Titel: | Expansions-Ventil für Dampfmaschinen, erfunden von Hrn. Charbonnier. |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXVII., S. 321 |
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LXVII.
Expansions-Ventil für Dampfmaschinen,
erfunden von Hrn. Charbonnier.
Aus dem Bulletin de la
Société d'Encouragement, Novbr. 1854, S. 649.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Charbonnier's Expansionsventil für Dampfmaschinen.
Hr. E. Burnat legte der Mülhauser
Industrie-Gesellschaft in ihrer allgemeinen Sitzung am 28. Decbr. 1853 ein
Expansionsventil für Dampfmaschinen vor, welches von Hrn. Charbonnier erfunden und mit gutem Erfolg bei mehreren Maschinen nach dem
System des Hrn. J. J. Meyer, die im Departement des
Oberrheins sehr verbreitet sind, angewendet wurde.
Die Meyer'schen Dampfmaschinen sind bekanntlich verticale,
haben nur einen Cylinder und eine Kurbelstange ohne
Balancier; die Expansion wird mittelst eines Ventils durch die Größe der Abweichung
des conischen Pendels regulirt. Da diese Maschinen häufig in Fabriken angewendet
werden, wo die auszuführende Arbeit bedeutender ist, als die Kraft wofür der
Maschinenbauer die Maschine bestimmt hatte, so sind die Dimensionen mehrerer ihrer
Organe, namentlich diejenigen der Admissionsöffnung, unzureichend. Um diesen
Nachtheil zu heben, hat Hr. Charbonnier das frühere
Expansionsventil durch ein anderes Stück, von größerm Durchmesser, ersetzt, und um
die Vermehrung des Widerstandes beim Aufgange zu vermeiden, hat er das Ventil
ähnlich eingerichtet wie die sogenannten Ventile ohne
Druck. Jedoch ist sein Ventil davon nicht absolut frei. Um unsere
Beschreibung klarer zu machen, wollen wir in Kürze die wesentliche Einrichtung der
Meyer'schen Dampfmaschinen angeben. Hr. Charbonnier hat diese Maschinen im Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, Nro. 83
(polytechn. Journal Bd. XCIV S. 329 und 409) beschrieben.
Bei denselben wirkt der Regulator nicht, wie bei den meisten anderen Maschinen, auf
ein Klappenventil, welches den Querschnitt der Röhre vermindert, durch die der Dampf
zum Cylinder gelangt, sondern auf ein Ventil, welches er während eines Theils des
Kolbenlaufes gehoben erhält, und die veränderliche Dauer der Oeffnung wird durch das
Spiel des Regulators bestimmt. Wenn sich das Ventil schließt, so hört der Dampf auf,
aus dem Kessel in den Cylinder zu strömen, und der bereits in letztern eingeströmte
wirkt nur durch seine Expansion während des übrigen Kolbenlaufs. Wenn sich der
Widerstand vermindert, nimmt die Geschwindigkeit zu, und indem sich die
Beschleunigung der Maschine den Regulatorkugeln mittheilt, wird die Dauer der
Oeffnung des Ventils und folglich die Menge des in den Cylinder eingelassenen
Dampfes beschränkt. Die umgekehrte Wirkung wird durch eine Zunahme der Widerstände
oder durch eine Verminderung des Drucks in dem Kessel oder Cylinder
hervorgebracht.
Fig. 1 stellt
diese Vorrichtung dar.
a, a Schwungradwelle; b, b'
senkrechte Spindel, welche mit Hülfe der beiden Winkelräder r, r' ihre Bewegung von dieser Welle erhält. Die Geschwindigkeit dieser
Spindel ist stets dieselbe wie diejenige der Hauptwelle a,
a.
c ist eine Hülse auf der Spindel b, b'; sie hat zwei Lappen, an welchen mit Scharnieren die Stangen d, d' der Kugeln p, p'
angebracht sind. Diese Kugeln können sich frei um Aufhängungspunkte in der
senkrechten Ebene, welche durch diese Punkte und durch die Achse der Stange b, b' geht, drehen.
An den Punkten e, e' der Stangen d, d' sind mittelst Scharnieren zwei Stangen e, f,
e', f' angebracht, deren Enden f, f' ebenfalls
durch Scharniere mit einer Hülse i verbunden sind, die
frei auf der Spindel b, b' gleiten kann.
k, k' Stück, welches an der Regulatorspindel befestigt
ist und zwei Coulissen hat; es dient nicht allein dazu das Auseinandergehen der
Kugeln zu beschränken, sondern auch um die Beschädigungen zu verhindern, welche die
Verbindungen durch die Geschwindigkeitsänderungen der Maschine erleiden könnten. An
der Hülse i befinden sich zwei Vorsprünge, woran die
beiden Stangen l, von denen nur eine dargestellt wurde,
befestigt sind. Diese beiden Stangen laufen parallel mit der Spindel b, b' und verbinden die Hülse i mit dem Expansionsexcentricum m.
Dieser Theil, nach Analogie Excentricum genannt, ist ein hohler Cylinder, dessen
innerer Durchmesser gleich dem äußeren Durchmesser der Welle b, b' ist. Dieser hohle Cylinder hat zwei Falzen, verschiebt sich auf zwei Federn, welche
in die Spindel b, b' eingelassen sind und nimmt an der
Rotationsbewegung dieser Welle Theil.
Das Excentricum ist auf seiner Außenfläche mit zwei gekrümmten Leisten oder Zungen
versehen, die gleiche Länge haben. Die Oberfläche jeder dieser Zungen geht von einer
der Erzeugungslinien des Cylinders i aus und ihre Breite
ist am obern Theil größer als am untern Theil.
Indem nun diese Zungen gegen die Stange t des
Expansionsventils treten, heben sie dasselbe, halten es längere oder kürzere Zeit
offen, je nach der Höhe des Excentricums, die ihrerseits von der Entfernung der
Kugeln abhängt und auf die Breite Einfluß hat, welche die Junge während ihres Ganges
der Stange t darbietet.
Unter dem Excentricum hat man einen Ring n angebracht, in
welchem sich die Welle b, b' frei drehen kann. Dieser
Ring hat zwei Ohren, in denen zwei Stangen o befestigt werdenwerdeu, die so geführt sind, daß sie nur eine senkrechte Bewegung annehmen
können. In der Figur konnte nur eine von diesen Stangen abgebildet werden.
Die untern Enden der Stangen o sind durch ein Stück
verbunden, dessen Mitte auf einer unten befestigten Rolle s ruht. Gegen diese Rolle tritt das Ende v''
eines Hebels v, v', v'', welcher sich um den Punkt v' dreht. Das andere Ende v
dieses Hebels ist mit einem Gegengewicht q versehen. Die
von dem Gegengewicht ausgeübte Kraft sucht die Hülse i
zu heben und kommt der Centrifugalkraft zu Hülfe, welche das Auseinandergehen der
Kugeln hervorbringt.
Nach diesen Erläuterungen kommen wir auf die Ventile zurück, welche neuerlich Hr. Charbonnier erfunden hat, besonders auf dasjenige,
welches er für die Maschine einer der Spinnereien der HHrn. Dollfus-Mieg und Comp. anwandte.Nach dem Bulletin de la Société
industrielle de Mulhouse, Nr. 425. Diese Maschine hat zwei Cylinder, unterscheidet sich aber nicht wesentlich
von den nach dem Meyer'schen System construirten; ihre
Kraft beträgt 190 Dampfpferde.
Es fand ein bedeutender Kraftverlust zwischen der Maschine und den Kesseln statt,
wovon jeder nur für einen Druck von vier Atmosphären gestempelt war. Dabei wünschte
man aber den Druck in den Cylindern zu erhöhen, da auszuführende Erweiterungen der
Spinnerei eine größere Triebkraft erforderten. Hrn. Charbonnier gelang es, diesen Anforderung zu entsprechen, indem er den
Durchmesser der Dampfröhre von 120 auf 190 Millimeter erweiterte. Der früher 0,0113
Quadratmeter betragende
Querschnitt erreichte daher 0,0283 Quadratmet., und durch diese Vergrößerung wurde
ein großer Theil des von dem Dampf in der 19 Meter langen Röhre erlittenen
Widerstandes beseitigt. Nach der Vergrößerung des Querschnitts dieser Röhre mußte
man auch denjenigen der runden Admissionsöffnung vergrößern, deren Durchmesser 115
Millimeter betrug. Der Durchschnitt dieser Oeffnung betrug daher 0,0103 Quadratmeter
und, beim Druck von 4 Atmosphären, der von dem Dampf dem Aufgange des Ventils
entgegengesetzte Widerstand beiläufig 582 Kilogr.
Es sollte nun der Querschnitt der Oeffnung vergrößert werden, ohne diesen Widerstand
wesentlich zu erhöhen, und Hr. Charbonnier hat die Frage
dadurch gelöst, daß er die Oeffnung nicht mehr gegenüber der kleinsten Basis des
abgestumpften Kegels, welcher das alte Ventil bildete, sondern auf der Peripherie
oder dem Umfange der conischen Oberfläche des neuen anbrachte. Das auf diese Weise
construirte Ventil bietet dem Ausströmen des Dampfes eine Oeffnung von 0,0193
Quadratmeter Querschnitt dar und der Widerstand gegen das Aufgehen des Ventils,
welcher durch den Druck des Dampfes auf die Projection der conischen Oberfläche
gemessen wird, beträgt nur etwa 619 Kil. bei gleicher Pression von 4 Atmosphären.
Die Zunahme des Widerstandes ist daher fast Null, obgleich die Ausströmungsöffnung
beinahe verdoppelt wurde; und die elastische Flüssigkeit in der Dampfbüchse besitzt
einen Druck, welcher nahezu gleich demjenigen im Kessel ist, weil die Spannung,
welche in diesem 4 Atmosphären beträgt, auf dem Kolben 3,8 bis 3,9 Atmosphären
erreicht.
Die Fig. 2,
3, 4 und 5 stellen die
neue Einrichtung dar. Fig. 2 ist ein
Seitenaufriß der Schieberbüchse; Fig. 3 ist ein vorderer
Aufriß derselben; der Ventilsitz, der Bügel und die Stopfbüchse sind hier als
beseitigt angenommen. Fig. 4 ist der
Durchschnitt von Fig. 2, nach der Linie AB dieser Figur,
und zeigt die Anordnung des Sitzes, so wie das gehobene Ventil.
Fig. 5 endlich
stellt den Grundriß des Ventils dar, welches, sowie sein Sitz, aus Gußeisen
besteht.
Das Einströmungsrohr des Dampfes endigt bei a; der Dampf
dringt in den Raum b, b und zieht durch die Oeffnungen
c, c, c, um in die Schieberbüchse zu strömen.