Titel: | Ueber die Bereitung der Aloësäure und ihre Verwendung in der Wollenfärberei; von A. Lindner. |
Autor: | A. Lindner |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXVI., S. 312 |
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LXVI.
Ueber die Bereitung der Aloësäure und ihre
Verwendung in der Wollenfärberei; von A. Lindner.
Lindner, über die Bereitung der Aloësäure und ihre
Verwendung in der Wollenfärberei.
So wenig anwendbar die aus Aloëharz und Salpetersäure bereitete
Aloësäure (Aloëtinsäure) in der Seidenfärberei nach den bisher
erzielten Resultaten auch immerhin seyn mag, von so wesentlichem Belange ist sie für
die Wollenfärberei. Denn während sie in der erstem höchstens zur Erzeugung eines
ächten und satten Kirschbraun verwendet werden dürfte, lassen sich durch sie eine
große Menge in einander übergehender Nüancen auf Wolle hervorbringen, von denen
namentlich die grauen Modefarben, ihrer Aechtheit wegen, von außerordentlichem
Nutzen sind.
Nachdem ich mich mehrere Jahre mit dem Studium der Aloësäure behufs ihrer
technischen Verwendung beschäftigt hatte, ist es mir gelungen, sie in einigen
Färbereien zum ächten Graufärben der Wolle einzuführen.
Ich beabsichtige daher durch Veröffentlichung meiner Erfahrungen diesem schönen
subjectiven Farbstoffe eine allgemeinere Anwendung zu verschaffen.
1. Darstellung des
Farbstoffs.
Was zunächst die Darstellung des Farbstoffs betrifft, so hat man zur Bereitung
derselben in größerem Maaßstabe, nicht, wie Liebig für
die Bereitung im Kleinen angibt, 8–9 Theile käuflicher Salpetersäure auf 1
Theil Aloëharz nöthig. Ich habe mich überzeugt, daß in jenem Falle schon 6
Theile käuflicher Salpetersäure genügen, wenn man nach folgender Methode
verfährt.
Man füllt 60 Pfund käuflicher Salpetersäure in einen gläsernen Kolben von circa 70–80 Quart Inhalt, und setzt etwa 1 Pfund
Aloëharz bester Qualität hinzu. Den Kolben mit seinem Inhalte erwärme man im
Wasserbad unter einem gut ziehenden Schornstein bis zur Entwickelung rother Dämpfe.
Nunmehr entferne man das Feuer und trage die noch übrigen 9 Pfund Aloëharz
partienweise in den Kolben ein. (Ich benutzte hierzu eine größere Pincette, da, wenn
man diese Operation mit der Hand ausführt, die Epidermis der Haut in Berührung mit
dem sich entwickelnden Strome von Untersalpetersäure aufgelöst wird.) Nachdem die
ganze Quantität Aloëharz eingetragen worden ist, und keine rothen Dämpfe sich
mehr entwickeln, gieße man den Inhalt des Kolbens in eine flache Schale, dampfe bis
zur breiartigen Consistenz im Sandbade ab, und vollende endlich das Abdampfen bis zur Trockne im
Wasserbade. Das Abdampfen bis zur Trockne hat den doppelten Zweck, die freie Säure
zu verjagen, und die letzten in der verdünnten Säure gelösten Farbstofftheilchen
abzuscheiden.
Schließlich werfe man die goldgelbe Masse auf ein Filtrum, süße sie einigemal mit
kaltem Wasser aus und trockne sie bei mäßiger Temperatur.
Vollführt man das ganze Abdampfen nur im Sandbade, so läuft man Gefahr, das Präparat
zu verkohlen.Nur einmal gelang es mir, die Temperatur des Sandbades so zu reguliren, daß
ich die trockne Masse unversehrt von demselben entfernen konnte; während des
Erkaltens aber bildeten sich schwarze Strahlen, die von der Mitte des
Bodensatzes ausgehend, in stets größerer Menge sich bildeten und bald dem
Präparate eine schwarzgrüne Färbung durchgehende ertheilten. Anfänglich
hielt ich dasselbe für verkohlt; weitere Untersuchungen belehrten mich indeß
darüber, daß die Färbecapacität nicht verringert worden war. Dem Licht und
Wasser exponirt, ging diese grünschwarze Modifikation allmählich in die
gelbe über.
Die Ausbeute an Farbstoff betrug im Mittel 66 2/3 Procent des angewendeten
Aloëharzes. Die Selbstkosten eines Pfundes betrugen etwa 1 Thaler.
Die gläsernen Kolben ließen sich vielleicht auch durch eiserne Kessel, aus weißem
oder halbirtem Roheisen gegossen, ersetzen, da diese Eisensorten den Einwirkungen
der Säuren mehr widerstehen als graues Roheisen.
2. Färben der Wolle mit
Aloësäure.
Schüttet man in einen, mit Fluß- oder Brunnenwasser gefüllten Kessel 2 1/2
Pfund des so bereiteten Aloëpurpurs, läßt aufkochen, schreckt ab und geht mit
30 Pfund gut gewaschener ungebeizter Wolle in die Farbeflotte, so wird man nach
einstündigem Sude eine volle braune Färbung der Wolle wahrnehmen. Verdoppelt man die
Quantität Aloësäure, so erhält man ein sammetartiges Schwarz, welches indeß
seines hohen Preises wegen, nur in seltenen Fällen angewendet werden dürfte.
Löst man 1 1/2 Pfund Aloësäure in Wasser auf, dem man 2 Pfund calcinirte Soda
hinzugefügt hat, so erhält man ein Liquidum von schöner Purpurfarbe, das nach
einigen Tagen seine höchste Intensität erlangt hat und welches genügt, um 30 Pfund
Wolle eine schöne bläulich-graue Farbe durch halbstündiges Sieden zu
ertheilen. Die Wolle muß sehr gut gewaschen, aber nicht angebeizt werden. Wendet man
auf obige Quantität Wolle die doppelte Menge gelösten Aloëpurpurs an, so
erhält man ein Blau, das dem mit Persio beschlagenen Küpenblau sehr ähnlich ist.
Neutralisirt man das Filtrat, welches durch das Aussüßen der rohen, durch Abdampfen gewonnenen
Aloësäure erhalten wurde, mit Schlämmkreide, und filtrirt die neutralisirte
Flüssigkeit von dem unzersetzten Niederschlage ab, so erhält man durch sie noch
verschiedene hellere oder dunklere Nüancen von Olivengrün, je nachdem man die
Färbeflotte von geringerer oder größerer Concentration anwendet.
Einen sehr bedeutenden Nutzen gewährt die Aloësäure endlich noch betreffs der
Fixirung anderer an sich unachter Farbstoffe. Versetzt man z.B. 10 Pfund Orseille
mit 1/2 Pfund Aloëpurpur, den man zuvor in Aetznatronlauge gelöst hat, so
wird dadurch die Orseillefarbe gegen Luft und Licht unempfindlich gemacht.
Der in den Handel kommende Orseille-Extract ertheilt der Wolle viel
glänzendere Farben, als die gewöhnliche Orseille; aber auch sie sind unächt. Ich
habe gefunden daß, wenn man 10 Pfund dieses Extracts mit 1 Pfund trockenem
Aloëpurpur vermischt, und die Mischung einige Tage sich selbst überläßt, die
damit hergestellten Farben ächt sind, ohne an ihrem Feuer verloren zu haben. Das
unter dem Namen „liquid archil“ im
Handel vorkommende ächt färbende Orseillepräparat ist höchst wahrscheinlich eine
Auflösung von Aloësäure in Orseille-Extract.
Die Aloësäure ist somit einer der ächtesten Farbstoffe, den die Wollenfärberei
aufzuweisen hat, und wohl würdig in derselben weiter versucht und eingeführt zu
werden.
Sollte die Aloësäure für die Folge in größern Quantitäten verwendet werden, so
würden gewiß kleinere Schwefelsäurefabriken, welche die sich entwickelnde
Untersalpetersäure direct in die Bleikammern leiten könnten, deren Anfertigung
übernehmen.In der letzten Zeit haben Professor Sacc und der
Fabrikant A. Schlumberger in Mülhausen sehr
beachtenswerthe Versuche über die Anwendung der Aloë zum Färben und
Drucken von Kattun und Wolle angestellt, welche im polytechn. Journal Bd.
CXXXIV S. 289 mitgetheilt wurden. A. d. Red.