Titel: | Ueber ein Ersatzmittel der Pyrogallussäure in der Photographie; von Prof. Dr. Rud. Wagner in Nürnberg. |
Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] |
Fundstelle: | Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXXXI., S. 375 |
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LXXXI.
Ueber ein Ersatzmittel der Pyrogallussäure in der
Photographie; von Prof. Dr. Rud. Wagner in
Nürnberg.
Wagner, über ein Ersatzmittel der Pyrogallussäure in der
Photographie.
Bei Untersuchung der von mir im Jahre 1851 unter den Zersetzungsproducten der
Gelbholzgerbsäure entdeckten Oxyphensäure machte ich (in
Erdmann's Journal für prakt. Chemie, Bd. LII S. 460)
die Bemerkung, daß diese Säure „hinsichtlich ihres Reductionsvermögens des
Silberoxydes gleich der Pyrogallussäure in der Photographie anzuwenden seyn
würde, wenn sie in größerer Menge darzustellen wäre.“ Vielfache, mit
mehreren Photographen Leipzigs angestellte Versuche haben mich damals von der Anwendbarkeit der
Oxyphensäure zur Herstellung von Lichtbildern zur Genüge überzeugt; da ich indessen
zu jener Zeit nur die Gerbsäure des Gelbholzes und das Catechu als Rohmaterial für
die Oxyphensäure kannte, so war an eine technisch mögliche Darstellung dieser Säure
nicht zu denken.
Seitdem ist nun die Oxyphensäure von verschiedenen Chemikern aus den verschiedensten
Pflanzen dargestellt worden; Rochleder erhielt sie aus
der Gerbsäure des Kaffee's,Rochleder (1852), Liebig's Annal. Bd. LXXXII S. 194.
Schwarz in Prag aus der Chinarinde,Schwarz (1852), Journal f. prakt. Chem. Bd. LVI
S. 80.
Willigk aus Ledum
palustre,Willigk (1852), ebendas. Bd. LVIII S. 205.
Eißfeldt in Marburg aus dem Kino,Gißfeldt (1854), Liebig's Annalen, Bd XCII S. 101. den Wurzeln von Krameria triandra. Tormentilla erecta
Polygonum bistorta etc.
Wenn gleich aus Vorstehendem zur Genüge hervorgeht, daß die Oxyphensäure ein sehr
allgemeines Product der trocknen Destillation gerbstoffhaltiger Pflanzen (d.h. wie
es scheint aller solchen, welche sogenannte eisengrünende Gerbsäure enthalten,
während die eisenbläuende Gerbsäure Pyrogallussäure liefert) ist, so folgt daraus
noch keineswegs, daß die fragliche Säure technische Wichtigkeit erlangt habe.
Das letztere ist aber der Fall, seitdem Professor Pettenkofer vor kurzem nachgewiesen, daß der rohe Holzessig namhafte
Mengen von Oxyphensäure enthalte und eine leicht ausführbare Trennungsmethode dieser
Säure von den übrigen im Holzessig enthaltenen Stoffen lehrte.Durch die Anwendung concentrirter Salzlösungen.
Wird nämlich der Destillationsrückstand von Holzessig, worin sich die auf
Eisensalze reagirende Pyrosäure nebst harzartigen Stoffen befindet, mit
concentrirter Kochsalz- oder anderer Salzlösung behandelt, so löst
sich darin die Pyrosäure auf, während die harzigen Beimengungen
zurückbleiben. Beim Schütteln der Salzlösung mit Aether nimmt dieser die
Pyrosäure auf und läßt sie beim Verdunsten im krystallisirten Zustande fast
rein zurück. Durch Sublimation bei angemessener Hitze wird die Säure völlig
rein erhalten. (Buchner's neues Repertorium, Bd.
III Heft 4.)Wir müssen übrigens bemerken, daß diese Methode nicht sehr ergiebig ist. A.
d. Red. Jetzt ist man im Stande, durch trockne Destillation von Tormentillwurzeln,
den Blättern von Arbutus ursi, vielleicht auch des
Krautes von Vaccinium etc. die Oxyphensäure in größerer
Menge zu photographischen Zwecken darzustellen.
Die Oxyphensäure hat viele Eigenschaften mit der Pyrogallussäure gemein. Die
Pyrogallussäure hat die Formel C₁₂ H₆
O₆, die Oxyphensäure C₁₂
H₆ O₄ (es ist bei Gelegenheit der Formel der Oxyphensäure nicht genug
hervorzuheben, daß die Phenylsäure C₁₂
H₆ O₂, auch Phenyloxydhydrat oder Carbolsäure genannt, welche
ebenso wie die Oxyphensäure bei der trocknen Destillation von Holz u.s.w. sich
bildet und in jedem Holzessig, Holztheer etc. enthalten ist, gleichfalls
Silberoxydsalze mit Leichtigkeit reducirt). Die Oxyphensäure krystallisirt in
farblosen, sehr glänzenden, dünnen Blättchen, welche häufig federbartähnlich
gestaltet sind; sie ist leicht löslich in Wasser, Weingeist und Aether, ist
geschmacklos und riecht schwach angenehm. Sie schmilzt bei 116° C. Ihre
wässerige Lösung wird durch Eisenchlorid schön grün gefärbt; die grüne Färbung geht
auf Zusatz von etwas Kali, Natron oder Ammoniak in eine schön rothe über; auf Zusatz
von Essigsäure kommt die urspüngliche grüne Färbung wieder zum Vorschein. Durch
diese Reaction unterscheidet sich die Oxyphensäure von der Pyrogallussäure, welche
bekanntlich durch Eisenchlorid dunkelblau gefärbt wird. Diese Reaction ist zugleich
so empfindlich, daß ich die Oxyphensäure als Reagens auf Eisenoxyd vorgeschlagen
habe; eine Lösung der Oxyphensäure erzeugt auf gewöhnlichem Filtrirpapier beim
Trocknen eine bläulich violette Färbung.
Läßt man einen Tropfen der concentrirten wässerigen Lösung der Oxyphensäure in
Kalkmilch fallen, so entsteht keine purpurrothe Färbung,
wie dieß bei der Pyrogallussäure der Fall ist, sondern die Flüssigkeit nimmt eine
lebhaft grüne Farbe an, die bald in Braun übergeht.
Professor v. Liebig schlug bekanntlich vor einigen Jahren
eine alkalische Lösung von Pyrogallussäure zur Absorption des Sauerstoffgases behufs
der Zerlegung der Luft vor; auch bei diesen Versuchen läßt sich vortheilhaft die
Pyrogallussäure durch Oxyphensäure ersetzen.