Titel: | Die blaue Camera obscura; von H. C. H. Günter, Photograph und Maler in Hannover. |
Autor: | H. C. H. Günter |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXXIX., S. 372 |
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LXXIX.
Die blaue Camera
obscura; von H. C. H. Günter, Photograph und Maler
in Hannover.
Günter's blaue Camera obscura.
Wie die schwarze Camera der Optiker, hat auch die weiße
Camera von Löcherer in
München ihre Vortheile und Nachtheile.
Die schwarze Camera beeinträchtigt sehr die schnelle
Wirkung, was vorzüglich bei trübem Tageslichte fühlbar ist, indem die schwarzen
Wände der Camera, welche in der Regel aus Sammet
bestehen, viel einfallendes Licht verschlucken. Andererseits gewährt aber die
schwarze Camera den Vortheil, daß sie die
Schattendetails des optischen Bildes begünstigt; dieser Vortheil wird jedoch im
Allgemeinen auf Kosten der Expositionszeit erreicht und kommt daher wenig in
Betracht. Ein zweiter Nachtheil besteht darin, daß die schwarze innere Bekleidung
der Camera ein möglichst großes, gleichmäßig scharfes,
deutliches Bild beschränkt; da bekanntlich das optische Bild gegen die Ränder hin
immer mehr an Licht und beutlicher Zeichnung verliert, so entzieht eine schwarze
innere Bekleidung dem optischen Bilde seine letzte Kraft an den Rändern, was
vorzüglich die Aufnahmen bei trübem Lichte beweisen.
Die erwähnten Nachtheile der schwarzen Camera mögen Hrn.
Löcherer zu der Anwendung der weißen veranlaßt haben,
indem er die innern Wände der Camera mit weißer Farbe
ausmalte oder mit weißem Papier tapezierte.
Ich fand jedoch bald, daß auch die weiße Bekleidung nicht die beste sey, weil eine
solche Camera weit mehr als die schwarze, ein möglichst
großes, gleichmäßig scharfes Bild beschränkt und dasselbe bei intensiver monotoner
Beleuchtung in den Schattendetails zu sehr stört, obgleich im Allgemeinen eine
schnellere Wirkung erzielt wird. Letzterer Vortheil hebt sich jedoch gar zu leicht
von selbst auf, indem eine weiße Fläche oft nur deßhalb als reines Weiß erscheint,
weil keine weißere Fläche damit verglichen wird, ferner jedes Weiß mit der Zeit sich
zum Gelb hinneigt; eine weißgelbliche Bekleidung der innern Camera ist aber offenbar sehr nachtheilig, weil dann die Reflexionen der
Wände die gelben Lichter und Details des optischen Bildes unterstützen und mithin,
statt einer schnelleren, eine weit geringere Wirkung veranlassen.
Diese Nachtheile und Mängel der schwarzen und weißen Camera veranlaßten mich, die innern Wände der Camera mit einem reinen Blaulila, welches ein Halbdunkel bildet, zu versehen, indem ich von
folgenden Betrachtungen ausging.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß eine reine blaue, ziemlich dunkle Fläche, eine
eben so schnelle Wirkung zeigt, als das reine Weiß, und daß gerade die blauen
Strahlen die chemisch wirksamsten sind.
Indem man die inneren Wände der Camera mit einem reinen
Blaulila als Halbdunkel versieht, wird zunächst die Wirkung des Objectivs sehr
unterstützt, da die platten blauen Wände der Camera kein
Licht verschlucken, sondern solches zurückwerfen, daher in dem inneren Raum der Camera eine lebhafte blauviolette Reflexion
entsteht.
Um sich hiervon zu überzeugen, stelle man die blaue Camera im Zimmer auf einen Tisch, fo, daß das Objectiv sich dem Fenster
gegenüber befindet. Man nehme nun das matte Glas hinweg, lege dasselbe auf einen
entsprechenden reinen weißen Zeichenbogen, und schneide nach der Außenkante des
Rahmens ein gleichgroßes Stück Papier. Dieses Stück weißes Zeichenpapier bringe man
an die Stelle des matten Glases in der Camera, öffne das
Objectiv und man wird finden, indem man von oben durch die übrig gebliebene Oeffung
die innere Fläche des Papiers betrachtet, daß eine lehafte blauviolette Reflexion
auf der ganzen Papierfläche stattfindet. Diese Reflexion ist aber so wirksam, als
eine rein weiße, und ich darf aus Erfahrung hinzufügen, noch weit wirksamer, auch
nicht so lebhaft, daß das optische Bild in den kräftigen Details dadurch gestört
wird.
Die blaue Camera gewährt noch einen besondern indirecten
Vortheil, welcher auf dem Gesetz der Combination der drei Farben beruht. Wir haben
gesehen, daß im ganzen inneren Raum der Camera eine
lebhafte blauviolette Reflexion besteht. Wenn nun das optische Bild, welches
bekanntlich schwebend in der Camera steht, durch ein
gelbliches Tageslicht gebildet wird, oder mit anderweitigen gelben Strahlen mehr
oder weniger gehellt ist, so vereinigen sich Roth, Gelb und Blau, zerstören sich
also gegenseitig und bilden eine Art Grau, welches weit wirksamer ist, als die mehr
gelblichen oder grünlichen Details des optischen Bildes.
Die Herstellung der blauen Wände in der Camera geschieht
auf folgende Weise:
Auf eine mattgeschliffene Glastafel oder einen Reibstein von Porphyrmarmor etc.
schütte man nach Bedarf 1–2 Loth guten künstlichen Ultramarin, welcher jetzt
im Handel sehr verbreitet ist, füge höchstens 1/16 Theil Carmin zu, versetze das
Ganze mit reinem Wasser bis zur breiartigen Consistenz, und vereinige vermittelst
des Läufers die Mischung gehörig; hierauf sammle man das Ganze in ein gewöhnliches
Weinglas. Man füge dann der Farbenmischung beiläufig 1/12 ihres Volumens einer
mittelmäßig starken
Auflösung von Gummi arabicum hinzu, und vermische das Ganze innig.
Man nehme nun einen Bogen positives photographisches Papier und lege denselben auf
eine gleichgroße Pappe als Unterlage; mittelst eines mittelmäßig großen, feinen,
weichen Waschschwammes trage man die Farbe möglichst gleichmäßig und nicht zu stark
auf die Feinseite des Papieres auf, was am besten gelingt, wenn die Farbe nicht zu
sehr verdünnt ist. Sobald auf den Bogen die Farbe übertragen ist, wird derselbe an
der Ofenwärme getrocknet und so mit noch vier bis fünf Bogen fortgefahren.
Mit diesem blaulila gefärbten Papier wird das Innere der Camera tapeziert.
Da die Farbe, wie bemerkt, ein Halbdunkel bilden soll, so darf man ihr nicht zu viel
arabisches Gummi beimischen, weil sie dadurch leicht einen Glanz erhält, was meiner
Absicht entgegen seyn würde.
Jeder Photograph wird sich bei Anwendung dieser blauen Camera überzeugen, daß dieselbe alle Vortheile der weißen und schwarzen
Camera vereinigt und deren Nachtheile beseitigt.