6 Atome Chlor in Jodkalium. Nach Streng wird viel einfacher das Zinnchlorür mit dem
chlorsauren Salze und Salzsäure erhitzt und der Ueberschuß des Zinnchlorürs
bestimmt.
Da das doppelt-chromsaure Kali 3 Atome, das chlorsaure Kali 6 Atome Sauerstoff
abgibt, so erscheint das erste Salz mit 1/3, das letzte mit 1/6 seines Atomgewichts
in der Tabelle. Es ist demnach 1 Kubikcent. der normalen Chromlösung gleich dem
sechsten Theil eines zehntausendtel Atoms chlorsauren Kalis, also = 0,002045 Gram.
chlorsauren Kalis.
0,2 Gram. chlorsaures Kali wurden mit 120 Kubikcent. Zinnchlorürlösung, welche,
gleich 120 Kubikcent. Chromlösung gestellt war, und mit Salzsäure gekocht. Die
erkaltete Flüssigkeit forderte noch 22,8 Kubikcent. Chromlösung zur Hervorbringung
der Jodreaction.
Es waren also 120 – 22,8 = 97,2 Kubikcent. Chromlösung äquivalent der Wirkung
von 0,2 Gram. chlorsauren Kalis.
97,2 × 0,002045 gibt aber 0,1987 Gram. chlorsaures Kali, statt 0,2 Gram.
Man sieht also, daß man ohne Destillation und durch ein viel einfacheres Verfahren
diese Analyse bewerkstelligen kann.
Die Bestimmung des Jods geschieht in gleicher Art, indem man das gewogene Jod mit
gemessener Zinnchlorürlösung entfärbt und den Rest des letzteren mit Chromlösung
bestimmt. Jedoch kann man auch das Jod mit sich selbst messen, wenn man reines Jod,
welches man durch Sublimation durch Jodkalium hindurch erhält, dazu verwendet.
Löst man 1/140 Atom = 12,7 Gram. in Jodkalium zu 1 Liter, so ist jeder Kubikcent. =
1/10000 Atomgewicht eines Körpers, der sich mit Jod zu gleichen Atomen zersetzt, als
Zinnchlorür, Schwefelwasserstoff, schweflige Säure; folglich = 0,0017 Gram. SH, 0,0032 Gram. SO₂
etc. Man hat also auch hier statt aller Formeln die äquivalenten Kubikcent.
Jodlösung mit diesen Zahlen zu multipliciren. Bei Jod und Jodmetallen würde ich das
Jod dem chromsauren Kali vorziehen, weil hier keine unsichern Beziehungen der Atomgewichte
vorkommen und das Princip, jeden Körper mit sich selbst zu messen, in Anwendung
bleibt.
Jodmetalle müßte man in der Art zersetzen, daß das Jod nur als Jod ausgeschieden
würde, was mit neutralem Eisenchlorid geschieht. Das destillirte Jod müßte man in
Zinnchlorür auffangen und unter Stärkezusatz mit der Jodlösung austitriren.
Schweflige Säure kann nach Bunsen nur in sehr bedeutender
Verdünnung mit Jodlösung abgemessen werden; nach Streng
direct mit chromsaurer Kalilösung in jeder beliebigen Verdünnung, da eine
Rückwärtszersetzung, wie zwischen Jodwasserstoffsäure und Schwefelsäure, nicht
vorkommt. Es müßte sich nämlich aus Chromoxyd und Schwefelsäure wieder schweflige
Säure und Chromsäure bilden können, was bei diesem Salze unmöglich ist. Man vergesse
nicht einen reichlichen Zusatz reiner Salzsäure.
Die Bestimmung des Kupfers nach Streng ist wirklich
wunderbar schön. Man versetzt das Kupferfalz mit Weinstein, Kali, um die Trommer'sche Probe zu bilden, setzt Traubenzucker oder
Honig zu und erwärmt bis zur Ausscheidung des Kupferoxyduls. Dann löst man ohne
Filtration in Salzsäure auf und titrirt mit chromsaurem Kali zu Ende. Kupferchlorür
entfärbt die Jodstärke wie Zinnchlorür, und der Eintritt der Erscheinung ist wie bei
allen anderen Proben. Schwarz hatte schon eine solche
Probe mit Chamäleon angegeben, welche ebenfalls sehr gut gelingt. Allein hier mußte
filtrirt werden, weil das Chamäleon auf den überschüssigen Zucker wirkte.
Imgleichen schließt diese Kupferprobe eine Traubenzuckerprobe ein. Man versetzt die
zuckerhaltige Substanz mit überschüssiger alkalischer Kupferlösung, erwärmt und
verfährt weiter wie oben. Gibt man überschüssigen Zucker zur gewogenen
kupferhaltigen Substanz, so ist es eine Kupferprobe; gibt man überschüssige
alkalische Kupferlösung zur gewogenen zuckerhaltigen Substanz, so ist es eine
Zuckerprobe.
Zu allen diesen Arbeiten hat man nur zwei Flüssigkeiten nothwendig, nämlich die
doppelt-chromsaure Kalilösung mit 1/30 Atom = 4,957 Gram. trockenem Salze zu
1 Liter gelöst, und eine beliebige Zinnchlorürlösung. Den Werth derselben bestimmt
man vor einem Versuche und berechnet dann die Kubikcent. Zinnlösung auf Chromlösung,
diese dann auf die Substanz. Macht man sich die Zinnlösung gleich stark mit der
Chromlösung, so ist auch diese Berechnung vermieden. Um sie so zu halten, schließe
ich sie mit kohlensaurem Gas, was aus Strontianit entwickelt wird, im Verhältniß als
die Lösung verbraucht wird. Ebenso gut kann man eine Wasserstoffentwickelung aus
einer Art Zündlampe damit in Verbindung bringen, und die Flüssigkeit durch einen im Korke luftdicht
angebrachten Heber mit Quetschhahn abfließen lassen.
Eine ganz besondere Betrachtung muß ich der arsenigen Säure widmen, weil sie jetzt in
einer eigenthümlichen Art gebraucht wird. Ich gestehe, daß ich ungern mit diesem
giftigen Körper arbeite, und mich deßhalb lange davon fern gehalten habe. Allein bei
näherer Bekanntschaft damit habe ich daran solche vortreffliche Eigenschaften
gefunden, daß sie mich die anderen üblen Seiten übersehen ließen.
Die erste Anwendung der arsenigen Säure zur Volum-Analyse stammt wiederum von
Gay-Lussac
Polytechn. Journal, 1836, Bd. LX S. 128. her, welcher darauf ein chlorometrisches Verfahren gründete. Er löste die
arsenige Säure in Salzsäure auf, versetzte dieselbe mit Indiglösung, und gab nun
Chlorkalklösung hinzu, bis das Verschwinden der blauen Farbe des Indigos ein
leichtes Vorwalten des Chlors anzeigte. Dieses Verschwinden der Farbe trat aber
nicht plötzlich, sondern allmählich ein, indem das örtlich zerstörte Pigment des
Indigos durch einen Ueberschuß von arseniger Säure in einem anderen Theile der
Flüssigkeit nicht wieder hergestellt werden konnte. Wenn der letzte Antheil
arseniger Säure verschwand, war auch schon der größte Theil der Indigfarbe
verschwunden. Es entstand dadurch eine Unsicherheit in der Beurtheilung des Endes
der Operation, daß viele Fabrikanten sich nach einem anderen Verfahren sehnten.
Ein solches ist denn auch von Dr. Penot
Polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 134 und Bd. CXXIX S. 286. in Mülhausen mitgetheilt worden. Mit Beibehaltung der arsenigen Säure hat er
das Verfahren so verbessert, daß es nun gleichbleibende und scharfe Resultate gibt.
Er löst nämlich die arsenige Säure statt in Salzsäure in kohlensaurem Natron auf und
findet das Ende der Operation durch Betupfung eines von ihm angegebenen
Jodkleisterpapiers, welches einen blauen Flecken auf dem bis dahin weiß gebliebenen
Papiere hervorbringt. Nebenbei gesagt, ist das von Penot
angegebene Jodnatrium-Kleisterpapier ganz unzweckmäßig gewählt, weil es auch
mit reinen Säuren einen blauen Flecken gibt, da es immer jodigsaures Natron enthält.
Es muß also reines Jodkalium und Kleister zusammen angewendet werden. Penot hat hierbei zwei glückliche Griffe gethan, nämlich
die äußerst empfindliche Jodreaction hinzugerufen zu haben, und statt der sauren
Arsenikchlorürlösung eine neutrale oder basische Lösung des arsenigsauren Natrons
angewendet zu haben. Die
Bedeutung dieser letzteren Verbesserung hat Penot nicht
vollständig erkannt.
Die Anwendung der arsenigen Säure in neutraler oder basischer Verbindung hat eine
andere Bedeutung, als die bloße Veränderung des Lösungsmittels. Im arsenigsauren
Natron hat die arsenige Säure eine weit größere Verwandtschaft zu Sauerstoff, Chlor,
Jod, als im freien Zustande oder im Arsenikchlorür.
Wenn man Kleister mit Jod blau färbt und diese Flüssigkeit in arsenigsaures Natron
gießt, so wird die Farbe augenblicklich vernichtet; löst man aber die arsenige Säure
in Salzsäure, oder macht man die Lösung des arsenigsauren Natrons sauer, so
geschieht dieß nicht.
Die an Alkalien gebundene arsenige Säure ist demnach im Stande, der Jodstärke das Jod
zu entziehen und selbst in Arseniksäure überzugehen, während das Jod sich in
Jodwasserstoff verwandelt; die freie arsenige Säure kann dieß nicht. Es ist deßhalb
auch möglich, in alkalischer Lösung die Jodreaction anzuwenden, während bei saurer
Lösung der erste Tropfen von Chlorkalk, Chlorwasser, chromsaurem Kali die blaue
Farbe erzeugt, was anzeigt, daß eine Oxydation der arsenigen Säure nicht
stattfindet. Die blaue Farbe der Jodstärke wird von kohlensaurem Natron nicht
aufgehoben; es ist deßhalb zulässig, der arsenigen Säure eine größere Menge
kohlensaures Natron zuzusetzen. Die Nothwendigkeit dieses Zusatzes ergibt sich aus
dem folgenden Versuche.
Wenn man sich eine normale Jodlösung von 1/10 Atom ( = 12,7 Gram.) im Liter bereitet
und eine normale arsenigsaure Natronlösung von 1/20 Atom ( = 4,95 Gram.) arseniger
Säure mit 14,5 Gram. krystallisirtem kohlensaurem Natron (weil die arsenige Säure 2
Atome Sauerstoff aufnimmt, wird die Hälfte eines zehntel Atoms genommen), so müßten
beide Lösungen eigentlich äquivalent seyn, d.h. sich in gleichen Volumen genau
sättigen. Als ich nun 10 Kubikcent. arsenigsaure Natronlösung mit Jodkalium und
Stärke versetzte, trat bei Zusatz von 7 Kubikcent. Jodlösung schon die blaue Farbe
ein. Es war nämlich das Jod in Jodwasserstoff übergegangen und hatte einen Theil der
arsenigen Säure vom Natron verdrängt. Die freie arsenige Säure entfärbt aber die
Jodstärke nicht, und es trat die Reaction deßhalb früher ein, entsprechend der
vorhandenen Menge Natrons. Wurde nun kohlensaures Natron zugesetzt, so verschwand
die blaue Farbe sogleich wieder und trat erst bei 10 Kubikcent. Jodlösung wieder
ein, konnte aber auch nun durch einen ferneren Zusatz von kohlensaurem Natron nicht
mehr weggenommen werden. Es ist deßhalb die stark alkalische Lösung des
arsenigsauren Natrons ein vortreffliches Maaß für freies Chlor, freies Jod,
Chlorkalk und dergleichen, und hierin besteht das Eigenthümliche der arsenigen Säure, daß sie, neben
ihrer hochanzuschlagenden Unempfindlichkeit gegen atmosphärischen Sauerstoff, bis
jetzt der einzige Körper ist, welcher in einer alkalischen Lösung diese
Oxydationsfähigkeit besitzt und gleichbleibend behält. Alle die andern
chlorometrischen Mittel, wie Eisenoxydul, Zinnchlorür, schweflige Säure, sind sauer
und entwickeln aus dem Chlorkalke immer Chlorgas, welches der Messung entgeht. Otto sagt bei dieser Gelegenheit (siehe dessen Lehrb. d.
Eh. 3. Aufl. Bd. III. S. 426): „Nach jedem Eingießen der
Chlorkalkflüssigkeit in die Eisenvitriollösung zeigt sich der Geruch der Chlors,
besonders wenn die Eisenvitriollösung stark angesäuert wurde.“ Dieser
Umstand vermindert offenbar die Genauigkeit der Methode, weil er je nach dem sauren
Zustande der Eisenvitriollösung verschieden stark eintritt. Er findet natürlich auch
bei Anwendung des sauren Arsenikchlorürs statt, und ich muß in diesem Falle der
Ansicht Otto's ganz beistimmen, daß der Eisenvitriol der
giftigen arsenigen Säure vorzuziehen sey. Wird aber die arsenige Säure in
alkalischer Lösung angewendet, so findet dieser Verlust von Chlorgas gar nicht
statt, und es ist die Möglichkeit gegeben, mit Vermeidung der Betupfungsmethode die
äußerst empfindliche Jodreaction in der Flüssigkeit selbst hervorzurufen. Um diesen
Preis muß ich der arsenigen Säure wieder den Vorzug geben, der durch ihre
Titerbeständigkeit wesentlich erhöht wird.
Die arsenige Säure kann nicht gegen saures chromsaures Kali angewendet werden; in
alkalischer Lösung wird das saure chromsaure Kali nicht davon zersetzt und in saurer
Lösung hebt die arsenige Säure die Farbe der Jodstärke nicht auf.
Daß das arsenigsaure Natron die Jodstärke entfärbt, muß offenbar der durch die
vorhandene Basis erhöhten Affinität der arsenigen Säure zum Sauerstoff, um
Arseniksäure zu bilden, zugeschrieben werden, gerade wie auch das Zink das Wasser
nicht zersetzt, wenn nicht eine Säure vorhanden ist.
Bei diesen Versuchen, mit arsenigsaurem Natron direct Chlornatron, Chlorkalk und
Chlorwasser zu titriren, glaubte ich das Penot'sche
Verfahren dadurch zu verbessern, daß ich dem in bestimmter Menge abgemessenen
arsenigsauren Natron Jodkalium und Kleister zusetzte und nun die chlorhaltige
Flüssigkeit aus der Bürette hinzugab. Ich bekam jedoch dicht hintereinander so
widersprechende Resultate, daß sie mich in Verzweiflung setzten, weil ich den Grund
davon nicht sogleich fand.
Die Reaction war ja in beiden Fällen dieselbe, nur in meinen Versuchen ungleich
bequemer angewendet. Auf 10 Kubikcent. arsenigsauren Natrons gebrauchte ich dicht
hintereinander von demselben Chlorwasser 17,8, dann 21 und 29,5 Kubikcent., bis die blaue Farbe
eintrat; ebenso gebrauchte ich von einem frisch bereiteten Chlornatron 9,3, dann 9,5
und 10,5 Kubikcent.
Der Grund dieser Ungleichheit liegt in der localen Wirkung des Chlors und Chlorkalks
auf die Stärke. Je nachdem man mehr oder weniger Stärke zugibt, oder beim Zugießen
des Chlors einmal mehr verdünnt hat, oder stärker schüttelt, fallen die Zahlen
ungleich aus.
Schüttelt man wenig, so wird örtlich Stärke vom Chlor zersetzt, nachdem die an jener
Stelle befindliche arsenige Säure bereits oxydirt ist.
Es folgt also einfach aus diesen Thatsachen, daß man eine chlorhaltige Flüssigkeit
nicht zu einer stärkehaltigen bringen darf, um die Jodreaction in der Flüssigkeit
hervorzubringen. Es ging mir auch dadurch ein Licht auf, warum Penot die mühsame Methode der Betupfung annimmt, während doch die Reaction
in der Flüssigkeit so nahe lag. Bei Penot bleibt der
Kleister auf dem Papier und kommt nicht mit dem Chlorzusatze in Berührung, bis die
Flüssigkeit gemischt und also auch das Chlor gebunden ist. Es gibt also die Penot'sche Methode richtige Resultate, obgleich sie wegen
der Betupfung noch lange nicht bequem ist.
Bringt man das Chlorwasser in Jodkalium, so wird eine äquivalente Menge Jod
ausgeschieden. Diese kann man ganz ruhig zu einer stärkehaltigen Flüssigkeit setzen,
weil freies Jod die Stärke nicht zersetzt. Man müßte also die Operation mit einer
titrirten Jodlösung zu beendigen suchen, wie dieß auch Bunsen thut.
Mit Benutzung aller dieser Thatsachen läßt sich die Chlorometrie auf folgendes sehr
genaue und sehr einfache Verfahren zurückführen. Sie unterscheidet sich von den
Methoden von Bunsen und Streng
wesentlich dadurch, daß sie mit alkalischen Flüssigkeiten arbeitet, während jene
Methoden ganz richtig saure Flüssigkeiten anwenden, da die vielen von ihnen
hineingezogenen Metalloxyde in alkalischen Flüssigkeiten nicht löslich sind.
Chlor und Jod, die zu sauren Flüssigkeiten keine Affinitäten besitzen, werden aus
eben diesem Grunde besser in alkalischen behandelt.
Die dabei in Anwendung kommenden Flüssigkeiten sind:
1) 1/10 normal arsenigsaures Natron (4,95 Gram. arseniger
Säure,
20 bis 25 Gram. krystallisirtes kohlensaures Natron zum Liter
verdünnt);
2) 1/10 Normal-Jodlösung in Jodkalium (12,7 Gram.
trockenes reines Jod in Jodkalium gelöst zum Liter verdünnt),
und einige Streifen Jodkalium-Stärkepapier.
Die Grundlage dieser Flüssigkeiten ist am besten die Lösung von arsenigsaurem Natron.
Arsenige Säure bekommt man im Handel sehr rein und vollkommen flüchtig, worauf man sie allenfalls mit
Vorsicht prüft. Man zerreibt sie zu feinem Pulver, trocknet dieses in einer
Porzellanschale unter Umrühren und bringt sie in ein wohlverschlossenes Glas. Aus
diesem wiegt man sie aus. Sie ist nicht hygroskopisch und läßt sich mit aller Ruhe
auf ein Milligramm auswiegen. Die abgewogene Menge bringt man in eine Kochflasche,
gießt Wasser und das kohlensaure Natron hinzu und löst durch Kochen auf. Dann
schwenkt man drei- bis viermal in die Literflasche aus und füllt diese bei
der Normaltemperatur.
Die Jodlösung könnte man in der gleichen Art machen, wenn man sich ein reines
wasserfreies Jod verschafft hat, und ich habe mich überzeugt, daß beide
Flüssigkeiten sehr gut mit einander stimmen. Einfacher ist es jedoch, eine beliebige
Jodlösung in Jodkalium auf den Titer der arsenigsauren Natronlösung zu verdünnen. Zu
diesem Zwecke wiegt man statt 12,7 Gram. Jod eine etwas größere Menge von 13,5 bis
14 Gram. Jod ab, bringt sie in eine Literflasche, löst sie in der nöthigen Menge
Jodkalium und füllt bis an die Marke an. Man hat nun eine Flüssigkeit, die etwas zu
stark ist und die man genau auf die Lösung des arsenigsauren Natrons stellt. Man
messe 10 Kubikcent. arsenigsaures Natron ab, gebe Kleister dazu und lasse aus einer
in 1/10 Kubikcent. getheilten Pipette die Jodlösung hinzutröpfeln, bis die blaue
Farbe erscheint. Man gebraucht etwas weniger als 10 Kubikcent., z.B. 9,7 Kubikcent.,
alsdann müssen 9,7 Kubikcent. zu 10 Kubikcent. verdünnt werden, also die noch
übrigen 990 Kubikcent. Lösung müssen einen Zusatz von 30,6 Kubikcent. Wasser
erhalten. Man prüft nun noch einmal in derselben Art, ob genau gleiche Volume sich
sättigen, d.h. ob beim Zugießen vom letzten Tropfen der Jodlösung zu einem gleichen
Volum Arseniklösung die blaue Farbe erscheint. Es ist wohl der Mühe werth, diese
Richtigstellung mit der größten Sorgfalt zu machen, da beide Flüssigkeiten ihren
Titer gut behalten und viele Rechnungen dadurch vermieden werden.
Außerdem bedarf man etwas Jodkalium-Kleisterpapier. Die Operation geschieht
nun in der folgenden Art.
Den zu messenden Körper wiegt oder mißt man ab und bringt ihn in ein Becherglas; dann
läßt man arsenigsaures Natron aus der Quetschhahnbürette hinzulaufen, bis ein Strich
mit der Flüssigkeit auf dem Papier keinen blauen Fleck mehr erzeugt. Diesen Punkt
braucht man nicht scharf zu treffen, weßhalb auch wenige Betupfungen hinreichen.
Sobald dieß eingetreten ist, läßt man die arsenige Säure noch bis zu dem nächsten
ganzen Kubikcent. hinzulaufen, setzt dann gekochten Kleister hinzu, und nun aus
einer Quetschhahnbürette oder Handpipette die Jodlösung, bis die blaue Farbe
erscheint. Man zieht die Kubikcent. Jodlösung von denen der arsenigen Säure ab,
und berechnet die nun übrig bleibenden Kubikcent. auf den in Frage stehenden Körper,
indem man sie mit 1/10000 Atom dieses Körpers multiplicirt.
Einige Beispiele mögen dieses erläutern.
Chlorwasser.
1) 25 Kubikcent. Chlorwasser wurden in die Pipette gesaugt und in eine Lösung von
kohlensaurem Natron hineinlaufen gelassen, indem man die Spitze eintauchte. Man roch
nicht die kleinste Spur von Chlorgas.
Nun wurden 17 Kubikcent. arsenigsaures Natron zugegeben, wobei das Stärkepapier nicht
mehr gefärbt wurde. Jodlösung wurden 1,2 Kubikcent. verbraucht. Es bleiben also 15,9
Kubikcent. arsenigsaures Natron übrig.
2) Dieselbe Menge desselben Chlorwassers erhielt 16 Kubikcent. arsenigsaures Natron
und erforderte 0,1 Kubikcent. Jodlösung; also ebenfalls 15,9 Kubikcent.
arsenigsaures Natron.
1 Kubikcent. arsenigsaures Natron = 0,00354 Gram. Chlor, also 15,9 Kubikcent. =
0,056286 Gram. Chlor; diese sind in 25 Kubikcent. enthalten, also in 100 viermal so
viel = 0,225 Proc. Chlor.
3) 10 Kubikcent. eines gesättigten Chlorwassers, durch welches mehrere Stunden lang
Chlorgas gegangen war, erhielten 21 Kubikcent. arsenigsaures Natron und 5,4
Kubikcent. Jodlösung, also 15,6 Kubikcent. arsenigsaures Natron.
4) 10 Kubikcent. desselben Chlorwassers erhielten 17 Kubikcent. arsenigsaures Natron
und 1,4 Kubikcent. Jodlösung; also ebenfalls 15,6 Kubikcent. arsenigsaures Natron.
Diese berechnen sich zu 0,05524 Gram. Chlor, und da diese in 10 Kubikcent. enthalten
sind, so sind in 100 0,5524 Procent Chlor.
Wiederholungen gaben immer genau dasselbe Resultat.
5) 1 Gramm Chlorkal wurde in einem Mörser mit wenig Wasser zerrieben und
abgeschlämmt, bis alle Theile schwebten. Es wurden hinzugegeben 72 Kubikcent.
arsenigsaures Natron und verbraucht 0,2 Kubikcent. Jodlösung; folglich blieben 71,8
Kubikcent. arsenigsaures Natron.
6) 1 Gramm desselben Chlorkalks ebenso behandelt bekam 72 Kubikcent. arsenigsaures
Natron und darauf 0,4 Kubikcent. Jodlösung; also 71,6 Kubikcent. arsenigsaures
Natron.
Nr. 5
gibt
25,407 Proc.
Nr. 6
„
25,346 „ freies
wirksames Chlor.
Diese Chlorkalkbestimmung hat vor den bisher üblichen große Vorzüge. Der Chlorkalk
schäumt stark und beschmutzt die Büretten, so daß man sie immer mit Salzsäure
reinigen muß. Bei den üblichen Verfahrungsweisen mit Eisenvitriol (siehe Otto's Lehrbuch und Bolley's
technische Untersuchungen, sowie Penot's Verfahren) kommt
die Chlorkalklösung in die Bürette, und man kann häufig kaum sagen, wo die
Oberfläche der Flüssigkeit steht. Chlorwasser muß in die Bürette eingegossen werden,
was an sich wegen Gasverlustes ganz unzulässig ist; Jod muß erst gelöst werden. Bei
dem hier empfohlenen Verfahren kommt die zu untersuchende Substanz niemals in die
Bürette, sondern nur die Meßflüssigkeit, welche klar und rein ist. Sie kann bei
wiederholten Analysen immer darin bleiben, während nach dem älteren Verfahren die
Bürette nach jeder Analyse gereinigt werden muß.
Die Labarraque'sche Flüssigkeit kann ohne Zusatz von
kohlensaurem Natron bestimmt werden.
Um käufliches Jod auf seinen Gehalt zu prüfen, wiegt man es in einem Platintiegel
oder zwischen Uhrgläsern ab und bringt es in einen Mörser, in welchem schon eine
bestimmte kleine Menge arsenigsaures Natron sich befindet.
Man zerreibt es darin fein und läßt ferner das arsenigsaure Natron aus der Bürette in
den Mörser fließen, bis die jedesmal in der Ruhe sich bildende gelbe Farbe der
Flüssigkeit ganz verschwunden ist und auch auf dem Boden keine Jodkörnchen sich
befinden. Man gibt dann Stärkekleister zu und titrirt mit Jodlösung bis zur blauen
Farbe.
1) 0,96 Gram. käufliches Jod erhielten 75 Kubikcent. arsenigsaures Natron und dagegen
0,2 Kubikcent. Jodlösung. Es sind also 74,8 Kubikcent. arsenigsaures Natron zersetzt
worden. 74,8 × 0,0127 geben 0,94996 Gram. Jod, welche in 0,96 enthalten
waren; oder 98,95 Proc. reines Jod.
2) 1,27 Gram. ( = 1/100 Atom) Jod erhielten 100 Kubikcent. arsenigsaures Natron. Wäre
das Jod rein gewesen, so hätte es diese Menge des arsenigsauren Natrons genau
oxydirt; so aber wurden noch 0,8 Kubikcent. Jodlösung verbraucht. Zieht man diese
von den 100 Kubikcent. arseniger Säure ab, so bleiben 99,2 Proc. Jod.
Alle diejenigen Operationen, welche Bunsen mit einer
Destillation in Verbindung gebracht hat, können auch nach dieser Methode ausgeführt
werden, indem man das destillirte Chlor oder Jod in einer überschüssigen Menge
arsenigsauren Natrons auffängt und den Ueberschuß mit Jodlösung bestimmt.
Um die Brauchbarkeit dieser Methode zur Bestimmung von Jod in Verbindungen zu prüfen,
wurde reines und im Platintiegel stark erhitztes Jodkalium in eine Kochflasche
gebracht und dazu eine überschüssige Menge krystallisirtes Eisenchlorid und Wasser
zugesetzt. Das Eisenchlorid darf kein Chlorür und kein freies Chlor enthalten. Das
erste findet man durch übermangansaures Kali, wovon der erste Tropfen eine verdünnte
Lösung des Salzes roth färben muß. Freies Chlor kann im krystallisirten Salze nicht
enthalten seyn und auch keine Salpetersäure, da es aus Eisenoxyd und Salzsäure
bereitet war.
Die gemischten Flüssigkeiten werden sogleich dunkel von Farbe durch ausgeschiedenes
Jod, was sich wie eine metallische Haut oben aufsetzt.
Die Kochflasche steht durch eine doppelt gebogene Glasröhre mit einer weiten Flasche
in Verbindung, welche eine vorher abgemessene Menge des titrirten arsenigsauren
Natrons enthält. Durch Kochen wird das Jod übergetrieben. Die Glasröhre darf nicht
zu enge seyn, weil sie sich sonst leicht verstopft. Das in Dämpfen übergehende Jod
fällt in die Lösung des arsenigsauren Natrons und verschwindet darin fürs Auge. Wenn
Jod im Ueberschuß ist, so erscheint die Flüssigkeit gelb und man hat alsdann mehr
arsenigsaures Natron zuzulassen. Zuletzt müssen bei vollem Kochen keine Joddämpfe
mehr übergehen. Die Spitze der Glasröhre läßt man gar nicht eintauchen; man umgeht
dadurch das Reinigen derselben und die Gefahr des Zurücksteigens. Zu der farblosen
Lösung des arsenigsauren Natrons gibt man Stärkekleister und titrirt den Rest mit
Jodlösung aus.
1,76 Gram. reines Jodkalium wurden angewendet und nach und nach 110 Kubikcent.
arsenigsaures Natron durch eine offene Trichterröhre eingeschüttet. Es wurden 4,8
Kubikcent. Jodlösung dagegen verbraucht, folglich sind 105,2 Kubikcent.
arsenigsaures Natron gesättigt gewesen. 105,2 × 0,01662 ( = 1/10000 Atom
Jodkalium) macht 1,748 Gram. Jodkalium, statt der angewendeten 1,76 Gram.
Wir haben demnach im Ueberblicke drei verschiedene Combinationen, um die
Oxydations- und Reductionsanalysen vorzunehmen:
1) Bunsen: verdünnte schweflige Säure gegen Jodlösung,
2) Streng: Zinnchlorür gegen saures chromsaures Kali,
3) von mir: arsenigsaures Natron gegen Jodlösung.
Alle drei Systeme sind gleich genau, weil sie mit derselben Reaction endigen. Das von
mir für eine bestimmte Anzahl von Fällen empfohlene System hat den Vorzug, zwei
titerbeständige Flüssigkeiten zu haben, die sich während der Arbeit und durch Erhitzen bis zum Kochen
und durch ungleich lange Dauer der Arbeit nicht verändern, weßhalb man ruhig jede
Arbeit zu Ende bringen kann.